Die Frau im Islam - Die Genderfrage der Fatima Mernissi


Zwischenprüfungsarbeit, 2004

25 Seiten, Note: 2,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Biographisches

3. Der Emanzipationsprozess

4. Der Harem

5. Die Grundpfeiler der Religion

6. Die Gesetzesgrundlagen Hadithe

7. Das Frauenbild
7.1. Geschlechtertrennung
7.2. Der Schleier
7.3. Ursachen der Diskriminierung

8. Familienrecht
8.1. Polygamie
8.2. Die Verstoßung
8.3. Scheidung
8.4. Erziehung

9. Bildung

10. Demokratie und Frauenrecht

11. Lösungsmöglichkeiten

12. Aktuell – Frauenrecht von Königs Gnaden

13. Fazit

14. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Ich würde ihnen von dem Unmöglichen erzählen, von einer neuen arabischen Welt, in der Männer und Frauen einander in die Arme schließen und tanzen können, ohne Grenzen zwischen sich und ohne Ängste. Ich werde ihnen helfen, sich in einer Welt zurechtzufinden, in der das andere keinen Schleier braucht, in der sich die Frauen natürlich bewegen können und ihre Wünsche keine Ängste hervorrufen. Es könnte eine Welt geben, in der sich die Menschen ohne Ängste bewegen. Einfach so, ohne den bedrückenden Wunsch nach Schleiern und Grenzen zu empfinden“.[1]

Die Leidenschaft zu schreiben, wie man dem Zitat entnehmen kann, hat Fatima Mernissi schon als Kind verspürt, doch erst als erwachsene Frau hat sie gelernt sich gegen die gesellschaftlichen Unterdrückungsmechanismen mit ihrem intellektuellen Engagement zur Wehr zu setzen.[2] Ihr soziologisches Forschungsinteresse lässt sich auf ein starkes persönliches Interesse zurückführen, denn aufgewachsen in einer bourgeoisen Familie in einem Harem kannte sie die Wünsche und Sehnsüchte der Frauen, die im Harem eingesperrt waren. Schon in jungen Jahren erkannte sie, dass man dieses Unrecht nicht einfach hinnehmen sollte, sondern die Ursachen erforschen und dagegen kämpfen sollte. Geprägt wurde Fatima Mernissi durch die westlichen Bildungswerte- und ideale und den Kontakten mit der Studentenszene Europas und der USA während ihres mehrjährigen Auslandsaufenthaltes in der Mitte der 60er Jahre. Die Ideen und die Ideale des europäischen Humanismus, der Aufklärung (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) beeinflussten sie maßgeblich.[3] Fatima Mernissi ist es gelungen aus der Bourgeoisie Marokkos, einer durch Religion und Kultur traditionell prädestinierten Frauenrolle zu entkommen.[4] Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht die Ursachen der Frauenfeindlichkeit zu erforschen und sich für die Verbesserung der sozialen, ökonomischen und juristischen Realität der marokkanischen Frauen einzusetzen. Sie hat zahlreiche Bücher zu diesem Thema verfasst, die zum Beispiel die göttlich legitimierte Ordnung hinterfragen, die muslimische Historie erforschen und die marokkanische Realität darstellen.

2. Biographisches

Fatima Mernissi wurde 1940 in Fès in einem Harem geboren. Fès ist eine marokkanische Stadt, welche im 9. Jahrhundert gegründet wurde und liegt ungefähr fünftausend Kilometer westlich von Mekka und tausend Kilometer von Madrid entfernt.

Fatima Mernissi wurde nicht, wie sonst üblich, in den eigenen vier Wänden unterrichtet, sondern besuchte seit Mitte der 40er Jahre eine Elementar- Koranschule für Mädchen und Jungen. Anschließend wechselte sie auf eine freie Schule und besuchte dann das muslimische Kolleg. Das war 1956 im Jahr der Unabhängigkeit Marokkos; Fatima Mernissi war zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt. Ihren Abschluss, der ihr den Zugang zur 1956 gegründeten ersten modernen marokkanischen Hochschule ermöglichte, machte sie auf einem französischen Lycée.[5]

Fatima Mernissi’s Schul- und Ausbildungsweg fiel in eine Zeit, in der es zu bildungs-politischen Veränderungen des traditionell marokkanischen Bildungswesens. Das traditionelle islamische Bildungswesen wird im Kapitel „Bildung“ näher erläutert. Die Marokkaner waren in zunehmenden Maße der Überzeugung, dass sie sich von der Fremdherrschaft befreien könnten, wenn sie ihr Bildungswesen reformierten und kleine Schritte in Richtung westliches Wissen einleiteten, sei es in den militärischen, technischen, administrativen oder geisteswissenschaftlichen Bereichen. Die muslimischen Kollegs ermöglichten den marokkanischen Schülern, Jungen und Mädchen, den Zugang zum französischen Abitur und somit den Weg zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife auf dem Gymnasium und dadurch den Eintritt in die Hochschule. Fatima Mernissi profitierte von dieser Veränderung.[6]

Sie begann mit einem Studium der Soziologie in Rabat. Ein einjähriger Englandaufenthalt als Aupair-Mädchen folgte. Nachdem sie ihr Studium zwischendurch unterbrach, ging sie 1966 nach Paris um an der Sorbonne ihr Studium der Soziologie fortzuführen. Dort gelangte sie in die unruhige politische

Szene der aufkeimenden Studentenbewegungen, die 1968 ihren Höhepunkt erreichten. Mit 29 Jahren legte Fatima Mernissi ihr Diplom in Soziologie an der Sorbonne erfolgreich ab und folgte ihrem damaligen Freund nach New York. Von 1970 bis 1973 schrieb sie eine Doktorarbeit zu dem Thema „Male-Female Dynamics in the Muslim World“. Durch die Publikation dieser wissenschaftlichen Arbeit verschaffte sie sich binnen kürzester Zeit internationale Anerkennung.[7]

Als Fatima Mernissi nach ihrem mehrjährigen Auslandsaufenthalt in den Vereinigten Staaten Amerikas voller Tatendrang und Ideen nach Marokko zurückkehrte, musste sie feststellen, dass das alte vorkoloniale gesellschaftspolitische System Marokkos seine Funktionstüchtigkeit nicht verloren hatte. Als junge Doktorin stellt sie sich fortan in den Dienst für den Kampf gegen die Frauenfeindlichkeit. Sie führte zahlreiche Studien über die Situation muslimischer Frauen im Auftrag der UNESCO durch und veröffentlichte zahlreiche Bücher. Neben ihrer Beratertätigkeit für internationale Organisationen wie Weltbank und UNO engagiert sie sich in und für eine Vielzahl von Vereinen, Zeitschriften und Interessenverbände.

3. Der Emanzipationsprozess

Im Zuge der marokkanischen Unabhängigkeitsbewegung wurde den Frauen eine akademischen Ausbildung garantiert, die den Emanzipationsprozess der weiblichen städtischen Elite einleitete. Die Entstehung des modernen Marokko geht einher mit der Entwicklung einer weiblichen Intelligenz, der es binnen kürzester Zeit gelang, sich durch ihr Wissen und ihren Ehrgeiz den Zugang zu den traditionell männlichen Arbeitsdomänen in der Öffentlichkeit zu verschaffen. Dieser elitären Minderheit steht jedoch ein weibliches Proletariat der Städte und der ländlichen Regionen gegenüber.

Einigen engagierten Frauen dieser kleinen Bildungselite ist es gelungen, sich im In- und Ausland Gehör zu verschaffen. So auch der Soziologin Fatima Mernissi, welcher es seit den 70er Jahren gelingt, durch Publikationen ihrer wissenschaftlichen Arbeiten im soziologischen Forschungsfeld der realen Lebenswelten marokkanischer Frauen und durch die Entschlüsselung der weiblichen arabischen Geschichte, das traditionelle Schweigen der Frauen zu durchbrechen.

Doch dem Großteil der weiblichen Bevölkerung ist es weder möglich die traditionelle Rolle der Frau in Marokko bzw. in muslimischen Kulturen zu durchbrechen oder ihre gleichgestellten Rechte einzufordern, noch sich zu emanzipieren. Denn mehr als zwei Drittel der Frauen in Marokko können nicht lesen und schreiben. In einigen ländlichen Gegenden haben ca. 90 Prozent[8] der Mädchen noch nie eine Schule besucht. Fast die Hälfte der Marokkaner hat nur einen Euro pro Tag zur Verfügung. Millionen von Menschen leben unter menschenunwürdigen Bedingungen in Slums rund um die großen Städte Marokkos. Sie haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und elementarer medizinischer Versorgung. Der Wunsch nach einem menschenwürdigeren Leben ist daher größer als der Wunsch nach Emanzipation.

4. Der Harem

„Du bist in einem Harem, wenn die Welt Dich nicht braucht. Du bist in einem Harem, wenn es auf einen Beitrag von Dir nicht ankommt. Du bist in einem Harem, wenn das was du tust, keinen Sinn hat. Du bist in einem Harem, wenn die Erde sich immer weiter dreht, während Du bis zum Hals in Geringschätzung und Missachtung versinkst.“[9] Diese Sätze von Fatima Mernissi zeigen sehr eindrucksvoll wie der Harem von den Frauen als Gefängnis empfunden wird.

In ihrem Buch „Der Harem in uns“ schreibt sie über ihre Kindheitserlebnisse im Harem. Das Wort Harem ist eine leichte Abwandlung des Wortes haram, dem Verbotenen, dem Geächteten. Ein Harem ist ein Ort, an dem ein Mann seine Familie beherbergt, seine Frau oder seine Frauen.[10] Der bürgerliche Harem besteht aus Großfamilien, in denen ein Mann und seine Söhne mit ihren Frauen im gleichen Haus leben. Sie verlangen von ihren Frauen darauf zu verzichten das Haus zu verlassen. Für die Definition des Harems ist nicht die Polygamie ausschlaggebend, sondern das Verlangen der Männer ihre Frauen einzuschließen. Der Wunsch nach einem großen gemeinsamen Haushalt soll im Harem verwirklicht werden und die Aufsplitterung in kleine Kernfamilien verhindern. Hochherrschaftliche Harems exsistierten vom siebten bis zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Dort wohnten mächtige Männer des Hofes (der Herrscher, sein Wesir, die Generäle etc.) in prächtigen Palästen, die genügend Geld und Einfluss hatten, um Hunderte manchmal Tausende von Sklavinnen zu kaufen, um sie einzuschließen und von Eunuchen bewachen zu lassen. Anhand dieser Definition kann man sagen, dass es diesen hochherrschaftlichen Harem seit 1909 mit dem Ende des islamischen Reiches nicht mehr gibt, wobei der bürgerliche Harem, aber noch weit bis ins 20. Jahrhundert- sogar bis in die Gegenwart hineinreicht[11]. Mernissi’s Mutter hatte immer den Wunsch dem Harem zu entfliehen und mit ihrer Familie allein zu leben, doch der Vater konnte sich zwischen der Tradition und dem Wunsch seiner Frau nicht entscheiden. So liest man in ihrem Buch über ihren Vater: „Er fühlte sich

schuldig bei dem Gedanken etwas zu tun, das der Familiensolidarität zuwiderlief. Zu genau wusste er, dass die Großfamilie im Allgemeinen und die Harems im Besonderen schon bald nur noch Relikte der Vergangenheit sein würden.“[12] Während die Mutter zu Fatima sagte: „Du wirst diese Welt verändern, nicht wahr? Du wirst den Planeten ohne Mauern und Grenzen schaffen, auf dem die Türsteher dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr freihaben.“.[13] Harmonie heißt, sich an die vorgeschriebenen Grenzziehungen zu halten. Eine Verletzung der Grenzen zieht unweigerlich Unglück und Leid nach sich. Aber zu allen Zeiten haben die Frauen davon geträumt, die Grenzen zu überschreiten, unablässig kreist ihr Denken um die Welt jenseits des Tores, in ihrer Vorstellung zogen sie tagtäglich durch unbekannte Straßen.[14]

[...]


[1] [Mernissi, Fatima; Harem]: S. 137

[2] [Nagie, Nadia: New York]: S. 82

[3] [Nagie, Nadia: New York]: S. 61

[4] [Nagie, Nadia: New York]: S. 14

[5] [Nagie, Nadia: New York]: S. 44

[6] [Nagie, Nadia: New York]: S. 43

[7] [Nagie, Nadia: New York]: S. 51

[8] [E+Z;Entwicklung]: S.71

[9] [Mernissi, Fatima; Harem]: S. 259

[10] [Mernissi, Fatima; Harem]: S. 79

[11] [Mernissi, Fatima; Harem]: S. 46

[12] [Mernissi, Fatima; Harem]: S. 59

[13] [Mernissi, Fatima; Harem]: S. 244

[14] [Mernissi, Fatima; Harem]: S. 7

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Frau im Islam - Die Genderfrage der Fatima Mernissi
Hochschule
Technische Universität Berlin
Note
2,4
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V60404
ISBN (eBook)
9783638540926
ISBN (Buch)
9783656805281
Dateigröße
549 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frau, Islam, Genderfrage, Fatima, Mernissi
Arbeit zitieren
Nadja Giese (Autor:in), 2004, Die Frau im Islam - Die Genderfrage der Fatima Mernissi, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60404

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