Hierarchie und Mobilität – ein interdisziplinärer Vergleich mit Schwerpunkt auf der griechischen Antike


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

26 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Soziobiologie
1.1 Allgemeines zur Soziobiologie
1.2. Hierarchie aus soziobiologischer Sicht

2. Gesellschaftsgeschichte
2.1 Die Entstehung von Hierarchie in menschlichen Gesellschaften
2.2 Möglichkeiten der sozialen Differenzierung
2.2.1 Kaste
2.2.2 Stände und Klassen
2.3 Die Gesellschaft des antiken Athen
2.3.1 Das antike Griechenland – ein kurzer zeitlicher Überblick
2.3.2 Die politische Ordnung Athens
2.3.3 Gesellschaftsordnung im antiken Athen
2.3.4 Die griechische Wende: die Entstehung der Politik

3. Soziobiologie und Gesellschaftstheorie

Einleitung

Bei der Analyse und Erklärung gesellschaftlicher Vorgänge können zwei grundlegende Paradigmen unterschieden werden. In den Geistes- und Sozialwissenschaften geht man in der überwiegenden Mehrheit davon aus, dass psychologische und soziale Phänomene sich nicht allein aus biologischen Faktoren erklären lassen, oder anders formuliert, dass sie eine emergente Natur besitzen. Innerhalb dieses Forschungsparadigmas spielen genuin biologische Faktoren und insbesondere die Gene bei der Erklärung von Gesellschaft faktisch keine Rolle. Es wird angenommen, dass biologische Gegebenheiten vom Menschen mit Sinn und Bedeutung belegt werden und nur in dieser geistig überformten Weise, also nicht unmittelbar auf soziale Vorgänge einwirken. Dieses Paradigma wird verstärkt seit Mitte der 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts von Vertretern der Soziobiologie infrage gestellt. So löste Edward O. Wilson mit seinem Buch Sociobiology: The New Synthesis (1975) heftige Kontroversen aus, indem er postulierte, dass neben den tierischen Gesellschaften auch menschliche Gesellschaften in ihren Ausprägungen durch ihre genetische Ausstattung bestimmt seien und dem Prinzip der natürlichen Selektion unterliegen. Soziale Phänomene vollziehen sich demnach nicht in einer eigenständigen Sphäre, in der nicht-biologische Gesetzmäßigkeiten gelten, sondern sind das Resultat der genetischen Ausstattung des Menschen. Wilson verlangte konsequent, dass die Soziologie in die Soziobiologie einzugliedern sei.

Die Provokation wurde in den Sozialwissenschaften, die noch immer die Hausmacht bei der Erklärung ihres Themengebiets innehaben, weitgehend ignoriert. So schreibt Wuketits, dass sich lediglich eine verschwindend geringe Anzahl der Soziologen im deutschsprachigen Raum mit der soziobiologischen Thematik auseinandersetzt.[1] Von dieser Seite ist folglich keine Schützenhilfe zu erwarten, wenn man versucht, beide Ansätze zu synthetisieren und in einem größeren Modell die Wechselwirkungen zwischen biologischen und sozialen Faktoren zu beschreiben.

Grundlegend geprägt sind eben erläuterte Überlegungen vom cartesianischen Dualismus, welcher von einer prinzipiellen Trennung zwischen Geist und Materie ausgeht. Dabei herrscht in den Humanwissenschaften der Primat des Geistes (im Fall der Soziologie: des Sozialen), wobei der Idealismus die starke Ausprägung darstellt, und in der (Sozio-)Biologie grob gesprochen der Primat der Materie (im Fall der Soziobiologie: der Gene); dabei verkörpert der Materialismus die starke und zurzeit in der Wissenschaftslandschaft vorherrschende Ausprägung.

Auf grundsätzliche philosophische und wissenschaftstheoretische Fragen geht diese Arbeit nicht ein. Das erste Kapitel widmet sich der Präsentation der Soziobiologie und ihrer Erklärung der Hierarchiebildung. Das zweite Kapitel behandelt dann vertiefend das Thema „Hierarchie und Mobilität“ aus gesellschaftstheoretischer Sicht – ausgehend von den Jäger-und-Sammler-Gesellschaften bis hin zu modernen Gesellschaften. Dabei liegt der Fokus auf dem antiken Griechenland. Im abschließenden dritten Kapitel sollen die beiden Ansätze gegenübergestellt und einige für die Soziobiologie auftretende Probleme diskutiert werden.

1. Soziobiologie

1.1 Allgemeines zur Soziobiologie

In der relativ jungen Wissenschaft der Soziobiologie wird versucht, das Verhalten von Tieren und Menschen auf der Grundlage einer evolutionsbiologischen Sichtweise zu erklären.[2] Es wird davon ausgegangen, dass sich das soziale Verhalten durch evolutionäre Mechanismen gebildet hat und genuin durch diese geprägt ist. Als von zentraler Bedeutung erweist sich die Evolutionstheorie von Charles Darwin, die in der natürlichen Auslese den zentralen Motor der Evolution erkennt. Sie ergibt sich aus dem Zusammenspiel von drei Faktoren – Variation, Selektion und Stabilisierung. Variation bedeutet, dass zwischen den Individuen einer Art stets leichte Unterschiede existieren werden. Diese führen zu einer unterschiedlich guten Eignung oder Anpassung der Individuen an ihre Umwelt. Die daraus resultierende unterschiedliche Fitness spiegelt sich in unterschiedlichen Reproduktions- und Überlebensraten wider. So kommt es über mehrere Generationen zu einer natürlichen Selektion der besser Angepassten und ihrer Eigenschaften, indem diese in einer von Ressourcenknappheit und Konkurrenz geprägten Umwelt mehr Nachkommen erzeugen. Über die Vererbung der Eigenschaften, welche sich „im Kampf ums Überleben“ als vorteilhaft erwiesen haben, erfolgt schließlich die Stabilisierung. Den Träger dieser Eigenschaften, was Darwin indes noch nicht bekannt war, verkörpern die Gene. Diese überdauern ihre organischen Träger, indem Kopien ihrer selbst an die jeweiligen Nachkommen weitergegeben werden. Genetische Programme, die den Trägern einen Vorteil im Vergleich zu ihren Artgenossen verschaffen, werden sich in einer Population durch den Mechanismus der natürlichen Selektion ausbreiten.

Die Soziobiologie fußt auf der Annahme, dass neben den anatomischen und physiologischen Merkmalen der Individuen ebenfalls ethologische Merkmale ein Resultat der genetischen Ausstattung der Organismen sind. Somit unterliegen sie gleichermaßen der natürlichen Selektion, da das Verhalten einen Einfluss auf die Fitness der Individuen besitzt und nur angepasstes Verhalten selektiert wird. In Absetzung zur traditionellen Verhaltensforschung wird die zentrale Bedeutung der Gene mit der Begründung betont, dass Evolution an ihnen und nicht an Individuen oder Populationen ansetzt. Ausschließlich die Gene bestehen letztendlich fort und beeinflussen in ihrer Kontinuität die jeweilige Ausprägung ihrer Träger (den Phänotyp). Mit der Fokussierung auf die Gene lassen sich zahlreiche Phänomene im Tierreich, wie z. B. selbstloses Verhalten gegenüber Verwandten (da sie eine ähnliche Erbmasse aufweisen), erklären.[3]

1.2. Hierarchie aus soziobiologischer Sicht

„Soziale Hierarchie“ kann definiert werden als „ die abgestufte Verteilung von Rechten und Pflichten innerhalb einer Gruppe oder einer Organisation “.[4] In der Soziobiologie sieht man nun keinen fundamentalen Unterschied zwischen tierischen und menschlichen Hierarchien. Der Ursprung jedweder Hierarchie wird aus dem Kampf um überlebenswichtige Ressourcen abgeleitet.[5] Mit einem höheren Rang in der Gruppe geht der leichtere Zugang zu fruchtbaren Weibchen sowie zu angestrebten Ressourcen einher. Je stärker Einzelne an den mit einer dominanten Stellung verbundenen Vorteilen interessiert sind, desto höhere Kosten werden sie auf sich nehmen, um in der Hierarchie nach oben zu gelangen. Die Gruppe als Ganzes profitiert von einer hierarchischen Ordnung dadurch, „dass sie die permanente Austragung von Konflikten und somit Kosten ersparen“.[6] Auf diese Weise profitieren auch die in der Hierarchie weiter unten stehenden Individuen von der Klarheit der Rangverteilung. Diese Überlegungen treffen nach den Vertretern der Soziobiologie auf tierische und menschliche Gesellschaften gleichermaßen zu und bieten eine plausible Erklärung der Hierarchiebildung auf der Grundlage der Evolutionstheorie.

Menschliche Hierarchien unterscheiden sich nun dadurch von tierischen Hierarchien, dass sie sich abgelöst von der unmittelbaren persönlichen Begegnung auf formale Weise verfestigen können.[7] Bei Kindern und in der Freizeit kommt dies aber praktisch nicht vor, weswegen die sich hier abspielende Hierarchiebildung der von Schimpansen gleichen soll. Generell geht man davon aus, dass eine hierarchische Ordnung entsteht, sobald Menschen dauerhaft miteinander interagieren.[8] Flohr und Flohr nennen zwei Ursachen, welche die Ausbildung von hierarchischen Ordnungen in menschlichen Gesellschaften zwingend zur Folge haben sollen. Zum einen bilde sich eine Rangordnung aufgrund des von der Natur des Menschen vorgegebenen Konkurrenzverhaltens um die seltenen Ressourcen.[9] Zum anderen sei es eine Notwendigkeit komplexerer Gesellschaften, sich durch horizontale und vertikale Arbeitsteilung zu organisieren, welche ebenfalls Rangunterschiede mit sich bringe.[10] In diesem Zusammenhang spielt ebenfalls die quasi unverzichtbare Ausbildung von Institutionen eine zentrale Rolle, die zur Stabilisierung von Hierarchien beiträgt. Auch Institutionen repräsentieren aus soziobiologischer Sicht vornehmlich den Ausdruck unbewusst ablaufender Machtkämpfe um kostbare Ressourcen und werden nicht als das Resultat einer allgemeinen Vernunft oder bewussten Übereinkunft der Individuen angesehen.[11] So ist die politische Institution der Demokratie für Soziobiologen das Resultat einer bestimmten Machtkonstellation in einer Gesellschaft, die sich dadurch auszeichnet, dass keine Gruppe im Staat dominieren kann, und nicht das Resultat hehrer intellektueller Überlegungen von durch Eigennutz emanzipierten Individuen.[12] Das Phänomen der Demokratie wird an späterer Stelle erneut diskutiert, wenn im Laufe der gesellschafts-wissenschaftlichen Darstellung von Hierarchie die Griechen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken.


[...]

[1] Wuketits, S. 5.

[2] Voland, S. 1.

[3] Ebd., S. 5.

[4] Flohr & Flohr, S. 173.

[5] Ebd., S. 176.

[6] Ebd., S. 179.

[7] Ebd., S. 175.

[8] Berger et al. 1977, In: Flohr & Flohr, S. 176.

[9] Flohr & Flohr, S. 182.

[10] In den Sozialwissenschaften wurde die Ungleichheit unter Menschen u. a. von Gustav Schmoller ebenfalls anhand der Arbeitsteilung erklärt. Zur Kritik siehe Dahrendorf, S.14 f.

[11] Flohr & Flohr, S. 186.

[12] Ebd., S. 183.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Hierarchie und Mobilität – ein interdisziplinärer Vergleich mit Schwerpunkt auf der griechischen Antike
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Institut für Humangenetik und Anthropologie/Seminar für Alte Geschichte)
Veranstaltung
Soziobiologie und Sozialgeschichte
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
26
Katalognummer
V60620
ISBN (eBook)
9783638542517
ISBN (Buch)
9783638721615
Dateigröße
628 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Was bestimmt den Menschen und seine Geschichte - die Gene oder übergeordnete geistig-soziale Faktoren? Seit den 1970ern beansprucht die Soziobiologie die Deutungshoheit über soziale Phänomene wie Partnerwahl, Freundschaft, Aggression und die Ausbildung von Hierarchien. In den Sozialwissenschaften wurde diese Herausforderung bisher ignoriert. Zu Unrecht? Die Verwendung eigener Argumente führte wegen fehlender Literaturangaben zu Punktabzug [sic!].
Schlagworte
Hierarchie, Mobilität, Vergleich, Schwerpunkt, Antike, Soziobiologie, Sozialgeschichte
Arbeit zitieren
Ralf Bub (Autor:in), 2005, Hierarchie und Mobilität – ein interdisziplinärer Vergleich mit Schwerpunkt auf der griechischen Antike, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60620

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Hierarchie und Mobilität – ein interdisziplinärer Vergleich mit Schwerpunkt auf der griechischen Antike



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden