Das Spannungsverhältnis zur Weltgeistlichkeit. Das seelsorgerische Wirken der Meißner Franziskanermönche im späten 14. Jahrhundert


Hausarbeit, 2005

16 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitende Bemerkungen

A. Zur Geschichte des Franziskanerklosters Meißen

B. Klostergemeinschaft und Weltgeistlichkeit im mittelalterlichen Meißen

C. Weltklerus und Ordensbewegungen im Mittelalter
1. Erwerbspolitik und Wirtschaftsweise mittelalterlicher Franziskanerorden
2. Die seelsorgerische Tätigkeit der Franziskaner vor dem Hintergrund päpstlicher Privilegien und Ablassverleihungen
3. Bewertung und Zusammenfassung

D. Quellen- und Literaturverzeichnis

Einleitende Bemerkungen

Um den Hl. Franziskus von Assisi, der seine Lebensführung in zunehmendem Maße an den evangelischen Idealen orientierte, bildete sich zwischen 1206 bis 1208 eine Gruppe von zunächst Laienbrüdern, die dem strengen Gebot der Armut, der Demut und dem Willen zur unbedingten Nächstenliebe folgten. Aus dieser anfänglich kleinen Gruppe entwickelte sich über die Jahre eine große Ordensbewegung – der Orden der Franziskaner oder Minderbrüder fratres minores.

Die Niederlassungen der ersten Brüder folgten noch keinem festen Plan, sondern waren vielmehr zufälliger Natur. Ihr Zusammenschluss gründete stärker auf dem gemeinsamen Ideal der Evangeliennachahmung, als auf dem Zusammenwohnen und dem strengen Rhythmus des Lebens in der Gemeinschaft der Brüder. In späterer Zeit (ab 1217) gewann die Bewegung an innerer Struktur - 1221 entstand die erste erhaltene Fassung der Ordensregel, die Regula non bullata. Ausgehend von Italien über Frankreich, Spanien und Flandern kam die franziskanische Missionsbewegung auch nach Deutschland und um 1260 nach Meißen.

Geleitet von einem gewissen Lokalpatriotismus und den Erfahrungen, die ich in einem zweiwöchigen Praktikum im, nun als Stadtmuseum, genutzten Klostergebäude gemacht habe, möchte ich mich in dieser Arbeit diesem imposanten, die Stadtansicht prägenden, Kirchengebäude widmen. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt hierbei auf dem Verhältnis von Minderbrüdern und der Weltgeistlichkeit im 14. Jahrhundert. Dieses nicht ganz unproblematische Mit- und Gegeneinander werde ich anhand verschiedener Quellen aus dem ausgehenden 14. Jahrhundert nachzuweisen suchen. Besondere Aufmerksamkeit widme ich dabei einer Episode aus dem Jahr 1372, wo die Streitigkeiten zwischen den Stadtpfarrern und der Kustodie soweit eskalierten, dass einzig der apostolische Legat Johannes, der Patriarch von Alexandrien, der seinen Amtssitz in Breslau innehatte, die Spannungen per Dekret fürs Erste entschärfen konnte.

Die Arbeit gliedert sich dabei in drei größere Teile: Zunächst soll die Geschichte des Franziskanerklosters in Meißen skizziert werden. Da jedoch die Quellenlage insbesondere für das Franziskanerkloster einigermaßen prekär ist, kann ich nur auf Episoden eingehen, die jedoch in ihrer Gesamtheit ein, wie ich finde, authentisches Bild vom Klosterleben entstehen lassen. Eine Regestensammlung oder vergleichbare Klosterchroniken gibt es nicht und auch in der Edition der Quellentexte, dem Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, findet man im Vergleich zu anderen Klöstern des Meißner Stadtgebiets, die mit Abstand geringste Anzahl verwertbarer Quellentexte. Im zweiten Teil der Arbeit soll eine historische Episode aus dem Jahr 1372 im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Das historische Geschehen, der Konflikt von Klostergemeinschaft und Weltgeistlichkeit soll auf der Basis des Quellentextes rekonstruiert werden. Im abschließenden dritten Abschnitt der Arbeit soll die konfliktreiche Beziehung von Bruderschaft und Weltklerus vor einen weiteren historischen Horizont gestellt und mit einer schließlichen Bewertung der Ereignisse verknüpft werden. Eine wichtige Rolle werden dabei Fragen spielen, nach der Legitimität der Vorwürfe des Weltgeistlichen sowie eine Bewertung und das Hinterfragen der klösterlichen Seelsorgepraxis vor dem Hintergrund päpstlicher Privilegien.

Das Franziskanerkloster Meißen war bislang nur zweimal Mittelpunkt wissenschaftlicher Betrachtung. Da ist einmal der Aufsatz von Paul Markus (1889) der, ausgehend von den edierten Quellen, ein ganzheitlich angelegtes Bild dieses Klosters zeichnen will. Zum anderen der Aufsatz von Ferdinand Doelle (1914), zur Auflösung des Klosters. Diese Publikation war mir leider nicht zugänglich und spielt für die hier behandelten Fragestellungen eine zu vernachlässigende Rolle. Alle weitere Literatur findet sich im Literaturverzeichnis. Es ist noch darauf hinzuweisen, dass eine ganze Reihe von Publikationen auf die Paul Markus sich stützt, mir nicht mehr zugänglich sind – trotz intensiver Recherche.

A. Zur Geschichte des Franziskanerordens in Meißen

Der heute übliche Name für das Franziskanerkloster ist erst in neuerer Zeit aufgekommen. Solange es ein aktives Ordensleben gab, ist das Kloster nie in dieser Weise bezeichnet worden. In lateinischen Urkunden erscheint es als domus fratrum minorum, bzw. Barfüsserkloster (Barfottenkloster) oder ‚graues Kloster’ in volkssprachlichen Dokumenten.

Problematisch aufgrund der prekären Quellenlage ist es, einen genauen Zeitpunkt für die Stiftung des Klosters zu bestimmen. Einen frühen Hinweis erhalten wir aus einer alten Stadtchronik von Lorenz Faust[1]. Hier heißt es: „Anno 1158. Zur zeit Ottonis Marggraffen vnnd Gerungi Bischoffs zu Meissen / ist das Kloster der Franciskaner oder Bahrfüsser / sampt der Kirche gestifftet und gebawet worden / ...“[2]. Die Datierung ist aber ganz offensichtlich falsch, da der heilige Franziskus seinen Orden erst im Jahr 1209 begründet hat. Die früheste urkundliche Erwähnung des Klosters findet sich in einer Urkunde aus dem Jahre 1269[3]. Paul Markus[4] rekonstruiert den Zeitpunkt eines Vorhandenseins der Klostergemeinschaft jedoch noch früher, mit dem Verweis auf eine Urkunde aus dem Jahre 1263[5]: In einer Streitsache zwischen dem Meissner Bischof und dem Dompropst treten zwei Personen als Zeugen auf, die zwar in dieser Urkunde nicht ausdrücklich als Minderbrüder bezeichnet werden, deren Namen jedoch in einer späteren Urkunde[6] (1272) wiederholt auftreten und dort ausgesprochen als fratres minores bezeichnet werden. Dass es sich hier um Identitäten handelt, ist freilich Spekulation, aber, aufgrund der Seltenheit der Namen sehr wahrscheinlich. Es finden sich jedoch noch weitere Hinweise, die eine Stiftung in den frühen sechziger Jahren plausibel erscheinen lassen. Im Jahre 1260 wurde die sächsische Ordensprovinz in zwölf Kreise zerlegt[7], unter ihnen die Kustodie Meißen. Da nun die Kustodien üblicherweise nach der Stadt benannt wurden, in der sich das Hauptkloster befand, geht Paul Markus davon aus, dass es in Meißen 1260 ein Franziskanerkloster gab. In neueren Darstellungen divergieren die Datierungen für den angenommenen Zeitpunkt der Stiftung.[8] Wenn uns nun auch keine ganz genauen Angaben überliefert sind, können wir doch mit Recht für die Stiftung einen Zeitraum bestimmen, der sich erstreckt von den späten fünfziger Jahren bis zum Jahr 1263, wo es de facto ein Kloster gab.

Über den Zeitpunkt des Kirchenbaus und der Kirchenweihe findet man keine Dokumente mit plausiblen Angaben[9]. Alles, was wir zu dieser Frage ermitteln können, erfahren wir aus einer Urkunde[10], deren genaue Datierung leider nicht mehr möglich ist[11]. Wir wissen lediglich, dass Bischoff Withego I. die Kirche an einem 1. Mai geweiht habe. Paul Markus nimmt die Kirchenweihe vor dem Jahr 1272[12] an, mit Verweis auf eine Urkunde aus dem Jahr 1272 aus der sich das Vorhandensein des Kirchengebäudes notwendig ergibt[13]. Den Bau der ersten Kirche des Konvents in Meißen datiert die Chronologie zur franziskanischen Geschichte von Dieter Berg in den Zeitraum zwischen 1266 bis 1272[14]. Somit erscheint eine Kirchenweihe in den Jahren 1270 bis 1272 wahrscheinlich. Die Problematik um die Datierung der Anfänge franziskanischen Wirkens und Geisteslebens in den Städten des Mittelalters sind typisch. Die Franziskaner kamen zunächst als Gäste in die Stadt, wohnten in behelfsmäßigen Unterkünften, mieteten sich eine Kammer oder zogen in ein leerstehendes Siechenhaus, bis ihnen irgendwo an der Stadtmauer die Erwerbung eines eigenen Gebäudes gelang, das nun zum Kloster ausgestaltet wurde. Es ist infolgedessen schwer, die Gründungsdaten der einzelnen Niederlassungen festzulegen, wie überhaupt die Quellen zur Geschichte ihrer Klöster äußerst spärlich fließen[15].

Geweiht wurde das Kloster den Aposteln Petrus und Paulus, wie wir aus einer Papstbulle aus dem Jahr 1393 ersehen[16]. Da es sich beim Franziskanerkloster um ein markgräfliches Gestift gehandelt hat, wird die Ausstattung des Klosters nicht die schlechteste gewesen sein[17]. Genaue Angaben werden hierüber nicht gemacht. Das Kloster muss in den Folgejahren immensen Zulauf gehabt haben, denn bereits 1281 war ein Neubau der Klosteranlage im Gange[18]. Im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts wurde die Stadt Meißen und damit auch das in Triebisch- und relativer Elbnähe liegende Kloster wiederholt von Umweltkatastrophen heimgesucht. 1432 setzte nach einem gewaltigen Wolkenbruch die anschwellende Elbe das ganze Barfüßerkloster unter Wasser, so dass dieses in der Klosterkirche bis an den Hochaltar reichte. Von ähnlichen Überschwemmungen wird aus den Jahren 1434 und 1443 berichtet, wo der Wasserpegel über die Stadtmauer und über die Elbbrücke ging und diese zum Teil zerstörte[19] und weiter in den Jahren 1449 und 1451. Dazu kamen verheerende Feuersbrünste im Mai und Juni 1435, die den größten Teil der Stadt zerstörten. Bei einem Großbrand am 26. Juni 1447 wurden nicht nur das Kloster sondern auch der Rest der Stadt nahezu vollständig zerstört. Ein völliger Neubau war notwendig. 1457 wurde der Kirchenbau fertiggestellt und die neue Kirche samt 11 Altären geweiht[20]. Den Hauptaltar im Chor der Kirche zierte eine Darstellung von Johannes dem Täufer und dem Evangelisten Johannes[21].

[...]


[1] Lorenz Faust, Geschicht- und Zeitbüchlein der berühmten churfürstlichen Stadt Meissen, Dresden 1588.

[2] Siehe Faust S. 25.

[3] Cod. Dipl. Sax. Reg. II, 207.

[4] Paul Markus, Das Franziskanerkloster in Meissen in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meissen, 2 1889; S. 313.

[5] Cod. Dipl. Sax. Reg. II, 1, 194.

[6] Cod. Dipl. Sax. Reg. II, 1,214; Es handelt sich um die Brüder Fridericus (Guardian) und Heinricus de Rothowe als Zeugen bei der Stiftung eines bischöflichen Vermächtnisses

[7] Die Zergliederung der Ordensprovinz Sachsen ist jedoch für mich nicht nachweisbar. P. Markus bezieht sich auf eine Darstellung von einem Herrn Woker, Norddeutsche Franziskanermissionen, o. J.; im Chronologischen Abriss der Geschichte der sächsischen Franziskanerprovinzen – ‚Spuren Franziskanischer Geschichte’, Dieter Berg [Hrsg.] findet sich in diesem Zeitraum kein Verweis auf eine Neugliederung des betrachteten Territoriums.

[8] Vgl. Berg, Spuren franziskanischer Geschichte, S. 163 – Jahr 1263; Teichmann, Franziskanerklöster, S. 150 – Jahr 1250; Rittenbach-Seifert, Bischöfe, S. 158 – vor 1260( im Zeitrahmen des Bischofs Konrad I.)

[9] Die Angabe bei Lorenz Faust (Jahr 1158, S. 25) kann man natürlich nicht als relevanten Zeitpunkt für die Weihe des Kirchengebäudes annehmen, auch dann nicht, wenn man, wie Paul Markus (S. 315) davon ausgeht, annimmt, dass Faust lediglich die Ziffern eins und zwei verwechselt und 1158 statt 1258 gelesen hätte. Wäre dem so, dann müsste die Klosterkirche bereits vor der Gründung des Ordens existiert haben und demzufolge in einem Filationsverhältnis zur Afrakirche oder zur Stadtkirche gestanden haben. Dies erscheint wenig plausibel, weil uns hierüber keine urkundlichen Dokumente erhalten sind.

[10] Cod. Dipl. Sax. Reg. II, 4, 361b.

[11] Bei diesem Dokument fehlt die Jahreszahl.

[12] Paul Markus, Franziskanerkloster S. 316

[13] Cod. Dipl. Sax. Reg. II, 1, 214 – die Markgräfin Agnes setzt eine Summe aus „ad sollemnitatem S. Francisci in Misnensi ecclesia annis singulis peragendam.“

[14] Spuren franziskanischer Greschichte, Dieter Berg [Hrsg.], S. 63, Angabe mit Verweis auf Moorman, John: Medieval Franciscan Houses, New York 1983.

[15] Vgl. Schleßinger, Kirchengeschichte, Bd II, S. 300.

[16] Cod. Dipl. Sax. Reg. II, 2, 729.

[17] Paul Markus, Franziskanerkloster S. 316; Schleßinger, Kichengeschichte, Bd. II, S. 307 „... mit Hilfe milder Spenden des Markgrafen, der Meißner Burgmannen und Bürger und vieler gläubigen Christen,...“

[18] Schleßinger, Kirchengeschichte Bd. II, S. 307; Paul Markus, Franziskanerkloster S. 316.

[19] Die Angabe entnahm ich Paul Markus, Franziskanerkloster, S. 317, er beruft sich auf eine Chronik von Fabricius zu den Jahren 1429 bis 1435 und auf eine Chronik von einem Freiberger Chronisten Namens Moller, beide Texte sind offensichtlich nicht mehr erhalten.

[20] Cod. Dipl. Sax. Reg. II, 4, 379

[21] Gurlitt S. 51.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das Spannungsverhältnis zur Weltgeistlichkeit. Das seelsorgerische Wirken der Meißner Franziskanermönche im späten 14. Jahrhundert
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Inst. für Geschichte)
Veranstaltung
Seminar Klosterlandschaft zwischen Elbe und Saale
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2005
Seiten
16
Katalognummer
V60609
ISBN (eBook)
9783638542449
ISBN (Buch)
9783656765424
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wirken, Meißner, Franziskanermönche, Spannungsverhältnis, Weltgeistlichkeit, Eine, Episode, Jahrhundert, Seminar, Klosterlandschaft, Elbe, Saale
Arbeit zitieren
Philipp Maurer (Autor:in), 2005, Das Spannungsverhältnis zur Weltgeistlichkeit. Das seelsorgerische Wirken der Meißner Franziskanermönche im späten 14. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60609

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