Germanische Bestattungssitten der römischen Kaiserzeit in Mecklenburg-Vorpommern


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

27 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Brandbestattungen – Bestattungsform vom Beginn der vorrömischen Eisenzeit bis zum Ende der Römischen Kaiserzeit

3. Beispiele Kaiserzeitlicher Bestattungen
a. Neubrandenburg – archäologische versus anthropologische Geschlechterbestimmung
b. Perdöhl – ein Gräberfeld der Durchschnittsbevölkerung (?) über die Kaiserzeit hinaus
c. Varbelvitz – Körpergräber und Importe als Anzeichen sozialer Überlegenheit?

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Bestattungssitten unterlagen zu allen Zeiten Veränderungen. Archäologisch lassen sich hauptsächlich die Körper- und Urnenbestattungen nachweisen. Andere Riten, v. a. solche bei denen der Tote außerhalb des Erdreiches bestattet wurde, lassen sich kaum bzw. überhaupt nicht nachweisen und bleiben somit im Dunkel verborgen. Mit der ethnologischen Forschung wird versucht solche Grabbräuche zu rekonstruieren, aber sie können niemals zu sicherem Beweis gebracht werden. In der römischen Kaiserzeit sieht die Befund- und Fundlage, dank der Brand- und Körperbestattung, gut aus. In einigen Fällen lassen sich neben der Bestattungsart auch weitere Aussagen zum Totenritus, d. h. zur Behandlung der Toten vor dem Einbringen in die Grabgruben, und v. a. zur Beigabensitte, treffen.

Warum sich die Bestattungssitten im Laufe der Zeiten immer wieder und auch innerhalb der römischen Kaiserzeit von der Brandbestattung zur Körperbestattung wandelten, ist ungewiss. Ohne Schriftquellen wird das „Warum“ wohl ein ewiges Rätsel bleiben. Doch nicht einmal im Zeitalter der Schrift können darüber genauere Aussagen getroffen werden: Warum die allmählich christianisierten Römer zur Körperbestattung wechselten, verrät kein Text dieser Zeit. Sicherlich war der Wandel zu anderen Bestattungen ein Ausdruck anderer Bräuche und darüber hinaus vielleicht sogar mit anderen Menschensippen/-gruppen verbunden. Auch die soziale Erhöhung könnte sich in solchen Änderungen niederschlagen. Zu letzterem Aspekt zählen die römischen Importe auf deutschem Gebiet, auf dessen Datierung sich die römische Kaiserzeit stützt und im Großen und Ganzen gesichert ist. Eggers Aufsatz „zur absoluten Chronologie der römischen Kaiserzeit“ in dem Jahrbuch des RGZM (Eggers 1955, 196 ff.) ist immer noch grundlegend. Seine Datierungsstufen sollen auch in der nachfolgenden Arbeit Verwendung finden:

(Stufe A: = Spätlatène = Montelius III = Jahn 1. Jhdt. v. Chr.)
Stufe B = ältere Kaiserzeit = Montelius IV = Jahn 1. – 2. Jh. n. Chr.
Stufe C = jüngere Kaiserzeit = Montelius V = Jahn 3. – 4. Jh. n. Chr.

Die Abgrenzung der römischen Kaiserzeit ist laut Eggers (Eggers 1955, 200) dank dieser zahlreichen römischen Importe gut. Am Beginn stehen Eimer mit Gesichtsattache (Eggers 1955, Abb. 1/4) und Kasserollen mit Schwanenkopfbügel (Eggers 1955. Abb. 1/8a), daneben treten Fibeln mit zweilappiger Rollenkappe (Almgren II. 24) und Augenfibeln auf (Almgren III. 45). Das Ende der römischen Kaiserzeit im nördlichen Raum Deutschlands bildet das Verschwinden der Hemmoorer Eimer (Eggers 1955, Abb. 3/48) und der flachbodigen Kellen mit Sieb (Eggers 1955, Abb. 3/49) als römisches Importgut und der jüngsten Fibelform, Fibeln mit hohem Nadelhalter (Almgren VII. 206-207).

Auf die hier angerissenen Probleme, die Bedeutung der Körpergräber und der römischen Importe sowie Einflüsse aus anderen Kulturkreisen soll im Folgenden anhand der Gräberfunde von Varbelvitz näher eingegangen werden. Ebenso soll anhand des Gräberfeldes von Neubrandenburg die Problematik der anthropologischen und archäologischen Geschlechterbestimmung diskutiert werden, da es in der römischen Kaiserzeit nicht einfach war/ist, dazu eindeutige Aussagen zu treffen. Perdöhl als Bestattungsplatz soll stellvertretend für die Durchschnittsbevölkerung, in sofern sie sich als solche herausstellt, und die Kontinuität zur Völkerwanderungszeit stehen.

In der vorliegenden Arbeit ist in erster Linie der Raum Mecklenburg-Vorpommern berücksichtigt worden.

2. Brandbestattungen – Bestattungsform vom Beginn der vorrömischen Eisenzeit bis zum Ende der Römischen Kaiserzeit

Für die vorrömische Eisenzeit und die nachfolgenden Jahrhunderte der römischen Kaiserzeit waren Brandbestattungen typisch. Während der fast 1500 Jahre bestehenden Tradition wurden verschiedene Formen der Brandbestattungen genutzt. Alle Formen waren spätestens in der späten römischen Kaiserzeit im Raum Mecklenburg-Vorpommerns vertreten, wie Abbildung 1 zeigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Bestattungsformen der späten römischen Kaiserzeit in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und des Ostens Schleswig-Holstein (nach Schultze 1991, 146, Abb. 4).

Die wichtigsten Brandbestattungen seinen hier kurz auf der Grundlage J. Wahls (1982, 38) mit ihren Charakteristika genannt und ergänzt:

1. Die wichtigste Form ist die Urnenbestattung:
Der Leichenbrand wurde in eine vollständige Urne zusammen oder auch ohne Beigaben eingebracht. Sie konnte in der bloßen Erde oder mit einem umgebenden Steinschutz vergraben werden.
2. Brandgrubengräber:
Die Bestattung erfolgte ohne Urne. Hier wurde der Leichenbrand zusammen mit Scheiterhaufenresten in die Grube eingebracht. Eine Verteilung innerhalb der gesamten Grubenverfüllung ist charakteristisch.
3. Brandschüttungsgräber:
a. Die Hauptmasse der verbrannten Knochen (mit und ohne Beigaben) befindet sich in einer Urne oder auf einem Häufchen, dessen Ummantelung zur Bestattungszeit wohl ein organisches Behältnis gewesen sein dürfte, konzentriert am Boden der Grube. Darüber und ringsherum befinden sich Rückstände des Scheiterhaufens.
b. Der Leichenbrand wurde gehäufelt oder über eine mehr oder weniger große Fläche am Boden der Grabgrube verstreut.
4. Bustum:
Knochen- und Scheiterhaufenreste verbleiben am Verbrennungsort oder werden zusammengeschart (meist zu getrennten Häufchen) und mit Erde überhäuft.
5. Knochenlager:
beinhalten nur zum Teil verbrannte Leichname und können bei anthropologischen Bestimmungen genauere Aussagen über Geschlecht und Alter liefern. Sie wurden ähnlich wie die Brandschüttungen im unteren Teil der Grabgruben angetroffen.

Die Formen 1–3 und 5 benötigten einen separaten Verbrennungsplatz, einen so genannten „ustrinum“. Dieser ist in den seltensten Fällen nachweisbar, da er sich oberirdisch befunden hatte und bei Nichtabdeckung der Erosion zum Opfer gefallen sein dürfte.

Zu Beginn der römischen Kaiserzeit dominierten die Urnengräber, sie waren bereits die führende Brandbestattungsform der vorrömischen Eisenzeit. Sie wurden langsam durch andere Brandbestattungsarten und Körpergräber bereits seit der Stufe B1 abgelöst (Abb. 2) ersichtlich wird. Dieser Prozess vollzog sich aber nicht von heute auf morgen sondern allmählich, v. a. im Raum Rügens waren Körperbestattungen eine anscheinend sehr beliebte Form, die Toten in ihrer letzten Ruhe zu betten.

Ein Grund für den Wandel könnte die Heraushebung sozialer Schichten sein, die sich in der Trennung von Brand- und Körperbestattungen manifestierten. Nicht selten waren die Körperbestattungen reicher ausgestattet und gaben Anlass, sie einem Adelsgeschlecht zu zuordnen (Vergleich Abb. 2 und Abschnitt 3.3.). Diese soziale Differenzierung muss jedoch unter Vorbehalt angewendet werden. Denn auch Brandbestattungen gaben mitunter reiche Ausstattungen Preis. Doch dazu soll im Abschnitt 3.3. näher Stellung bezogen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Verbreitung der Verbreitung der Körpergräber mit deren Grabinventar. Dunkle Zeichen = Eggers B1, helle = Eggers B2, dunkle und helle = Eggers B1 und B2. (nach Leube 1970, 216, Abb. 151) 1 Grab mit mehr als zwei Importgefäßen (= Lübsow-Gruppe) 2 Grab mit einem Importgegenstand 3 Grab mit einfacher Trachtausstattung 4 Grab mit einfachen Trachtgegenständen und Keramik 5 Grab mit unbekannter Ausstattung 6 Grab mit reicher Ausstattung einheimischer Prägung WA Waffenbeigabe

3. Beispiele kaiserzeitlicher Gräberfelder

3.1. Neubrandenburg – archäologische versus anthropologische Geschlechterbestimmung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3:Neubrandenburg: Ë ungefähre Lage der 1934 gefunden Gräber, =Lage der 1957 gefunden Gräber (Messtischblatt) (nach Leube 1978, 8, Abb. 2)

Das Gräberfeld im Nordosten der Stadt Neubrandenburg (Abb. 3) stammt aus dem 1. Jh. n. Chr. und gehört somit in die Anfänge der römischen Kaiserzeit (Eggers Stufe B).

Das durch Unterbrechungen in den Jahr 1957 bis 1971 ergrabene Areal von 865 m² in der Wolgaster Straße (Abb. 7) erbrachte keine Körperbestattungen. Von den insgesamt 190 bis 200 Gräbern konnten zweifelsfrei 174 Brand-bestattungen, die sich aus 162 Urnengräber und 10 Knochenlager zusammensetzen (Schultze 1996, 143), bestimmt werden.

Während den Ausgrabungen stellte sich ein erheblicher Mangel an Waffenfunden heraus, worauf von einem Frauenfriedhof die Rede war.

Seit Schwantes (1909) diskutiert die Fachwelt angeregt die Problematik unisexueller Friedhöfe (Wahl 1988, 17). Schon im 19. Jh. gab es Überlegungen dieser Art, so bekundete von Hammerstein 1821 zum ersten Mal für das westliche Gebiet Norddeutschlands, dass germanische Männer und Frauen getrennt bestattet wurden (Derks 1993, 340). Da in der römischen Kaiserzeit die typisch männlichen Beigaben – Waffen – nicht mehr oder selten vorhanden waren (siehe die geringe Anzahl an Waffenbeigaben auf Abb. 4), gingen die Archäologen bereits damals – gestützt auf der Vorstellung, dass Männer immer mit Waffenzubehör, Sporen und Messern (Derks 1993, 341) bestattet wurden – bei waffenlosen Gräbern von femininen Individuen aus (Breitsprecher 1987). Frauen wurden vor allem Haushaltgegenstände wie Spinnwirtel, Nähnadeln und Scheren, oder Schmuck, meist aus Perlen gefertigt, beigegeben (Leube 1978, Derks 1993). Trachtbestandteile, vor allem Fibeln, aber auch Gürtelgehänge, gelten als beiden Geschlechtern zugehörig (Leube 1978; Derks 1993, 342). Hier konnte bei einigen Gräberfeldern, wie in Neubrandenburg selbst, die unterschiedliche Anzahl des Trachtenzubehörs zu Schlussfolgerungen im Sexus führen (Wahl 1988, 16). Die unzureichende Methodik Beigaben eindeutig einem Geschlecht zu ordnen zu können, bedarf neuer Wege, eine zweifelsfreiere Aussage treffen zu können.
So führen zum einen nicht alle Gräber eindeutig bewertbare Beigaben oder überhaupt Beigaben. Zum anderen gehören neben Trachtbestandteilen auch Toilettengeräte wie Kämme, Rasiermesser und Pinzetten (Bantelmann 1988, 37f.) Haushaltsgeräte, etwa Messer zu den bisexuellen Ausstattungsgegenständen der Toten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Germanische Bestattungssitten der römischen Kaiserzeit in Mecklenburg-Vorpommern
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Siedlung, Wirtschaft und Bestattungssitten der Germanen in der Römischen Kaiser- und Völkerwanderungszeit
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
27
Katalognummer
V59739
ISBN (eBook)
9783638535915
ISBN (Buch)
9783656276968
Dateigröße
1930 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit behandelt zu erst einmal allgemeine Bestattungsformen der römischen Kaiserzeit. Danach wird anhand von drei Beispielen die wichtigsten Bestattungssitten erläutert und die Problematiken, wie Geschlechter- und Standesbestimmung erläutert.
Schlagworte
Germanische, Bestattungssitten, Kaiserzeit, Mecklenburg-Vorpommern, Siedlung, Wirtschaft, Bestattungssitten, Germanen, Römischen, Kaiser-, Völkerwanderungszeit
Arbeit zitieren
Jana Vogt (Autor:in), 2005, Germanische Bestattungssitten der römischen Kaiserzeit in Mecklenburg-Vorpommern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59739

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