Deutschland - Exportweltmeister oder Basar-Ökonomie?


Hausarbeit, 2006

54 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. These der Basar-Ökonomie nach Hans-Werner Sinn
2.1 Definition
2.2 Hintergrund
2.2.1 Entwicklung
2.2.2 Gründe
2.3 Folgen für Deutschland
2.3.1 Strukturwandel auf dem Kapitalmarkt
2.3.2 Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
2.3.3 Auswirkungen auf die deutschen Unternehmen
2.4 Lösungsvorschläge des Hans-Werner Sinn
2.4.1 Löhne senken
2.4.2 Gewerkschaften entmachten
2.4.3 Sozialhilfe reformieren

3. Ist Deutschland eine Basar-Ökonomie?
3.1 Exporte steigern Wertschöpfung
3.2 Veränderung der Wertschöpfung
3.3 Input-Output-Betrachtung
3.4 Entwicklung des realen Außenbeitrags
3.5 Neue Vorteile internationaler Arbeitsteilung
3.6 Kein athologischer Exportboom
3.7 Anstieg inländischer Verflechtungen
3.8 Fehlende Binnennachfrage

4. Handlungsbedarf
4.1 Entwicklungen des Arbeitsmarktes
4.1.1 Internationaler Handel und Beschäftigung
4.1.2 Produktionsverlagerung und Beschäftigung
4.1.3 Strukturwandel und Beschäftigung
4.2 Wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf
4.2.1 Bildung
4.2.2 Aktive Arbeitsmarktpolitik
4.2.3 Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit
4.2.4 Subventionen für Geringqualifizierte Arbeit

5. Internationaler Vergleich - nur ein deutsches Phänomen?
5.1 Europa
5.2 Weltweit

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Industrieproduktion, reale Wertschöpfung in der Industrie, Vorleistungen der Industrie aus dem Inland und aus dem Ausland

Abbildung 2: Die Komponenten der Zunahme der Industrieproduktion - Verarbeitendes Gewerbe 1994 bis

Abbildung 3: Nettoinvestitionsquote1) in ausgewählten Industriestaaten

Abbildung 4: Wertschöpfungsstruktur der Exporte Deutschlands

Abbildung 5 Außenbeitrag1) - Anteil in vH am nominalen BIP

Abbildung 6: Entwicklung der Lohnstückkosten im internationalen Vergleich

Abbildung 7: Welthandelsinduzierter qualifikatorischer Strukturwandel

Abbildung 8: Importgehalt der Exporte in Deutschland zwischen 1980 und

Abbildung 9: Korrelation Importanteil1) in % zur Größe des Landes gemessen als BIP in Mrd. Euro

Abbildung 10: Anteil der exportinduzierten importierten Vorleistungen an den Exporten in %

Abbildung 11: Beschäftigung im Verarbeitenden

Abbildung 12: Wertschöpfungsquote im Vergleich

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Zwischen Marktbuden und Menschengetümmel wird um Preise gefeilscht. Ein Gewirr von Stimmen liegt in der Luft. Ein Basar, so findet man den Begriff in zahlreichen Lexika, sei „ein orientalischer Wochenmarkt“ oder allgemeiner „ein orientalischer Handelsplatz“. Mit diesem Begriff „Basar“ beschreibt Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo Instituts, die momentane wirtschaftliche Situation in Deutschland. Deutschlands Exporterfolg rühre einzig daher, dass deutsche Unternehmen Vorprodukte günstig im Ausland einkaufen und diese im Inland lediglich noch zusammenbauen und weiterverkaufen. Allein aus diesem Grund verzeichnet die deutsche Exportstatistik solch deutliche Erfolge. Auf der anderen Seite jedoch wird die Exportweltmeisterschaft begleitet von hohen Arbeitsplatzverlusten in Deutschland.

Diese Arbeit befasst sich mit dem Thema „Deutschland - Exportweltmeister oder Basar-Ökonomie?“ und untersucht die Frage, ob der Titel „Exportweltmeister“, mit dem Deutschland im Jahr 2005 zum dritten Mal in Folge dekoriert wurde, überhaupt einen Grund zum Feiern bietet. Oder ob sich Deutschland mittlerweile lediglich zu einer internationalen Handelsdrehscheibe entwickelt hat, die über keine inländische Wertschöpfung mehr verfügt. Als Grund dafür sehen die Vertreter der Basar-Ökonomie die hohen Lohnkosten in Deutschland, welche die Unternehmen veranlassen ihre Produktionen ins Ausland zu verlagern. Die Basarhypothese interpretiert diese Form der internationalen Arbeitsteilung als problematisch, weil gerade der Verlust an Fertigungstiefe zu einem Rückgang der inländischen Beschäftigung führe. Die Debatte, ob nun Basar oder Exportweltmeister, hat in den letzten Jahren verstärkt stattgefunden und ist intensiv öffentlich diskutiert worden. Vor allem die Veröffentlichung des Buches „Deutschland - eine Basar-Ökonomie?“ von Hans-Werner Sinn hat Anlass zur Auseinandersetzung mit dem Thema geboten.

Im Folgenden wird zunächst Sinns These der Basar-Ökonomie näher vorgestellt und eingehender untersucht. Anschließend werden seine Aussagen differenziert betrachtet und einzelne Kritikpunkte ausführlicher dargestellt. Außerdem werden die Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt und der daraus resultierende Handlungsbedarf der Politik im Detail vorgestellt. Ferner wird die Frage untersucht, ob es sich ausschließlich um ein deutsches Phänomen handelt oder ein internationaler Trend zum Basar vorliegt.

2. These der Basar-Ökonomie nach Hans-Werner Sinn

2.1 Definition

Der Begriff Basar-Ökonomie ist erstmalig von Hans-Werner Sinn in seiner Deutschland-Rede am 15. November 2003 bei der Stiftung Schloss Neu-Hardenberg sowie in seiner zur selben Zeit erschienenen dritten Auflage des Buches „Ist Deutschland noch zu retten?“ verwendet worden.[1] Dieser soll die Standortverlagerung der Industrie in Niedriglohnländer kennzeichnen. Gemeint ist hiermit, laut Sinn, dass der Anteil der inländischen Wertschöpfung an der Industrieproduktion zugunsten ausländischer Vorleistungen zurückgeht. Die Fertigungstiefe in Deutschland nimmt demnach immer weiter ab, während Deutschland sich mehr und mehr auf Basar-Tätigkeiten konzentriert.[2] Deutschland spezialisiert sich demzufolge primär auf das Handeln von Gütern, anstatt auf die Produktion.

So sieht Sinn auch in der Höhe der Exporterfolge Deutschlands einen weiteren Beleg dazu, dass unser Land sich auf dem Weg in eine Basar-Ökonomie befindet. Denn die Exporterfolge sagen wenig über die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands aus, wenn man bedenkt, dass immer mehr Güter, die exportiert werden, zuvor aus dem Ausland importiert worden sind.[3] Sinn beschreibt hiermit allerdings keinen konkreten Zustand, sondern will in überspitzter Weise eine Tendenz darstellen, wie sie seit einigen Jahren in Deutschland zu beobachten ist.

Durch seine These verbindet Sinn Exportboom, Basar-Effekt und innere Wachstumsschwäche als ökonomisch eng zusammengehörende Teile eines Entwicklungsprozesses, die man nicht losgelöst von einander betrachten darf.[4]

2.2 Hintergrund

Sinns Basarthese begründet sich darin, dass immer mehr deutsche Industrieunternehmen die arbeitsintensiven Teile ihrer Fertigung in eigene ausländische Niederlassungen verlagern, dem so genannten Offshoring, oder direkt bei Zulieferern aus dem Ausland kaufen (ausländisches Outsourcing).[5] Ein gutes Beispiel für die ausländische Wertschöpfung, welches Sinn auch in seinem Buch „Ist Deutschland noch zu retten?“ anführt, ist die Produktion des Porsche Cayenne.[6]

Jeder Käufer eines dieser Autos glaubt, damit ein rein deutsches Produkt „made in Germany“ erworben zu haben. Dem ist allerdings nicht so. Lediglich 12% der Wertschöpfung in Form von Löhnen, Gewinnen, Deckungsbeiträgen für Abschreibungen finden in den Porschewerken in Leipzig statt. Der Haupanteil von 88% des Wertes ist bereits im slowakischen Bratislava geschaffen worden. Das sieht auch Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer so, Geschäftsführer der B&D Forecast GmbH und Direktor des CAR an der FH- Gelsenkirchen, der sogar noch weiter geht und den Fertigungsanteil des Porsche Cayenne in Leipzig in seinem Aufsatz „Wie viel Deutschland steckt im Porsche?“ auf 10% beziffert.[7]

Und obwohl nur 12%, bzw. 10% des eigentlichen Wertes in Deutschland erbracht worden sind, taucht der Porsche Cayenne doch zu 100% in der Exportstatistik der Bundesrepublik auf. In diesem Beispiel ist der Export somit mehr als achtmal so groß wie die Wertschöpfung für den Export.

Weitere Beispiele aus der Automobilindustrie, die Sinn nennt, sind Audi, Volkswagen oder BMW. So weiß Sinn zu berichten, dass kein einziger Audi-Motor mehr in Deutschland gefertigt wird, dessen gesamte Produktion ins ungarische Györ verlagert worden ist. Sogar schon vor dem EU-Beitritt Ungarns ist dort extra für Audi eine zollfreie Zone eingerichtet worden. Volkwagen produziert sowohl seinen Polo als auch seinen Touareg in Bratislava. Und auch bei BMW werden heute nur noch 27% des Wertes in Deutschland produziert. 73% des Autowertes fallen auf Zulieferer, die zwar zur Hälfte im Inland ansässig sind, allerdings ihrerseits in ausländischen Werken produzieren lassen. Aber selbstverständlich verkaufen alle diese Firmen ihre Autos unter ihrem deutschen Markennamen.[8]

Das besondere Problem für Deutschland sieht Sinn jedoch darin, dass die Globalisierung auch vor dem deutschen Mittelstand keinen Halt macht.[9] Er bezieht sich in seiner Aussage auf eine Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), wonach in 2002 etwa 60% der mittelständischen Unternehmen mit bis zu 5000 Beschäftigten Standorte außerhalb der ehemaligen EU aufweisen konnten.[10] Beispiele aus seinem Buch „Ist Deutschland noch zu retten?“ sind u.a. die Firma Behr GmbH & Co. aus Stuttgart, die Klimaanlagen in der Tschechischen Republik herstellt, oder die Hako-Holding GmbH aus Bad Oldesloe, die Reinigungsmaschinen in Polen produziert.

2.2.1 Entwicklung

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]Die Aussage seiner Basar-Ökonomie fundiert Sinn auch mit Zahlen des Statischen Bundesamtes. So lässt Abb. 1 erkennen, wie schnell diese Entwicklung seit 1995 voran geschritten ist. Sinn bezieht sich in seiner Erklärung besonders auf die Kurven die den realen Produktionswert (dunkelgrün) und die reale Wertschöpfung (rot) darstellen.[11]

Abbildung 1: Industrieproduktion, reale Wertschöpfung in der Industrie, Vorleistungen der Industrie aus dem Inland und aus dem Ausland - Quelle: Sinn (2000b), S.217

Der reale Produktionswert ist der inflationsbereinigte Gesamtwert der in einem Jahr vom verarbeitenden Gewerbe hergestellten Industrieprodukte. Die reale Wertschöpfung stellt den Teil des Wertes dar, der in der Industrie selbst geschaffen wurde. Sie entspricht den in der Industrie verdienten Primäreinkommen und Steuern. Vorleistungen, die anderswoher herkommen, sind in der Wertschöpfung nicht enthalten. Die Vorleistungen sind auch der Grund dafür, warum der Produktionswert immer größer ist als die Wertschöpfung. Blieben die Vorleistungen über die Jahre konstant, wüchsen die beiden genannten Größen mit der gleichen prozentualen Rate. Wie die Abbildung allerdings deutlich zeigt, ist das nicht der Fall. Folglich lässt dies den Schluss zu, dass die Fertigungstiefe der industriellen Produktion sich offensichtlich verändert hat, da der reale Produktionswert stärker angestiegen ist als die reale Wertschöpfung. Was Sinn als ein Zeichen der zunehmenden Bedeutung des Outsourcing und Offshoring versteht.[12] In Zahlen gesprochen ist der reale Produktionswert von 1995 bis 2004 um 26% gestiegen, die reale Wertschöpfung hat allerdings nur um 9% zugenommen. Kurioserweise ist die Wachstumsrate des realen Produktionswertes (26%) in etwa so hoch wie die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts der EU-Länder (24%) und lag damit deutlich über den Wachstumsraten des realen BIP von West- und Ostdeutschland (14% bzw. 7%).[13]

Die Differenz von 17 Prozentpunkten ist folglich nicht durch eine Zunahme der realen Wertschöpfung entstanden. Sinn sieht darin ein Indiz für die Abwanderung deutscher Firmen in Form von Outsourcing und/oder Offshoring. Auch die Kurve des realen Vorleistungsimports unterstützt seine These. In den Jahren von 1995 bis 2004 stiegen die aus dem Ausland bezogen Vorleistungen um 64%.[14] Die Vorleistungen, die aus anderen inländischen Sektoren bezogen worden, weisen allerdings keine Besonderheiten auf. Sie sind nur um 29% gestiegen und liegen somit knapp über dem realen Produktionswert.

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]Betrachtet man in Abb. 2 nur die Zunahme der Industrieproduktion (realer Produktionswert) von 1995 bis 2004 wird die Besonderheit der Entwicklung noch deutlicher. Lediglich 16,7% dieser Zunahme sind in dem verarbeiteten Gewerbe in Deutschland selbst produziert worden.

Abbildung 2: Die Komponenten der Zunahme der Industrieproduktion - Verarbeitendes Gewerbe 1994 bis 2004 - Quelle: Sinn (2005b), S. 108

Die verbleibenden 83,3% teilen sich in Vorleistungen aus dem Inland (33,5%) und Vorleistungen aus dem Ausland (49,8%) auf. Die schraffierten Teile des Kreises zeigen, welche Teile der Wertschöpfung der Industrie durch andere inländische (3%) und ausländische Vorleistungen (29,3%) verdrängt worden sind[15]. Für Sinn ein sehr eindeutiger Beweise dafür, „[…] dass sich die Tendenz zur Basar-Ökonomie in der betrachteten Zeitspanne von 1995 bis 2004 mit großer Kraft durchgesetzt hat.“[16] Aber nicht nur das verarbeitende Gewerbe, worauf sich die o. g. Zahlen ausschließlich beziehen, scheint von den gestiegenen ausländischen Vorleistungen betroffen. Auch der Export bedient sich immer mehr den günstiger hergestellten Gütern aus dem Ausland.[17] Ohne diese Entwicklung wäre es für Deutschland auch gar nicht möglich, weiterhin (Vize-) Exportweltmeister zu sein.

Sinn stützt sich hier abermals auf die Zahlen des Statischen Bundesamtes. In einer Studie heißt es hier: „[...] hat sich der Importanteil der deutschen Exporte im Zeitraum 1995 bis 2002 deutlich erhöht und belief sich im Jahr 2002 auf 38,8% (1995: 29,7%). Entsprechend verringerte sich der Anteil der inländischen wirtschaftlichen Leistungen an den Exporten von 70,3% im Jahr 1995 auf 61,2% im Jahr 2002.“[18]

2.2.2 Gründe

Die Gründe für die Verlagerung in die Niedriglohnländer sind vielfältig. Ein entscheidendes Motiv, welches Sinn anführt, sind die hohen Lohn- und Lohnnebenkosten. So stehen für die Unternehmen die hohen Arbeitskosten als Anlass für die Abwanderung an erster Stelle (zu 45%), gefolgt von der Höhe der Steuern und Abgaben (zu 38%).[19] Damit die deutschen Unternehmen weiterhin wettbewerbsfähig bleiben, gibt es für sie keine andere Möglichkeit, als den hohen Löhnen und Einkommen im Inland zu entfliehen. Verstärkt durch die steigende Intensität des internationalen Wettbewerbs ergibt sich als logische Konsequenz, dass immer mehr deutsche Unternehmen größere Teile ihrer Wertschöpfungskette in die Niedriglohnländer verlagern. Einen weiteren Grund für die Abwanderung sieht Sinn in der EU-Ost-Erweiterung. Die neuen stabilisierten politischen Verhältnisse nach dem Fall des Eisernen Vorhangs brachten dem Westen viele neue Investitionsmöglichkeiten und kein Land hat davon soviel Gebrauch gemacht wie Deutschland.[20] Gepaart mit Lohnkosten, die nur ein Fünftel bis ein Siebtel der deutschen Löhne betragen,[21] liegt es auf der Hand, dass inländische Unternehmen ihre Niederlassungen in Deutschland aufgeben, bzw. sich neue in osteuropäischen Ländern aufbauen. Besonders der deutsche Mittelstand profitiert von dieser Entwicklung. Die Ost-Erweiterung ermöglicht es ihm ohne erhebliche Rüst- und Anlaufkosten und ohne hohen logistischen Aufwand, aufgrund der geographischen Nähe, Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer vorzunehmen. Hinzu kommt, dass sich die ehemals kommunistischen Länder, wie z. B. China, reformiert haben. Sie haben sich in den letzten Jahren immer mehr dem internationalen Kapital geöffnet und sind zu einer Marktwirtschaft geworden.[22] Dieser zusätzlichen Konkurrenz steht Deutschland nun auch gegenüber.

Sinn betrachtet die Entwicklung zur Basar-Ökonomie allerdings auch als eine zum Teil „natürliche Konsequenz der Globalisierung und der internationalen Spezialisierung“.[23] Die Folgen, die sich daraus für Deutschland ergeben, müssen nicht zwangsläufig nur schlecht sein. Allerdings liegt es an Deutschland, die Handelsgewinne, die eine Spezialisierung mit sich bringen kann, auch tatsächlich zu realisieren.

2.3 Folgen für Deutschland

Die Entwicklung Deutschlands zu einer Basar-Ökonomie darf nicht nur negativ verstanden werden. Sinn sagt selber, dass die gesamte Volkswirtschaft Vorteile daraus ziehen könnte. Deutschland hat sehr wohl die Chance, von der Verbesserung der internationalen Arbeitsteilung zu profitieren. Unser Land steht vor der Möglichkeit, sich als zentrale Handelsdrehscheibe zwischen Ost und West zu etablieren und genau daraus neue Einkommen zu beziehen. Zusätzlich zur Wertschöpfung aus eigener Produktion käme die Wertschöpfung durch Handelsaktivitäten hinzu und sicherte uns den Wohlstand.[24] Das darf im Moment allerdings nur als Möglichkeit betrachtet werden.

Die Folgen der Basar-Ökonomie, unter denen Deutschland momentan leidet, sehen laut Sinn leider nicht so rosig aus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Nettoinvestitionsquote1) in ausgewählten Industriestaaten

2.3.1 Strukturwandel auf dem Kapitalmarkt

Damit in Deutschland Handelsgewinne aus der Verbesserung der internationalen Arbeitsteilung gewonnen werden können, brauchen wir einen Strukturwechsel. Das bedeutet konkret, einzelne Branchen werden schrumpfen, um andere wachsen zu lassen. Arbeit und Kapital müssen demnach aus den schrumpfenden Wirtschaftssektoren in die wachsenden wandern. Konzentriert sich Deutschland, wie beschrieben, zunehmend auf das Handeln von Gütern, wandern Arbeit und Kapital logischerweise in basar- ähnliche Produktionsprozesse.[25] Als Konsequenz nehmen die Produktionsfaktoren aus den arbeitsintensiven Sektoren ab. Ohne solche Wanderungen kann es nicht zu Handelgewinnen durch Spezialisierung kommen. Von Wohlfahrtsgewinnen kann auch nur dann gesprochen werden, wenn die genannten Produktionsfaktoren sich schnell zwischen den Sektoren austauschen und trotz dieses Austauschs voll beschäftigt bleiben.[26] Wie im Folgenden erläutert wird, bestreitet Sinn, dass in Deutschland von einem schnellen Strukturwandel die Rede sein kann.

Aus der Theorie ist bekannt, dass der Kapitalmarkt grundsätzlich flexibel ist. Worauf es beim Stichwort „Strukturwandel“ allerdings ankommt, ist das bereits investierte Realkapital, welches nicht mehr beweglich ist.[27] Damit nun die Kapitalstruktur zwischen den Sektoren verändert werden kann, muss es folglich zu neuen realen Investitionen kommen, die besonders groß sind, wenn die Wirtschaft schnell wächst.[28] Gemessen werden kann das für den Strukturwandel wichtige Wachstum durch die Nettoinvestitionsquote bezüglich des Nettoinlandsprodukts. Leider ist diese, wie Abb. 3 erkennen lässt, in Deutschland relativ niedrig, verglichen mit dem OECD-Durchschnitt. Auch im internationalen Vergleich schneidet Deutschland sehr schlecht ab. Die Nettoinvestitionsquote ist hierzulande im Jahr 2003 die zweitniedrigste gewesen. Dies ist gleichzeitig auch ein Indiz dafür, dass die Wirtschaft in Deutschland keineswegs schnell wächst.[29]

Die genannten Nettoinvestitionen beinhalten private und staatliche Investitionen in Ausrüstungen, Fabrikgebäude, Wohnbauten und sonstige Anlagen.[30] Sinn merkt an, dass besonders die Bauinvestitionen und die privaten Ausrüstungsinvestitionen zurückgegangen sind. Also genau die Investitionen in neue Maschinen und Fabrikationsanlagen, die Deutschland neue Arbeitsplätze brächten.[31] Das lässt für Sinn den Schluss zu, dass der Kapitalstock in Deutschland nur sehr langsam wächst. Als Konsequenz ist die Chance, den Strukturwandel schnell zu vollziehen, um sich an die globalisierte Wirtschaft anzupassen, entsprechend klein.[32] Die momentane Situation auf dem Kapitalmarkt entspricht also keineswegs dem Bild eines raschen Strukturwandels. Wie es auf dem Arbeitsmarkt derzeit aussieht, wird im nächsten Abschnitt gesondert dargestellt.

[...]


[1] Vgl. Sinn, H.-W. (2005), S. 3.

[2] Vgl. ebd., S. 5.

[3] Vgl. Sinn, H.-W. (2005a), S. 82.

[4] Vgl. Sinn H.-W. (2005), S. 4.

[5] Vgl. ebd., S 5.

[6] Vgl. ebd.

[7] Vgl. Dudenhöffer, F. (2005) S. 3.

[8] Vgl. Sinn, H.-W. (2005a), S. 72.

[9] Vgl. ebd., S. 67 ff.

[10] Vgl. Sinn, H.-W. (2005), S. 6.

[11] Vgl. Sinn, H.-W. (2005a), S. 73.

[12] Vgl. ebd., S. 73 ff.

[13] Vgl. Sinn, H.-W. (2005b), S. 106.

[14] Vgl. ebd., S. 107 f.

[15] Vgl. Sinn, H.-W. (2005b), S. 107.

[16] Sinn, H.-W. (2005b), S. 109.

[17] Vgl. Sinn, H.-W. (2005), S. 10.

[18] Statistisches Bundesamt (2004), S. 3.

[19] Vgl. Sinn, H.-W. (2005a), S. 66.

[20] Vgl. Sinn, H.-W. (2005), S. 6.

[21] Vg. Sinn, H.-W. (2005a), S. 466.

[22] Vgl. Sinn, H.-W. (2005), S. 6.

[23] Sinn, H.-W. (2005), S. 4.

[24] Vgl. Sinn, H.-W.(2005), S. 14.

[25] Vgl. Sinn, H.-W.(2005), S. 14.

[26] Vgl. ebd., S. 14f.

[27] Vgl. ebd., S. 14.

[28] Vgl. Sinn, H.-W. (2005), S. 14.

[29] Vgl. ebd. S. 15.

[30] Vgl. ebd.

[31] Vgl. ebd.

[32] Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 54 Seiten

Details

Titel
Deutschland - Exportweltmeister oder Basar-Ökonomie?
Hochschule
Fachhochschule Düsseldorf
Veranstaltung
Internationales Projektmanagement
Note
1,00
Autoren
Jahr
2006
Seiten
54
Katalognummer
V60140
ISBN (eBook)
9783638538923
ISBN (Buch)
9783656204046
Dateigröße
805 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutschland, Exportweltmeister, Basar-Ökonomie, Internationales, Projektmanagement
Arbeit zitieren
Michaela Krepler (Autor:in)Eva Rynders (Autor:in)Kerstin Kritsch (Autor:in), 2006, Deutschland - Exportweltmeister oder Basar-Ökonomie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60140

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