Der internationale Erbfall. Vermeidung der Doppelbesteuerung im Erbschaftsteuerrecht


Hausarbeit, 2006

33 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

A. Einführung in das Thema

B. Grundzüge des deutschen Erbschaftsteuerrechts
I. Charakterisierung der Erbschaftsteuer
II. Rechtsgrundlage des Erbschaftsteuerrechts
III. Grundlagen der Erbschaftsbesteuerung
1. Steuerpflicht
2. Wertermittlung des steuerpflichtigen Erwerbes
3. Berechnung der Steuer

C. Der Internationale Erbfall
I. Überblick
1. Begriff und Definition
2. Arten internationaler Erbfälle
3. Beispiele
II. Besteuerungsprobleme
1. Besteuerung in mehreren Staaten – Doppelbesteuerung
2. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
III. Doppelbesteuerungsabkommen
1. Übersicht
2. Freistellungsmethode
3. Anrechnungsmethode
IV. Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer gem. § 21 ErbSt
1. Voraussetzungen
a. Unbeschränkte Steuerpflicht
b. Kein Doppelbesteuerungsabkommen
c. Antrag
d. Auslandsvermögen
da. Der engere Begriff des Auslandsvermögens
db. Der weitere Begriff des Auslandsvermögens
dc. Beispiel
e. Anrechenbare ausländische Steuer
2. Anrechnungsbeschränkung bei Wertzuwachssteuern im Ausland

D. Zusammenfassung der Ergebnisse
Anhang 1
Anhang 2
Anhang 3
Exkurs
1. Zur Wirkung der Freistellungsmethode
2. Zur Wirkung der Anrechnungsmethode
3. Zur Gesamtbetrachtung beider Methoden

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einführung in das Thema

Der Begriff der Erbschaft und Schenkung bezeichnet eine Vielzahl von unterschiedlichen Vorgängen. Ein Nachlass wird innerhalb der Familie und Verwandtschaft aufgeteilt, ein Vermögen wird an Dritte vererbt, ein Betrieb geht an seinen Nachfolger weiter, ein Grundstück wird an die Kinder verschenkt und vieles mehr. Bei all diesen Vorgängen ändern sich die Vermögensverhältnisse der Begünstigten. Juristisch werden Erb-schaften und Schenkungen deswegen als Erwerb behandelt und sind folglich steuerpflichtig. Der Tod einer Person bzw. die Schenkung unter Lebenden zieht nicht nur persönliche und familiäre Konsequenzen nach sich, sondern begründet gleichermaßen auch steuerliche Tatbestände.

Mit der vorliegenden Seminararbeit wird der Vielschichtigkeit des Erbschaftsteuerrechts Rechnung getragen. Ohne Zweifel sind Schenkungen und Erbschaften allgegenwärtige Vorgänge des Alltagslebens. Jedoch erfahren diese beiden Vorgänge durch die Öffnung der Weltmärkte und der fortschreitenden Globalisierung erhebliche steuerliche Brisanz. Insbesondere die Entwicklung der Europäischen Union mit ihren europäischen Unionsbürgerrechten sorgt für eine stetige Inter-nationalisierung innerhalb von Familien. Nicht selten gerät das deutsche Erbschaftsteuerrecht in Kontakt mit ausländischem Nachlassrecht. Jene Auslandsberührungen sind wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit.

Neben einer groben Einführung in das deutsche Erbschaftsteuerrecht wird sich die Seminararbeit schwerpunktmäßig mit den Problemen des so genannten internationalen Erbfalls beschäftigen. Maßgebend hierfür sind Sachverhalte, die zu einer Doppelbesteuerung bei den beteiligten Personen aufgrund ihrer beschränkten und unbeschränkten Steuerpflicht in mehreren Staaten führen. Die besonderen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung werden im Verlauf der Arbeit ausgiebig erörtert. Anhand der kanadischen „capital gains tax“ soll abschließend verdeutlicht werden, welche Probleme auftreten, wenn unterschiedliche Steuersysteme aufeinander treffen.

B. Grundzüge des deutschen Erbschaftsteuerrechts

I. Charakterisierung der Erbschaftsteuer

Die Erbschaftsteuer ist eine Steuer auf das Einkommen i.S. eines Reinvermögenszugangs, der durch Erwerb von Todes wegen (Erbe) oder durch Schenkung unter Lebenden ausgelöst wird. Ihre Rechtfertigung beruht auf der Tatsache, dass der aufgrund des Erbes ausgelöste Vermögenszuwachs die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers steigert. Sie entspricht daher in ihrer Ausprägung einer Bereicherungssteuer.[1] Damit folgt das deutsche Erbschaftsteuerrecht dem Modell der Erbanfallsteuer und besteuert, ausgelöst durch den Erwerb des Erblassvermögens, die Vermögensmehrung beim Erben. Somit ist für jeden einzelnen Erwerber nicht die Höhe des Nachlasses von Bedeutung, sondern vielmehr die persönlich hervorgerufene Bereicherung. Sie ist demnach eine Subjektsteuer und berücksichtigt bei der Ermittlung der Steuerschuld das Verwandtschaftsverhältnis des Erben zum Erblasser.

Die Erbschaftsbesteuerung kann jedoch auch in Form einer Nachlasssteuer vorgenommen werden. Hierbei erfasst der Fiskus letztmalig das Vermögen des Erblassers, indem er den gesamten ungeteilten Nachlass des verstorbenen Steuerpflichtigen einer „letzten Vermögensteuer“ unterwirft. Im Gegensatz zur Erbanfallsteuer ist die Nachlasssteuer eine Objektsteuer und vernachlässigt in der Regel die persönlichen Verhältnisse der beteiligten Personen.[2]

II. Rechtsgrundlage des Erbschaftsteuerrechts

Grundsätzlich baut sich das Erbschaftsteuerrecht auf dem Erbrecht des bürgerlichen Gesetzbuches auf (Maßgeblichkeit des bürgerlichen Rechts).

Insbesondere bei der Regelung der steuerbegründenden Tatbestände (§§ 1 bis 7 ErbStG) greift das Erbschaftsteuerrecht auf zahlreiche Begriffe aus dem bürgerlichen Recht zurück. Damit ist sicher gestellt, dass sich eine Erbschaftsteuer nur aufgrund rechtlicher Beurteilung aus dem BGB ergeben kann. Eine Erbschaft im wirtschaftlichen Sinn gibt es nicht.[3] Jedoch löst sich das Erbschaftsteuerrecht in einzelnen Punkten vom bürgerlichen Recht. Dadurch wird die Besteuerung praktikabel gemacht und eine lückenlose Erfassung aller Steuertatbestände gewährleistet.[4]

Die Entwicklung des Erbschaftsteuerrechts vollzog sich nahezu konstant. Die Grundlage des heutigen Erbschaftsteuer- und Schenkung-steuergesetzes bildete hierbei das Reichserbschaftsteuergesetz aus dem Jahre 1906. Eine Entscheidung des BVerfG vom 22. Juni 1995[5] zur Verfassungswidrigkeit der ungleichen Bewertung von Grundbesitz und Kapitalvermögen führte letztlich zur heutigen Fassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vom 27. Februar 1997[6]. Nach weiteren Änderungen im Zuge des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999[7] wirft das Gesetz jedoch weiterhin Fragen hinsichtlich der Ungleichbewertung unterschiedlicher Vermögensarten auf. In einem aktuellen Vorlagebeschluss des BFH vom 22. Mai 2002[8] werden die Verstöße gegen den Grundsatz der realitätsgerechten Wertrelationen aufgelistet. Es bleibt abzuwarten, wie das BVerfG über diesen Vorlagebeschluss entscheiden wird.

III. Grundlagen der Erbschaftsbesteuerung

1. Steuerpflicht

Vergleichbar mit anderen Steuergesetzen unterscheidet auch das Erbschaftsteuergesetz zwischen sachlicher und persönlicher Steuerpflicht.

Nach § 1 ErbStG unterliegen insbesondere der Erwerb von Todes wegen (§ 3 ErbStG) und die Schenkung unter Lebenden (§ 7 ErbStG) der sachlichen Steuerpflicht. Die steuerpflichtigen Erwerbsvorgänge von Todes wegen sind katalogisiert im § 3 ErbStG aufgelistet. Dabei folgt das ErbStG weitestgehend den zivilrechtlichen Bestimmungen des BGB[9], so dass man vor allem zwischen dem Erwerb durch Erbanfall, dem Erwerb aufgrund von Vermächtnis bzw. Pflichtanteil oder dem Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall unterscheidet.

Im Gegensatz dazu werden im Katalog des § 7 ErbStG die Tatbestände der Schenkung unter Lebenden aufgezählt. Demnach begründen vornehmlich freigebige Zuwendungen unter Lebenden, durch die der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird, die Steuerpflicht.[10] An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Schenkung unter Lebenden nach Meinung von Meincke[11] in die Steuerpflicht einbezogen wurde, um einer Umgehung der Erbschaftsteuer vorzubeugen.

Die persönliche Steuerpflicht[12] wird über § 2 ErbStG definiert und regelt den räumlichen Umfang der Besteuerung. Im Gegensatz zum Einkommensteuergesetz kennt das ErbStG nicht explizit die Begriffe der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht. Jedoch sind sie bei der Erbschaftsteuer gebräuchlich[13] und beschreiben die subjektive Beziehung des Steuerpflichtigen zum Erhebungsland.

Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf den gesamten weltweiten Vermögensanfall (Weltvermögensprinzip). Hierbei ist Voraussetzung, dass Erblasser bzw. Schenker oder Erwerber im Zeitpunkt des Erbfalls oder der Schenkung „Steuerinländer“ sind. Die Inländereigenschaft differenziert sich im Sinne des § 2 Abs. 1 ErbStG für natürliche Personen über den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt sowie für Körperschaften über die Geschäftsleitung oder deren Sitz.[14] Bedenklich ist die Erstreckung der Inländereigenschaft, im Rahmen der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht, auf jene deutsche Staatsangehörige ohne Wohnsitz im Inland, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben. Dieses Nationalitätsprinzip des deutschen Erbschaftsteuerrechts wird zu weiten Teilen als gleichheitswidrig und mit dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot nicht vereinbar gewertet.[15] In allen anderen Fällen, wenn weder Erblasser bzw. Schenker noch der Erwerber Inländer sind, tritt die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 I Nr. 3 ErbStG) ein. Diese erstreckt sich lediglich auf das in § 121 BewG aufgeführte Inlandsvermögen. Dabei handelt es sich um bestimmte Vermögensgegenstände, welche eine besondere Beziehung mit dem Inland aufweisen. Hierunter fallen unter anderem inländische Grundstücke und inländisches Betriebsvermögen.

Neben der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht kennt das ErbStG auch die erweiterte beschränkte Steuerpflicht. Auf der Rechtsgrundlage des § 4 AStG erweitert der deutsche Fiskus die beschränkte Steuerpflicht über den § 121 BewG hinaus auf jedes erworbene Vermögen, dessen Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i. S. d. § 34c I EStG wären.[16] Dadurch erfasst man natürliche Personen noch für zehn Jahre, die ihren Wohnsitz in ein Niedrigsteuerland vor mindestens fünf Jahren verlegt haben und vor der Auswanderung für mindestens fünf Jahre der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht unterlagen.

Angesichts der Differenzierungsmöglichkeiten der subjektiven Steuerpflicht kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen, insbesondere dann, wenn das Nachlassvermögen mehrere Staaten berührt und eine Steuerpflicht auslöst. Die Problematik der Mehrfachbesteuerung wird im Abschnitt C näher erläutert.

2. Wertermittlung des steuerpflichtigen Erwerbes

Die Bemessungsgrundlage der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. Dabei richtet sich die Wertermittlung grundsätzlich nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes. In der Regel ist bei der Bewertung des steuerpflichtigen Erwerbes der gemeine Wert i.S.d. § 9 BewG maßgebend. Jedoch durchbrechen die speziellen Vorschriften des § 12 ErbStG diesen allgemeinen Wertmaßstab. Vor allem bei der Bewertung von Grundbesitz, Betriebsvermögen und von Anteilen an Kapitalgesellschaften werden spezielle Wertmaßstäbe herangezogen.

Der Wert der Bereicherung ist im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht zu ermitteln (Stichtagsprinzip).[17] Für den Erwerb von Todes wegen ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers und bei Schenkungen unter Lebenden der Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung ausschlaggebend. Das anfallende Vermögen ist ab diesem Zeitpunkt in den Besitz des Erben oder Beschenkten übergegangen. Wertveränderungen nach diesem Stichtag finden bereits im Vermögen des Bereicherten statt und sind für die Bewertung unbeachtlich (z.B. Kursgewinne bei Wertpapieren).

3. Berechnung der Steuer

Wie bereits erläutert, handelt es sich bei der Erbschaftsteuer um eine Subjektsteuer. Die Höhe der Steuer ist nicht nur von der Höhe der Bereicherung abhängig zu machen, sondern auch von dem Verwandt-schaftsverhältnis des Erwerbers zum Erblasser.[18]

Der Verwandtschaftsgrad drückt sich in den drei Steuerklassen[19] des § 15 ErbStG aus. Diese Steuerklassen haben Einfluss auf die Höhe der persönlichen Freibeträge gemäß § 16 ErbStG und vor allem auf den jeweiligen Steuersatz[20] nach § 19 ErbStG. Der daraus resultierende Tarif ist doppelt progressiv, da der Steuersatz sowohl mit der Höhe der Bemessungsgrundlage als auch mit abnehmendem Verwandtschaftsgrad von minimal 7% auf maximal 50% ansteigt.[21]

Die endgültige Höhe der Steuerschuld ergibt sich nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 5 ErbStG) und der jeweiligen persönlichen und sachlichen Freibeträge (§§ 16, 13 ErbStG). Auf die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG wird an späterer Stelle eingegangen.

C. Der Internationale Erbfall

In den folgenden Abschnitten werden die Ursachen der Mehrfachbelastung mit Erbschaftsteuer untersucht, sowie verschiedene Möglichkeiten der Vermeidung dieser Doppelbesteuerung aufgezeigt. Da das deutsche Recht die Besteuerung von Erb- und Schenkungsfällen unter ein Gesetz subsumiert, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit lediglich auf die Erbschaftsteuer abgestellt. Für die Schenkungsteuer gelten annähernd gleiche Sachverhalte.

I. Überblick

1. Begriff und Definition

Ein internationaler Erbschaftsteuerfall liegt vor, wenn entweder Erbschaftsteuergesetzte verschiedener Staaten Anwendung finden oder ein nationales Erbschaftsteuerrecht von einem Erbschaftsteuerfall mit Auslandsberührung ausgeht.[22]

2. Arten internationaler Erbfälle

Internationale Erbfälle definieren sich über ihren Auslandsbezug. Dieser kann vielseitig gestaltet sein und bietet die Möglichkeit zur folgenden Systematisierung[23]:

1. Erblasser oder Erben haben eine fremde Staatsangehörigkeit.
2. Erblasser oder Erben sind zwar deutsche Staatsangehörige, haben jedoch ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland.
3. Das Nachlassvermögen, das übertragen wird, ist im Ausland belegen.
Neben den o.a. Fällen gibt es noch zahlreiche andere Fälle mit Auslandsberührung, die zwecks Übersichtlichkeit jedoch unerwähnt bleiben.

3. Beispiele

Die Vielfältigkeit des internationalen Erbfalls spiegelt sich in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen wider. Folgende Beispiele[24] dienen der Veranschaulichung und zeigen die Komplexität internationaler Erbfälle auf.

- Der Erblasser deutscher Staatsangehörigkeit verbringt seinen Lebensabend auf seinem Landgut in Frankreich und stirbt dort untestiert. Er hinterlässt seiner Ehefrau, mit der er im Güterstand der Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts lebte, das Landgut in Frankreich, ein weiteres Landgut in Deutschland und die 50%ige Beteiligung an einer kanadischen Kapitalgesellschaft.
- Die in Deutschland ansässige A stirbt und hinterlässt dem ebenfalls in Deutschland ansässigen B ein in Frankreich belegenes Grundstück.
- Der in den USA ansässige A stirbt und hinterlässt dem in Deutschland ansässigen E sein gesamtes in den USA belegenes Vermögen.
- M und F, italienische Staatsangehörige, haben vor 30 Jahren in Italien geheiratet und leben mit zwei gemeinsamen Kindern seit 10 Jahren in Deutschland. Die Kinder sind ebenfalls italienische Staatsangehörige. Das Vermögen des M besteht aus einigen Mehrfamilienhäusern und einem Gastronomie-Einzelunternehmen. M möchte testieren, dass sein ältester Sohn „alles erhält“.

II. Besteuerungsprobleme

Die Besteuerung unentgeltlicher Vermögensübergänge (hier: Erbschaft) obliegt der Steuerhoheit eines jeden Staates. Wird eine derartige Steuer durch einen Staat erhoben, gibt es in der Regel auch nationale Normierungen bezüglich der Behandlung grenzüberschreitender Vorgänge dieser Art. Jedoch variieren diese Regelungen von Staat zu Staat. Eine Harmonisierung zwischen den einzelnen nationalen Steuerrechten gibt es nicht. Vielmehr entscheidet der einzelne Staat allein und ohne Rücksicht auf andere staatliche Regeln, ob und in welchem Umfang er internationale Erbfälle besteuert.[25]

Durch diesen Sachverhalt erklären sich auch die zahlreichen steuerlichen Probleme, die durch das Auftreten internationaler Erbfälle aufgeworfen werden. Das Kernproblem internationaler Erbschaftsbesteuerung – die Besteuerung ein- und desselben Erbfalls in mehreren Staaten – wird im Folgenden näher analysiert.

1. Besteuerung in mehreren Staaten – Doppelbesteuerung

Sind die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 I Nr. 1 ErbStG) erfüllt, kann es dazu kommen, dass sowohl Deutsche als auch Ausländer bei Erwerb von Auslandsvermögen der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen. Im Falle, dass dieser Nachlass nicht nur von der deutschen, sondern auch noch von einer vergleichbaren ausländischen Steuer erfasst wird, kommt es zu einer Doppelbesteuerung desselben Erwerbs durch eine deutsche und eine gleichartige ausländische Steuer.[26] Die häufigste Form der Doppelbesteuerung tritt durch das Zusammentreffen von unbeschränkter Steuerpflicht im Wohnsitzstaat und beschränkter Steuerpflicht im Belegenheitsstaat auf.[27]

2. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

In extremen Einzelfällen führt diese Form der Mehrfachbesteuerung zu ausufernden Steuerbelastungen bei den Beteiligten. Die meisten Staaten haben erkannt, dass der internationale Erbfall in der heutigen Zeit nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel darstellt. Deswegen sind in den meisten nationalen Steuerrechten Vorkehrungen getroffen worden, um unter bestimmten Voraussetzungen, die Doppelbesteuerung zu vermeiden bzw. zu mildern.[28] Technisch geschieht dies dadurch, dass entweder auf die Besteuerung des Auslandsvermögens verzichtet wird (Freistellungs-methode), dass die im Ausland gezahlte Steuer auf die inländische Steuer angerechnet wird (Anrechnungsmethode) oder dass die im Ausland gezahlte Steuer vom inländischen Erwerb wie eine Schuld abgezogen wird (Abzugsmethode). Neben diesen nationalen bzw. unilateralen Maßnahmen werden zur Vermeidung der Mehrfachbesteuerung auch sog. bilaterale Vorkehrungen, in Form von Staatsverträgen zwischen den beteiligten Staaten, getroffen. Derartige internationale Doppelbesteuerungsabkommen (folgend: DBA) regeln die Besteuerungskompetenzen zwischen den Vertragsstaaten, indem sie versuchen die Steuertatbestände kollisions-auflösend zu beschränken.[29]

Die Harmonisierungsfunktion der uni- bzw. bilateralen Maßnahmen ist unumstritten. Jedoch ergeben sich bei der Durchführung dieser Normen erhebliche Probleme, die im Wesentlichen durch die unterschiedliche Ausgestaltung nationaler Steuerrechte entstehen. Inwieweit die Vorkehrungen des deutschen Erbschaftsteuerrechts zielführend ausgestaltet sind und welche Schwierigkeiten dabei auftreten, wird im Weiteren näher erläutert.

[...]


[1] Tipke/Lang, Steuerrecht, Köln 2005, § 13 Rz. 102.

[2] Birk, Steuerrecht, Heidelberg 2005, Rn 1201-1202.

[3] BFH, BStBl. III 1960, 348; BFH, BStBl. II 1976, 632.

[4] Schulz, Erbschaftsteuer, Achim 1991, S. 42.

[5] BVerfG, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 553.

[6] BGBl. I 97, 378.

[7] BGBl. I 99, 402.

[8] BFH v. 22.5.2002, II R 61/99, BStBl. II 2002, 598.

[9] Die Maßgeblichkeit des bürgerlichen Rechts auf das ErbStG vollzieht sich insbesondere bei der Definition der steuerpflichtigen Vorgänge. Folgende BGB-Normen schlagen sich im ErbStG nieder: Erbanfall § 1922 BGB, Erbersatzanspruch §§ 1934a ff. BGB, Vermächtnis
§§ 2147 ff. BGB, Schenkung auf den Todesfall § 2301 BGB.

[10] Tipke/Lang, Steuerrecht, 2005, § 13 Rz. 121.

[11] Meincke, ErbStG, 1999, § 1 Rz. 10.

[12] siehe Anhang 2/3: Umfang des erbschaftsteuerpflichtigen Vermögensanfalls

[13] Schulz, Erbschaftsteuer, 1991, S. 100.

[14] Wohnsitz u. gewöhnlicher Aufenthalt §§ 8, 9 AO ; Geschäftsleitung u. Sitz §§ 10, 11 AO.

[15] Kamps, ErbStB 2003, Heft 3, S. 92.

[16] Tipke/Lang, Steuerrecht, 2005, § 13 Rz. 143.

[17] Tipke/Lang, Steuerrecht, 2005, § 13 Rz. 169.

[18] Schulz, Erbschaftsteuer, 1991, S. 303.

[19] siehe Anhang 1: Überblick über die Steuerklassen und Steuersätze im ErbStG

[20] siehe Anhang 1: Überblick über die Steuerklassen und Steuersätze im ErbStG

[21] Breithecker, Einführung in die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Berlin 2005, S. 89.

[22] Schindhelm, ZEV 1997, S. 8.

[23] Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall, 1999, S. 1.

[24] Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall, 1999, S. 1 ff..

[25] Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall, 1999, S. 8 ff..

[26] Meincke, ErbStG, 1999, § 21 Rz. 1.

[27] Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall, 1999, S. 317.

[28] Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall, 1999, S. 11.

[29] Tipke/Lang, Steuerrecht, 2005, § 2 Rz. 40.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Der internationale Erbfall. Vermeidung der Doppelbesteuerung im Erbschaftsteuerrecht
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Professur für Öffentliches Recht und Steuerrecht)
Veranstaltung
Seminar im Steuerrecht
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
33
Katalognummer
V60564
ISBN (eBook)
9783638542098
ISBN (Buch)
9783638667463
Dateigröße
624 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erbfall, Vermeidung, Doppelbesteuerung, Erbschaftsteuerrecht, Seminar, Steuerrecht
Arbeit zitieren
Thomas Czada (Autor:in), 2006, Der internationale Erbfall. Vermeidung der Doppelbesteuerung im Erbschaftsteuerrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60564

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