Die Implikaturtheorie nach Grice und Levinsons Variationen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grice’ Implikaturtheorie
2.1 Die Grundlage
2.2 Der Zusammenhang zwischen dem Kooperationsprinzip, den Maximen und der konversationalen Implikatur

3. Variationen nach Levinson
3.1 Einführung
3.2 Definition der Implikatur
3.3 Fünf typische Eigenschaften von Implikaturen
3.3.1 Aufhebbarkeit
3.3.2 Nicht-Abtrennbarkeit
3.3.3 Berechenbarkeit
3.3.4 Nicht-Konventionalität
3.3.5 Nicht genaue Bestimmbarkeit
3.4 Die generellen Quantitätsimplikaturen
3.4.1 Die skalaren Implikaturen
3.4.2 Die klausalen Implikaturen
3.5 Das Erkennen genereller Quantitätsimplikaturen: der Gewinn für die Semantik am Beispiel des Ambiguitätsproblems bei Konjunktionen
3.6 Fragestellungen innerhalb der Implikaturtheorie am Beispiel des Projektionsproblems

4. Schlusswort

5. Quellen

1. Einleitung

Angenommen, eine junge Dame trifft sich abends mit einem Bekannten und geht mit diesem spazieren. Nach einer Weile sagt sie: „Mich friert. Es ist ganz schön kühl geworden.“ Es ist durchaus möglich, dass die junge Dame mit dieser Äußerung mehr zu verstehen geben will als sie gesagt hat, zum Beispiel, dass sie eine Jacke benötigt oder dass sie in das nahe gelegene Café gehen möchte. Wie lassen sich solche Abweichungen zwischen Gesagtem und Gemeintem erklären?

In seinem Aufsatz „Logik und Konversation“ stellt Herbert Paul Grice die Theorie der Implikatur vor, welche wiederum Teil seiner Theorie des Meinens ist. Diese Theorie des Meinens ist eingebettet in die Theorie rationaler Verständigung. Im Griceschen Sinne etwas zu meinen, heißt „mit der Handlung versuchen, dem Adressaten Gründe für eine Annahme oder Handlung seinerseits zu geben“ (Kemmerling 1991: 321). Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Handlung, mit der etwas gemeint wird, die Gründe für eine Handlung nicht aus ihren natürlichen Eigenschaften herleitet, sondern diese bereitstellt, weil sie solche Gründe bereitstellen soll. Grice differenziert zwischen der natürlichen Bedeutung, Bedeutungn, und der nicht- natürlichen Bedeutung, Bedeutungnn. Interessant ist für Grice hierbei die Frage, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit von einer Person A gesagt werden kann, dass sie mit einem Ausdruck x, bzw. mit der Äußerung von x (im nicht natürlichen Sinne) etwas Bestimmtes gemeint oder zu verstehen gegeben versucht hat (Rolf 1994: 23). Das, was ein Sprecher mit einer sprachlichen Äußerung meint, zerfällt nach Grice in das, was mit ihr gesagt wird, und das, was mit ihr implikiert wird. Das Gesagte entspricht der wörtlichen Bedeutung des geäußerten Satzes; alles, was über das Gesagte hinausgeht, ist das Implikat der Äußerung. Die wörtliche Bedeutung und das, was implikiert wird, können zusammenfallen oder auseinanderdriften, dann nämlich, wenn das, was zu verstehen gegeben werden soll, das Gesagte übersteigt wie im obigen Beispiel. In diesem Kontext erlangt die Theorie der Implikatur ihre Wichtigkeit, denn sie ist konzipiert, um Dissoziationen des Gesagten und Gemeinten zu erfassen (Rolf 1994: 110).

In dieser Hausarbeit soll nun Grice’ Theorie der konversationalen Implikaturen vorgestellt werden. Dazu erscheint es notwendig, zunächst auf das Kooperationsprinzip und die Konversationsmaximen einzugehen. Es werden dann die Merkmale der konversationalen Implikaturen vorgestellt und Probleme, die es mit diesen Merkmalen gibt, diskutiert. Im Anschluss daran werden einige Positionen Levinsons im Diskurs um die Gricesche Theorie dargestellt.

2. Grice’ Implikaturtheorie

2.1 Die Grundlage

Vorab kann festgehalten werden, dass Grice verschiedene Formen der Implikatur unterscheidet, nämlich die konventionalen und die nicht- konventionalen Implikaturen. Konventionale Implikaturen liegen dann vor, wenn die konventionale Bedeutung der verwendeten Wörter bestimmt, was implikiert ist und nicht nur hilft, zu bestimmen, was gesagt worden ist (Rolf 1994: 125). Sie rühren von der wörtlichen Bedeutung des geäußerten Satzes her, gehören aber nicht zu dem, was mit der Äußerung gesagt wird. Das heißt, dass das Implikat falsch sein kann, auch wenn die Äußerung korrekt ist. Als Beispiel führt Grice folgende Aussage an: „Er ist ein Engländer; er ist mithin tapfer.“ Kraft der Bedeutung der Worte dieser Aussage legt der Sprecher sich darauf fest, dass die Tapferkeit daraus folgt, dass der mit der Aussage Bezeichnete Engländer ist. Grice meint zu diesem Beispiel „Ich möchte nicht sagen, meine Äußerung dieses Satzes wäre strenggenommen falsch, falls die fragliche Folgerung nicht gelten sollte.“ (Meggle 1993: 248).

Die nicht- konventionalen Implikaturen unterteilen sich wiederum in die konversationalen und in die nicht- konversationalen Implikaturen. Für die konversationalen Implikaturen stellt er fest, dass diese mit bestimmten Diskursmerkmalen verknüpft seien, welche im Folgenden dargestellt werden sollen.

Für Grice sind Gespräche in einem gewissen Maße „kooperative Bemühungen“; sie unterliegen einem so genannten Kooperationsprinzip, welches von allen Gesprächsteilnehmern beachtet werde. Dieses lautet folgendermaßen: „Mache deinen Gesprächsbeitrag jeweils so, wie es von dem akzeptierten Zweck oder der akzeptierten Richtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, gerade verlangt wird.“ In Anlehnung an Kants Urteilstafel stellt Grice nun speziellere Maximen und Untermaximen auf, die die Kategorien Quantität, Qualität, Relation und Modalität umfassen. Für die Kategorie der Quantität gilt:

1. Mache deinen Beitrag so informativ wie (für die gegebenen Gesprächszwecke) nötig.
2. Mache deinen Beitrag nicht informativer als nötig.

Dass die zweite Maxime streitbar ist, hat auch Grice festgestellt, denn ihr Inhalt wird in der Maxime der Relevanz wieder aufgenommen. Für die Maxime der Qualität hält er fest:

„Versuche deinen Beitrag so zu machen, dass er wahr ist.“

1. Sage nichts, was du für falsch hältst.
2. Sage nichts, für das dir angemessene Gründe fehlen.

Die Kategorie der Relation umschreibt Grice mit einer Maxime, und zwar „Sei relevant“, weist aber darauf hin, dass sich hinter dieser Maxime noch Probleme verbergen.

Mit der Kategorie der Modalität wird beschrieben, wie etwas gesagt wird. Als Obermaxime gilt: „Sei klar“, darunter summieren sich die Untermaximen:

1. Vermeide Dunkelheit des Ausdrucks.
2. Vermeide Mehrdeutigkeit.
3. Sei kurz (vermeide unnötige Weitschweifigkeit).
4. Der Reihe nach!

Grice weist darauf hin, dass es auch noch andere Maximen geben könnte, die Implikaturen nicht konversationaler Art erzeugen könnten, wie beispielsweise Höflichkeit. Seine Maximen sind so aufgestellt, als würde der Gesprächszweck darin bestehen, möglichst viele Informationen auszutauschen. Dass dies zu eng gefasst ist, bemerkt Grice und schlägt eine Verallgemeinerung des Systems vor. Es wird deutlich, dass Grice’ Sammlung von Konversationsmaximen keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder wechselseitige Unabhängigkeit erhebt (Kemmerling 1995: 326). Dass die Konversationsmaximen quasi vertraglich in allen Menschen verankert sind, nimmt Grice nicht an, er geht vielmehr davon aus, dass es in Gesprächen ein gemeinsames Ziel gebe, dass die Gesprächsbeiträge zueinander passen und wechselseitig voneinander abhängen sollen und dass es ein Einvernehmen darüber gebe, wann ein Gespräch beendet sei, was alles für eine kooperative Interaktion kennzeichnend sei. Die Beachtung der Maximen sei folglich vernünftig bzw. eine rationale Strategie. Diese Konversationskategorien gelten überdies auch für Situationen, in denen kein Gespräch geführt wird. Beim Backen eines Kuchens beispielsweise würde B gegen die zweite Maxime der Qualität verstoßen, wenn er A anstelle von Zucker Salz gäbe.

2.2 Der Zusammenhang zwischen dem Kooperationsprinzip, den Maximen und der konversationalen Implikatur

Zunächst verzichtet Grice in seinem Aufsatz darauf, den Begriff konversationale Implikatur näher zu definieren. Mit Kemmerling kann man Folgendes festhalten:

„Daß ein Inhalt p mit einer Äußerung x konversational implikiert wird, besagt in etwa, daß (i) der Sprecher mit x weder sagt noch konventional implikiert, daß p; (ii) x sich aber nur dann (oder: am besten dann) als in Einklang mit den Konversationsmaximen auffassen lässt, falls der Sprecher mit x auch meint, daß p; und (iii) der Sprecher mit x meint, dass p, wobei er u.a. gerade darauf spekuliert, daß der Adressat bemerkt, daß (ii)“ (Kemmerling 1995: 326).

Grice nennt im Folgenden mehrere Arten, wie ein Sprecher die Konversationsmaximen nicht erfüllen kann. Dazu zählen zum Beispiel die Verletzung der Maximen oder das Aussteigen oder auch die Kollision, das heißt der Sprecher kann eine Maxime nicht erfüllen, ohne eine andere zu verletzen. Der vierte Fall wäre der Verstoß gegen eine Maxime, das heißt der Sprecher würde sie flagrant nicht erfüllen, sich aber weiterhin an das umfassende Kooperationsprinzip halten. Wenn eine konversationale Implikatur so zustande gekommen ist, dann bezeichnet Grice dies als Ausbeutung einer Maxime.

Anders ausgedrückt entstehen konversationale Implikaturen dann, wenn die Äußerung auf Grund ihrer konventionalen Beschaffenheit eigentlich unangemessen wäre. Der Sprecher rechnet nun aber damit, dass der Hörer versucht, die Äußerung so zu verstehen, dass sie kein Verstoß gegen die Konversationsmaximen darstellt und dass er somit das Implikierte erfasst. Wichtig ist in diesem Zusammenhang wieder, dass der Hörer dem Sprecher eine grundsätzlich kooperative Einstellung im Gespräch unterstellt, das heißt zu glauben, dass der Sprecher überhaupt etwas Bestimmtes zu verstehen geben wollte; das Kooperationsprinzip wird also weiter befolgt.

Grice beschreibt die Voraussetzungen einer konversationalen Implikatur nun genauer. So müsse vom Sprecher angenommen werden, dass er die Konversationsmaximen oder zumindest das Kooperationsprinzip beachtet. Wenn er p sagt, aber q meint, dann ist die Annahme nötig, dass er glaubt, dass q, um den Umstand, dass er sagt, dass p mit der Annahme, dass er sich an das Kooperationsprinzip hält, in Einklang zu bringen. Nun muss der Sprecher überdies glauben, dass der Hörer in der Lage ist, zu erfassen, dass diese Annahme, dass er q glaubt, wirklich nötig ist.

Ein Beispiel könnte lauten: Anton und Bernd unterhalten sich über Christian.

Anton: Wie macht sich denn Christian in seinem neuen Job?

Bernd: So weit so gut. Bislang haben sie ihn noch nicht eingesperrt.

Mit dieser Antwort meint Bernd offensichtlich mehr als er sagt. Anton denkt nun nach Grice in etwa folgendermaßen: Bernd hat offensichtlich die Maxime der Relevanz verletzt. Ich nehme aber nicht an, dass er sich nicht an das Kooperationsprinzip hält. Sein Beitrag wäre nur dann nicht irrelevant, wenn er meinte, dass Christian ein unehrlicher Mensch sei. Bernd weiß, dass ich diesen Schluss ziehen kann, also wird er wohl meinen, dass Christian ein unehrlicher Mensch ist.

Das intuitive Erschließen einer konversationalen Implikatur funktioniert so lange, wie die Intuition nicht durch eine Argumentation ersetzt wird, die zu einer konventionalen Implikatur führen würde. Zusammengefasst muss der Hörer, um eine konversationale Implikatur zu erkennen, Folgendes wissen: die konventionale Bedeutung der Worte inklusive ihres jeweiligen Bezugs, das Kooperationsprinzip und seine Maximen, den sprachlichen und sonstigen Kontext des Geäußerten, anderes Hintergrundwissen und dass das bisher Genannte wechselseitiges Wissen von Sprecher und Adressat ist.

Im weiteren Verlauf seiner Arbeit unterscheidet Grice nun die konversationalen Implikaturen in zwei Unterarten. Implikaturen, die einen bestimmten Äußerungskontext erfordern, das heißt, die nur entstehen, wenn bestimmte Kontextmerkmale erfüllt sind, nennt er spezialisierte konversationale Implikaturen. Ein Beispiel für diesen Implikaturtyp:

A sagt: „Der Hund sieht sehr zufrieden aus.“

Dies implikiert nur „Vielleicht hat der Hund den Braten gefressen“, wenn die Äußerung in einem speziellen Kontext wie dem Folgenden getroffen wird:

B sagt: „Was ist denn mit dem Braten passiert?“

A sagt: „Der Hund sieht sehr zufrieden aus.“

Implikaturen, die keinen speziellen Kontext benötigen und die einfach durch die Verwendung bestimmter Wörter oder Wendungen entstehen, heißen nach Grice generalisierte konversationale Implikaturen. Wenn zum Beispiel eine Äußerung wie „Ich ging in ein Haus hinein.“ getroffen wird, dann wird damit implikiert, dass das Haus nicht mein Haus war. Für diese Implikatur ist kein bestimmter Kontext erforderlich.

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Implikaturtheorie nach Grice und Levinsons Variationen
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Sprache und Kommunikation)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1,0
Autoren
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V59743
ISBN (eBook)
9783638535946
ISBN (Buch)
9783656792888
Dateigröße
579 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Implikaturtheorie, Grice, Levinsons, Variationen, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Michaela Hartmann (Autor:in)Katharina Lambeck (Autor:in)Mai Ngo (Autor:in), 2006, Die Implikaturtheorie nach Grice und Levinsons Variationen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59743

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