Der Personenbegriff in der Praktischen Philosophie


Zwischenprüfungsarbeit, 2006

19 Seiten


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Geschichte des Personenbegriffs

3. Der Personenbegriff in der Praktischen Philosophie

4. Die Unterscheidung zwischen Menschen und Personen. Zur Debatte in der Medizinethik von Klaus Stegleder

5. Michael Quante
5.1. Verwendung des Begriffs Person bei Quante
5.2. Vorüberlegungen
5.3. Der Zeitpunkt des Todes bei Quante

6. Ralf Stoecker
6.1. Verwendung des Begriffs Person bei Stoecker
6.2. „An den Grenzen des Todes - ein Plädoyer für die moralphilosophische Überwindung der Hirntod-Debatte.“

7. Konklusion

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Person“ ist ein Schlüsselbegriff, denn an ihm entscheiden sich viele Fragen der Philosophie, der Gesellschaft, der Politik und auch der Medien, zum Beispiel um solche Fragen zu beantworten, ob man an Embryonen forschen darf oder ob aktive Sterbehilfe erlaubt ist. Es geht immer um Menschen, aber ab wann oder bis zu welchem Zeitpunkt sind es Personen? Um diese Frage soll es in dieser Arbeit gehen. Ich möchte zunächst auf die Geschichte des Begriffs Person eingehen, dann kurz den Personenbegriff in der Praktischen Philosophie vorstellen und einen Aufsatz von Klaus Steigleder vorstellen zur Debatte in der Medizinethik zur Unterscheidung zwischen Menschen und Personen. Und dann am Beispiel des Kapitels über den Tod von Michael Quante seinen Personenbegriff und seine Definition des Lebensendes aufzeigen. Und im folgenden eine konträre Meinung zu Quante von Ralf Stoecker darlegen.

Aber betrachten wir erst einmal die beiden verschiedenen Verwendungen von „Person“ in der Ethik und in der Alltagssprache. In der Ethik gibt es drei grundlegende Anwendungen. Einmal gilt das a priori Element die Individualität, also gilt der Mensch als Person ab dem Beginn des biologischen Lebens. Eine zweite setzt die Vernunftfähigkeit voraus, um als Person zu gelten. Und die dritte vertritt die Auffassung, wer nicht seine Rechte einfordern kann, ist auch nicht mehr (voll) Person, also wird der Begriff Person an empirische Fähigkeiten gekoppelt. In der Ethikdiskussion ist die Bezeichnung eines Menschen als Person eine Merkmalszuschreibung als Träger der Würde (ens morale).

Person wird in der Alltagssprache sehr selten verwendet und nicht wie es in der Ethik üblich ist, sondern der Begriff dient lediglich, als Funktion einen Menschen zu bezeichnen. Auch in der Alltagssprache verwenden wir 4 verschiedene Definitionen des Begriffs. In der ersten möchten wir es vermeiden, den richtigen Namen des Menschen auszusprechen und dadurch Distanz der Person zum Gesprächspartner schaffen, beispielsweise „eine in unserer Stadt wohlbekannt Person“. In der zweiten Definition geht es darum, Distanz desjenigen gegenüber der Person herzustellen, z.B. „eine unmögliche Person“. In der dritten Variante bedeutet Person „Einzelner“, z.B. „35 Personen“, denn es ist unmöglich sie mit Stück zu nummerieren, das wäre die falsche Kategorisierung. In der letzten und vierten Alltagsdefinition des Begriff Person, wird er verwendet in konfliktbeladenen Situationen zur Unterscheidung von Sachen und Personen, um Distanz zwischen der Sache und der Person zu erreichen, beispielsweise „Er nimmt alles gleich persönlich. Er kann einfach nicht unterscheiden zwischen seiner Person und der Sache.“[1]

Somit kommt eine Untervertretung des Begriffs Person im Alltag zum Vorschein und eine Übervertretung in der Ethik, jedoch beide Male ist die Philosophiegeschichte wenig bis gar nicht präsent.

2. Geschichte des Personenbegriffs

Person ist seit der Antike in der abendländischen Kultur ein Grundbegriff, folglich kann man nur ihn nur in exemplarische und selektiver Form chronologisch verfolgen. Erschwerend kommt hinzu, „daß wir in den letzten Jahrzehnten,..., eine Hochkonjunktur einer ´Philosophie der Person´ erleben.“[2] Momentane Abhandlungen sind meist historisch geprägt und werden auf die aktuellen Probleme bezogen.

In der stoischen Kultur sehen wir den Beginn unseres heutigen nichtdualistischen Personenbegriffs, womit gemeint ist, dass Körper und Seele nicht zwei voneinander isolierte Dinge sind, geprägt durch Cicero und Epiktet. Die „Freiheit zur Selbstgestaltung einer Persönlichkeit im individuellen Lebensvollzug,..., zeichnet in der Stoa den Menschen als eine Person aus.“[3] Die frühchristliche Theorie nahm die von den Stoa auf und wandelte sie aber in eine dualistische Vorstellung, bei der Körper und Seele voneinander getrennt sind. In der Philosophie des Mittelalters definiert sich der Personenbegriff durch ein individuelles Dasein in Beziehung zu einem „überzwischenmenschlichen“ Gott mit großem Augenmerk auf den Trinitätsmythos. Die einflussreichste Definition stammt von Boethius aus seinem Werk „Contra Eutychen et Nestorium“, in dem er die beiden zentralen Bestandteile des Personenbegriffs nennt: Vernunftbegabtheit und Individualität, demnach „kann ´persona´ nur vernunftbegabten Lebewesen zukommen, und zwar als Individuen.“[4] Ab dem 13 Jahrhundert setzt sich die Auffassung des Richards von St. Viktor durch: “Person wird die individuelle oder unmittelbare, nicht vervielfältigbare Existenz einer intellektuellen Natur genannt.“[5] Danach wird die Person der Träger von moralischer Würde und somit von ens existens zu ens morale in der moralphilosophisch motivierten Metaphysik durch Alexander von Helas. In der Neuzeit ist der epochenmachende Personenbegriff der John Lockes. Er besagt, dass zum Begriff Person nicht der Körper gehört, wohl aber das Bewusstsein der eigenen Handlungen und damit auch die Verantwortlichkeit für sie. Die Theorie Lockes trifft auch auf viele Kritiker unter anderem von Gottfried Wilhelm Leibniz, der zunächst zustimmt, dass Person das selbstbewusste Ich ist, aber er fügt noch das Bewusstsein der Anderen hinzu, um eine Identität der Person zu sicher. Auf Grundlage dieser neuen Theorien kommt es zu einer weiteren Entwicklung des Personenbegriffs bei Kant, Fichte und Hegel. Nach Kant sind die notwendigen bedingungen Person zu sein, einmal das Bewusstsein seiner Selbst und die Möglichkeit, von der eigenen Identität durch die Zeit zu wissen. Hinreichend ist erst für Kant, sich selbst Gesetze aus reiner praktischer Vernunft zu geben also Autonomie. Bei Fichte kommen 4 weitere wichtige Neuerungen hinzu. Als erstes die Leiblichkeit, also das Verhältnis der Person zu ihrem eigenen Leib, dann die Individualität als zweiten Punkt, als dritten führt er die Interpersonalität ein, was den Bezug des Individuums auf andere Individuen ausdrückt und darauf baut er seine Rechtsphilosophie auf, was die vierte Neuerung ist, „daß Personen fundamentale Rechte (´Urrechte´) auf interpersonal kompatible Freiheitssphären in der Sinnwelt haben.“[6] Hegel geht noch einen Schritt weiter und sieht die Persönlichkeit als Merkmal des Willens. In der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts wird die Existenzphilosophie zur Philosophie der Person. Vertreten waren unter anderem Nietzsche und Jaspers. Bei ihnen ist die Existenz an den Personenbegriff gebunden und vertreten ein normatives Konzept von Selbstsein, Autonomie, Eigentlichkeit und Selbsterschaffung. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird der Personenbegriff in unterschiedlichen Kontexten und durch unterschiedliche Methoden diskutiert, z. B. in der Humanmedizin, der Metaphysik oder der analytischen Philosophie. Ich möchte im folgendem meinen Blick auf den Personenbegriff in der Praktischen Philosophie richten.

3. Der Personenbegriff in der Praktischen Philosophie

Für die Praktische Philosophie ist der Personenbegriff sehr wichtig und zentral aber vor allem entscheidend für die Untersuchungs- und Streitgegenstände.

Zum einen ist seine Bestimmung wichtig bei den Menschenrechten, zwei grundlegende Fragen lauten, welches Menschenbild liegt ihnen zugrunde, bzw. welches Personenkonzept wird von ihnen verbreitet? Wichtig um Person zu sein im Zusammenhang mit den Menschenrechten ist seine Selbstbestimmung. Viele Menschenrechtsorganisationen ermöglichen den Bürgen im kulturellen Kontext dieses selbstbestimmte Leben, indem sie beispielsweise den Analphabetismus oder den Nahrungsmangel bekämpfen. „So kann der Personenbegriff im menschenrechtlichen Zusammenhang dazu dienen, den Übergang von der formalen zur materialen Gerechtigkeit zu organisieren, den basalen Anspruchsbereich ausweiten und den negativen, durch Unterlassungshandlungen bewirkten Schutz von Leib und Leben durch den positiven, Gestaltungshandlungen verlangenden Schutz der Personalität zu ergänzen.“[7]

Eine Wechselbeziehung in ethischen Systemen haben auch der Glücksbegriff und das Personenkonzept einer Ethik, denn sie verweisen aufeinander. Barbara Merker unterscheidet da in Unvollkommenheits- und Vollkommenheitsethiken. Für die Vollkommenheitsethiken stehen nur die Eigenschaften im Mittelpunkt, die der Mensch mit Gott teilt, also Vernünftigkeit und Willensfähigkeit. Nur Personen können Glück empfinden und auch nur wenn diese Eigenschaften vervollkommnet werden, wird Glück empfunden. Aber bei diesen Ethiken wird man Person, sobald man als Mensch gilt, da die Zugehörigkeit zur Gattung Mensch definiert ist, durch willensfähige und vernunftfähige Wesen, deshalb muss in diesen Ethiken definiert werden, ab wann man zur Gattung Mensch gehört. In den Unvollkommenheitsethiken sind nicht die Eigenschaften zentral, die uns mit Gott verbinden, sondern die Eigenschaften, die uns unvollkommen machen wie Rationalität, Emotionalität und Evaluativität. Glück empfinden wir nur durch die Bedürfnisbefriedigung und den Genuss eines Lebens das diesen Fähigkeiten entspricht. Schwierig ist hier nur der Personenbegriff, weil er entweder auf alle empfindungsfähigen Lebewesen ausgedehnt werden muss oder aber auf den Menschen beschränkt bleiben muss.

In den Moralphilosophien ist der Personenbegriff schon zugrunde gelegt, da sie an einem unangemessen wahrscheinlich scheitern würden. Ein angemessenes Personenverständnis ist notwendige Bedingung für die Moralphilosophie. Die modernen Moralphilosophien erfüllen dies nicht und nach Herlinde Pauer-Studer müssen deshalb die Eigenschaften einer moralischen Person um moralische Sensibilität, Empathie und Fürsorglichkeit erweitert werden.

Ein weiteres Gebiet in der praktischen Philosophie dem ein Personenkonzept zugrunde liegt, ist die politische Philosophie. „Man muss wissen, wer und was der Mensch ist, um zu wissen, welche Ordnung, welche Politik ihm bekömmlich ist.“[8] Folglich bedarf auch die politische Philosophie eines angemessen Personenbegriffes. Wichtige Eigenschaften hier sind die Bedürftigkeit, Verletzlichkeit, Sterblichkeit, Rationalität, Vernunft und noch viele andere. Dies macht deutlich, dass ein angemessenes Personenkonzept sich als sehr schwierig erweist, bei der Fülle von Eigenschaften die mit hinein spielen und somit zur großen Herausforderung für die Umsetzung wird.

[...]


[1] Beispiele aus „Person; Philosophische Texte von der Antike bis zur Gegenwart“ Reclam 1999, S. 12-15

[2] Dieter Sturma(Hrsg.); Georg Mohr „Einleitung: Der Personenbegriff in der Geschichte der Philosophie.“ S.25

[3] Dieter Sturma(Hrsg.); Georg Mohr „Einleitung: Der Personenbegriff in der Geschichte der Philosophie.“ S.27

[4] Martin Brasser(Hrsg.) „Person; Philosophische Texte von der Antike bis zur Gegenwart“ Reclam 1999, S.47

[5] Dieter Sturma(Hrsg.); Georg Mohr „Einleitung: Der Personenbegriff in der Geschichte der Philosophie.“ S.28

[6] Dieter Sturma(Hrsg.); Georg Mohr „Einleitung: Der Personenbegriff in der Geschichte der Philosophie.“ S.32

[7] Dieter Sturma(Hrsg.); Wolfgang Kersting „Einleitung: Der Personenbegriff im Kontext der praktischen Philosophie“ S.327

[8] Dieter Sturma(Hrsg.); Wolfgang Kersting „Einleitung: Der Personenbegriff im Kontext der praktischen Philosophie“ S.331

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der Personenbegriff in der Praktischen Philosophie
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Philosophie)
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V60341
ISBN (eBook)
9783638540445
ISBN (Buch)
9783638752817
Dateigröße
525 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Personenbegriff, Praktischen, Philosophie, Person
Arbeit zitieren
Patricia Detto (Autor:in), 2006, Der Personenbegriff in der Praktischen Philosophie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60341

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