Welche Gewichtung ist dem Faktor interkulturelle Kompetenz in Bundesbehörden einzuräumen?

Eine Betrachtung anhand des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge unter Berücksichtigung des neuen Zuwanderungsrechtes


Diplomarbeit, 2006

99 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


I. GLIEDERUNG

1. Einleitung

2. Interkulturelle Kompetenz
2.1. Der Begriff „interkulturelle Kompetenz“
2.2. Kulturelle Standards
2.3. Interkulturelle Kommunikation
2.4. Interkulturelles Lernen
2.4.1. Akkulturation
2.4.2. Interkulturelles Training
2.5. Ethische Verantwortung bei interkulturellem Handeln

3. Das Zuwanderungsgesetz
3.1. Entstehung des Zuwanderungsgesetzes; Ein historischer Abriss
3.2. Grundsätze, Ziele und Rechtslage des Zuwanderungs- gesetzes

4.Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Fokus des Integrationsprozesses
4.1. Aufbau, Organisation und Aufgaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
4.2. Integration als zentraler Auftrag des Zuwanderungsgesetzes
4.2.1. Struktur der Integrationskurse
4.2.2. Besondere Bedeutung der Orientierungskurse
4.3. Effektivität der Integrationskurse
4.3.1. Bisherige Erkenntnisse des Bundesamtes
4.3.2. Bewertung der Träger

5. Interkulturelle Kompetenz im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
5.2. Behördenspezifische Trainingseinheiten und künftige Entwicklungen
5.3. Sonstige Unterstützung

6. Fazit

II. LITERATURVERZEICHNIS

III. ANLAGEN

1. EINLEITUNG

„(…) Ich meine, dass wir einen wichtigen Schritt vollziehen in der Aufstellung Deutschlands in einer globalisierten Welt, in der es Deutschland nicht verträgt, sich abzuschotten, sondern in der es seine Türen und Fenster öffnen muss, um darin zu bestehen. Spricht man mit jungen Menschen, die einen anderen Zugang und andere Zuwendungen zur Welt haben, als vielleicht ältere Generationen erfahren durften, kann es uns sogar mit Glücksgefühlen und Dankbarkeit erfüllen, dass wir in einer Welt leben, die eben nicht antagonistisch ist, in der man sich nicht feindlich gegenübersteht, sondern in der sich Frieden und nachbarschaftliche Zusammenhänge bei weitem besser entwickeln, als das in einer dunklen Vergangenheit der Fall war. (…) wir verabschieden uns von der Illusion, Deutschland sei kein Einwanderungsland und könne in dem alten Trott fortfahren, in dem es sich lange bewegt hat. Wir verabschieden uns von der Verweigerung der Wahrnehmung der Wirklichkeit. (…)“[1]

Die Worte des ehemaligen Bundesinnenministers Otto Schily, anlässlich einer Rede im Bundesrat zum Zuwanderungsgesetz im Juli 2004 lassen erkennen, dass Deutschland eine multikulturelle Gesellschaft ist.

Und dies nicht nur gegenwärtig, wo die Fußballweltmeisterschaft im Sommer diesen Jahres ihre Schatten vorauswirft und „Die Welt zu Gast bei Freunden“ sein wird.

Seit mehr als 40 Jahren kommen ausländische Menschen nach Deutschland. Anfänglich aufgrund der boomenden Wirtschaft und dem akuten Bedarf an Arbeitskräften. Nach dem Anwerbestopp im Jahr 1973 waren es vornehmlich andere Gründe die dazu veranlassten, in die Bundesrepublik zu kommen oder zu bleiben.

Mittlerweile leben über 7 Millionen ausländische Bürger dauerhaft bei uns und jedes Jahr werden in Deutschland 100.000 Kinder geboren, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.[2]

Obwohl Menschen nichtdeutscher Herkunft schon Jahrzehnte unter uns leben, haben sie sich vielerorts noch immer nicht in die hiesige Gesellschaft integriert. Die Gründe sind vielfältig und mögen sowohl auf in- wie auch auf ausländischer Seite begründet sein. Gerade in den letzten Wochen und Monaten haben die Medien über die Problematik der Ausländer- und Integrationspolitik berichtet, die nicht zuletzt durch die Eskalationen und Übergriffe an einer Berliner Hauptschule ausgelöst wurden.

Die Berichterstattungen und innerpolitischen Diskussionen reichen von einer Verweigerung der Verlängerung von Aufenthaltstiteln „Es muss erlaubt sein, darüber nachzudenken, dass der Staat denjenigen, die keinen Integrationswillen zeigen, keine weiteren Aufenthaltstitel zubilligt, geschweige denn sie einbürgert.“[3] bis hin zu finanziellen Sanktionen „Wer nicht bereit ist, sich zu integrieren und die Angebote unseres Landes anzunehmen, muss dies künftig auch am Geldbeutel spüren.“[4].

Oft fehlt gegenseitiges Verständnis für Andersartigkeiten, welches, möglicherweise gepaart mit einer gewissen Angst vor dem Fremden die Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsteile bedingt. Aber mit der Maxime „Jeder bleibt unter sich!“ wird es insbesondere integrationswilligen ausländischen Mitbürgern erschwert, in Deutschland eine Existenz aufzubauen und eigenständig für die Familien zu sorgen, was nicht nur für sie selbst, sondern auch angesichts der deutschen Haushaltslage und der ausgeschöpften Sozialkassen der Bundesrepublik wünschenswert wäre.

Ein praktikabler Ansatz ist in diesem Zusammenhang das, am 01.01.2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz, welches nun andere gesetzliche Grundlagen für Asylantragssteller vorgibt. Vor allem aber rückt es auch die notwendige Integration ausländischer Mitbürger in den Fokus des Bundesinteresses und lässt diese nunmehr zu einer zentralen Aufgabe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge werden.

Mit dieser Thematik soll sich die vorliegende Arbeit beschäftigen. Hierin wird unter anderem die Frage geklärt, welche Maßnahmen seitens des Bundesamtes umgesetzt werden, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen und die Integration ausländischer Mitbürger in der Bundesrepublik zu unterstützen. Aber nicht nur die Quantität der Integrationsmaßnahmen durch vorliegende Daten des Bundesamtes, sondern auch deren Qualität wird durch eine Befragung verschiedener Kursträger kritisch betrachtet.

Weiterhin werden ebenso interne Schulungen für Mitarbeiter des Bundesamtes beleuchtet. Diese werden nun verstärkt zum Kontext „interkulturelle Kompetenz“ durchgeführt, weil nur eine Sensibilisierung aller Beschäftigter zum Erfolg der Aufgabenstellung führen kann.

Als Ziel der Arbeit soll sich herauskristallisieren, welcher Stellenwert interkultureller Kompetenz und – Arbeit sowie Aspekte, die damit einhergehen, derzeit auf Bundesebene zukommt, welche Position künftig angestrebt werden und welche begleitenden Maßnahmen noch umgesetzt werden sollten.

Für die Betreuung und Unterstützung möchte ich mich bei meinen beiden Korrektoren, sowie den Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, insbesondere denen des Referates 112, Sachgebiet Aus- und Fortbildung aus der Zentrale in Nürnberg herzlich bedanken.

Anmerkung:

Auf eine Verwendung von weiblichen und männlichen Bezeichnungen im Zuge des Gender Mainstreaming, also der durchgängigen Gleichstellungsorientierung von Mann und Frau, wurde aus Vereinfachungsgründen verzichtet. Die im Folgenden genutzte ausschließlich männliche Bezeichnung schließt jedoch, sofern nicht anders angezeigt beiderlei Geschlecht ein.

Innerhalb der Ausführungen zu Inhalt und Grundsätzen des Zuwanderungsgesetzes (3.2.) wurde vornehmlich im Sinn einer Gesamtübersicht gearbeitet. Individuelle rechtliche Details, wie das Aufenthaltsgesetz wurden daher möglicherweise nicht oder nicht vollständig einbezogen.

2. INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Seit einigen Jahren begegnet man in den Medien, vor allem im Wirtschaftsbereich dem Begriff „Interkulturelle Kompetenz“, wo er im Zusammenhang mit internationalen Kontakten, Geschäften oder Transaktionen verwendet wird. In jüngerer Vergangenheit findet er aber auch immer häufiger Anwendung in einem Atemzug mit der öffentlichen Verwaltung. Als eine Art Modewort verstanden, wissen jedoch nur sehr wenige Menschen damit etwas anzufangen.

2.1. Der Begriff „interkulturelle Kompetenz“

Der verhältnismäßig junge Bereich, der sich in Deutschland seit den 70er-Jahren, zunächst durch die Ausländerpädagogik und die Überwindung sprachlicher Defizite von Ausländern etabliert hat, stammt ursprünglich aus den USA und Großbritannien. Hier wurde er unter dem Stichwort „Diversity“ zunächst an Universitäten näher betrachtet und ist mittlerweile Ziel der Personalentwicklung in zahlreichen Unternehmen.[5]

Dass sich in der freien Wirtschaft Mitarbeiter auf internationalem Parkett komplikationslos bewegen können, gilt heute gerade in Großunternehmen als selbstverständlich. Dort, wo es um Geschäfte und letztlich viel Geld geht, sind „kulturelle Missverständnisse Sand im Getriebe (...)“.

Aber auch auf Gebieten, wo es nicht primär um Finanzen sondern insbesondere um die Bereitstellung von Serviceleistungen geht, ist interkulturelles Wissen notwendig. Touristen-Informationszentren wären ohne kulturelles und sprachliches Wissen ihrer Mitarbeiter quasi handlungsunfähig, was ebenso für Behörden, insbesondere in Großstädten wie beispielsweise Berlin gilt, wo 180 Nationalitäten leben[6].

Gerade in der Verwaltung werden die Mitarbeiter mit der Aufgabe konfrontiert, einen „Kunden“ mit oft nur unzureichenden Sprachkenntnissen vor sich zu haben und diesem bei der Überwindung bürokratischer Hürden helfen zu müssen. In einer solchen Situation Entscheidungen und Handlungsweisen der Verwaltung zu erläutern, die auch für Deutsche mitunter nur schwierig nachvollziehbar sind, bedeutet für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung.[7]

Auch wenn nicht jedes individuelle Detail im Verhalten eines ausländischen Mitbürgers aus unserer Sicht verständlich erscheint, so bedeutet interkulturelle Kompetenz vor allem die Achtung vor der anderen Kultur[8] und die Anerkennung derer Orientierungs- und Identitätsstrukturen[9]. Aber sie geht bei Weitem über die reine, passive Akzeptanz und Toleranz hinaus.[10]

Interkulturelle Kompetenz ist eine Form der sozialen Kompetenz. Sie wurde um den kulturellen Aspekt erweitert und definiert die Kommunikations- und Handlungsfähigkeit in kulturellen Überschneidungssituationen.[11]

Als Faustregel lässt sich festhalten, dass jene Menschen interkulturell kompetent sind, die bei internationalen Begegnungen, etwa dem beruflichen Umgang mit ausländischen Mitbürgern, sachkundig handeln. Sachkunde steht in diesem Zusammenhang für die Nutzung von Wissen über die Kultur des Herkunftslandes des jeweiligen Gegenüber, welche an bestimmte Verhaltensweisen, Rituale und Gewohnheiten z.B. bei Kleidung und Essverhalten gekoppelt ist.[12]

Interkulturelle Kompetenz impliziert den dauerhaften Besitz von Fähigkeiten, die einen kultursensiblen, erfolgreichen Umgang mit Angehörigen anderer Kulturen ermöglicht.[13]

Der Erwerb Interkultureller Kompetenz ist jedoch schwierig, da es sich nicht um einen reinen Wissensbaustein handelt, der sich allein durch Teilnahme an einem Seminar oder durch zu Rate ziehen eines Nachschlagewerkes erlernen lässt, sondern einen unter Umständen langwieriger Prozess bedeutet, der sich in mehreren Stufen aufbaut.[14]

Jeder Mensch geht grundsätzlich, wenn auch unbewusst davon aus, dass sein Lebensstil und seine Verhaltensweisen richtig und „normal“ sind. Bestärkt wird diese Annahme dadurch, dass sich die Mitmenschen im persönlichen Umfeld ähnlich verhalten, da sie in der Regel der gleichen Kultur angehören. Werden andere Verhaltensweisen im beruflichen oder privaten Bereich wahrgenommen, so werden diese häufig als störend und unrichtig empfunden. In der Regel wird diese Andersartigkeit als verbesserungswürdiges Fehlverhalten gewertet.[15] In Überschneidungssituationen wird also davon ausgegangen, dass die eigene Kultur die überlegene ist.[16]

Insbesondere dieses Vorurteil muss abgebaut und überwunden werden. Andernfalls ist der Besitz interkultureller Kompetenz unmöglich. Der Lernende muss zu einem anhaltenden Wechsel seines persönlichen Blickwinkels angeleitet werden, in welchem er beginnt sich selbst anders wahrzunehmen und seine bisherigen Bewertungsschemata kritisch zu betrachten[17].

Für ein besseres Gesamtverständnis der Interkulturellen Kompetenz, ist die Hinzuziehung des Modells der „Drei Säulen interkultureller Zusammenarbeit“ sinnvoll:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Die 3 Säulen interkultureller Zusammenarbeit

Die Inhalte dieser Säulen stehen insgesamt für das Maximum an kulturellem Wissen. Jeder Teilbereich existiert jedoch auch unabhängig von den anderen. Je mehr Kenntnisse in den einzelnen Säulen vorhanden sind, um so interkulturell kompetenter ist die Person im jeweiligen Teilsegment.

Eine Person ist demzufolge interkulturell kompetent wenn sie beispielsweise über folgende Eigenschaften verfügt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anhand dieses Modells lässt sich erkennen, dass erfolgreiche, allumfassende interkulturelle Kompetenz aus einer Vielzahl einzelner Elemente besteht. Während einige Fähigkeiten weit entwickelt sind, könnten theoretisch andere dagegen völlig unterentwickelt sein.[18] In der Praxis ist das aber als eher unwahrscheinlich anzusehen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass man interkulturell kompetent ist, wenn man dauerhaft fremden Kulturen offen und abwägend, aber nicht abwertend begegnen kann. Dazu gehört ein gewisses Einfühlungsvermögen, welches mit einem differenzierten kulturellen Hintergrundwissen einhergeht[19] sowie die Fähigkeit verbale und nonverbale Kommunikationsregeln anwenden zu können[20].

Interkulturelle Kompetenz lässt sich einzig über Interkulturelles Lernen erwerben!

Es kommen zunehmend Kontakte zu Menschen aus anderen Kulturen mit anderen Sprachen zustande. Das heißt, dass Sensibilität, Toleranz und Verständnis entwickelt werden müssen. Das Beherrschen von Sprachen und das Kennen der Kulturen wird eine wachsende Qualifikation sein.

Lutz von Rosenstiel[21]

2.2. Kulturelle Standards

Im Zusammenhang mit dem Erwerb von interkultureller Kompetenz stellt sich auch die Frage, was diese inhaltlich ausmacht und ob es feste Werte gibt, an denen man sich orientieren kann. Ferner muss auch erläutert werden, was eine Kultur überhaupt ist.

Der Begriff der Kultur unterliegt dem Phänomen, dass er nicht eindeutig definierbar ist. Oskar Negt, ein deutscher Sozialphilosoph verwies in diesem Zusammenhang auf einen berühmten Kollegen: “(…) alle großen historischen Begriffe, wie Nietzsche einmal gesagt hat, sind nicht definierbar. Alles, was sich im gesellschaftlichen Leben wirklich abspielt, ist durch Definitionen nicht vollständig fassbar (…)“.[22]

Dennoch stammen viele Ansätze aus Philosophie, Soziologie und Germanistik und umfassen Gegenstände, Ideen und Weltbilder, Sprache, den Umgang mit belebten und unbelebten Subjekten und Objekten.[23]

Ursprünglich hatte das Wort „Kultur“ im Lateinischen zwei Eigenschaften. Einerseits fand es immer in Kombination mit einem anderen Wort Anwendung, wie etwa cultura animi (Geistesbildung), cultura ingenii (Kultur der Gesellschaft), tempora cultiora (gebildete Zeiten).

Andererseits wurde der Sinn stets im Gegensatz zu einem anderen Wort verwendet; bis ins 19.Jahrhundert ausschließlich als Gegensatz zur Natur (hier war dann der bestellte Ackerboden gemeint)[24], später beispielsweise als Gegensatz zur Zivilisation.[25] Eine solche Unterteilung wird mittlerweile nicht mehr vorgenommen.

Die heutigen Definitionen des thematisch relevanten Kulturbegriffes, lehnen sich jedoch in weiten Teilen an die umfassende Idee Goethes an, in dessen Kulturbegriff „(…) weder die Kleidung noch die Eß- und Trinkgewohnheiten, weder die Geschichte noch die Philosophie, weder Künste noch die Wissenschaft, weder die Kinderspiele noch die Sprichwörter, weder das Klima noch die Landschaftsformen, weder die Wirtschaft noch die Literatur, weder das Politische noch das Private (…)“ fehlen.[26]

Unter Verwendung dieser historischen und Berücksichtigung heutiger Erkenntnisse kann man sagen, dass „Kultur“ ein gemeinsames System von Überzeugungen und Einstellungen, Werten, Symbolen und Handlungsweisen; also ein gemeinsames Sinnsystem einer bestimmten Gruppe von Menschen darstellt.[27] Dadurch, dass sich Viele mit diesem Wertesystem identifizieren, unterliegt es einem stetigen Veränderungs- und Wandlungsprozess. Ferner kommt es auch innerhalb einer Kultur zu Mehrdeutigkeiten und Widersprüchen, da sie aus einer Vielzahl von Details, Ansichten, Ritualen und Handlungsweisen mit unterschiedlichem Werdegang und Herkunft zusammengesetzt ist. Das bedeutet, dass innerhalb einer Gesellschaft verschiedene Kulturen existieren können, in die ein Mensch entweder hineingeboren wird oder sich freiwillig eingliedert. Innerhalb dieser individuellen Umgebung existieren Einflüsse, die ein Individuum in seinem Verhalten und Denken prägen und beeinflussen. Bedenkt man etwa die in Deutschland existierenden Glaubensrichtungen oder auch regional bedingte Besonderheiten wie z.B. die traditionelle bayerische Lederhose, so wird deutlich, dass eine Verallgemeinerung kaum möglich ist.

Ähnliches gilt im interkulturellen Bereich. Es wäre ein schwerwiegender Fehler, wenn man eine Kategorisierung allein nach Hautfarbe oder Herkunftsland vornehmen würde, ohne den persönlichen Hintergrund wie Bildung, Beruf, Religion, Herkunftsregion, etc. zu betrachten. Eine solche Vorgehensweise führt nicht zur interkulturellen Öffnung, sondern viel mehr zur Verstärkung der Stigmatisierung und Ausgrenzung.[28]

„Kulturstandards können allgemein durch folgende fünf Merkmale definiert werden:

- Kulturstandards sind Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns, die von der Mehrheit der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich und andere als normal, typisch und verbindlich angesehen werden.
- Eigenes und fremdes Verhalten wird aufgrund dieser Kulturstandards gesteuert, reguliert und beurteilt.
- Kulturstandards besitzen Regulierungsfunktion in einem weiten Bereich der Situationsbewältigung und des Umgangs mit Personen.
- Die individuelle und gruppenspezifische Art und Weise des Umgangs mit Kulturstandards zur Verhaltensregulation kann innerhalb eines gewissen Toleranzbereichs variieren.
- Verhaltensweisen, die sich außerhalb der bereichsspezifischen Grenzen bewegen, werden von der sozialen Umwelt abgelehnt und sanktioniert.“[29]

Problematisch bei kulturellen Standards ist, dass das visuell Wahrgenommene nur „die Spitze des Eisbergs“, also die sichtbare Ausdrucksform einer jeweiligen Kultur darstellt. Verinnerlichte Überzeugungen und Denkweisen der Kultur sind nicht sichtbar und daher nur schwer fassbar. Die in der Kultur lebenden Personen nehmen deren individuelle Feinheiten nicht mehr wahr, sämtliche Handlungen unterliegen einem gewissen Automatismus. Außenstehenden zu erklären, was eine Kultur ausmacht ist bis ins Detail praktisch unmöglich.

Am ehesten erkennt man eigene und Fremdkultur, wenn man sich einige Zeit im Ausland aufhält.

Ein zentrales Bedürfnis eines jeden Menschen ist es, sich in „seiner“ Welt zurechtzufinden. Interaktionen im sozialen Umfeld verlaufen gewöhnlich nach einem bekannten Muster, in dem bestimmte Reaktionen erwartet und „geliefert“ werden. Wenn wir mit einer anderen Kultur konfrontiert werden, geraten diese Strukturen jedoch ins Wanken. Es ist nicht länger eindeutig, was von einem erwartet wird. Insbesondere in diesen Augenblicken werden wir uns der eigenen, bekannten, quasi „lebensnotwendigen“ Kultur bewusst.

Bildlich gesprochen könnte man Kultur mit einem Aquarium vergleichen, in dem ein Goldfisch schwimmt. Solange er sich in seiner gewohnten Umgebung aufhält, fühlt er sich wohl und sicher. Erst wenn man ihn aus diesem Wasser herausnimmt merkt er, wie wichtig es ihm ist.

In Bezug auf die Verwaltungstätigkeit hat dies natürlich auch Auswirkungen. Wenn sie den Anforderungen einer modernen Einwanderungsgesellschaft gerecht werden will, muss sie zwangläufig ermitteln, in welchem Maß und auf welchen Ebenen Einwanderung stattfindet und welches Wissen dafür relevant ist.[30]

Auch wenn sich also eine Kultur nicht in ihrer Gesamtheit beschreiben und in ein vollständig erlernbares Schema pressen lässt, so ist es doch sinnvoll, sich einige Standards, die über die Unterschiede hinweg in jeder Gruppe existieren, anzueignen. Diese sind kein Garant dafür, dass es in interkulturellen Begegnungen nicht zu Schwierigkeiten kommen wird. Allerdings ist „abrufbares“ Wissen eine nützliche Orientierungshilfe, die unter Umständen auftretendes, fremdartig erscheinendes Verhalten des Gegenübers, leichter verständlich macht.[31]

Von kulturellen Standards wird gesprochen, wenn versucht wird, bestimmte Verhaltensweisen auf ein zugrunde liegendes kulturelles Muster zurückzuführen. Dies ist Aufgabe der Wissenschaft und insbesondere der interkulturellen Forschung.[32]

Diese Forschung macht sich auch die freie Wirtschaft seit den 1970ern zunutze. Aus den USA stammt der so genannte Cultural Assimilator, ein Lehrwerk, mit deren Hilfe interkulturelle Überschneidungssituationen leichter zu meistern sind.[33]

Ein solches Handbuch befasst sich stets mit zwei kollidierenden Kulturen, also etwa den USA und der Bundesrepublik Deutschland. Situationen, die im geschäftlichen Umgang auftreten können, werden darin simuliert und mit der Aufgabenstellung, die richtige Antwort zu finden verbunden. Mehrere Vorschläge, aus denen der Lernende wählen kann, liegen vor und werden erläutert. So kann beispielsweise der deutsche Manager lernen, warum sein amerikanischer Geschäftspartner während eines Verlaufsgespräches in bestimmter Art und Weise reagiert hat.

Allerdings lassen sich mit dieser Technik nicht alle Missverständnisse aus dem Weg räumen, zumal Kulturen, wie bereits erwähnt nicht statisch sind. Auch können komplexere Vorgänge nicht dargestellt werden.

Allerdings ist diese Art der Wissensvermittlung relativ kostengünstig und kann je nach Gegebenheit für Einzel- oder Gruppentrainings angewandt werden. In jedem Fall findet ein Sensibilisierungsprozess statt, so dass sich der Lernende auf interkulturelle Überschneidungssituationen besser einstellen kann bzw. bereits entsprechend vorbereitet ist.[34]

2.3. Interkulturelle Kommunikation

Kommunikation ist das komplexeste Verständigungsmittel. Zum einen kann sie dazu beitragen Missverständnisse auszuräumen, andererseits aber auch, gerade zwischen den Kulturen, solche herbeiführen oder begünstigen. Menschlicher Kommunikation kommt also, insbesondere im interkulturellen Bereich eine Schlüsselrolle zu.

Verbale Kommunikation ist in aller Regel das wesentliche Mittel um sich zu verständigen. Hierzu zählen neben dem eigenen Wortschatz auch die verwendeten Stilmittel, d.h. die Art besondere Ausdrucksmittel wie z.B. Tonhöhen zu benutzen, etwas auszuschmücken oder zu umschreiben. In den letzten Jahren hat aber auch der Bereich der nonverbalen Kommunikation immer stärkere Beachtung gefunden.[35] Nonverbale Kommunikation, also die alleinige bzw. unterstützende Verständigung über Gestik und Mimik macht laut Forschungsergebnissen zwischen 65-93% des gesamten Kommunikationsvorganges aus.[36]

Interkulturelle Kommunikation umfasst die Kommunikation in kulturellen Überschneidungssituationen. Die dabei vorherrschenden kulturellen Differenzen sind maßgeblich für den Ablauf des Kommunikationsgeschehens und die Resultate die daraus hervorgehen.

So wird über das Kommunikationsgeschehen stets auch ein Teil der jeweiligen Kultur vermittelt. In arabischen Staaten wird vor geschäftlichen Verhandlungen beispielsweise zunächst ausführlich über familiäre Dinge geredet, was in Europa eher unüblich ist. Ein Durchbrechen dieses Rituals würde jedoch als Unhöflichkeit gewertet werden und unweigerlich zum Scheitern der angestrebten Beziehung führen.

Vertrautes und Fremdes kollidieren in kulturellen Überschneidungssituationen und führen zu teils unangenehmen Grenzerfahrungen im Bereich der sprachlichen Verständigung, der eigenen Gewohnheiten und des persönlichen Verhaltens. Gesten erfahren möglicherweise eine andere Bedeutung (z.B. bedeutet das Ausstrecken von Daumen und Zeigefinger in China die Zahl 8), was ebenso für die Nutzung von Fremdsprachen gilt. Übersetzungen und Sinn der Worte können von einander abweichen, manche Worte existieren in einer anderen Sprache möglicherweise gar nicht. So ist es durchaus vorstellbar, dass Gesprächspartner ungewollt aneinander vorbeireden.

Dies wird insbesondere dann zum Problem, wenn beide Partner in einer dritten Sprache, in der Regel Englisch, miteinander kommunizieren.[37]

Während eines Kommunikationsgeschehens erfährt der Zuhörer, oder auch Empfänger, wie er in der Wissenschaft bezeichnet wird, stets mehr als nur den Inhalt der Nachricht. Beispielsweise wird ihm vermittelt, welche Beziehung der Gesprächspartner zu ihm hat.

So wird eine angenehm empfundene Beziehung zwischen den Partnern den gleichen positiven Effekt haben wie gleiche Ziele, Erfahrungen oder Ideen.[38] Dies stellt sich aber nur ein, wenn die Botschaft beim Zuhörer/ Empfänger auch genauso ankommt und bewertet wird, wie sie vom Gegenüber/ Sender gemeint und ausgesprochen wurde. Dies ist schon innerhalb eines Kulturkreises schwierig, auf kulturell differenziertem Terrain wird es umso komplizierter, zumal sich nonverbale Signale bei der Nutzung einer anderen Sprache in der Regel nicht verändern. Folglich sind Irritationen wahrscheinlich, die andererseits aber auch die Chance bieten, sich selbst neu zu erleben und wahrzunehmen. Und über die so genannte Metakommunikation, d.h. das Nachfragen ob etwas richtig verstanden oder gedeutet wurde, lassen sich Differenzen vermeiden bzw. abmildern.[39]

2.4. Interkulturelles Lernen

Wie bereits festgestellt, lässt sich interkulturelle Kompetenz nur über den Prozess des interkulturellen Lernens erwerben. Dabei gibt es verschiedene Wege, um sich dieses Wissen zu Eigen zu machen. Zum einen ist es möglich, sich während eines Auslandsaufenthaltes oder einem anderen Zusammentreffen mit Menschen anderer Kulturkreise mit der Fremdkultur auseinanderzusetzen und sich die jeweiligen Handlungs- und Verhaltensweisen anzueignen. Diese Art des Wissenserwerbs kann aber, besonders wenn es sich um eine konträre Kultur handelt, einen so genannten Kulturschock hervorrufen. Dieser führt unter Umständen dazu, dass die fremde Kultur komplett abgelehnt wird und jeglicher Versuch einer konstruktiven Auseinandersetzung von Vornherein verwehrt ist. Dennoch ist diese Art des „Lernens“ Teil des Gesamtkonzeptes.

Auf der anderen Seite, und diese Methode wird beim methodischen Umgang mit der Thematik bevorzugt, existieren Trainingsformen, mit denen nach und nach Wissen über die fremde Kultur vermittelt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2 Konzept des interkulturellen Lernens[40]

Das Konzept des interkulturellen Lernens beinhaltet demnach sämtliche Bildungsprozesse und berücksichtigt auch die Tatsache, dass neben dem bewusst herbeigeführten Lernprozess auch unorganisierte Einflüsse zum Erwerb interkultureller Kompetenz beitragen können. Bei erfolgreicher Umsetzung sensibilisiert es für die Unterschiede zwischen dem eigenen und dem fremden Leben und wirkt Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entgegen.[41]

2.4.1. Akkulturation

Jeder, der schon einmal im Ausland war oder bei anderen Gelegenheiten die Möglichkeit hatte, mit einer anderen Kultur in Kontakt zu kommen, wird zum Teil deutliche Unterschiede gespürt haben. Angefangen bei der Sprache, über eventuelle traditionelle Kleidung bis hin zu Besonderheiten im Verhalten.

Egal, ob man nun bereits im Vorfeld einer solchen Begegnung Wissen erworben hat oder quasi ad hoc dem ungewohnten Metier ausgesetzt ist; sobald ein Individuum gezwungen wird, sich mit der anderen Kultur auseinanderzusetzen, wird früher oder später ein Erfahrungsschatz aufgebaut. Diesen Prozess bezeichnet man als Akkulturation. Je nachdem, mit welcher Wertschätzung man der fremden Kultur dabei gegenübertritt, findet eine andere Art der Akkulturation statt.[42]

Zum einen ist es möglich, dass die Herkunftskultur ablehnt und das Verhalten weitestgehend der Gastkultur angepasst wird. Diesen Prozess bezeichnet man als Assimilation.

Das genaue Gegenteil, nämlich die vollständige Ablehnung der Gastkultur, wird als Separation bezeichnet. Dieser Effekt tritt oft, wie bereits erwähnt im Rahmen eines Kulturschocks auf.

Mischformen aus beiden vorgenannten Formen gibt es sowohl in negativer wie auch in positiver Hinsicht. Die Marginalisierung kennzeichnet sich durch Ablehnung beider Kulturen, was das Verhalten der betreffenden Person stark individualisiert und für Dritte nur schwer durchschaubar macht.

Ein Optimum wird hingegen erreicht, wenn beide Kulturen als positiv empfunden werden und in das Verhalten einfließen. In einem solchen Fall spricht man von Integration.[43] Diesen Effekt streben Einwanderungsgesellschaften an!

2.4.2. Interkulturelles Training

Im Gegensatz zu einem Effekt, der dem buchstäblichen „ins kalte Wasser werfen“ gleicht, soll während eines interkulturellen Trainings bewusst und organisiert Wissen vermittelt und erworben werden.[44]

Bislang war diese Vorbereitung vor allem für Mitarbeiter international agierender Unternehmen vorbehalten, die sich auf eine Entsendung ins Ausland vorbereiten mussten. Im Zuge einer zunehmenden Verschmelzung des Arbeitsmarktes und der Multikulturalität unserer Gesellschaft, wird aber auch die Verwaltung immer stärker mit internationalen und kulturübergreifenden Aspekten konfrontiert. Sowohl der Mitarbeiterstab wie auch die Klientel können internationaler Herkunft sein.

Aus diesem Grund müssen sich auch Mitarbeiter von Behörden gezielt auf den Umgang mit Menschen unterschiedlicher kultureller Prägung einstellen und entsprechend vorbereitet werden.

Innerhalb des interkulturellen Trainings wird eine besonders hohe Lernintensität erreicht, da das Konzept nahe an der Person des Lernenden bleibt und durch Spiele, Simulationen und Erprobungen immer neue Anreize schafft und nicht wesentlich von der Realität des Alltages abweicht. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die stetige Reflektion der durchgeführten Übungen, so dass die Teilnehmer noch einmal sämtliche Lernprozesse und –ergebnisse methodisch begleitet durchlaufen und detaillierte Erläuterungen erhalten.[45]

Hinter solchen Trainingseinheiten verbergen sich stets Konzepte und Ziele, so dass bewusst darauf hingearbeitet werden kann, bestimmte Wissensdefizite auszugleichen bzw. vorhandenes Wissen durch neues zu bereichern.

Es lassen sich drei verschiedene Trainingsziele unterscheiden:

- affektiv
- kognitiv
- behavioral

Affektive Trainings sollen u.a. die emotionale Selbstkontrolle beim Umgang mit Personen aus fremden Kulturen fördern.[46] Sie sind daher insbesondere auf Gefühle, Werthaltungen und Einstellungen im zwischenmenschlichen Bereich ausgerichtet.[47] Im kognitiven Training geht es um die Vermittlung von fremdkulturellen Orientierungssystemen[48], d.h. hier spielt primär das reine Faktenwissen eine Rolle. Aber auch kreative Anwendung des Wissens und darauf bezogene Problemlösungsstrategien, werden innerhalb dieses Lehrfeldes trainiert.[49] Im Rahmen des behavioralen Trainings werden Verhaltensmuster der fremden Kultur vermittelt.[50] Dieser Bereich geht auf eine, 1913 in den USA gegründete Schule zurück. Deren Anhänger vertreten die Auffassung, dass der Mensch in seinem Verhalten ausschließlich durch seine Umwelt geprägt wird. So kämpfen die Inuit oder auch Eskimos genannt gegen die Extrembedingungen der Arktis. Menschen in den Niederungen von Flüssen dagegen, haben vornehmlich Probleme mit Hochwasser. Die objektive Ergründung jeweiliger Verhaltensweisen gelingt nur durch Beobachtungen oder das Aussetzen bestimmter Reize.[51]

Je nach Ziel des Trainings oder der anvisierten Aufgabe des Mitarbeiters lassen sich also Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Wissen bewusst beeinflussen und steuern.

Die Wirksamkeit wurde mittlerweile mehr als 50mal weltweit bestätigt. So reagieren ehemalige Teilnehmer noch Jahre nach einem interkulturellen Training besonders kultursensibel und wenden das dort vermittelte Wissen an. Die Zahl der bereits erfolgreich durchgeführten Maßnahmen liegt natürlich um ein Vielfaches darüber, Unternehmen oder auch Verwaltungen verzichten aus Kosten- und Zeitgründen in aller Regel aber auf eine ausführliche Evaluierung.[52]

Jedoch wird in der Praxis häufig auch noch immer das, auf Theorie verzichtende „Learning by doing“ angewandt. Man mag spekulieren, was hierfür ursächlich ist. Möglich wäre das mangelndes Vertrauen in die Wirksamkeit oder auch der Kostenaspekt, den die Teilnahme an einem entsprechenden Training unweigerlich mit sich bringen würde. Auf der anderen Seite ist es aber gerade für Führungskräfte mit besonderem Termin- und Zeitdruck möglicherweise nur schwer realisierbar, kontinuierlich an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen.

Dennoch sollte die Frage gestellt werden dürfen, ob fachlich kompetente, jedoch kulturell unzureichend vorbereitete Mitarbeiter einen nicht unwesentlichen Beitrag zu unerwünschten divergenten innerbetrieblichen Entwicklungen leisten!?

Unterschiedliche Meinungen und Standpunkte in dieser Sache führen zu folgenden drei Ansätzen:

- On-the-job-Entwicklung
- Beratung
- Training

Viele Erfahrungen, die für eine berufliche Tätigkeit von großer Bedeutung sind, werden erst im Laufe der Praxis und nicht bereits während der Ausbildung erworben. So kann es auch im interkulturellen Bereich durchaus von Nutzen sein, zunächst in einem Team mitzuarbeiten, in dem kulturelle Aspekte eine Rolle spielen. Während dieser On-the-job-Entwicklung kann man unbeschadet Erfahrungen sammeln, in dem über das Austesten und Probieren eine gewisse Sensibilität entwickelt wird. Durch die Arbeit im Team lernt man kulturell angemessen zu kommunizieren, Konflikte auszutragen und die unterschiedlichen auftretenden Arbeits- und Verhaltensstile bestmöglich miteinander zu kombinieren. Dennoch sollte fachkundige Beratung und ggf. auch Training jederzeit möglich sein, insbesondere um Erfahrungen konstruktiv zu reflektieren.

Beratung in Form von Unterstützung ist nicht nur bei der bereits ausgeführten On-the-job-Entwicklung, sondern generell sinnvoll. Auftretende Differenzen können insbesondere ohne entsprechendes Hintergrundwissen nicht korrekt interpretiert werden. Ob nun externe oder interne Coachs und Mentoren die interkulturelle Arbeit unterstützen, sei dahingestellt. In jedem Fall sollten Fachleute zur kultursensiblen Problemlösung zu Rate gezogen werden.

Für Führungskräfte mit Aufgaben im interkulturellen Bereich sind Trainings jedoch nach wie vor unumgänglich. Entsprechend der angestrebten Aufgabe und der gewünschten Effekte müssen langfristig entsprechende Pläne ausgearbeitet und umgesetzt werden.[53]

2.5. Ethische Verantwortung bei interkulturellem Handeln

Seit einigen Jahren findet der Begriff „Ethik“ verstärkt Beachtung im Zusammenhang mit Tätigkeiten in Wirtschaft und Verwaltung.

Bis dahin noch als philosophische Belanglosigkeit abgetan, steht mittlerweile fest, dass ethische Orientierungen einen wesentlichen Erfolgsfaktor ausmachen.[54]

Das Wort Ethik wurde aus dem Griechischen abgeleitet, wo es Gewohnheit, Sitte und Gebrauch bedeutet und wird heute als praktischer Teil der Philosophie verstanden, da das menschliche Handeln im Mittelpunkt steht. Ethik baut auf dem Prinzip der Vernunft auf und verfolgt das Ziel allgemeingültiger Normen und Werte, die Hilfen für sittliche Entscheidungen darstellen sollen.[55]

Kritiker im Wirtschaftsbereich führen z.B. an, dass hohe Börsenkurse, die vor allem durch Massenentlassungen und Verlagerung von Unternehmensstandorten in Billiglohnländer entstehen, jeglicher Form von Moral und Sitte widersprechen, genauso wie auch massive Umweltbeeinträchtigungen, die zum finanziellen Wohl eines Unternehmens hingenommen werden. Gerechtigkeit und Moralansätze werden insbesondere in der, auf Effizienz ausgerichteten Ökonomie immer wieder zu kontroversen Diskussionen führen, dienen aber seit Verstärkung der kritischen Betrachtung wirtschaftlicher Problematiken und damit einhergehender Begleiterscheinungen als eine Art Krisenreflektor.[56]

Auch der Bereich Politik und Verwaltung wird zunehmend von ethischen Ansätzen durchdrungen, die ihren Ausdruck u.a. in Gesetzen und Normen finden. Jeder politischen Entscheidung oder Handlung sollte eine nachvollziehbare Begründung vorausgehen, die von Zielen wie Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit geleitet wird.[57]

Durch die Medien publizierte ethische Verfehlungen der Verwaltung, die ohnehin bei einem großen Teil der deutschen Bevölkerung einen schweren Stand hat, werden negative Klischees immer weiter im Grundverständnis der Bürger verankert und lassen das Vertrauen in bürokratisches Handeln stetig sinken. Der Imageschaden ist enorm, wenn Fälle von Korruption, Stellenbesetzungen aufgrund richtiger „Parteibücher“ oder fragwürdige Praktiken der Sicherheitsbehörden aufgedeckt werden.[58]

Aber Unternehmen und auch Verwaltungen können nur dann dauerhaft erfolgreich sein, wenn sie auf nationaler und internationaler Ebene einheitliche verbindliche Maßstäbe schaffen und damit zu einer gesunden Unternehmenskultur beitragen. Solange solche Leitlinien aber noch nicht vorliegen, unterliegt die Verpflichtung, als moral-ethische Instanz zu handeln noch immer der Freiwilligkeit. Ökonomische, soziale, kulturelle und politische Aspekte sollten sich dabei, unabhängig ihres kulturellen Ursprungs aneinander annähern. Nur so kann es künftig zur Durchsetzung weltweiter Sozial- und Umweltstandard kommen.[59]

3. DAS ZUWANDERUNGSGESETZ

Im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße ist Deutschland das größte Einwanderungsland überhaupt. Pro 100.000 Einwohner wanderten in den letzten Jahren zwischen 1.600 und 1.700 Menschen nach Deutschland ein. In den USA waren es dagegen je 100.000 Einwohner lediglich 300 Menschen, in Australien ca. 600. Im Gegensatz zu diesen und vielen anderen Ländern betrieb Deutschland bis vor kurzem jedoch keine systematische Einwanderungspolitik.[60]

Dies wird nun seit der Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes sukzessive geändert. Künftig ist eine bessere Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung möglich, was auch die Rückkehrförderung beinhaltet. Ferner wird der Komplex der Integration verbessert, damit die dauerhaft in Deutschland lebenden ausländischen Mitbürger in möglichst vielen Bereichen Teil der hiesigen Gesellschaft werden.

3.1. Entstehung des Zuwanderungsgesetzes; Ein historischer Abriss

Kurz nach Gründung der Bundesrepublik 1949 bestand ein massiver Mangel an Arbeitskräften, so dass ab 1955 so genannte Gastarbeiter angeworben werden mussten.

Im Jahre 1965 wurde die, seit 1938 geltende Ausländerpolizeiverordnung erstmalig durch ein Ausländergesetz abgelöst.

Im Zusammenhang mit der ersten Ölpreiskrise erließ die Bundesregierung im November 1973 einen Anwerbestopp von ausländischen Arbeitskräften. Dadurch wurde der Zuzug zur Arbeitsaufnahme grundsätzlich beendet. Bis dahin kümmerten sich die Unternehmen selbst um ihre nichtdeutschen Arbeitskräfte, die in der Regel als Saisonarbeiter beschäftigt wurden. Rund vier Millionen Ausländer lebten bis zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik. Der Stopp führte jedoch vielfach dazu, dass grundsätzlich Ausreisewillige in der Bundesrepublik blieben und die Familien nachzogen, da zu einem späteren Zeitpunkt eine legale Einreise kaum mehr möglich gewesen wäre.

Offizielle Erklärungen, wie die des einstigen Bundeskanzlers Helmut Schmidt „Wir wollen und können kein Einwanderungsland werden“ im Jahre 1979 führten dazu, dass bis in die 80er Jahre hinein vorwiegend restriktive Einzelmaßnahmen durchgeführt wurden, welche zur Unübersichtlichkeit der Gesetzeslage führten.

Da legale Einwanderung weitgehend ausgeschlossen war, wurde das Asylrecht der „rettende Anker“ für viele Menschen um einen Aufenthaltstitel in der Bundesrepublik zu erwerben. Im Zeitraum zwischen 1987 und 1992 stieg die Zahl der Asylsuchenden kontinuierlich von rund 50.000 jährlich und erreichte schließlich 1992 einen Höhepunkt bei rund 438.000 Menschen. Im ersten Quartal 1990 wurde daraufhin ein neues Ausländergesetz erlassen, dass am 01.01.1991 in beiden Teilen Deutschlands in Kraft trat. Ferner führte eine Grundgesetzänderung mit Wirkung vom 01.Juli 1993 dazu, dass die Zahl der Asylantragssteller drastisch zurückging.

[...]


[1] Otto Schily, 07/2004 in http://www.bmi.bund.de

[2] http://www.wikipedia.de, Stichwort:Zuwanderungsgesetz und BAMF intern, Zuwanderungsbericht_pdf.2001, S.13

[3] Wolfgang Schäuble, in Bild am Sonntag, zitiert in Volksstimme 10.04.2006

[4] Edmund Stoiber, in Bild am Sonntag, zitiert in Volksstimme 10.04.2006

[5] BAMF intern, 03_08_interkulturellekompetenz. S.1

[6] John in Interkulturelle Öffnung der Verwaltung.2002, S.54

[7] Weber in Interkulturelle Öffnung der Verwaltung.2002, S. 49

[8] Curvello in Interkulturelle Öffnung der Verwaltung.2002, S.39

[9] Auernheimer in Interkulturelles Lernen; Arbeitshilfen für die politische Bildung. 2000, S.24

[10] Scheitza u.a. in Interkulturelle Zusammenarbeit: Einführung und Grundlagen. 2002, S.39

[11] www.wikipedia.de; Stichwort: Interkulturelle Kompetenz

[12] Weber in Interkulturelle Öffnung der Verwaltung.2002, S. 49

[13] Grosch/ Leenen in Interkulturelles Lernen; Arbeitshilfen für die politische Bildung.2000, S.29

[14] Scheitza u.a. in Entwicklung interkultureller Kompetenz., 1999, S.28

[15] Thomas in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S.49, 57

[16] Scheitza u.a., in Entwicklung interkultureller Kompetenz.1999, S.30

[17] vgl. Auernheimer in Interkulturelles Lernen; Arbeitshilfen für die politische Bildung.2000, S.24

[18] in Anlehnung an Scheitza u.a. in Interkulturelle Zusammenarbeit: Einführung und Grundlagen.2002, S.42-43

[19] Scheitza u.a. in Interkulturelle Zusammenarbeit: Einführung und Grundlagen.1999, S.16

[20] Scheitzka u.a. in Entwicklung interkultureller Kompetenz.1999, S.23

[21] www.zitate.de, Querverweis Ausländer

[22] http://dickinson.edu/

[23] Thomas in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S.21

[24] http://www.wikipedia.de, Stichwort Kultur

[25] http//them.polylog.org/

[26] http://www.wikipedia.de, Stichwort Kultur

[27] Auernheimer u.a. in Interkulturelles Lernen; Arbeitshilfen für die politische Bildung.2000, S.33

[28] Curvello in Interkulturelle Öffnung der Verwaltung.2002, S.46

[29] Thomas in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S.25

[30] Curvello in Interkulturelle Öffnung der Verwaltung.2002, S.41

[31] Thomas in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S.30

[32] Layes in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S.60

[33] http://www.andreas.de

[34] http://wwwuser.gwdg.de

[35] Glaser in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S.74,83

[36] Rösgen u.a. in Intra-und interkulturelle Kommunikation.1999, S.22

[37] Thomas in Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S.101,102

[38] Scheitza u.a. in Interkulturelle Zusammenarbeit: Einführung und Grundlagen.2002, S.26,29

[39] Rösgen u.a. in Intra- und interkulturelle Kommunikation.1999, S.12, 15, 16

[40] Nieke in Grosch/ Leenen in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S.29

[41] Fricke in Interkulturelles Lernen und Arbeiten.2001, S.6

[42] Layes in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S.126,127

[43] Scheitza u.a. in Entwicklung interkultureller Kompetenz.1999, S.27,28

[44] Kinast in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S. 183

[45] http://www.wikipedia.de Stichwort Interkulturelles_Training

[46] Kinast in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S. 183

[47] http://www.socioweb.de Stichwort affektiv

[48] Kinast in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S. 183

[49] http://www.socioweb.de Stichwort kognitiv

[50] Kinast in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S. 183

[51] http://www.socioweb.de Stichwort behavioral

[52] Kinast in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S. 206,212

[53] Stumpf in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S.239, 240

[54] Winkler in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S.148

[55] http://www.wikipedia.de Stichwort Ethik

[56] http://www.wikipedia.de Stichwort Wirtschaftsethik

[57] http://www.wikipedia.de Stichwort Politische Ethik

[58] http://www.wikipedia.de Stichwort Verwaltungsethik

[59] Winkler in Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation.2003, S.148,150,151 und BAMF intern, pg_kompendium_0250922, S.41

[60] Klose in Integration und Konflikt; Kommunale Handlungsfelder der Zuwanderungspolitik.1996, S.13

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
Welche Gewichtung ist dem Faktor interkulturelle Kompetenz in Bundesbehörden einzuräumen?
Untertitel
Eine Betrachtung anhand des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge unter Berücksichtigung des neuen Zuwanderungsrechtes
Hochschule
Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung Brühl - Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
99
Katalognummer
V60005
ISBN (eBook)
9783638537797
ISBN (Buch)
9783640858835
Dateigröße
2907 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
33 Seiten Anlagen!
Schlagworte
Welche, Gewichtung, Faktor, Kompetenz, Bundesbehörden, Eine, Betrachtung, Bundesamtes, Migration, Flüchtlinge, Berücksichtigung, Zuwanderungsrechtes
Arbeit zitieren
Andrea Linke (Autor:in), 2006, Welche Gewichtung ist dem Faktor interkulturelle Kompetenz in Bundesbehörden einzuräumen? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60005

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