Neil Gaimans "Neverwhere". Neil Gaimans "Neverwhere" im Vergleich mit Lewis Carrolls "Alice's Adventures in Wonderland" und "Through the Looking Glass"

Ein moderner Alice-Roman


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1. Richard Mayhew
2.2. Das U-Bahnnetz
2.3. London Below

3. Schlussteil

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Über Neil Gaimans Roman „Neverwhere“ liest man häufig Aussagen wie „[a] dark contemporary ‘Alice in Wonderland‘“[1] oder „Neverwhere is an eye-popping Alice in Wonderland […]“[2]. Allerdings beschränken sich alle diese Vergleiche nur darauf, dass gesagt wird, dass sich „Neverwhere“ und Lewis Carrolls Alice-Romane gleichen. In welchen Punkten sie sich gleichen oder auch unterscheiden wurde bisher an keiner Stelle erwähnt. In dieser Arbeit soll nun herausgefunden werden, ob sich die Romane überhaupt gleichen und wenn ja, in welchen Punkten.

Hierzu wird zuerst der Charakter des Portagonisten Richard Mayhew mit dem von Alice verglichen, im zweiten Schritt wird das U-Bahnnetz mit dem Schachspiel aus „Through the Looking Glass“ verglichen – wobei allerdings auch das Kartenspiel aus „Alice‘s Adventures in Wonderland“ angesprochen wird – und im letzten Schritt wird die Welt London Below mit ihren Entsprechungen Wunderland und Spiegelland betrachtet.

2. Hauptteil

2.1. Richard Mayhew

Richard Mayhew, der Protagonist in Neil Gaimans „Neverwhere“ erinnert auf den ersten Blick kaum an Alice aus den Romanen von Lewis Carroll. Schaut man jedoch genauer hin, entdeckt man eine Vielzahl von Übereinstimmungen. In einem Interview von Claire E. White äußerte sich Gaiman folgendermaßen: „He [C. S. Lewis] pointed out that in Through the Looking Glass that Wonderland would not have been anywhere so interesting had Alice not been so dull, so plain. If Alice had been in any way interesting herself, it would have been a much less interesting book. And I thought „you‘ve got to try.““[3] Somit steht fest, dass Gaiman sich bei seinem Roman an Lewis Carrolls Vorlagen orientiert hat und Richard Mayhew eine moderne Adaption der Alice-Figur darstellen soll.

Beide Figuren werden stark durch ihre unerschöpfliche Neugierde geprägt. Ständig stellen sie Fragen, auch wenn sie eher selten eine nützliche Antwort erhalten. Schon zu Beginn von „Neverwhere“ möchte der Marquis de Carabas Richard keine weiteren Fragen mehr beantworten[4] und auch im Verlauf des Romans wird seinen Fragen meist ausgewichen oder sie werden nur mit Bildern beantwortet[5]. Bei Alice ist dies ähnlich. Sie fragt sogar soviel, dass an einigen Stellen ihre Gesprächspartner gar nicht mehr dazu kommen, ihre Geschichten zu erzählen, wie zum Beispiel bei der Geschichte der Dormouse[6]. Ihre Fragen werden für sie ebenfalls unzureichend beantwortet. Beide denken mehrmals über ihre Situation in der unbekannten Welt nach und darüber, wie es in ihrer richtigen Welt ist.[7] Richard nutzt hierfür imaginäre Tagebucheinträge[8]. In den BBC-Folgen werden diese Tagebucheinträge durch kurze Szenen am Anfang ersetzt, bei denen Richard oder eine andere Figur des Filmes die bisherigen Geschehnisse kurz resümieren[9]. Richard und Alice versuchen stets ihnen bekannte Normen auf die neue Welt zu übertragen[10]. Ihre Argumentationsweisen sind dabei oft sehr starrköpfig.

Im Gegensatz zum ängstlichen Richard[11] ist Alice sehr selbstbewusst[12]. Sie scheut sich nicht den Wunderland- und Spielland-Figuren ihre Meinung zu sagen. Richard muss hierfür jedoch zuerst eine Entwicklung durchlaufen. Erst nachdem er die Prüfung bei den Blackfriars bestanden hat, setzt er sich durch und sorgt dafür, dass Lamia als Führerin angeheuert wird[13]. Obwohl Alice deutlich selbstbewusster auftritt, wird auch sie nicht ernstgenommen und ihr wird sogar vorgeworfen, „that [she] never think at all“[14]. Alice und Richard werden häufig bevormundet. So gibt das weiße Kaninchen im Wunderland Alice Befehle[15] und die rote Königin entscheidet sogar beim Bankett darüber, was Alice Essen darf und was nicht, indem sie sie jedem Essen vorstellt[16].

Eine weitere Parallele zwischen den äußerlich sehr unterschiedlichen Protagonisten zeichnet sich im Identitätsverlust ab. Richard verliert durch den Eintritt in London Below seine Identität in London Above[17] und bezeichnet sich dabei selbst als „a kind of non-person“[18]. Alice verliert im Spielland in einem Wald ihren Namen und kann nichts mehr mit Namen benennen, so dass auch ihre Identität dabei verlorengeht[19].

Beide Protagonisten geraten durch ihren Eintritt in eine unbekannte Welt in eine ähnliche Situation. Richard tritt eher unbewusst ein, jedoch wird auch er aktiv, da er die verletzte Door rettet[20]. Alice verfolgt im ersten Alice-Roman das Kaninchen und springt in den Kaninchenbau[21]. Im zweiten Alice-Roman geht sie ebenso freiwillig durch den Spiegel[22]. Richard folgt dem Marquis de Carabas, ohne zu wissen, wo sie hingehen[23], was stark an Alices Kaninchenverfolgung erinnert[24]. Beide kennen sich in der neuen Welt nicht aus und sind auf sich allein gestellt. Richard wird von Door, Hunter und dem Marquis de Carabas einfach in London Below zurückgelassen. Ebenso wie Alice im Wunderland[25] weiß er nicht mehr weiter und weint[26]. Richard wird jedoch von seinen Mitstreitern aufgelesen und besteht gemeinsam mit ihnen das weitere Abenteuer, wohingegen Alice bei ihren Abenteuern alleine bleibt.

Im Prolog von „Neverwhere“ wird Richard die Zukunft vorausgesagt[27]. Auch im Spielland wird Alice die Zukunft von der Red Queen vorhergesagt[28]. Beide nutzten diese Vorsage jedoch kaum. Richard hat ein klares Ziel vor Augen: Er möchte wieder in seine alte Welt zurückkehren. Alice könnte das Spielland jederzeit verlassen[29], will jedoch Königin werden und bleibt deshalb dort. Im Wonderland-Roman wird kein solches Ziel erwähnt.

Beide Figuren machen eine Entwicklung durch und erkennen diese auch selbst[30]. Hierfür müssen sie jedoch Prüfungen bestehen. Bei „Neverwhere“ werden diese Prüfungen klar benannt, nämlich die dritte Prüfung bei den Blackfriars[31] und das Töten des Ungeheuers von London[32]. In „Through the Looking Glass“ besteht die Prüfungen darin, das achte Feld zu erreichen[33]. Zusätzlich muss Alice noch eine Prüfung absolvieren, um Königin zu werden[34]. Im Wunderland besteht die Prüfung darin, sich gegen das Herzkönigspaar vor Gericht durchzusetzen[35].

[...]


[1] http://www.iblist.com/book41.htm [25.07.05]

[2] http:// www.iblist.com/book41.htm [25.07.05]

[3] http://www.writerswrite.com/journal/mar99/gaiman.htm [25.07.05]

[4] vgl. Gaiman, Neil: Neverwhere. London, Headline Book Publishing, 2000 [Nachdruck von 1996]. S. 48.; im Folgenden zitiert als: Neverwhere.

[5] vgl. z. B. ebd. S. 283.

[6] vgl. Carroll, Lewis: Alice‘s Adventures in Wonderland. London, Penguin Po-pular Classics, 1994 [Nachdruck von 1865]. S. 87ff.; im Folgenden zitiert als: Alice‘s Adventures in Wonderland.

[7] vgl. z. B. Neverwhere. S. 137f.; S. 321.; z. B. Alice‘s Adventures in Wonderland. S. 40; S. 43.

[8] vgl. Neverwhere. S. 137f.; S. 321.

[9] vgl. Humphreys, Dewi (Regie): Neil Gaiman‘s Neverwhere. London, BBC, 1996.

[10] vgl. z. B. Neverwhere. S. 139; S. 144.; z. B. Alice‘s Adventures in Wonderland. S. 70f.

[11] vgl. z. B. Neverwhere. S. 105.

[12] vgl. z. B. Alice‘s Adventures in Wonderland. S. 95.

[13] vgl. Neverwhere. S. 286.

[14] Carroll, Lewis: Through the Looking Glass. London, Penguin Popular Classics, 1994 [Nachdruck von 1872]. S. 35.; im Folgenden zitiert als: Throug the Looking Glass.

[15] vgl. Alice‘s Adventures in Wonderland. S. 40.

[16] vgl. Through the Looking Glass. S. 160.

[17] vgl. Neverwhere. S. 59ff.

[18] ebd. S. 63.

[19] vgl. Through the Looking Glass. S. 56f.

[20] vgl. Neverwhere. S. 25.

[21] vgl. Alice‘s Adventures in Wonderland. S. 12.

[22] vgl. Through the Looking Glass. S. 21.

[23] vgl. Neverwhere. S. 48ff.

[24] vgl. Alice‘s Adventures in Wonderland. S. 12ff.

[25] vgl. ebd. S. 25; S. 39.

[26] vgl. Neverwhere. S. 129.

[27] vgl. ebd. S. 3.

[28] vgl. Through the Looking Glass. S. 43f.

[29] vgl. ebd. S. 31.

[30] vgl. Neverwhere. S. 376.; vgl. Alice‘s Adventures in Wonderland. S. 122.; Through the Looking Glass. S. 143.

[31] vgl. Neverwhere. S. 249ff.

[32] vgl. ebd. S. 329.

[33] vgl. Through the Looking Glass. S. 40.

[34] vgl. ebd. S. 146.

[35] vgl. Alice‘s Adventures in Wonderland. S. 142.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Neil Gaimans "Neverwhere". Neil Gaimans "Neverwhere" im Vergleich mit Lewis Carrolls "Alice's Adventures in Wonderland" und "Through the Looking Glass"
Untertitel
Ein moderner Alice-Roman
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Germanistisches Institut - Lehrstuhl für Komparatistik)
Veranstaltung
Erfahrung und Imagination, Lewis Carrolls Alice-Romane – Alice revisited
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
16
Katalognummer
V60439
ISBN (eBook)
9783638541152
ISBN (Buch)
9783656449126
Dateigröße
400 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neil, Gaimans, Neverwhere, Alice-Roman, Neil, Gaimans, Neverwhere, Vergleich, Lewis, Carrolls, Alice, Adventures, Wonderland, Through, Looking, Glass, Erfahrung, Imagination, Lewis, Carrolls, Alice-Romane, Alice
Arbeit zitieren
Daniel Steinbach (Autor:in), 2005, Neil Gaimans "Neverwhere". Neil Gaimans "Neverwhere" im Vergleich mit Lewis Carrolls "Alice's Adventures in Wonderland" und "Through the Looking Glass", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60439

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