Das öffentlich-rechtliche Mediensystem im digitalen Zeitalter. Das neue junge Angebot von ARD und ZDF für die Zielgruppe Jugend


Bachelorarbeit, 2016

57 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abkürzungsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Mediensystem in Deutschland
2.1 Begrifflichkeiten
2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen

3. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk
3.1 Historischer Abriss
3.2 Rundfunkurteile
3.3 Das Fernsehangebot von ARD und ZDF

4. Digitalisierung
4.1 Der digitale Wandel
4.2 Konvergenz
4.3 Fernsehen und Digitalisierung
4.4 Interaktivität
4.5 Smartphone als Multifunktionsgerät
4.6 Social Media
4.7 Digitales Programmangebot von ARD und ZDF

5. Die Jugend
5.1 Jugendkultur
5.2 Mediennutzung
5.3 Medienkompetenz
5.4 Identitätsbildung und soziale Beziehungen
5.5 Informationsbeschaffung
5.6 Unterhaltung und Erlebnisorientierung
5.6 Bewegtbildnutzung im Internet am Beispiel von YouTube

6. Chancen für die öffentlich-rechtlichen Anbieter
6.1 Wunsch nach einem jugendorientierten Kanal
6.2 Das junge Angebot von ARD und ZDF
6.2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
6.2.2 Beitrag zur Auftragserfüllung
6.2.3 Konzept
6.2.4 Inhaltliche Schwerpunkte
6.2.5 Geplante Entwicklung

7. Resümee

8. Literaturverzeichnis

Abstract

Das öffentlich-rechtliche Mediensystem in Deutschland befindet sich im digitalen Zeitalter im Wandel. Das traditionelle Verständnis von Rundfunk hat sich geändert, sodass sich die ARD und das ZDF als zentrale öffentlich-rechtliche Institutionen in Zeiten des Internets neu behaupten müssen. Insbesondere die Jugend fühlt sich von dem klassischen Fernsehangebot der Öffentlich-Rechtlichen nicht ausreichend angesprochen und wandert in die Onlinewelt ab. Um weiterhin gemäß dem Funktionsauftrag ein unverzichtbares öffentliches Gut für die Bevölkerung darzustellen, gilt es auch die Zielgruppe der Jugendlichen für sich zu gewinnen. Die Etablierung eines jungen Angebots, welches ausschließlich im Internet zur Verfügung gestellt wird, soll dem veränderten Mediennutzungsverhalten der Jugend entgegenkommen und die Position der ARD und des ZDF auf dem digitalen Markt stärken. Inwieweit die Planung des Jugendangebots der verbreiteten Auffassung der ARD und des ZDF entspricht, gesetzlich begründet und im Hinblick auf die medialen Bedürfnisse der Jugend erfolgsversprechend ist, stellt die zentrale Frage dieser Arbeit dar.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland steht seit geraumer Zeit in der Kritik. Ihm wird vorgeworfen, der Bevölkerung ein nicht zeitgemäßes Programm bereitzustellen, welches an ein älteres Publikum gerichtet ist. Ein Durchschnittsalter der Zuschauer der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender von rund 60 Jahren spiegelt die fehlende Akzeptanz der jüngeren Zielgruppe wieder (Vgl. ard.de). Es droht ein Generationenabriss.

Dabei sind die ARD und das ZDF gesetzlich zu der Vollversorgung der gesamten Bevölkerung mit einem vielfältigen und von wirtschaftlichen und politischen Interessen unabhängigen Fernsehangebot verpflichtet. Jedoch hat sich das Verständnis des klassischen Fernsehens in Zeiten des digitalen Wandels grundlegend geändert. Die Digitalisierung hat massive Auswirkungen auf die Programmveranstaltung, -distribution und –nutzung sowie auf die Regulierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehsektors in Deutschland. Insbesondere das Internet wird zunehmend zum Hauptakteur des Transformationsprozesses und bringt ein neues mediales Nutzungsmuster zum Vorschein.

Die Jugend als eine der primären Zielgruppen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist im digitalen Zeitalter aufgewachsen und zeichnet sich durch ein internetbasiertes Mediennutzungsverhalten aus. Für die Öffentlich-Rechtlichen gilt, sich den dynamischen Entwicklungen des Medienmarktes anzupassen, um den medialen Bedürfnissen der Jugend zu entsprechen und darüber hinaus auch zukünftige Generationen zu erreichen. Daher planen die ARD und das ZDF ein junges Angebot, welches ausschließlich im Internet verfügbar sein soll.

Die Entstehung eines solchen Jugendangebots ist jedoch von einigen Problemen begleitet. Die ARD und das ZDF als historisch geprägte und gesetzlich gefestigte Institutionen verstehen sich seit je her als traditionelle Rundfunkanbieter. Der Funktionsauftrag umfasst zwar ausdrücklich Onlineangebote, allerdings soll die Vollversorgung der Bevölkerung durch Fernseh- und Hörfunkprogramme sichergestellt werden, sodass ein Schwerpunkt auf dem Internet der eigentlichen Rollendefinition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland widerspricht.

Des Weiteren hat sich die Jugend bereits in der Onlinewelt zurechtgefunden und nach eigenem Ermessen Meinungsträger bestimmt. Die digitale Jugendkultur ist aufgrund ihrer technischen Affinität und ihrem hohen Aktivitätsniveau durch ein starkes mediales Selbstbewusstsein geprägt und nicht auf ein öffentlich-rechtliches Online-Angebot angewiesen.

Die vorliegende Arbeit wird sich daher mit den Chancen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im digitalen Zeitalter im Hinblick auf die junge Zielgruppe auseinandersetzen. Eine ausführliche Literaturanalyse dient als Grundlage um die folgende Forschungsfrage zu beantworten:

Inwieweit kann der Versuch der ARD und des ZDF gelingen, unter Berücksichtigung der historisch geprägten und gesetzlich festgeschrieben Auffassung des Öffentlich-Rechtlichen Mediensystems, ein junges Angebot auf dem deutschen Medienmarkt zu etablieren, welches in Zeiten des digitalen Wandels den Bedürfnissen der Jugend entspricht?

Um ein grundlegendes Verständnis für das öffentlich-rechtliche Mediensystem in Deutschlang zu erlangen, wird zunächst das Mediensystem begrifflich hergeleitet und die rechtlichen Rahmenbedingungen aufgezeigt. Hierbei werden verschiedene kommunikationswissenschaftliche Theorien voneinander abgegrenzt. Im darauffolgenden Kapitel wird im Speziellen der öffentlich-rechtliche Rundfunk thematisiert. In diesem Kontext wird dieser historisch eingeordnet und die relevanten Rundfunkurteile vorgestellt, um die Anforderungen an die ARD und das ZDF zu erläutern. Schließlich wird das aktuelle Fernsehangebot der öffentlich-rechtlichen Anbieter dargestellt, um aufzuzeigen, inwieweit die Rundfunkanstalten gemäß ihrem Auftrag agieren. Das vierte Kapitel setzt sich intensiv mit der Digitalisierung auseinander. Es wird dargelegt, wie die einzelnen relevanten Begrifflichkeiten des digitalen Zeitalters den Medienmarkt veränderten und in Folge dessen Einfluss auf das bestehende Programm der Öffentlich-Rechtlichen genommen haben. Darauf aufbauend widmet sich das fünfte Kapitel den medialen Bedürfnissen der Zielgruppe Jugend. In diesem Zusammenhang wird die Jugendkultur erläutert und das derzeitige Nutzungsverhalten in den Medien analysiert. Den Schluss bildet die Darstellung des Konzepts des jungen Angebots von ARD und ZDF. Im Hinblick auf die medialen Bedürfnisse der jungen Zielgruppe und des digitalen Wandels werden die geplanten Strategien kritisch untersucht.

2. Das Mediensystem in Deutschland

2.1 Begrifflichkeiten

Der Begriff des Mediensystems hat sich sowohl in der Kommunikations- und Medienwissenschaft als auch im alltäglichen Gebrauch manifestiert (Vgl. Thomaß 2007: 12). Die folgende Untersuchung der Begrifflichkeit soll zum besseren Verständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland beitragen.

Medien lassen sich grundsätzlich als „Mittel zum Zweck der Kommunikation zwischen Menschen“ beschreiben (Harry Pross/Beth 1976: 109-123). Primäre Medien können von sekundären und tertiären Medien abgegrenzt werden. Während primäre Medien durch die Verwendung von Sprache gekennzeichnet sind, liegen sekundären und tertiären Medien technisch basierte Zeichensysteme zugrunde (Vgl. Beck 2012: 9). Sekundäre Medien setzen Medientechnologie auf der Produzentenseite voraus, während bei der Benutzung tertiärer Medien sowohl auf der Produzenten- als auch auf der Rezipientenseite die medientechnischen Mittel erforderlich sind (Vgl. Beck 2012: 9). Durch die Überwindung von raum-zeitlichen und sozio-technischen Grenzen wird eine neue Dimension der Kommunikation geschaffen, die für die weitere Betrachtung der Öffentlich-Rechtlichen von Bedeutung sein wird (ebd.).

Allerdings ist der Medienbegriff mehrdimensional. Laut Saxer (1998: 54 f.) lassen sich Medien neben ihrer rein technischen Funktion als Transportsystem für bestimmte Zeichensysteme auch als Organisationen mit eigenen Zielen definieren, welche in ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Umwelt eingebettet sind. Dadurch sind sie in der Lage die, Öffentlichkeit zu prägen (Vgl. Thomaß 2007: 7).

Der Begriff System leitet sich aus dem altgriechischen Wort „sýstema“ ab und meint ein „aus grundlegenden Einzelelementen zusammengestelltes Ganzes, wobei die Einzelheiten in bestimmten Beziehungen zueinander stehen“ (Thomaß 2007: 13). Ein solcher systemischer Zusammenhang ist insbesondere für die Untersuchung der öffentlich-rechtlichen Medien bedeutsam.

Das Mediensystem ist ein am Ende des Zweiten Weltkrieges entstandener Sammelbegriff für die nationalstaatlich organisierten Massenmedien Presse, Rundfunk und Film (Vgl. Hardy 2008: 5). Die Grenzen des deutschen Mediensystems können geographisch, sozial, politisch und zeitlich gezogen werden. Nach Blum (Vgl. 2005: 6) lassen sich Mediensysteme nach dem Grad der gesellschaftlichen Modernisierung und der politischen Kultur determinieren. Es wird demnach im Folgenden von einem mediengeschichtlich geprägten Mediensystem der deutschen Gesellschaft in einer globalisierten Welt gesprochen, welches den Richtlinien der Bundesrepublik Deutschlands unterliegt.

Aus Sicht der Kommunikationswissenschaft haben sich einige Theoretiker mit dem Begriff befasst. Nach Klaus Merten (Vgl. 2007: 394) ist das Mediensystem als Teil des Kommunikationssystems der Gesellschaft zu verstehen, welches die Funktion hat, die Öffentlichkeit fortlaufend mit Informationen und Wissen zu versorgen. Dieser systemorientierte Ansatz folgt außerdem dem Verständnis von autopoietischer Systemen und leitet sich aus der Systemtheorie Luhmanns ab. Die Theorie besagt, dass ein System ein soziales Gebilde ist, welches autonom agieren kann (Vgl. Thomaß 2007: 14). Es existieren mannigfach viele Systeme, die sich zudem selbst steuern und reproduzieren können (Vgl. Beck 2012: 4; Vgl. Weber 2010: 192 f.). Das Mediensystem hat den Zweck, der Öffentlichkeit „Wirklichkeitsentwürfe“ bereitzustellen, diese also fortlaufend mit Informationen zu versorgen (Marcinkowaki 1993: 149 f.; Vgl. Merten 1999: 402). Luhmann schreibt demnach dem Mediensystem eine Funktion zu. Der Aspekt der Funktionszuweisung wird im Laufe der Arbeit erläutert und findet im Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrag Anwendung.

Allerdings ist die Systemtheorie Luhmanns eine stark abstrahierende theoretische Darstellung von gesellschaftlichen Prozessen, weshalb einige Kommunikationswissenschaftler davon Abstand genommen haben (Vgl. Thomaß 2007: 14). Meckel und Scholl (2002: 156-157) etwa kritisieren, dass diese Theorie kommunikations- und mediensoziologisch relevante Aspekte nicht ausreichend berücksichtige. Das Mediensystem agiere nicht gänzlich autonom, sondern weise Interdependenzen mit umliegenden Organisationen auf und sei nicht vor umweltbedingten Veränderungen, wie beispielsweise der Digitalisierung, geschützt (ebd.). Sie bezeichnen das Mediensystem als offenes System, welches im gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis mit anderen Teilsystemen, wie mit dem politischen System, steht. Dieses wird als eines der entscheidenden Determinanten genannt, denn je mehr die politischen Akteure den Markt regulieren, desto eingeschränkter kann das Mediensystem agieren (Vgl. Blum 2005: 6; Vgl. Thomaß 2007: 17-19).

Nach Beck (Vgl. 2012: 9) können jedoch aus unserem heutigen Verständnis beide Ansätze miteinander vereint werden: Mediensysteme bewegen sich zwischen den Polen Fremdsteuerung durch poltische, ökonomische, technische und rechtliche Teilsysteme und Selbstorganisation (Vgl. Thomaß 2007: 7). Sie stehen dabei in einem „dynamischen Wechselverhältnis“ (Beck 2012: 8) und vereinen dabei autonome und interdependente Wesenszüge. Insbesondere das öffentlich-rechtliche Mediensystem steht in individuellen Abhängigkeiten von seiner Systemumwelt, die für die vorliegende Forschungsfrage von enormer Relevanz sein wird.

Im Speziellen lassen sich Mediensysteme als Medienunternehmen darstellen. Medienunternehmen sind „[…] planvoll organisierte Wirtschaftseinheiten, in denen die Bündelung eigen- und fremderstellter redaktioneller Inhalte auf ein speicherfähiges Trägermedium sowie die direkte oder indirekte Distribution vorgenommen werden.“ (Wirtz 2006: 11). Aus der Organisationsperspektive erfüllen Medienunternehmen immer eine bestimmte Medienfunktion, die unterschiedlicher Art sein kann (Vgl. Beck 2012: 13). Im Fall der Öffentlich-Rechtlichen bildet die meritorische Bereitstellung von Rundfunkprogrammen für die Öffentlichkeit das Organisationsziel (ebd.). Meritorische Güter haben einen gemeinnützigen und keinen ökonomischen Zweck. Der Nutzen für den Rezipienten steht dabei über den ökonomischen Zielen des produzierten Medienproduktes. Medienprodukte sind immaterielle öffentliche Güter, die mithilfe eines technischen Mediums konsumiert werden können (Vgl. Beck 2012: 19-21).

Sind Unternehmen von ökonomischen Zielen abhängig und streben eine Gewinnmaximierung an, verändert dies ihre Funktion, denn die „Arbeitskraft von Journalisten [wird] für fremde Zwecke, nämlich zur Erzielung von Rendite, Kapitalverzinsung und Kapitalvermehrung“ genutzt (Kiefer 2010: 146). Kiefer betont durch diese Aussage, dass sich das Ziel des Medienunternehmens an seiner publizistischen Qualität und nicht an dem ökonomischen Organisationsziel ausrichten sollte. Doch häufig stehen die Ziele in einem Widerspruch, da Journalismus auch betriebswirtschaftlichen Überlegungen unterliegt (Vgl. Blöbaum 2004: 170; Vgl. Thomaß 2007: 19). Hierbei gilt es die institutionellen Ziele, also die Gewährleistung der Meinungsvielfalt und die journalistische Qualität, und die organisatorischen Ziele der Profitmaximierung, zu verbinden. Die Öffentlich-Rechtlichen verfolgen aufgrund ihrer Struktur gemeinnützige Ziele, die es jedoch auch effektiv und effizient zu erfüllen gilt (Vgl. Beck 2012: 191). Diese rezipientenorientierten Tätigkeiten werden durch eine Vielzahl von gesetzlicher und vertraglicher Bestimmungen reguliert.

2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Medienunternehmen stellen der Gesellschaft fortlaufend Informationen bereit und nehmen somit Einfluss auf das Wissen, die Einstellung und das Verhalten der Rezipienten. Daher bedarf es gewisse Kontrollmechanismen, die in einer Vielzahl von Gesetzen des Bundes, der Bundesländer sowie in Staatsverträgen der Bundesländer festgehalten sind (Vgl. Beck 2012: 33-34; Vgl. Merten 2007: 402). Die deutschen Gesetze müssen zudem den Normen der Europäischen Union entsprechen. Für die Analyse des öffentlich-rechtlichen Mediensystems in Deutschland werden im Folgenden nur die deutschen Gesetzgebungen untersucht.

Zentral für die rechtlichen Bestimmungen des Rundfunks sind die unabdingbaren Kommunikationsgrundrechte, die im Grundgesetz im Artikel 5 zu finden sind (Vgl. Peters 1954: 5; Vgl. Beck 2012: 36). Das Grundgesetz ist am 8. Mai 1949 in Kraft getreten. Artikel 5 enthält unter anderem sieben Grundrechtsbestimmungen, die als Kommunikationsfreiheiten bekannt sind: Die Freiheit der Meinungsäußerung, die Freiheit der Meinungsverbreitung, die Informationsfreiheit, die Pressefreiheit, die Rundfunkfreiheit, die Filmfreiheit und die Freiheit von Zensur (Vgl. Altendorfer 2001: 29). Die Meinungsfreiheit und die Meinungsbildung werden durch die Informationsfreiheit determiniert, denn „[…] dem Einzelnen soll die Möglichkeit gegeben werden, sich seine Meinung auf der Basis eines weitreichenden, keiner staatlichen Beeinflussung unterliegenden Informationsangebots zu bilden“ (Altendorfer 2001: 29-30). Dieser Zusammenhang bildet die Basis für den grundrechtlichen Schutz des Rundfunks. Der Rundfunk ist gesetzlich im Rundfunkstaatsvertrag definiert als

[…] die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters. Der Begriff schließt Darbietungen ein, die verschlüsselt verbreitet werden ( §2, Abs.1, RStV).

Des Weiteren wurde der Schutzbereich der Rundfunkfreiheit des Art.5 Abs.1 GG auf „rundfunkähnliche Kommunikationsdienste“ ausgeweitet, um neue technische Entwicklungen im Bereich des Rundfunks schützenwert zu machen (Vgl. Reese 2006: 158). Dieser Aspekt ist von enormer Relevanz im digitalen Zeitalter, welcher im Laufe dieser Arbeit detailliert thematisiert wird.

Durch seine Funktion als Trägermedium stellt der Rundfunk der Öffentlichkeit Informationen bereit und nimmt aktiv am Meinungsbildungsprozess teil (Vgl. Flügge 2009: 29-31). Die Rundfunkfreiheit ist zudem historisch geprägt, denn im Nationalsozialismus wurden die Medien instrumentalisiert, um die Meinungsbildung der Bevölkerung zu manipulieren (Vgl. Meyn 2004: 35-37). Es gilt also den Rundfunk vor der Akkumulation von Meinungsmacht zu schützen. Gesetzlich wurde dieses Vorhaben in dem Demokratie- und Sozialstaatsprinzip festgehalten, nach dem die Meinungsvielfalt und die alle in der Gesellschaft existierenden politischen und kulturellen Strömungen geschützt werden sollen (Vgl. Flügge 2009: 8). Der Rundfunk wird daher auch als „institutionelle Garantie“ bezeichnet, welcher für die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ ausschlaggebend ist (BVerfGE 12, 205/206; Vgl. Flügge 2009: 29-30). Des Weiteren bildet das Vorzensurverbot ein wesentliches Element des Grundgesetztes (Art.5 Abs.1 S.3 GG). Es besagt, dass die die Kommunikationsfreiheiten nicht durch staatliche Rechtsvorschriften umgangen werden dürfen (Vgl. Altendorfer 2001: 30; Vgl. Beck 2012: 37; Vgl. Fechner 2006: 19 26).

Zum besonderen Schutz der Jugend existiert eigens eine Grundrechtschranke (Art. 5 Abs. 2 GG), denn die Kinder und Jugendlichen sollen vor schädlichen Einflüssen in der Jugendphase geschützt werden. Was als eine eventuelle Gefährdung anzusehen ist, ist dem Gesetzgeber überlassen (Vgl. Altendorfer 2001: 174). Dem zugrunde liegt das allgemeine Ziel des Verfassungsauftrages, eine chancengleiche Entfaltung der Menschen zu gewährleisten (Vgl. Dreyer 2013: 67; Vgl. Meyn 2004: 48). Ferner existieren zwei normative Grundlagen für den Jugendschutz, die das gleiche Ziel haben: Sowohl das Jugendschutzgesetz des Bundes (JuSchG), als auch der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder (JMStV) enthalten Vorschriften, um einen medienbedingten negativen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen zu vermeiden (Vgl. Dreyer 2013: 71; Fechner 2006: 137 141). Der JMStV gilt dabei, im Gegensatz zu dem JuSchG, welcher sich ausschließlich mit nicht-elektronischen Medien beschäftigt, für alle Inhalte der Telemedien und des Rundfunks. So enthält dieser konkrete Bestimmungen in Bezug auf entwicklungsbeeinträchtigende Angebote und ausführliche Erläuterungen der staatsfernen Medienselbstregulierung für den Jugendmedienschutz im Rundfunk und den Onlinemedien (Vgl. Dreyer 2013: 74; Vgl. Beck 2012: 41). Der JMStV adressiert mit ihren Regularien die Rundfunkveranstalter und die Anbieter der Telemedien.

3. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk

3.1 Historischer Abriss

Aufgrund der geschichtlichen Weichenstellungen des 20. Jahrhunderts wurden nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 von den Westalliierten die Grundlagen für das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem geschaffen (Vgl. Mayer 2012: 22). Dem Rundfunk wurde in der deutschen Rechtsordnung eine Sonderstellung zugesprochen, da dieser, im Gegensatz zur Presse, technisch und finanziell aufwendiger und von diesen Faktoren abhängig ist. Denn „[…] diejenigen, die im Besitz der Rundfunksender und der technischen Übertragungsmöglichkeiten sind, [können] die Meinungsbildung[…]“ lenken (Reese 2006: 56). Daher wird Rundfunk in Deutschland als Kulturgut verstanden, welches schützenswert ist (Vgl. Beck 2012: 214). Das Ziel war es nach den Zeiten des Nationalsozialismus ein Sendehaus zu konstituieren, welches gemeinwohlorientiert und föderal in einzelnen Rundfunkanstalten organisiert ist (Vgl. Meyn 2004: 143; Vgl. 2001 Altendorfer: 23). Die Staatsferne der Landesrundfunkanstalten wurde durch die finanzielle Unabhängigkeit gesichert. Am 9. Juni 1950 wurde schließlich die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschlands (ARD) von sechs westdeutschen Rundfunkanstalten gegründet (Vgl. Schröder, S. 32). Währenddessen bildete sich in der DDR wieder ein zentralistischer Staatrundfunk, der nach der Wiedervereinigung 1990 in das westdeutsche System der ARD überführt wurde. Am 1. Januar 1992 ist schließlich der Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinigten Deutschland in Kraft getreten (Vgl. Reese 2006: 42-43). In den Jahren nach der Gründung der ARD wurde durch Zusammenschlüsse und Ausdehnungen die Zahl der Rundfunkanstalten der ARD auf neun erweitert (Vgl. Mayer 2012: 22): Der Norddeutsche Rundfunk (NDR), der Hessische Rundfunk (HR), Radio Bremen, der Bayrische Rundfunk (BR), Der Südwestrundfunk (SWR), der Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB), der Saarländische Rundfunk (SR), der Westdeutsche Rundfunk (WDR) und der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) stellen mit dem Auslandsrundfunk Deutsche Welle die zehn selbstständigen Mitglieder der ARD dar (Vgl. ard.de). Am 6. Juni 1961 wurde das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) etabliert und „[…] somit endete die Ära des ARD-Fernsehmonopols“ (Mayer 2012: 23). Das ZDF wurde konstituiert, um „[…]positiv zur Erweiterung des Meinungsspektrums im gesellschaftlichen Willensbildungsprozess beizutragen“ (Flügge 2009: 147). Die Einführung des Senders markiert die erste Zäsur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, denn hatten die ARD-Kanäle Konkurrenz aus dem eigenen Lager bekommen (Vgl. Gustedt: 2002: 6; Meyn 2004: 145). Auf der anderen Seite konnten sich nun die beiden Öffentlich-Rechtlichen zusammentun, um die Rundfunkvielfalt auszubauen.

3.2 Rundfunkurteile

Der Handlungsspielraum der öffentlich-rechtlichen Anbieter in Deutschland wurde umfassend in den Rundfunkurteilen des Bundesverfassungsgerichts festgehalten, sodass einige dieser im Folgenden als Grundlage genommen werden (Vgl. Altendorfer 2001: 128). Das erste Urteil vom 28. Februar 1961 stellt die Ausgangslage für das Verständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems dar, denn in ihm wurde erstmalig die Staatsferne des Rundfunks festgelegt, sowie die Umsetzung der in Art. 5 Grundgesetz geforderten Rundfunkfreiheit (Vgl. Altendorfer 2001: 131; Vgl. Beck 2012: 39). Das zweite Rundfunkurteil aus dem Jahr 1971 legt unter anderen die Umsatzsteuerfreiheit fest, denn aufgrund der Staatsferne der Öffentlich-Rechtlichen führen diese keine gewerbliche Tätigkeit aus und sind somit steuerfrei. Damit wurde durch die Rechtsprechung nochmals verdeutlicht, dass die Rundfunkanstalten eine öffentliche Funktion zu erfüllen haben, die einzig und allein dem Wohl der Gesellschaft dienen soll (Vgl. BVerfGE 31, 314ff.).

Im Jahr 1981 wurde durch das dritte Rundfunkurteil, dem sogenannten FRAG-Urteil, verfassungsgemäß erklärt, dass nun auch privatwirtschaftlich organisierte Sender auf dem Fernsehmarkt agieren können (Vgl. Lucht 2006: 177). Dafür sind gesetzliche Regelungen nötig, die gewährleisten, „[…] dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet […]“ (BVerfGE 57, 295/319). Eine vom Bundesverfassungsgericht geforderte Staatsaufsicht soll infolgedessen das Organisationprinzip des Außenpluralismus kontrollieren, also die Ausgewogenheit des Programmes sicherstellen (Vgl. Altendorfer, S. 136, Vgl. Beck, S. 217). Das FRAG-Urteil kennzeichnet zudem den Beginn des dualen Systems in Deutschland und beschreibt die Koexistenz von den gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den werbefinanzierten privat-kommerziellen Sendehäusern (Vgl. BVerfGE 57, 295ff-FRAG). Ziel des dualen Systems ist es, sowohl die strukturelle Diversifikation herzustellen als auch die Konkurrenz unter den Sendehäusern anzutreiben (Vgl. Mayer 2012: 24). Aufgrund der Legitimation privater Anbieter wurden in den 1980er Jahren die ersten Landesmediengesetze verabschiedet sowie die bundesweite einheitliche Regulierung des dualen Rundfunksystems im Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien gesichert (Beck 2012: 40, 218). Im vierten Rundfunkurteil, der „Niedersachsen-Entscheidung“, äußerte sich das Bundesverfassungsgericht zu der Ausgestaltung des dualen Rundfunksystems. Hierbei wurde erstmalig der Begriff „Grundversorgung“ verwendet (Vgl. Flügge 2009: 36):

In dieser Ordnung ist die unerlässliche Grundversorgung Sache der öffentlich-rechtlichen Anstalten, zu der sie imstande sind, weil ihre terrestrischen Programme nahezu die gesamte Bevölkerung erreichen und weil sie nicht in gleicher Weise wie private Veranstalter auf hohe Einschaltquoten angewiesen, mithin zu einem inhaltlich umfassenden Programmangebot in der Lage sind (BVerfGE 73,118/157).

Durch dieses Urteil werden die wesentlichen Anforderungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk deutlich. Zum einen sind die ARD und das ZDF durch die technischen Möglichkeiten in der Lage, die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit zu erreichen. Zum anderen sind diese aufgrund ihrer Finanzierungsform nicht an wirtschaftliche Interessen gebunden, sodass sie sich im Gegensatz zu den privaten Veranstaltern ganz nach den ihnen auferlegten öffentlichen Aufgaben richten können (Vgl. Altendorfer 2001: 137-139). Daraus resultiert, dass die Privaten nur unter der Bedingung auf dem deutschen Fernsehmarkt zugelassen worden sind, weil die Grundversorgung durch die Öffentlich-Rechtlichen garantiert wird. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten bilden demnach die „[…] Legitimationsgrundlage für den Privatrundfunk“ (Flügge 2009: 38, Vgl. Hallermann 1998: 185). Der Grundversorgungbegriff besagt, dass die ARD und das ZDF „[…] im Interesse von Informationsfreiheit und Demokratie, ein vielfältiges, umfassendes und ausgewogenes mediales Angebot […]“ wiederzugeben haben (BVerfGE 73, 118).

Dem Begriff werden im fünften Rundfunkurteil bestimmte Rechte und Pflichten zugeschrieben, die in vier essentielle Funktionen unterteilt werden können (Vgl. BVerfGE 74, 297, Vgl. Flügge 2009: 13): Durch die Integrationsfunktion werden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dazu angehalten, die Identitätsbildung der deutschen Kultur zu unterstützen. Es soll eine gesamtgesellschaftliche Informationsbasis durch Darstellungen von politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenhängen geschaffen werden. Diese soll als Grundlage des Meinungsbildungsprozesses dienen (Vgl. Lucht 2004: 286). Die zweite Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen besteht in der Umsetzung der Forumsfunktion. Denn neben der Wiedergabe des vorherrschenden Meinungsbildes gilt es alle gesellschaftlichen Strömungen zu berücksichtigen, um „[…] ein Podium für pluralistische Meinungsäußerungen zu ermöglichen.“ (Flügge 2009: 14-15; Holznagel 1999: 39). Des Weiteren soll durch die Vorbildfunktion die Qualität der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Ausgestaltung der Programme unter Beweis gestellt werden, die ihren Ansprüchen als seriöse und glaubwürdige Sender gerecht werden müssen (Vgl. Reese 2006: 88). Schließlich stellt die Komplementär- und Garantiefunktion sicher, dass auch Programme veranstaltet werden, die von der Gesellschaft gewünscht werden, da sie nicht im kommerziellen Fernsehen gesendet werden. Die vier Kernfunktionen des Funktionsauftrages verdeutlichen, dass die Öffentlich-Rechtlichen dazu verpflichtet sind, ihr Programm an den Bedürfnissen der Gesellschaft auszurichten (Vgl. ebd. 90). Im Speziellen bedeutet dies, die Vollversorgung der gesamten Bevölkerung sicherzustellen und die Programmgegenstände „Bildung, Information, Kultur und Unterhaltung“ wiederzugeben, wie sie im Sinne des klassischen Rundfunkauftrags formuliert werden. Der Auftrag ist demnach allen Alters- und Interessengruppen verpflichtet (Vgl. ard.de).

Aufgrund des neu entstandenen Wettbewerbs mit den privaten Senderhäusern und der raschen technischen Entwicklung von neuen Produktions-, Präsentations- und Verbreitungstechniken, begründete das Bundesverfassungsgericht im sechsten Rundfunkurteil aus dem Jahr 1991 die „Bestands- und Entwicklungsgarantie“ für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Vgl. BVerfGE 83,238 WDR; Vgl. Beck 2012: 219). Diese besagt zum einen, dass die Öffentlich-Rechtlichen Programme schalten dürfen, die über den Grundversorgungsauftrag hinaus gehen. Zum anderen sind die ARD und das ZDF von zukünftigen organisatorischen, technischen und finanziellen Entwicklungen nicht ausgeschlossen und dürfen darauf flexibel reagieren (Vgl. Altendorfer 2001: 60,143). Dieser Aspekt wird insbesondere aufgrund des raschen technischen Wandels relevant. Denn die öffentlich-rechtlichen Anbieter sollen ebenso wie die Privaten vom Fortschritt des Rundfunks profitieren können. Allerdings soll der Kern des öffentlich-rechtlichten Angebots Fernsehen und Hörfunk bilden.

Der Beschluss vom 6. Oktober 1992 und das sogenannte Gebührenurteil aus dem Jahr 1994 setzen sich explizit mit der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auseinander, insbesondere mit der Ausstrahlung von werbefinanzierten Inhalten. Laut Bundesverfassungsgericht hat der Gesetzgeber die Pflicht, die zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages erforderlichen finanziellen Mittel bereitzustellen (Vgl. BVerfGE 87, 181 Hessen 3). Dadurch ist die Grundversorgung gesichert und der staatliche Einfluss ausgeschlossen (Vgl. Altendorfer 2001: 147). Die Gebührenfinanzierung schließt jedoch nicht die zusätzliche finanzielle Unterstützung durch Werbemittel aus. Voraussetzung ist, dass diese nicht den Hauptteil der Finanzierung ausmacht (Vgl. Altendorfer 2001: 147-148).

Im siebten Urteil wird die programminhaltliche Ausgestaltungsfreiheit der Öffentlich-Rechtlichen betont, denn laut Bundesverfassungsgericht besitzen die ARD und das ZDF die vollständige Programmautonomie, welche durch die Rundfunkfreiheit gedeckt ist (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Programmautonomie soll außerdem dem publizistischen Wettbewerb mit den privaten Mitstreitern förderlich sein, denn auf diese Weise können die Öffentlich-Rechtlichen die Interessen der Bevölkerung in ihre Programmentscheidung mit einbeziehen (Vgl. Flügge 2009: 28).

In Landesrundfunkgesetzen und Landemediengesetzen sowie in Rundfunkstaats-verträge der Länder werden die Rechte und Pflichten der Rundfunkanstalten sichergestellt (Vgl. Mayer 2013: 22). Zudem wird durch bi- und multilaterale Staatsverträge der Länder, wie zum Beispiel den Staatsvertrag für Rundfunk und Telemeiden, den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, und den Rundfunkgebühren-staatsvertrag, deutschlandweit eine einheitliche Basis für das Mediensystem gewährleistet (Vgl. Beck 2012: 39; Vgl. Fechner 2006: 20-22).

Am 1. Juni 2009 wurden verschiedene Änderungen für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorgenommen, welche im zwölften Rundfunkänderungsstaats-vertrag (RStV) festgehalten worden sind. Für diese Arbeit bedeutsam sind die neuen Regelungen in § 11d und §11f RStV, die sich mit der Zulässigkeit der Telemedienangebote auseinandersetzen:

Durch die Telemedienangebote soll allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der Informationsgesellschaft ermöglicht, Orientierungshilfe geboten sowie die technische und inhaltliche Medienkompetenz aller Generationen und von Minderheiten gefördert werden ( § 11d Abs. 3 RStV).

Allerdings müsse laut Paragraph „[…]der zeitliche und inhaltliche Bezug zu einer bestimmten Sendung im jeweiligen Telemedienangebot ausgewiesen werden“. Konkret heißt dies, dass die Rundfunkanstalten ihre Programme und Begleitinformationen insgesamt nur sieben Tage nach der Sendung zum Abruf im Internet bereitstellen können. Angebote, die länger im Netz bleiben sollen, müssen durch ein Telemedienkonzept gedeckt werden, welcher einen sogenannten Drei-Stufen-Test beinhaltet (Vgl. § 11f Abs. 4 RStV). Zudem wurde festgeschrieben, dass presseähnliche Angebote den öffentlich-rechtlichen Sendern untersagt sind. Ebenso unzulässig ist die Bereitstellung von angekauften Spielfilmen. Auch Werbung und Sponsoring sind in den Telemedien nicht erlaubt. In Folge dessen haben alle öffentlich-rechtlichen Anbieter ein Telemedienkonzept zur Wahrung ihrer internetbasierten Angebote vorgelegt.

Es wird durch den zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag deutlich, dass die Etablierung von digitalen Medien mit einer Vielzahl von Vorgaben und Einschränkungen verbunden ist.

3.3 Das Fernsehangebot von ARD und ZDF

Die Fernsehprogramme der Öffentlich-Rechtlichen beinhalten laut klassischem Funktionsauftrag die Programmgegenstände Information, Bildung, Unterhaltung und Kultur, welche gleichberechtigt in den Sendungen zum Ausdruck kommen. Unter Informationssendungen sind jedoch nicht nur die klassischen Nachrichten zu verstehen, sondern auch Politmagazine, Dokumentationen oder Hintergrundreportagen, welche zudem eine beratende Funktion haben (Vgl. Reese 2006: 83; Vgl. Flügge 2009: 23). Zu den Bildungsprogrammen gehören Beiträge, welche die Meinungsbildung zu gesellschaftsrelevanten Themen unterstützen. Die Unterhaltungsfunktion wirkt zwar aufgrund ihres Freizeitwertes weniger anspruchsvoll, hat aber einen erheblichen Stellenwert im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Unterhaltende Programme erfüllen eine Transportfunktion von wissenschaftlichen und bildenden Elementen (Vgl. Flügge 2009: 24). Denn insgesamt erzielen Unterhaltungsformate höhere Einschaltquoten, weshalb hier gezielt anspruchsvolle Inhalte integriert werden (Vgl. Reese 2006: 84). Sogenannte Infotainment-Formate beinhalten unterhaltende Elemente und sind gleichzeitig von informativem Nutzen für den Zuschauer. Beispielhaft dafür steht die Quizshow, die spielerisch Wissen vermittelt und daher von der ARD und dem ZDF eingesetzt wird. Den Öffentlich-Rechtlichen kommt zudem eine spezielle kulturelle Verantwortung zuteil, da der Rundfunk als „Kulturinstrument“ bezeichnet wird (Flügge 2009: 25). Es gilt, die kulturelle Identität zu bewahren und hierfür spezielle Kultursendungen auszustrahlen (Vgl. Fromm: 63; Vgl. Reese 2006: 84). Alle vier Programmgegen-stände sind gleichermaßen relevant und verschmelzen daher permanent (Vgl. Flügge 2009: 21).

Die ARD-Senderfamilie umfasst seit dem 1. November 1954 ein gemeinsam veranstaltetes Vollprogramm namens Das Erste. Ein Vollprogramm hat den Anspruch, durch seine Sendeformate ein breites Angebot aus den grundversorgungsrelevanten Themenbereichen zu bieten und dabei möglichst alle relevanten Zielgruppen anzusprechen (Vgl. Altendorfer 2001: 58-59; Vgl. Flügge 2009: 202). Die Beiträge für Das Erste werden von allen neun Landesrundfunkanstalten produziert, sodass ein überregionales vielseitiges Programm entsteht (Vgl. daserste.de). Zusätzlich existieren die regionalen Dritten Fernsehprogramme, die ebenfalls zu den Vollprogrammen auf dem deutschen Fernsehmarkt zählen. Ihre Besonderheit liegt in der Ausstrahlung landesbezogener Sendungen, welche zur regionalen kulturellen Bildung beitragen sollen (Vgl. Reese 2006: 150). Des Weiteren gibt es die Spartenprogramme. Sparten- oder auch Zielgruppenprogramme sind Angebote, die nicht notwendigerweise die gesamte Bandbreite der Programmgegenstände bereitstellen müssen, sondern gewisse Schwerpunkte aufweisen, wie zum Beispiel die Fokussierung auf eine Zielgruppe oder auf einen relevanten Themenbereich. (Vgl. Altendorfer 2001: 59). Sie stellen somit eine Ergänzung für die Vollprogramme dar und liefern einen Zusatznutzen für die Zuschauer (Vgl. Reese 2006: 162). Die Monothematik dieser Programme ist identitätsstiftend, da spezialisierte Programminhalte geschaffen werden, die in dieser Form einmalig sind (Vgl. Flügge 2009: 203). Legitimiert werden die Spartenprogramme durch die Komplementär- und Garantiefunktion des Funktionsauftrages, welche sicherstellt, dass auch individuellen Themengebieten und Minderheiten Beachtung geschenkt wird (Vgl. Meyn 2004: 146). Zudem soll durch eine Erweiterung der bestehenden Programme auch die Meinungsvielfalt verstärkt werden. Durch Zusammenschlüsse von der ARD und des ZDF entstanden die Kooperationskanäle KiKa und Phönix. Der Sender KiKa hat den Fokus auf die Zielgruppe der Kinder zwischen drei und 13 Jahren, die durch ein werbefreies und kindgerechtes Programm erreicht werden sollen (Vgl. kika.de). Phönix‘ thematischer Schwerpunkt hingegen sind dokumentarische Beiträge (Vgl. Meyn 2004: 145-146). Aufgrund internationaler Zusammenschlüsse mit dem Französischen, Österreich-ischen und Schweizer Rundfunk sind außerdem die Kanäle Arte und 3Sat entstanden (Vgl. ard.de).

Hinzu kommen die digitalen Kanäle von der ARD und dem ZDF, von denen einige eine junge Zielegruppe ansprechen. Der vom SWR gesteuerte Digitalkanal EinsPlus bietet ein Wissens- und Serviceangebot, welches seit November 2012 ein Abendprogramm speziell für Zuschauer unter 30 Jahren sendet. Der Sender versteht sich als multimediale Programmwerkstatt, denn die interaktiven Sendungen entstehen in einem Entwicklungslabor, dem E-Lab, und integrieren die Medien Fernsehen, Radio und Internet miteinander. Ungefähr 30 neue Sendungen sind so entstanden, weitere sind in Planung. Beworben wird die Änderung unter dem Slogan „Fernsehen für Dich!“ (Vgl. www.einsplus.de). Auch der Kanal EinsFestival bietet nach eigenen Angaben ein „junges Programm für Erwachsene“ (www.einsfestival.de). Das Programm beinhaltet eine Mischung aus Unterhaltung, Comedy, Musik, Filme, Dokumentationen und Reportagen. Ähnlich dem E-Lab von dem ARD Sender EinsPlus, versteht sich ZDFneo als junger Innovationskanal des ZDF. Beispielsweise wurde 2011 das „TVLab“ gesendet, welches eine Woche lang die Zuschauer online darüber abstimmen ließ, welche Sendungsideen im Programm zu sehen sein werden. Im Normalprogramm sendet ZDFneo unter anderem Servicesendungen, Latenight-Shows, Doku-Soaps und Spielfilme. Die Zielgruppe des Kanals sind Erwachsene zwischen 25 bis 49 Jahren (Vgl. zdfneo.de). In Ergänzung mit den Sendern Tagesschau24, ARD-Alpha, ZDFkultur sowie ZDFinfo baut sich die Programmvielfalt der Öffentlich-Rechtlichen auf insgesamt 22 Fernsehprogramme aus.

4. Digitalisierung

Wie die Begriffserläuterung des Mediensystems im ersten Teil dieser Arbeit verdeutlicht hat, ist das öffentlich-rechtliche Mediensystem kein statisches und unbewegliches System. Um ihre gesellschaftliche Funktion zu erfüllen, besitzen sie auf der einen Seite die notwendige Stabilität, um autonom zu handeln. Auf der anderen Seite ist eine hohe Flexibilität erforderlich, denn es bleibt das oberste Ziel der Öffentlich-Rechtlichen, den sich kontinuierlich wandelnden Bedürfnissen der Gesellschaft zu entsprechen. Den vorherrschenden Entwicklungsdynamiken gilt es daher flexibel und offen gegenüber zutreten (Vgl. Beck 2012: 302). Die digitale Entwicklung stellt die Rundfunkanstalten vor eine neue Herausforderung. Die seit den letzten zehn bis fünfzehn Jahren stattfindende Digitalisierung hat eine Vielzahl von neuen technischen Erscheinungen hervorgebracht, welche das bisherige Verständnis von Rundfunk grundlegend verändert haben (Vgl. Hugger 2014: 13). Der klassische Rundfunk nach dem one-to-many Prinzip, wie ihn auch die Öffentlich-Rechtlichen betreiben, funktioniert in dieser Form nicht mehr in der digitalen Medienwelt (Vgl. Kaufmanns et. al 2008: 6). Der Konsument wird zunehm-end Produzent und Inhalte erfahren durch das Internet eine neue Reichweite (Vgl. Steinmaurer 2013: 89). Insbesondere die Jugend hat die moderne Mediennutzung adaptiert, weswegen es für die Öffentlich-Rechtlichen von besonderer Relevanz ist, die digitalen Medien zu erschließen. Im Folgenden wird der digitale Wandel zeitlich und sprachlich eingeordnet und im Zuge dessen zentrale Begrifflichkeiten der Digitalisierung detailliert betrachtet. Schließlich wird das bisherige digitale Angebot der Öffentlich-Rechtlichen untersucht.

4.1 Der digitale Wandel

Das moderne Zeitalter ist geprägt durch eine Vielzahl von technischen Innovationen, die unter dem Schlagwort „Digitalisierung“ zu fassen sind (Vgl. Beck 2012: 302). Die Digitalisierung, also die Umstellung von analoger auf digitale Technologie, hat den Medienmarkt immens verändert (Hugger 2014: 14). Reese (2006: 103) spricht sogar von einer „dritten medialen Revolution“. Die erste Revolution stellt die Erfindung des Buchdrucks durch Johann Gutenberg vor ungefähr 500 Jahren dar, die erstmals ermöglichte, dass Informationen auf Papier gedruckt werden konnten. 1887 fand durch die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen durch Heinrich Herz die zweite Revolution statt, welche die Etablierung von Telefon, Radio und Fernsehen zur Folge hatte (ebd.). Die Digitalisierung der Medien markiert nun die dritte Revolution, denn durch hochleistungsfähige Speicher und über Binär-Codes übermittelte Sendesignale der digitalen Übertragungstechnik, sind erhebliche Veränderungen in dem Umgang mit Medien festzustellen. Dies führe laut Meyn (2004: 279) zu einer „dynamischen Expansion des Informations- und Unterhaltungs-angebots“ und in dem Zuge zu einer immensen Markerweiterung.

4.2 Konvergenz

Ein Leitbegriff der Digitalisierung ist Konvergenz. Dieser bezeichnet in diesem Zusammenhang die fortlaufende Annährung der Bereiche Telekommunikation, Rundfunk und Internet (Vgl. Kaufmanns et al. 2008: 7). Die strukturelle Verschmelz-ung ehemals getrennter Branchen findet, vereinfacht gesagt, auf der technischen und inhaltlichen Ebene statt (Vgl. 2006 Wagner & Theunert). Zum einen konvergieren die Produktionsarten und verschiedene Funktionen und Anwendungen wachsen zusammen. Diesen Vorgang nennt man „corporate driven process“ (Jenkins 2006: 16) und es entstehen multifunktionale Nutzungsplattformen und Endgeräte. Dabei werden alte Medien nicht gänzlich verdrängt, sondern finden durch die Integration in multifunktionalen Endgeräten und Plattformen erneut Verwendung (Vgl. Hipeli 2012: 20). Zum Anderen zeigt sich die Konvergenz auch in der Art des Mediengebrauchs auf der Rezipientenseite. Der „consumer driven process“ bedeutet, dass die Anforderungen der Nutzer stetig steigen, sodass die Plattformen und Endgeräte den zunehmenden Ansprüchen der Rezipienten entsprechen müssen (Vgl. Kolo 2010: 289). Beide Konvergenzen bedingen sich gegenseitig und führen zum einen zu einer voranschreitenden Vereinheitlichung und Komplexitätserweiterung der Medien und zum anderem zu einer Entwicklung neuer Nutzungsstile und Medienrepertoires (Vgl. Steinmaurer 2012: 89). Es findet eine Fragmentierung der Nutzungsarten statt und es entstehen eine Vielzahl von unterschiedlichen Zielgruppen mit individuellen Bedürfnissen (Vgl. Sjurts 2008: 5). Dies führt zu einem gesteigerten Wettbewerb unterschiedlicher Anbieter, unabhängig von der technischen Plattform, auf der die Angebote zu finden sind. (Vgl. Barchfeld 2014 (Auslaufmodell TV): 124). Der konvergierte Markt ist daher auch für die Öffentlich-Rechtlichen aktueller denn je, denn die Konkurrenz weitet sich von den privaten Fernsehveranstaltern auf die gesamte Palette der Internetplattformenbetreiber und Telekommunikationsanbieter aus und die Zu-schauerschaft benötigt aufgrund der unterschiedlichen Nutzungsmuster zunehmend eine differenzierte Ansprache (Vgl. Mayer 2010: 44).

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Ende der Leseprobe aus 57 Seiten

Details

Titel
Das öffentlich-rechtliche Mediensystem im digitalen Zeitalter. Das neue junge Angebot von ARD und ZDF für die Zielgruppe Jugend
Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Note
2,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
57
Katalognummer
V594737
ISBN (eBook)
9783346201874
ISBN (Buch)
9783346201881
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Öffentlich-Rechtliches Mediensystem, ARD, Onlinemedien
Arbeit zitieren
Julia von Buddenbrock (Autor:in), 2016, Das öffentlich-rechtliche Mediensystem im digitalen Zeitalter. Das neue junge Angebot von ARD und ZDF für die Zielgruppe Jugend, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/594737

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