Nachhaltige Innovationen und deren Umsetzung im Unternehmen. Wie die organisationale Ambidextrie das Management unterstützt


Fachbuch, 2021

98 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Unternehmerische Nachhaltigkeit durch nachhaltige Innovation
2.1 Begriffsverständnis Nachhaltigkeit
2.2 Drei-Säulen-Modell unternehmerischer Nachhaltigkeit
2.3 Differenzierungen nachhaltiger Innovationen
2.4 Formen nachhaltiger Innovationen

3 Management durch Ambidextrie
3.1 Begriffsverständnis Ambidextrie
3.2 Exploitation und Exploration als Gegensätze der Ambidextrie
3.3 Anwendungsfelder der Ambidextrie
3.4 Formen der Ambidextrie
3.5 Ebenen der Ambidextrie

4 Verknüpfung nachhaltiger Innovationen und Ambidextrie
4.1 Treiber für nachhaltige Innovationen
4.2 Ambidextrie nachhaltiger Innovationen
4.3 Voraussetzungen für Innovationsfähigkeit durch Ambidextrie
4.4 Eignung der Ambidextrie-Formen für nachhaltige Innovationen

5 Diskussion
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
5.2 Implikationen für Theorie und Praxis
5.3 Limitationen und weiterer Forschungsbedarf

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum:

Copyright © Science Factory 2021

Ein Imprint der GRIN Publishing GmbH, München

Druck und Bindung: Books on Demand GmbH, Norderstedt, Germany

Covergestaltung: GRIN Publishing GmbH

Abkürzungsverzeichnis

CEO Chief Executive Officer

CSR Corporate Social Responsibility

KPI Key Performance Indicator

NGO Nichtregierungsorganisation

OECD Organisation of Economic Co-operation and Development

WCED World Commission on Environment and Development

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Drei-Säulen-Modell unternehmerischer Nachhaltigkeit

Abbildung 2: Organisationale Separation

Abbildung 3: Inter-organisationale Separation

Abbildung 4: Temporäre Separation

Abbildung 5: Kontextuelle Ambidextrie

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Framework für die Umsetzung nachhaltiger Innovationen mit Ambidextrie

1 Einleitung

Die Menschheit sieht sich ganz aktuell mit dem Klimawandel und der Ressourcenknappheit langfristigen und existenziellen Herausforderungen ausgesetzt (Boons, Montalvo, Quist & Wagner, 2013, S. 1). Deren Folgen haben tiefgreifende Auswirkungen für das (Über-)Leben auf der Erde. Die nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft und Wirtschaft ist daher essentiell, um ihr langfristiges Fortbestehen zu garantieren. Einer Umfrage des UN Global Compact und Accenture von 2010 zu Folge denken 93% der CEOs, dass Nachhaltigkeitsfragen für den zukünftigen Erfolg ihres Unternehmens entscheidend sind (Lacy, Cooper, Hayward & Neuberger, 2010, S. 13). Das Konzept nachhaltiger Entwicklung wird daher mehr und mehr von Unternehmen aufgenommen, da diese einen wesentlichen Einfluss darauf ausüben können (Hahn & Scheermesser, 2006, S. 150; Lozano, 2012, S. 14) und das gesellschaftliche Bewusstsein für diese Thematik gestiegen ist. Verschiedene Stakeholder-Gruppen üben Druck auf Unternehmen aus, das Thema Nachhaltigkeit zu priorisieren und deren Wertschöpfung anzupassen. Das Verständnis nachhaltiger Entwicklung wurde im Wesentlichen durch den Brundtlandt-Bericht der Vereinten Nationen geprägt, welcher die Idee nachhaltiger Entwicklung definiert als jene, die den Bedürfnissen der Gegenwart entspricht, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, beeinträchtigt (WCED, 1987, S. 37).

Die nachhaltige Entwicklung eines Unternehmens kann insbesondere durch die Entstehung von Innovationen umgesetzt werden, da diese als Schlüsselfaktor für unternehmerischen Erfolg bewertet werden (Cooper, 2001, S. 10). Im Vergleich zu traditionellen Innovationen werden mit nachhaltigen Innovationen nicht nur ausschließlich ökonomische Ziele, sondern darüber hinaus auch ökologische und soziale Ziele verfolgt. Diese verschiedenen Zieldimensionen implizieren vielfältige, teils widersprüchliche Anforderungen, welche jedoch gleichzeitig umgesetzt werden müssen. Darüber hinaus existieren im Kontext nachhaltiger Innovationen weitere gegensätzliche Spannungen, die scheinbar unüberwindbare Zielkonflikte implizieren. Dazu zählen die Spannungen im betrachteten Zeitraum zwischen kurz- und langfristigen Entscheidungen, der Innovationsgrade zwischen minimalen und umfassenden Anpassungen als auch der Strategie zwischen dem Bestreben nach systemischem Wandel und externem Stakeholder-Druck, der zu einer zunehmenden Angleichung führen kann. Unternehmen und ihre Führungskräfte haben daher oftmals große Probleme in der Umsetzung nachhaltiger Innovationen. In der Konsequenz besteht die Gefahr, Spannungen zu ignorieren und lediglich bestehende Aktivitäten im Kerngeschäft fortzuführen, was dazu führen kann, dass die nachhaltige Weiterentwicklung des Geschäftsfeldes versäumt wird und das Fortbestehen des Unternehmens gefährdet ist. Es reicht also nicht aus, ausschließlich im bestehenden Kerngeschäft zu operieren. Unternehmen müssen auch in neuen Geschäftsfeldern forschen, neue Produkte testen und neue Verfahren erproben, um sich langfristig erfolgreich am Markt zu behaupten. Es erscheint daher erstrebenswert das Unternehmen so zu organisieren, dass einige Mitarbeiter1 an dem Ausbau bestehender Aktivitäten arbeiten und Andere an der Entwicklung von neuen Perspektiven, um die scheinbar unüberwindbaren Konflikte auszubalancieren. Die konkrete Umsetzung dieser beiden Aktivitäten kann sowohl in verschiedenen Einheiten, über Unternehmensgrenzen hinweg oder temporär separiert werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Spannungen innerhalb derselben Organisationseinheit zu integrieren. Die gleichzeitige Exploitation des Bestehenden und Exploration von Neuen wird in der Literatur unter dem Namen organisationaler Ambidextrie diskutiert (O’Reilly & Tushman, 2004, S. 74).

Die Existenz vielfältiger Spannungen macht deutlich, dass die Vereinbarung gegensätzlicher Positionen essentiell für die Entwicklung nachhaltiger Innovationen ist. Der Management-Ansatz organisationaler Ambidextrie kann hier ansetzen, um nachhaltige Entwicklung mit Hilfe von nachhaltigen Innovationen umzusetzen und die konfligierenden Anforderungen an Unternehmen zu balancieren. Demzufolge wird in dieser Masterarbeit die folgende Forschungsfrage untersucht:

Wie wirkt sich organisationale Ambidextrie auf die Entwicklung nachhaltiger Innovationen eines Unternehmens aus?

Für die Bearbeitung der Forschungsfrage werden nachhaltige Innovationen in einer Ambidextrie-Perspektive analysiert. Die aufgestellte Hypothese wird im Laufe der Arbeit aus der wissenschaftlich theoretischen und praktischen Forschung hergeleitet und bezieht sich auf Wirkung und Umsetzung der Ambidextrie im Kontext nachhaltiger Innovationen. Die Hypothese lautet:

Organisationale Ambidextrie begünstigt die Entwicklung nachhaltiger Innovationen.

Das Ziel der Masterarbeit ist es, Annahmen über Zusammenhänge zwischen verschiedenen Innovationskategorien, der inhärenten Paradoxa und geeigneter Ambidextrie-Formen zu entwickeln, indem die Theoriestränge nachhaltiger Innovationen und Ambidextrie verknüpft werden. Die Anwendungsfelder organisationaler Ambidextrie sind sehr vielfältig. Vereinzelt geben zwar erste Fallstudien einen Anhalt dafür, dass organisationale Ambidextrie auch für nachhaltige Innovationen eingesetzt werden kann (Loorbach, van Bakel, Whiteman & Rotmans, 2009; Zeng, Hu & Ouyang, 2017). Dennoch steht die Erforschung der Umsetzung nachhaltiger Innovation bisher noch weit am Anfang. Eine systematische Untersuchung verschiedener Kategorien nachhaltiger Innovationen, ihrer jeweils zugrunde liegenden Spannungen und die Auflösung der Paradoxa durch die jeweils geeigneten Ambidextrie-Formen, steht in der wissenschaftlichen Forschung noch aus. Folglich ist es das Ziel dieser Masterarbeit, einen Beitrag zu leisten, diese Forschungslücke zu schließen und Grundlagen für weitere Forschungen auf diesem Gebiet zu schaffen.

Ein weiteres Ziel der Masterarbeit besteht darin, Praktiker zu unterstützen, nachhaltige Innovationen mit Hilfe von integrativen und separativen Ambidextrie-Strategien umzusetzen. Unternehmen empfinden es oft als schwierig, sich in diesen nachhaltigkeitsbezogenen Dilemmata zurechtzufinden und könnten durch eine systematische Untersuchung die Auseinandersetzung mit den Dilemmata besser steuern. Dadurch werden Unternehmen aktiv in dem Prozess unterstützt, sich zu nachhaltigkeitsorientierten Innovatoren zu entwickeln und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung nachzukommen.

Vor der Beantwortung der Forschungsfrage und der Ausarbeitung der genannten Zielsetzungen werden in dem folgenden Kapitel zunächst die theoretischen Grundlagen für nachhaltige Innovationen erarbeitet. Nach der Klärung des grundlegenden Begriffsverständnisses für Nachhaltigkeit, wird diese im unternehmerischen Kontext eingeordnet und analysiert (Kap. 2.1). Dazu wird auf das wissenschaftlich weit verbreitete Drei-Säulen-Modell zurückgegriffen, welches Nachhaltigkeit in die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales gliedert (Kap. 2.2). Darauf aufbauend werden nachhaltige Innovationen definiert und differenziert in verschiedenen Arten (Kap. 2.3.1), Graden (Kap. 2.3.2) und Perspektiven (Kap. 2.3.3). Auf Basis dieser Differenzierung werden anschließend die drei verschiedenen Formen nachhaltiger Innovationen – operationale Optimierung, organisationale Transformation und Systembildung – eingeführt (Kap. 2.4), um möglichst die gesamte Komplexität nachhaltiger Innovationen abbilden zu können (Adams, Jeanrenaud, Bessant, Denyer & Overy, 2016, S. 185). Die Formen nachhaltiger Innovationen werden im späteren Verlauf der Masterarbeit explizit in einer Ambidextrie-Perspektive untersucht.

Im zweiten Theorieblock wird das Management-Konzept der Ambidextrie umfassend in Kapitel 3 beleuchtet. Dazu wird eingangs das Begriffsverständnis geklärt (Kap. 3.1), um dann die beiden Gegensätze der Ambidextrie – Exploitation und Exploration – zu beleuchten (Kap. 3.2). Die Darstellung möglicher Anwendungsfelder zeigt anschließend die breit gestreuten Einsatzmöglichkeiten dieses Konzeptes auf (Kap. 3.3). Im Folgenden werden dann die vier möglichen Ambidextrie-Formen diskutiert, um den Gegensatz von Exploitation und Exploration zu meistern: Organisationale Separation (Kap. 3.4.1), inter-organisationale Separation (Kap. 3.4.2), temporäre Separation (Kap. 3.4.3) und kontextuelle Ambidextrie (Kap. 3.4.4). Schließlich wird ein Überblick über die verschiedenen Ebenen gegeben, in denen die vorher diskutierten Formen eingesetzt werden (3.5).

Im Anschluss an die theoretisch deskriptive Darstellung nachhaltiger Innovationen und Ambidextrie, werden die beiden Theoriestränge in Kapitel 4 verknüpfend analysiert. Dazu werden eingangs die internen (Kap. 4.1.1) und externen (Kap. 4.1.2.) Treiber für nachhaltige Innovationen diskutiert. Darauf aufbauend werden die gegensätzlichen Spannungen, die nachhaltige Innovationen ausmachen, unter dem Aspekt der Ambidextrie nachhaltiger Innovationen beleuchtet (Kap. 4.2), um dann die Gemeinsamkeiten, der Unternehmen, die organisationale Ambidextrie erfolgreich eingesetzt haben, unter den Voraussetzungen für Innovationsfähigkeit organisationaler Ambidextrie zu erarbeiten (Kap. 4.3). Anschließend werden die drei eingeführten Kategorien nachhaltiger Innovationen in Bezug zu den dargestellten Ambidextrie-Formen gesetzt. Dazu werden jeweils die zugrundeliegenden Spannungen der Innovationskategorie erarbeitet, um dafür eine geeignete Ambidextrie-Form für die erfolgreiche Umsetzung abzuleiten. In der Reihenfolge ihrer Ambitionen für die Umsetzung nachhaltiger Innovationen werden die operationale Optimierung (Kap. 4.4.1), organisationale Transformation (Kap. 4.4.2) und Systembildung (Kap. 4.4.3) wie beschrieben analysiert.

Die im Rahmen der Masterarbeit gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse aus der vorangegangenen Analyse werden in Kapitel 5 diskutiert und eingeordnet. Dazu werden die Analyseergebnisse zusammenfassend erläutert und in einem Framework dargestellt (Kap. 5.1). Auf der einen Seite werden mögliche Implikationen für Unternehmern und deren Führungskräfte für die Praxis herausgestellt und auf der anderen Seite zudem Aspekte für die wissenschaftliche Forschung in der Theorie hervorgehoben (Kap. 5.2). Abschließend werden die Limitationen der Ergebnisse aufgezeigt und daraus zukünftiger weiterer Forschungsbedarf abgeleitet (Kap. 5.3).

In einem abschließenden Fazit in Kapitel 6 werden die wesentlichen Ergebnisse noch einmal dargestellt und herausgestellt, inwieweit die Forschungsfrage beantwortet werden konnte. Darüber hinaus wird die verfolgte Vorgehensweise dieser literaturbasierten konzeptionellen Masterarbeit resümiert.

2 Unternehmerische Nachhaltigkeit durch nachhaltige Innovation

Das gesteigerte Bewusstsein für nachhaltige Wertschöpfung von Unternehmen rückt zunehmend in den Fokus öffentlichen Interesses. Unternehmen greifen das Konzept der Nachhaltigkeit daher auf und arbeiten an deren Umsetzung. Dazu werden insbesondere solche Innovationen eingesetzt, deren Kern sich auf Nachhaltigkeit fokussiert. Eingangs wird das grundsätzliche Begriffsverständnis von Nachhaltigkeit geklärt und seine Abgrenzung zur Corporate Social Responsibility herausgestellt (Kap. 2.1). Nach einer Vorstellung der drei Säulen des Modells für nachhaltige unternehmerische Entwicklung (Kap. 2.2) werden darauffolgend nachhaltige Innovationen thematisiert. Hier wird insbesondere auf den besonderen Charakter nachhaltiger Innovationen eingegangen, indem die verschiedenen Arten (Kap. 2.3.1), Grade (Kap. 2.3.2) und Perspektiven (Kap. 2.3.3) differenziert beleuchtet werden. Auf Basis dieser Differenzierungen werden drei Formen nachhaltiger Innovationen (operationale Optimierung, organisationale Transformation, Systembildung) eingeführt, die in ihren Charakteristika möglichst umfassend das gesamte Spektrum nachhaltiger Innovationen abdecken (Kap. 2.4).

2.1 Begriffsverständnis Nachhaltigkeit

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ hat in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. In den letzten Dekaden wurde der Begriff im Rahmen von großen Weltkonferenzen thematisiert, sogar völkerrechtliche Abkommen haben ihn aufgenommen und die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung ist kontinuierlich Gegenstand politischen Geschehens (Tremmel, 2004, S. 26). Nichtsdestotrotz hat sich im wissenschaftlichen Diskurs bisher keine einheitliche Definition für „Nachhaltigkeit“ etabliert. Nachhaltigkeit wird als deutsche Übersetzung für das Wort „sustainability“ bzw. „sustainable“ bezeichnet, was wiederum eine Abwandlung von „sustainable development“ (zu deutsch: nachhaltige Entwicklung) gesehen wird. Der Unterschied zwischen Nachhaltigkeit („sustainability“) und nachhaltiger Entwicklung („sustainable development“) liegt darin, dass mit nachhaltiger Entwicklung der Weg, Pfad bzw. Prozess bezeichnet wird, um Nachhaltigkeit zu erreichen (Lozano, 2008, S. 1840).

Der Begriff der Nachhaltigkeit fand seine erste Verwendung bereits im 17. Jahrhundert im deutschen Sprachraum. In der sächsischen Forstwirtschaft wurde Nachhaltigkeit durch Hans Carl von Carlowitz (1640-1714) gemäß dem Prinzip geprägt, dass nur so viel Holz gehackt werden solle, wie in derselben Zeit auch nachwächst, mit dem Ziel, den Wald für künftige Generationen zu erhalten (Hilty & Aebischer, 2015, S. 5).

Die Begriffe „sustainability“ und „sustainable development“ wurden hingegen auf der Brundtland-Kommission mit dem Titel ‚Our Common Future‘ erstmalig kombiniert verwendet (WCED, 1987, S. 37). „Sustainable development“ wurde hier definiert als „development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ (WCED, 1987, S. 37). Die nachhaltige Entwicklung und dessen Realisierung basiert der Kommission zu Folge zum einen auf der Bewahrung der Umwelt für die generationenübergreifende Gerechtigkeit, sowie der Herstellung von internationaler Gerechtigkeit und zum anderen auf der Gewährleistung politischer Partizipation. Dieser Zustand wäre hergestellt, wenn jeder Mensch heute seine Bedürfnisse für ein besseres Leben befriedigen kann und zugleich gesichert wäre, dass zukünftige Generationen ebenso diese Möglichkeit besitzen werden. Neben dem Streben nach einem solchen Zustand, zeichnet sich die nachhaltige Entwicklung durch eine langfristige Erhaltung dieses Zustandes nach dem Erreichen aus (Di Giulio, 2004, S. 47f.).

Dieser Ansatz wird jedoch auch kritisch reflektiert. Die Autoren Jennings und Zandbergen (1995, S. 1018) stellen beispielsweise heraus, dass in der Definition scheinbar zwei unvereinbare Ziele, nämlich die Bedürfnisbefriedigung jetziger Generationen bei gleichzeitiger Bewahrung der Möglichkeit der Bedürfnisbefriedigung zukünftiger Generationen, vereinbart werden. Darüber hinaus kritisieren sie, dass diese zu sehr von der Ökologie abgekoppelt sind und es an konkreten operationellen Zielen und Handlungsrichtlinien fehlt (Jennings & Zandbergen, 1995, S. 1018). Die Definition der Brundtland-Kommission von nachhaltiger Entwicklung ist jedoch nach Wu et al. (2018, S. 1118) im wissenschaftlichen Diskurs weit verbreitet, und bildet eine wesentliche Grundlage dieser Arbeit, weil sie Nachhaltigkeit als globalen, langfristigen und positiven Ansatz versteht.

Für die nachhaltige Entwicklung spielen Unternehmen eine Schlüsselrolle, da sie die produktiven, wertschöpfenden Ressourcen einer Gesellschaft bereitstellen (Bansal, 2002, S. 124). Gleichzeitig ist Nachhaltigkeit auch ein Konzept auf gesellschaftlicher Ebene, sodass Jennings und Zandbergen (1995, S. 1023) zufolge, einzelne Organisationen nicht nachhaltig werden können. Sie können durch nachhaltige Entwicklung lediglich ihren Beitrag zum gesellschaftlichen System leisten, indem Nachhaltigkeit entweder erreicht oder nicht erreicht wird. Durch die Wechselwirkung mit der Umwelt und Gesellschaft, werden Unternehmen als eingebettet in diese betrachtet und tragen folglich Verantwortung, weil sie nicht unabhängig von ihrem Umfeld agieren können (Dubielzig & Schaltegger, 2005, S. 240). Diese Schlüsselrolle der Wirtschaft hat zur Entstehung des Begriffs der unternehmerischen Nachhaltigkeit (engl. „corporate sustainability“) geführt. Damit wird unternehmerisches Wachstum und Profitabilität verstanden, bei gleichzeitiger Verfolgung jener Ziele, die nachhaltige Entwicklung fördern (Amini & Bienstock, 2014, S. 13). Unternehmerische Nachhaltigkeit umfasst somit die Idee, dass Unternehmen mit verschiedenen Anforderungen konfrontiert werden, um Ziele auf gesellschaftlicher Ebene zu erreichen, die isoliert alle wünschenswert und akzeptabel erscheinen, untrennbar miteinander verbunden und intern voneinander abhängig sind (Bansal, 2002, S. 123; Hahn, Pinkse, Preuss & Figge, 2015, S. 298).

Die Idee unternehmerischer Nachhaltigkeit scheint eng mit der Corporate Social Responsibility (CSR) verbunden zu sein. Mit CSR wird die unternehmerische Gesellschaftsverantwortung der Wirtschaft bezeichnet. Es umschreibt den freiwilligen Beitrag von Unternehmen und Organisationen hin zu einer nachhaltigen Entwicklung, welcher über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgeht (Dubielzig & Schaltegger, 2005, S. 240). Die Umsetzung von CSR kann Unternehmen dabei unterstützen, die Verantwortlichkeiten und Pflichten wahrzunehmen, aber auch den nachhaltigkeitsbezogenen Anforderungen der Stakeholder zu begegnen. Hierzu zählen jene internen und externen Personen und/oder Institutionen, die ein berechtigtes Interesse an den Aktivitäten des Unternehmens haben bzw. von deren Handlungen betroffen sind, wie zum Beispiel Mitarbeiter, Geschäftsführer, Kunden, Lieferanten, Medien, der Staat, Anteilseigner börsennotierter Unternehmen oder die allgemeine Öffentlichkeit (Matten & Moon, 2008, S. 413).

Wenngleich die Konzepte CSR und unternehmerische Nachhaltigkeit eng miteinander verbunden sind, so existieren zwischen ihnen auch diverse Unterschiede. Erstens bezieht sich CSR auf freiwillige, gesellschaftsorientierte Aktivitäten von Unternehmen, die über gesellschaftliche Anforderungen hinausgehen. Unternehmerische Nachhaltigkeit hingegen betrachtet sowohl die freiwillig ökologisch und sozial ausgerichteten Initiativen, als auch die unfreiwillig durchzuführenden Aktivitäten, wie zum Beispiel bei durch Stakeholder-Druck geprägt Umwelt- und Sozialmanagement-Themen, welche eher scheinbar „freiwillig“ umgesetzt werden und umfasst demnach explizit das ganze Spektrum zwischen Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit (Schaltegger, 2011, S. 193f.).

Als zweite Differenz zwischen CSR und unternehmerischer Nachhaltigkeit wird die Rolle des Unternehmens gesehen. Bei CSR liegt die Berücksichtigung gesell­schaftlicher Anliegen in einer rezeptiven Form im Zentrum des Unternehmensinteresses (Schaltegger, 2011, S. 194). Darunter wird die frühzeitige Beobachtung und Antizipation allgemein relevanter Themen durch die Unternehmen verstanden. Demgegenüber wird unternehmerischer Nachhaltigkeit eine proaktive und gestalterische Rolle im Kern zugesprochen (Hahn et al., 2015, S. 312; Jennings & Zandbergen, 1995, S. 1020). Das Unternehmen entwickelt sowohl die eigene Organisation in nachhaltiger Weise und leistet zugleich einen nachhaltigen Beitrag für die Entwicklung der Gesellschaft und Wirtschaft.

Der dritte Unterschied zwischen CSR und unternehmerischer Nachhaltigkeit zeigt sich im Spannungsfeld gesellschaftlicher Verantwortung und Wirtschaftlichkeit für Nachhaltigkeit (Schaltegger, 2011, S. 195). Bei CSR wird die gesellschaftliche Einbettung betont und die Verfolgung ethisch erstrebenswerter Ziele verfolgt, die nicht durch ökonomische Kalküle abgedeckt werden. In Folge dessen wird impliziert, dass „ein Dissens oder zumindest ein klarer Unterschied zwischen den Zielen der Geschäftstätigkeit und gesellschaftlichen Zielen bestehe“ (Schaltegger, 2011, S. 195). Im Kontrast dazu erweist sich unternehmerische Nachhaltigkeit als wertvolles Mittel, um Kosten zu reduzieren, Risiken zu managen, neue Produkte zu kreieren und interne Veränderungen in der Unternehmenskultur anzustoßen (Maletič, Maletič & Gomišček, 2016, S. 158). Dabei wird neben ökonomischen Motiven jedoch stets in gleichen Teilen die Effizienzsteigerung der sozialen und ökologischen Dimensionen betont, mit dem Ziel diese miteinander zu integrieren und in die herkömmliche Geschäftstätigkeit einzubinden (Hart & Milstein, 2003, S. 56). Die soziale, ökologische und ökonomische Dimension wird als Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit im folgenden Kapitel detailliert erläutert.

2.2 Drei-Säulen-Modell unternehmerischer Nachhaltigkeit

Im Kontext der unternehmerischen Nachhaltigkeit werden neben ökonomischen Leitbildern auch ökologische und soziale Dimensionen betrachtet. Anschließend an den Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen hat die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestages (1998, S. 109) diese drei Dimensionen als Basis für das Drei-Säulen-Modell unternehmerischer Nachhaltigkeit dargestellt. Eine solche Betrachtung macht es möglich, das Verhältnis der Menschen zu ihrer Umwelt zu beschreiben und verschiedene Systeme miteinander in Bezug zu setzen (Jennings & Zandbergen, 1995, S. 1026). Das Drei-Säulen-Modell zeigt auf, unter welchen Umständen unternehmerische Nachhaltigkeit Geltung findet (siehe Abbildung 1). Die sozialen, ökonomischen und ökologischen Ziele sollen hierfür vereint werden, sodass die Schnittmenge aller Zieldimensionen eine volle Integration (V) darstellt. Lässt sich in einem Unternehmen hingegen eine Kombination von lediglich zwei der drei Zieldimensionen feststellen, so ist die Rede von einer partiellen Integration (P) der Dimensionen. Dem Drei-Säulen-Modell zu Folge wird der langfristige Erfolg eines Unternehmens also von den langfristigen Anstrengungen in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit festgemacht, statt eines kurzfristigen Fokus allein auf ökonomisch nachhaltiges Wirtschaften (Amini & Bienstock, 2014, S. 13).

Abbildung 1: Drei-Säulen-Modell unternehmerischer Nachhaltigkeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: (in Anlehnung an Dalal-Clayton & Bass, 2002, S. 12)

Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung für Unternehmen mit einem solchen dreidimensionalen Ansatz wurde insbesondere durch die Idee der Triple Bottom Line von John Elkington geprägt. „Today we think in terms of a „triple bottom line“, focusing on economic prosperity, environmental quality, and – the element which business had preferred to overlook – social justice” (Elkington, 2002, S. 70). Die Bottom Line ist der englische Begriff für den Schlussstrich einer Gewinn- und Verlustrechnung, dort wo der Profit geschrieben steht. Durch die Ergänzung sozialer und ökologischer Dimensionen, wird mit der Triple Bottom Line also der Mehrwert beziffert, den ein Unternehmen ökonomisch, ökologisch und sozial schafft (Kuhn, 2008, S. 12).

Die ökonomische Dimension der Triple Bottom Line stellt den Einfluss der Geschäftspraktiken eines Unternehmens auf das Wirtschaftssystem dar. Der wirtschaftliche Umgang mit Gütern und Dienstleistungen ist seit jeher zentrales Handlungsmotiv von Unternehmen (Elkington, 2002, S. 74). Dies zeigt sich im Streben nach Profitmaximierung, Produktivitätssteigerung und Unternehmenswertsteigerung mit dem Ziel, das ökonomische Kapital zu vermehren. Das ökonomische Kapital eines Unternehmens stellt in seiner einfachsten Form die Summe aller Vermögensanlagen abzüglich aller Verbindlichkeiten dar. Dieses lässt sich weiter in physisches Kapital, finanzielles Kapital und Humankapital unterscheiden. Der Betrachtungszeitraum für die ökonomische Dimension ist mit regulär zwölf Monaten tendenziell eher kurzfristig angelegt (Elkington, 2002, S. 75). Zum Ende des Betrachtungszeitraumes wird dann über die jährliche wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in einem Geschäftsbericht Stellung bezogen.

Ökologische Leistungen und Tätigkeiten werden in einem Nachhaltigkeitsbericht festgehalten, welcher neben dem Geschäftsbericht einen weiteren Bestandteil in der Informationspolitik eines Unternehmens darstellt. In der ökologischen Dimension geht es Elkington (2002, S. 79) zufolge in erster Linie darum, das Naturkapital zu schützen. Das Naturkapital umfasst die gesamte Natur mit ihrer Artenvielfalt, den Ökosystemen und der Masse an Lebewesen. Es ist wichtig zu prüfen, inwiefern Naturkapital durch gegenwärtige und geplante Geschäftstätigkeiten zukünftig beeinflusst wird. Das Ziel eines Unternehmens in dieser Dimension sollte es letztlich sein, den Verbrauch natürlicher Ressourcen und des Naturkapitals zu minimieren, um der Umwelt weniger respektive keinen Schaden zuzufügen (Enderle, 2004, S. 54).

Die soziale Dimension im Drei-Säulen-Modell bezieht sich auf faire Geschäftspraktiken eines Unternehmens für alle seine Stakeholder im Einzelnen und der Gesellschaft im Ganzen (Elkington, 2002, S. 84). Die Steigerung des Sozialkapitals in Form von Gesundheitsvorsorge, Bildung, aber auch angemessene Arbeitsbedingungen und Vergütung zählen zu den sozialen Zielen der Unternehmen. Das Sozialkapital wird definiert als die Fähigkeit von Menschen, für gemeinsame Zwecke in Gruppen und Organisationen zusammenzuarbeiten (Fukuyama, 1995, S. 10). Die Idee hierbei ist, dass diese Praktiken der Gesellschaft einen Wert bieten und der Gemeinschaft etwas „zurückgeben“.

Zahlreiche Wissenschaftler gehen von einer Win-Win Situation zwischen den einzelnen Dimensionen aus (Bansal, 2005, S. 199; Husted & de Jesus Salazar, 2006, S. 86; Margolis & Walsh, 2003, S. 268). In diesen Win-Win Situationen korrelieren die ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte unternehmerischer Nachhaltigkeit (in Teilen) positiv miteinander. Aufgabe des Unternehmens wäre es diesbezüglich, jene Fälle zu identifizieren, in denen ökonomische, ökologische und soziale Ziele gleichzeitig erreichbar sind (Elkington, 2002, S. 69ff.). Dieser Sichtweise von einem Win-Win Konzept, nachdem unternehmerische Nachhaltigkeit ausschließlich durch die vollständige Kombination der drei Dimensionen hergestellt werden kann, stehen aber auch kritische Stimmen gegenüber. Eine vollständige Kombination der drei Dimensionen kann unter gewissen Voraussetzungen zwar Geltung finden, jedoch ist die zugrundeliegende Annahme, dass die drei Dimensionen und ihre Ziele weitestgehend im Einklang miteinander stehen, stark simplifiziert, angesichts der komplexen und vielschichten Herausforderungen nachhaltiger Entwicklung (Hahn, Figge, Pinkse & Preuss, 2010, S. 219). Um trotzdem in diesen Situationen Nachhaltigkeit zu erreichen, muss ein Kompromiss zwischen den konfligierenden Zielen akzeptiert werden. Die Inkaufnahme eines relativ geringen Verlustes der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens zur Erzielung eines erheblichen sozialen oder ökologischen Nutzens kann also durchaus zu einem größeren positiven Beitrag des Unternehmens zur nachhaltigen Entwicklung führen, als eine Situation, in der neben minimalen Verbesserungen der ökologischen oder sozialen Leistung nur geringfügige Gewinne in der Wirtschaftsleistung erzielt werden (Hahn et al., 2010, S. 220). Das hat jedoch zur Folge, dass ein solcher Kompromiss zu einer Win-Lose-Situation führt, bei der der Nettogewinn für die Nachhaltigkeit positiv und die Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung negativ sind (Van der Byl & Slawinski, 2015, S. 58). Demnach werden Unternehmen gezwungen, sich entweder für ökonomische, soziale oder ökologische Ziele zu entscheiden. Unter marktüblichen Umständen werden Unternehmen dann mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre finanziellen Ziele favorisieren.

[...]


1 Alle Personenbezeichnungen in dieser Masterarbeit beziehen sich ungeachtet ihrer grammatikalischen Form in gleicher Weise auf Männer und Frauen.

Ende der Leseprobe aus 98 Seiten

Details

Titel
Nachhaltige Innovationen und deren Umsetzung im Unternehmen. Wie die organisationale Ambidextrie das Management unterstützt
Autor
Jahr
2021
Seiten
98
Katalognummer
V593595
ISBN (eBook)
9783964872678
ISBN (Buch)
9783964872685
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nachhaltigkeit, Sustainability, Innovation, Ambidexterity, Ambidextrie, Corporate Social Responsibility, sustainable development, Wettbewerbsfähigkeit, Unternehmensethik
Arbeit zitieren
Benjamin Keil (Autor:in), 2021, Nachhaltige Innovationen und deren Umsetzung im Unternehmen. Wie die organisationale Ambidextrie das Management unterstützt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/593595

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