Sometime ago - Transkription und Analyse eines Solos von Michel Petrucciani


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Analyse des Standards „Sometime Ago“
2.1 Tonart
2.2 Form
2.3 Melodik
2.4 Harmonik

3. Michel Petruccianis Klaviersolo
3.1 Analyse
3.1.1 Erster Chorus
3.1.2 Zweiter Chorus
3.1.3 Dritter Chorus
3.2 Auswertung

4. Abschließende Bemerkungen

5. Literatur

Anhang 1: Leadsheat „Sometime Ago“ (Quelle: The Real Book 1, S. 392)

Anhang 2: Solo-Transkription Michel Petrucciani: Sometime Ago (Quelle: Eigene Transkription)

1. Einleitung

Am 10. November 1992 gaben Michel Petrucciani (Klavier) und sein Vater Tony (Gitarre) im “Maison de la Danse” in Lyon zu zweit ein Konzert, das als Live-Mitschnitt auf der CD „Conversation“ 2001 veröffentlicht wurde. Einer der dort gespielten Songs ist der Standard „Sometime Ago“. Ziel dieser Arbeit ist, sowohl den Standard, als auch Michel Petruccianis Solo, welches ich transkribiert habe, zu analysieren.

2. Analyse des Standards „Sometime Ago“

2.1 Tonart

Das Stück steht in der Tonart C-Dur, was sich allerdings nicht unbedingt aus den nicht vorhandenen Vorzeichen oder dem gehäuften Vorkommen des Akkords Cj7 ableiten lässt. Vielmehr tauchen größtenteils leitereigene Akkorde auf, sowie die Dominante G7, die die Tonart festigt. Der deutlichste Hinweis auf die Grundtonart eines Jazz-Standards lässt sich jedoch meistens im vorletzten Takt des Stückes finden, denn dort steht meist die Tonika, und dies ist auch hier der Fall. Der letzte Takt ist hierfür eher ungeeignet, da dieser im Allgemeinen mit einem Turnaround wieder zum ersten Takt überleitet.

2.2 Form

Das Stück besteht, mit ausgeschriebenen Wiederholungen, aus 36 Takten. Als formbildende Elemente sind zunächst eine Klammer 1 über den Takten 9-16, ein Widerholungszeichen nach Takt 16 und eine zweite Klammer ab Takt 25 zu erkennen. Die Takte 1-8 werden demnach komplett wiederholt und können als „a“ bezeichnet werden, Takt 9-16 als „b“. Das Wiederholungszeichen teilt das Stück in der Mitte und schließt somit den A-Teil ab, der die Teile a und b beinhaltet. Nach der Wiederholung von a bleiben noch die Takte 25-36, die anfangs zwar harmonisch und melodisch b ähneln, gegen Ende jedoch deutlich davon abweichen und deshalb als b´ bezeichnet werden können. Auffallend ist, dass die Teile a und b jeweils 8 Takte umfassen, b´ jedoch 12: Die Bezeichnung b´+ liegt also nahe. Aufgrund der Abweichungen am Ende kann der zweite Teil des Stücks, a und b´+ beinhaltend, als A´ bezeichnet werden.

Abb. 1: Formaler Aufbau von „Sometime Ago“ (Quelle: Eigene Darstellung)

Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Form als „Rondo“ zu bezeichnen, würde mit Sicherheit zu weit führen. Auch die aus der Rock- und Popmusik stammende Bezeichnung von Strophe (für b) und Refrain (für a) erscheint in diesem Zusammenhang eher als unpassend. Es ist allerdings ist zu erwarten, dass der exakt wiederholte a-Teil eher entspannende Funktion hat, während die Teile b und b´+ Neues bringen und Spannung aufbauen. In den Kapiteln Melodik (2.4) und Harmonik (2.5) soll dies näher geprüft werden.

2.3 Melodik

Grundidee der Melodie im a-Teil sind Dreiklangsbrechungen von Upper-Strukture-Dur-Akkorden. Die Töne von G-Dur über Cj7 sind als 5, j7 und 9 zu verstehen, F-Dur über Gsus als 7, 9 und 4, und Bb-Dur über Em7(b5) als b5, 7 und b9. Der Grundrhythmus sind Viertel, die nach Belieben variiert werden können. Nach einem Oktavaufschwung am Anfang dominieren im b-Teil absteigende Linien; der erste Tiefpunkt wird in Takt 12 erreicht. Danach erklingt statt einer Oktave aufwärts nur noch eine Quinte, der dann ebenfalls eine absteigende Linie und nochmals eine Quinte folgt, diesmal einen Halbton höher (Takt 13 a-e, Takt 15 b-f). Der zweite b-Teil ab Takt 25 beginnt auch mit einem Oktavsprung, gefolgt von einer absteigenden Melodie, die ersten beiden Takte der Klammern eins und zwei sind identisch. In den Takten 27 und 28 jedoch befindet sich eine tonale Sequenzierung der Takte 25 und 26, die dann allerdings nicht weitergeführt wird. In Takt 31 erwartet man den Akkord Cj7 und den Ton c2. Es erklingt allerdings Bb7 mit der #11 in der Melodie, was eine öffnende Wirkung hat. Die Takte 33-34 wiederholen die Takte 29-30 und führen das Thema zum erwarteten Cj7 am Ende.

Die in Kapitel 2.2 aufgestellte Hypothese, dass die a-Teile entspannende und die b-Teile spannungsbildende Funktion haben, lässt sich anhand der Melodie bestätigen. Zwar wirken die Optionstöne 7, 9, etc. in der Melodie des a-Teils recht modern, allerdings wird dadurch keine Spannung aufgebaut, da sie Dur-Dreiklänge bilden. In den b-Teilen hingegen passiert rhythmisch mehr, außerdem werden hier die höchsten Töne erreicht. Das Wort „Spannung“ ist in diesem Zusammenhang natürlich nur in Relation zum a-Teil zu sehen: Verglichen mit anderen Standards ist auch der b-Teil melodisch verhältnismäßig ruhig.

2.4 Harmonik

Harmonisch fallen zunächst einige Akkorde auf, die nicht zur Tonart C-Dur gehören: Em7(b5), Ebm7, Ab7 und Bb7. Alle anderen Akkorde sind Stufenakkorde basierend auf C-ionisch oder sind Zwischendominanten zu diesen.

Die Takte 1-6 pendeln zwischen der Tonika Cj7 und Gsus. Letzteres wird meist als Subdominante mit Dominantgrundton im Bass gespielt; die Bezeichnung „plagale Dominante“ liegt nahe, da es sich einerseits um die Dominante des Stücks handelt, andererseits jedoch ein entscheidender Ton fehlt: Die Terz. Die Wendung hat daher eine plagale Wirkung. Dieses Pendel wird von Petrucciani am Anfang mehrfach als Vamp gespielt. Außerdem variiert er die Dominante, in dem er verschiedene Skalen hinzufügt. Diese Vorgehensweise nennt man „Modal Interchange“.

Die Takte 7 und 8 steuern die Subdominantparallele D-Moll in Takt 9 an, A7 als Zwischendominante und Em7(b5) als, D-Moll als temporäre Tonika angenommen, zweite Stufe. Gsus in Takt 6 wird also nicht wie erwartet nach Cj7 aufgelöst. Em7 als Tonikagegenklang würde demnach an dieser Stelle sinnvoller erscheinen, als Em7(b5), da sich Dominanten im Allgemeinen auch gut in Vertreterklänge der Tonika auflösen lassen. Der halbverminderte Akkord wurde sehr wahrscheinlich aufgrund der Melodie gewählt: Auf ihm baut sich ein Upper-Structure Bb-Dur-Dreiklang auf (Verminderte Quinte, Septime und b9), was bei einem E-Moll-Akkord mit reiner Quinte nicht möglich gewesen wäre. Ein anderer Grund für den halbverminderten Akkord an dieser Stelle könnte die Tatsache sein, dass bei dieser II-V-Verbindung D-Moll als vorübergehende Tonika angesehen wird (obwohl Dm7 wiederum in eine II-V-Verbindung mit G7 eingebettet ist). Angenommen die Skala D-äolisch liegt vor (andere sind natürlich auch denkbar), entspräche die kleine Sexte b bei Em7(b5) der b5. Bei A7 ist dieser Ton die b9; HM5, HTGT oder Alteriert sind mögliche Skalen.

Auch G7 in Takt 10 wird nicht in die Tonika aufgelöst, es folgt ein Trugschluss nach Am, welchem die Zwischendominante E7 vorangestellt ist. Bereits hier wird die Tonika Cj7 nach dem Wiederholungszeichen angesteuert, und zwar durch einige Quintfälle. In Takt 13 und 14 steht D7 als Doppeldominante, welcher allerdings erst in Takt 16 G7 mit vorangestellter zweiten Stufe folgt. In Takt 15 stehen zwei Akkorde, die scheinbar sehr weit vom C-Dur-Bereich entfernt liegen: Ebm7 und Ab7. Ab7 ist das Tritonussubstitut der Doppeldominante D7. Beide Grundtöne liegen einen Tritonus voneinander entfernt. Die für eine Dominante wichtigsten Töne Terz und Septime (hier c und fis/ges) haben sie gemeinsam und können daher miteinander ausgetauscht werden. Dem Tritonussubstitut wurde die zweite Stufe Ebm7 vorrangestellt, als würde es sich um eine II-V-I-Verbindung in Db-Dur handeln. Aus der Sekundär-Dominante wird dadurch quasi eine Primäre Dominante gemacht. Die zu erwartende Skala für Ab7 ist Ab-mixo-#11.

Die zweite Klammer beginnt wie die erste mit einer II-V-Verbindung in C, der allerdings in Takt 27 nicht die erwartete erste Stufe folgt, sondern der Tonikagegenklang Em7, Vertreter von Cj7. Em7 wiederum ist zweite Stufe in einer II-V-Verbindung, deren erste Stufe D-Dur sein müsste. Dur, weil die Skala zu Em7 die dorische ist, in Moll würde man lokrisch erwarten. In Takt 29 steht allerdings D-moll, wieder Teil einer II-V-Verbindung von C.

Ab Takt 32 wird die Tonika Cj7 in Takt 35 über Quintfälle angesteuert. Ein Quinte nach oben gerechnet, müsste in Takt 31 Em7 oder E7 stehen, was auch zur Melodie passen würde. Allerdings wurde der Akkord Bb7 verwendet, Tritonussubstitut von E7. Das e in der Melodie bestätigt die zu erwartende Skala Bb-mixo-#11. In Takt 36 befindet sich ein Turnaround zu Cj7 in Takt 1.

Die harmonische Analyse bestätigt, dass Teil a entspannende Funktion hat. Es geschehen keine unerwarteten Wendungen, der Dominante Gsus ist sogar der sonst Spannung bringende Leitton genommen, was eine plagale Wirkung hat. Lediglich die Takte 7 und 8 leiten in den neuen Teil über, das zusätzliche b-Vorzeichen von Em7(b5) entfernt das Geschehen allerdings nicht sehr weit von C-Dur. Die Teile b und b´+ bringen harmonisch etwas mehr, die Höhepunkte liegen in den Takten 15 und 31 bei den weit von der Tonika entfernten Tritonussubstituten.

Abb. 2: Übersicht über die Harmonik von „Sometime Ago“ (Quelle: Eigene Darstellung)

Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Sometime ago - Transkription und Analyse eines Solos von Michel Petrucciani
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
Jazz-Harmonielehre
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V60596
ISBN (eBook)
9783638542364
ISBN (Buch)
9783638799485
Dateigröße
674 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sometime, Transkription, Analyse, Solos, Michel, Petrucciani, Jazz-Harmonielehre
Arbeit zitieren
Christian Kowollik (Autor:in), 2005, Sometime ago - Transkription und Analyse eines Solos von Michel Petrucciani, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60596

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