Entwurf einer Weltrepublik


Zwischenprüfungsarbeit, 2005

25 Seiten, Note: 1,9


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Globale Gerechtigkeit

3. Die komplementäre Weltrepublik
3.1 Kontinentale Zwischenstufe
3.2 Zwei-Kammer-System
3.3 Welt-Bürgertugenden

4. Recht
4.1 Völker-Rechtsschutz
4.1.1 Militär oder Weltpolizei?
4.1.2 Völkerrechtsgericht
4.2 Welt-Bürgerschutz
4.3 Ein Weltstrafrecht
4.4 Sezessionsrecht

5. Wirtschaft
5.1 Entwicklung
5.2 Globaler Umweltschutz

6. Einrichtung der Weltrepublik

7. Fazit und Ausblick

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als 1995 die Entstehung von Kants Friedensschrift „Zum ewigen Frieden“ ihr 200-jähriges Jubiläum hatte, war dies nicht unbedingt Anlass zum Feiern, wohl aber war das Jubiläum ein Startschuss für zahlreiche neue Kant-Interpretationen. In die Schar der Interpreten reihte sich auch Otfried Höffe als Herausgeber der Aufsatzsammlung „Zum ewigen Frieden ein“. Als Ergebnis seiner Studien hatte Kant seinerzeit die Schaffung eines Völkerbundes vorgeschlagen.

Höffe bearbeitete das Thema „Globale Gerechtigkeit“ jedoch bereits in zahlreichen vorherigen Veröffentlichungen unter verschiedenen Gesichtspunkten seit Ende der achtziger Jahre (vgl. Gosepath/Merle, 12f). 1996 formulierte Höffe dann:

„Nur dort gewinnt die internationale Koexistenz einen mehr als minimalen Vernunftcharakter, wo sie die Form einer rechtsethischen Republik annimmt und zu einem demokratischen Verfassungsstaat wird.“ (Höffe 1996, 114)

Schon Kant sah die Weltrepublik als Möglichkeit, aus dem zwischenstaatlichen „gesetzlosen Zustande, der den Krieg enthält, herauszukommen“ (Kant 1795, 20). Im Gegensatz zu Höffe räumt Kant dem Weltstaat keine Chance zur realen Verwirklichung ein, sondern begnügt sich mit dem „negative(n) Surrogat eines den Krieg abwehrenden, bestehenden und sich immer ausbreitenden Bundes“ (Kant 1795, 20), dem Völkerbund.

Mit „Globalisierung im Zeitalter der Demokratie“ legte Höffe 1999 seine detaillierte Vision einer komplementären Weltrepublik vor. Höffe schlägt hier einen Ausweg aus dem Hobbeschen Naturzustand vor, der in den zwischenstaatlichen Beziehungen mit Abstrichen noch immer herrscht. Die vorliegende Arbeit untersucht das Werk in seiner politikwissenschaftlichen Lesart unter der allgemeinen Fragestellung: Wie sieht diese Weltrepublik aus bzw. wie ist ihr institutioneller Aufbau? Die zahlreichen Antworten auf Höffes Konzeption sollen in dieser Arbeit nicht unerwähnt bleiben und finden an den jeweils passenden Stellen ihren Niederschlag.

Höffes Werk ist dreigeteilt. Der erste Teil – er macht die Hälfte des Buches aus – legt legitimationstheoretische Grundlagen und wird uns daher in der vorliegenden Arbeit lediglich bei den Gerechtigkeitsprinzipien (Kapitel 2) begegnen. Für die politikwissenschaftliche Diskussion interessanter sind teil zwei und drei, die sich mit dem Aufbau der Weltrepublik beziehungsweise mit ihrem institutionellen Gefüge beschäftigen.

Im dritten Kapitel dieser Arbeit geht es zunächst um das politische System der Weltrepublik, und da Höffe besonders tugendhafte Bürger für seinen Weltstaat vorgesehen hat, werden die Welt-Bürgertugenden hier (Kapitel 3.3) ebenfalls behandelt. Die globale Rechtsprechung mit ihren Institutionen und Instrumenten wird im vierten Kapitel vorgestellt. Innerhalb der Wirtschaftspolitik (Kapitel 5) ist der globale Umweltschutz angesiedelt, der als Teil von Höffes Antrieb bezeichnet werden kann. Sein Hauptanliegen ist jedoch die globale Gerechtigkeit.

2. Globale Gerechtigkeit

Im ersten Teil seines Buches entwickelt Höffe die Legitimation der qualifizierten Demokratie. Der Kern seiner Legitimation ist ein „transzendentaler Tausch“ (Höffe 1999, 53): Die Individuen tauschen ihre Freiheit ein gegen „Regeln, die gleichwohl jedem einzelnen zugute kommen“ (Höffe 1999, 54). Im Gegensatz zum vorherigen rechtlosen Zustand, ziehen aus der gemeinsamen Ordnung alle Individuen einen „distributiv-kollektiven Vorteil“ (ebd.). Aus der Idee des transzendentalen Tauschs entwickelt Höffe schließlich universal gültige Gerechtigkeitsprinzipien.

Jeder Staat, der der Weltrepublik beitritt, sowie die Weltrepublik selbst, ist auf die Einhaltung der neun Gerechtigkeitsprinzipien (vgl. Höffe 1999, 58ff bzw. 140f) festgelegt. Das heißt, in „dem immer schon spannungsreichen Verhältnis von Volkssouveränität und Menschenrechten“ (Beck, 985) spricht sich Höffe für den Primat der Menschenrechte und gegen eine Totaldemokratie aus:

„Weil keine Herrschaft ohne Anerkennung der Menschenrechte legitim ist, muss auch die herrschaftsausübende Demokratie sich vorab auf die Menschenrechte verpflichten.“ (Höffe 1999, 118)

Neben Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und qualifizierter Demokratie tritt dabei das „Prinzip der Differenz: Die Gemeinwesen haben ein Recht auf Differenz.“ (Höffe 1999, 141) Kulturelle Unterschiede erlauben eine verschiedenartige Ausgestaltung der Gerechtigkeitsprinzipien, also auch verschiedene Formen von Demokratie. Als exotisches Beispiel führt Höffe Malaysia an, wo ein autochtones Gewohnheitsrecht, die islamische Scharia und das britische Common law auf komplizierte Weise nebeneinander existieren (vgl. Höffe 1999, 120ff).

Gerechtigkeitsprinzip Nummer acht ist das Prinzip der Subsidiarität. Es handelt sich hierbei um Höffes Trick oder wie Frank es formuliert, um seinen „Joker gegen die meisten Einwände, die gegen eine Weltrepublik vorgebracht werden.“ (Frank, 964) Subsidiarität ist zum einen das Prinzip, nach dem Kompetenzen verteilt werden (vgl. Höffe 1999, 128ff): Zunächst ist jeder Einzelne für sich selbst zuständig und zwar solange, bis seine Ressourcen aufgebraucht sind und er Zuständigkeiten an eine nächst höhere Instanz abgibt. Diese Instanz gibt wiederum Zuständigkeiten ab, sobald ihre Angelegenheiten von einer übergeordneten Ebene besser geregelt werden können. Und so geht es weiter, von unten nach oben, wobei die legitimatorische Letztinstanz immer das Individuum bleibt. Subsidiarität in Höffes Lesart fordert den Föderalismus und letztlich fordert die Abgabe von Kompetenzen an höhere Instanzen in letzter Konsequenz auch eine Weltrepublik.[1] Somit ist Subsidiarität nicht lediglich das Prinzip der Kompetenzverteilung, sondern darüber hinaus auch die legitimatorische Grundlage von Höffes Konzeption der Weltrepublik.

Wie Günther in seiner Rezension feststellt, sind damit die beiden folgenden Teile des Buches inhaltlich vorgegeben:

„Die Probleme der Globalisierung ließen sich nur durch einen Weltstaat in der Form qualifizierter Demokratie lösen.“ (Günther, 235)

3. Die komplementäre Weltrepublik

Die Weltrepublik soll nicht die nationalen Demokratien ersetzen, denn diese bleiben erhalten. Die Weltrepublik tritt – eben komplementär - als übergeordnete Einheit auf im Sinne einer gestuften Staatlichkeit. Durch die Beibehaltung der nationalen Demokratien umgeht Höffe Kants Einspruch zum Weltstaat, laut dem der Staat aller Völker „im Widerspruch zu dem verschieden kulturell geprägten ‚Recht der Völker’ steht“ (Nusser, 357). Zudem sieht Nusser Schwierigkeiten auf der vertragstheoretischen Ebene: Der gesetzliche Zustand und der daraus resultierende Schutz des Individuums, den die Gesellschaft als Ausgang aus dem Naturzustand erreicht hat, sei gefährdet durch die Schaffung einer weltumspannenden Republik.

3.1 Kontinentale Zwischenstufe

Dem Prinzip der Subsidiarität Rechnung tragend sieht Höffe für die globale Republik eine kontinentale Zwischenstufe vor. Diese Großregionen sollen einem globalen Einheitsstaat vorbeugen. Außerdem, so Höffe, „weil ohnehin viele Aufgaben Nachbarschaftsprobleme sind, muss man Fernstehende nicht damit behelligen.“ (Höffe 1999, 307) Es geht also auch darum, etwaige Konfliktsituationen nicht gleich zu globalen Konflikten zu machen, sondern sie zunächst innerhalb eines untergeordneten Kollektivs zu lösen, in dem – so ein weiterer Grund für die Großregionen – ohnehin ein größeres Maß an kollektiver Identität herrscht, das die Konfliktlösung zusätzlich begünstigt.

Vorgesehen ist eine kontinentale Wahlorganisation, die sich etwa um wirtschaftspolitische Fragen kümmert. Als Vorbild für die Wahlorganisation nimmt Höffe die Europäische Union. Als zweite Säule sieht Höffe eine Pflichtorganisation vor, welche zum Beispiel innere und äußere Sicherheit zur Aufgabe hat und sich am Muster der KSZE orientieren soll. Obwohl er sie als die „neuartige Zwischenstufe“ (Höffe 1999, 425) bezeichnet, äußert sich Höffe nicht näher zu den Großregionen. Lutz-Bachmann konstatiert daher eine „Aufgabenverteilung zwischen im Prinzip nur zwei staatlichen Ebenen, nämlich der Weltrepublik und dem Einzelstaat“ (Lutz Bachmann, 95).

Dennoch ergeben sich in Folge der Einrichtung der kontinentalen Zwischenstufe Konsequenzen für den globalen Staat: Es bleiben nämlich für die Weltrepublik drei Hauptaufgaben. Das sind zum einen die originären Aufgaben eines Weltstaates, nämlich solche, die die Menschheit als Ganzes betreffen, wie etwa der Umweltschutz. Daneben solche Aufgaben, die die Grenzen der Großregionen überschreiten, wie Streitigkeiten unter ihnen selbst. Letztlich soll die Weltrepublik Appelationsinstanz sein bei innerregionalen Streitigkeiten (vgl. Höffe 1999, 308).

3.2 Zwei-Kammer-System

Für die demokratische Legitimation der Weltrepublik ist eine zweifache Zustimmung nötig. Zum einen die Zustimmung der Einzelstaaten (völkerrechtlicher Gesellschaftsvertrag), zum anderen die der Bürger (weltbürgerlicher Gesellschaftsvertrag).

Analog zum zweifachen Weltgesellschaftsvertrag schlägt Höffe für den Weltstaat ein Zwei-Kammer-System vor. In der Staatenkammer sitzen Vertreter der Einzelstaaten, daneben gibt es das Weltbürgerparlament, ähnlich dem deutschen Bundestag. Die Kompetenzen der beiden Kammern beschreibt Höffe nicht im einzelnen, er zeigt allerdings Probleme auf. Besonders schwierig ist die Zusammensetzung der Staatenkammer. Von ihr dürfte – stellt man sich die reale Einrichtung der Weltrepublik vor – die Zustimmung der Einzelstaaten in besonderem Maße abhängen.

[...]


[1] Obgleich er es konjunktivisch formuliert, hält Höffe auch den „interplanetaren Weltstaat“ als Folge eines interplanetaren Naturzustandes nicht für ausgeschlossen, falls weitere Völker außerhalb der Erde entdeckt werden. Der interplanetare Weltstaat sei sogar der „eigentliche Weltstaat“ (Höffe 1999, 303).

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Entwurf einer Weltrepublik
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
1,9
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V60034
ISBN (eBook)
9783638538022
ISBN (Buch)
9783638718288
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Wer heute über globale Demokratieformen nachdenkt, kommt an Otfried Höffes Konzept einer komplementären Weltrepublik nicht mehr vorbei. Die Arbeit gibt einen Überblick über Höffes Entwurf, sowie über Ergänzungen und Einwände anderer Autoren.
Schlagworte
Entwurf, Weltrepublik
Arbeit zitieren
Andreas Graw (Autor:in), 2005, Entwurf einer Weltrepublik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60034

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