Krieg in Sudan - Eine Akteurszentrierte Analyse der ökonomischen Interessen im und am Krieg


Magisterarbeit, 2006

120 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen und Akronyme

1. Einleitung
1.1 Annäherung an den Untersuchungsgegenstand
1.2 Fragstellung und methodisches Vorgehen

2. Theoretische Konzeptionen
2.1 Der Begriff der „neuen Kriege“
2.2 Grundlegende theoretische Überlegungen: Der Staatsbegriff und die Interessen von herrschenden Eliten
2.2.1 Die Rolle des Staats im Kontext der Debatte über die „neuen Kriege“
2.2.2 Transnationale Faktoren: Der Prozess der Globalisierung und dessen Auswirkungen auf Staat und Individuum
2.3 Die Merkmale der „neuen“ Kriege
2.4 Die Instrumentalisierung von ethnischen und religiösen Gegensätzen
2.4 Die ökonomischen Interessen im und am Krieg
2.4.1 Finanzierung des Krieges: Die Kriegsökonomie der „neuen Kriege“
2.4.2 Theoretischer Erklärungsansatz: „Die politische Ökonomie des Krieges“
2.5 Zusammenfassung

3. Der Sudan als Untersuchungsgegenstand
3.1 Strukturelle Daten
3.2 Die sudanesische Wirtschaft
3.3 Die politische Geschichte des Sudans
3.3.1 Das britisch-ägyptische Kondominium (1898-1955)
3.3.2 Die Herrschaft unter Jafaar Al Numeiri (1969–1985)
3.3.3 Das Regime Al Bashir (seit 1989)
3.3.4 Der Sudan im Kontext der bipolaren Weltordnung
3.3.5 Das Interesse an Sudan seit den 90er Jahren
3.4 Die am Krieg (1983–2005) beteiligten Akteure
3.4.1 Sudanese People’s Liberation Movement/Army (SPLM/A)
3.4.2 Die reguläre Armee und die Milizen der Regierung
3.5 Zusammenfassung

4. Politische Ökonomie des Krieges: Der innerstaatliche Krieg in Sudan als Fallbeispiel
4.1 Das Verwendete Material zur Analyse der Kriegsökonomie in Sudan
4.2 Die Kriegsökonomie in Sudan und die damit einhergehenden ökonomischen Interessen an der Kriegswirtschaft
4.2.1 Raub und Menschenhandel als Erwerbstätigkeit
4.2.2 Die Instrumentalisierung der humanitären Hilfe durch die Kriegsakteure
4.2.3 Die Entdeckung von Erdölvorkommen in Sudan und deren Bedeutung für den Ausbruch und Verlauf des innerstaatlichen Krieges
4.2.4 Der billige Krieg: Die militärische und finanzielle Versorgung der Kriegsakteure
4.2.5 Die Bedeutung von Gewalt
4.3 Die regionalen Folgen des Krieges
4.4 Zusammenfassung

5. Neuere Entwicklungen in Sudan
5.1 Der Ablauf der Friedensverhandlungen
5.2 Die Teilabkommen des Comprehensive Peace Agreement (CPA)
5.2.1 Das Machakos Protokoll (Juli 2002)
5.2.2 Agreement on Security Arrangements (September 2003),Agreement on Wealth Sharing (January 2004) und Protocol on Power Sharing (May 2004)
5.3 Die Interessen externer Akteure im Rahmen des Sudan Konflikts
5.4 Zusammenfassung

6. Fazit

7. Ausblick

8. Verzeichnis der verwendeten Literatur und Materialien

9. Anhang

I. Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen und Akronyme

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Annäherung an den Untersuchungsgegenstand

Bei einer Betrachtung des globalen Kriegsgeschehens wird deutlich, dass die meisten Kriege seit 1945 innerhalb von Staaten der so genannten „Dritten Welt“ geführt wurden. Ein Viertel dieser innerstaatlichen Kriege wurde und wird nach wie vor auf dem afrikanischen Kontinent ausgetragen.[1]

Des Weiteren ist eine kontinuierliche Abnahme zwischenstaatlicher Kriege seit 1945 verzeichnet, was in der Friedensforschung weitreichend mit der These vom „Demokratischen Frieden“ begründet wird. Dieser These liegt die Annahme zugrunde, dass die quantitative Abnahme zwischenstaatlicher Kriege mit der Zunahme demokratisch ausgerichteter Staaten in der Welt zusammenhängt, welche untereinander keine Kriege führen[2], da sich diese kontraproduktiv auf demokratische Staaten auswirken. Zu erwähnen bleibt die Tatsache, dass zwar Demokratien untereinander keine Kriege führen, genauer gesagt bis jetzt nicht geführt haben, wohl aber gegen Staaten mit Nichtdemokratischen Regierungen, was jüngst der Angriffskrieg der US-Regierung auf den Irak deutlich macht.

Eine weitere Debatte, die sich zu dieser Zeit in der Kriegsursachenforschung herauskristallisierte, fußt auf dem (wieder) entdeckten Interesse an der Ursachenforschung von innerstaatlichen Kriegen.[3] Das Phänomen der innerstaatlichen Kriege ist keineswegs neu, wie zu Beginn aufgezeigt wurde.

Das neue an der Betrachtung von innerstaatlichen Kriegen im Rahmen der Forschung ist die Tatsache, dass sie nicht mehr nur als politisch motivierte Kriege angesehen werden, sondern dass vor allem die wirtschaftlichen und kriminellen Interessen der beteiligten Akteure in die Betrachtungen mit einbezogen werden.[4]

Zur Auswahl des hier zu untersuchenden Gegenstands hat vor allem das persönliche Interesse der Verfasserin an afrikanischen Gesellschaften beigetragen. Dem mangelnden Forschungsinteresse am Gegenstand Afrika begegnet man häufig an deutschen Hochschulen. Worin dieser Mangel begründet ist, wird hier nicht diskutiert, gleichwohl ist dieser vorhanden.[5]

Westafrikanische und südafrikanische Staaten sind innerhalb der Afrikaforschung beliebte Untersuchungsgegenstände, die Beschäftigung mit ostafrikanischen Staaten, bzw. dem Horn von Afrika hingegen ist weniger ausgeprägt.

Der Sudan, das flächenmäßig größte Land auf dem afrikanischen Kontinent, befindet sich seit 1983 im zweiten, lang andauernden innerstaatlichen Krieg. Der vorherrschende Konflikt in Sudan besteht, vereinfacht gesagt, zwischen dem afrikanisch-christlich-animistisch geprägten Süden und dem arabisch-islamisch ausgerichteten Norden. In dem Konflikt stehen sich die Milizen der Khartumer Regierung und die People’s Liberation Movement/Army (SPLM/A) gegenüber, die den Anspruch erhebt die „Volksbefreiungsarmee“ der südsudanesischen Bevölkerung zu sein.

Die Friedensverhandlungen, welche zwischen den oben genannten Kriegsakteuren seit den Neunziger Jahren unter der Beobachtung der International Authority on Development (IGAD), einer afrikanischen Regionalorganisation, geführt wurden, kamen im Januar 2005 zum Abschluss. Im Laufe der Verhandlungen wurden mehrere Teilabkommen getroffen, die in ihrer Gesamtheit das Comprehensive Peace Agreement (CPA) darstellen.

Das Inkrafttreten des CPA liegt zum Entstehungszeitpunkt dieser Arbeit bereits über ein Jahr zurück. Die deutschen Medien berichten nur sporadisch über Schwierigkeiten bei dessen Umsetzung. Die Berichterstattung über die Krisensituation im Westen des Landes, in Darfur, steht seit wenigen Jahren im Mittelpunkt der Berichterstatter. Der Darfur Konflikt macht vor allem deutlich, dass in Sudan trotz der Implementierung des CPA kein Frieden herrscht. Allein im Jahr 2004 flohen aus dem Sudan 125000 Menschen[6], meist in den benachbarten Tschad.

1.2 Fragstellung und methodisches Vorgehen

Ziel dieser Arbeit ist es, zu analysieren welche Rolle die wirtschaftlichen Interessen unterschiedlicher Akteure im Rahmen des lang andauernden innerstaatlichen Krieges in Sudan spielen. Die Frage soll aus einer Akteurs- und Interessenzentrierten Perspektive heraus untersucht werden. In diesem Zusammenhang soll im Rahmen dieser Arbeit mit Hilfe von (neueren) theoretischen Ansätzen aus dem Bereich der Friedens- und Konfliktforschung die ökonomische Dimension im Sudankonflikt analysiert werden. Hieraus ergibt sich die Frage nach den wirtschaftlichen Profiteuren des Krieges. Aus diesem Grund sollen die Interessen der mittelbaren und unmittelbaren Kriegsakteure herausgearbeitet werden. Die These, dass der Konflikt im Sudan auf Verteilungskonflikten basiert und deshalb schwer zu befrieden ist, weil einige relevante Akteure im, wie auch außerhalb des Sudans, sich als wirtschaftliche Profiteure des Konflikts sehen und daher nicht an einem dauerhaften Frieden interessiert sind, bestimmt die Vorgehensweise und Schwerpunktsetzung der vorliegenden Arbeit.

Dieser These gegenüber steht eine weitere Frage, die das Zustandekommen der unterschiedlichen Teilabkommen betrifft, welche, wie bereits oben erwähnt, einen Friedensvertrag darstellen. Wie und warum kam es dazu, dass die Kriegsparteien einem Friedensvertrag zugestimmt haben? Da hier davon ausgegangen wird, dass die relevanten Akteure nicht um des Friedens Willen, d.h. nicht aus einer altruistischen Motivation heraus, ihr Verhalten im Rahmen des Konflikts hin zu dessen Regulierung geändert haben, stellt sich die Frage nach den Ursachen hierfür. Um diese Frage zu erörtern ist eine genaue Betrachtung der Interessen der relevanten Akteure von Nöten. Da die Friedensverhandlungen einen positiven Abschluss fanden, lässt sich in diesem Zusammenhang, im Sinne einer ökonomischen Schwerpunktsetzung, die folgende These ableiten:

Das Zustandekommen des Friedensabkommens basiert auf speziellen ökonomischen Interessen am Friedenzustand von einigen unmittelbar beteiligten Kriegsakteuren und externen Akteuren. Wer diese Akteure sind und welche speziellen Interessen sie verfolgen, dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden.

Zur Bearbeitung der gestellten Aufgabe müssen einige Abgrenzungen vorgenommen werden. Im Vordergrund der Untersuchung steht die Phase des zweiten innerstaatlichen Krieges, welche sich von 1983 bis 2005 erstreckt. Innerhalb dieses Zeitraums erfolgt eine weitere Eingrenzung. Das empirische Material, welches dieser Untersuchung zugrunde liegt, reicht bis in das Jahr 1993 zurück, so dass sich der Untersuchungszeitraum von 1993 bis 2005 erstreckt.

Religiöse sowie ethnische Konflikte, welche in innerstaatlichen Kriegen oft vorherrschen zu scheinen, werden hier nicht als ursächliche Kriegsmotivationen angesehen, sondern als politische Instrumente, welche den Akteuren zur Legitimierung für bestimmte politische Entscheidungen bzw. Vorgehensweisen, z.B. der Kontrolle über bestimmte Ressourcen oder Gebiete dienen und zur Mobilisierung innerhalb einer Konfliktsituation missbraucht werden.[7] Dies wird vor allem anhand von Georg Elwerts sozial-anthropologischen Ansatz deutlich, der in Kapitel 2.4 dieser Arbeit dargestellt wird.

Die Analyse stützt sich auf Sekundärliteratur, Aufsätze aus Monographien und Zeitschriften sowie auf Sekundärdaten. Graue Literatur (Internetseiten) nimmt im Rahmen der Arbeit einen wichtigen Stellenwert ein, da die neueren Friedensentwicklungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Rahmen von Monographien aufgearbeitet wurden.

Im Rahmen einer deduktiven Vorgehensweise werden in Kapitel 2 theoretischen Überlegungen zugrunde gelegt, die es ermöglichen, der Beantwortung der gestellten Forschungsfragen näher zu kommen. Neben den grundsätzlichen Überlegungen zum Staatsbegriff werden sowohl die Debatte über die „neuen Kriege“, als auch der theoretische Ansatz der „Politische Ökonomie des Krieges“ dargestellt. Die ökonomische Dimension von innerstaatlichen Kriegen, sowie die Dimension von Gewalt innerhalb dieser Kriege stehen im Mittelpunkt dieser Ansätze.

In Kapitel 3 werden allgemeine historische, gesellschaftliche und politische Daten des Sudans dargestellt und die unterschiedlichen Dimensionen des Konflikts erläutert. Anschließend werden die aus Kapitel 2 erlangten Erkenntnisse auf den innerstaatlichen Krieg in Sudan bezogen und die neuesten Entwicklungen im Rahmen des Friedensprozesses dargestellt.

Abschließend sollen aus den gewonnenen Erkenntnissen Schlussfolgerungen gezogen und die Ausgangsfragen beantwortet werden und es soll ein Ausblick auf weitere Forschungsmöglichkeiten erfolgen.

2. Theoretische Konzeptionen

2.1 Der Begriff der „neuen Kriege“

Der Begriff der „neuen Kriege“ wurde 1999 von Mary Kaldor gebraucht, um die Kriege im ehemaligen Jugoslawien zu analysieren. In ihrem Buch, das im Jahr 2000 unter dem Titel „Neue und alte Kriege“ veröffentlicht wurde, setzt sie sich damit auseinander, dass die Verwendung des Begriffs „neu“ einer Erläuterung bedarf.[8]

Sie verwendet den Begriff „neue Kriege“ als Instrument der sprachlichen Abgrenzung vom klassischen Begriff des Staatenkrieges, der sich zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert in Europa herausgebildet hat, eng mit der Entstehung des modernen Staates verbunden war und unterschiedlichste Stadien durchlief. Seine letzten großen Einsätze als politisches Mittel hatte der klassische zwischenstaatliche Krieg im Rahmen von so genannten „Stellvertreterkriegen“ im Kontext der Block-Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion.[9]

„Der Krieg zwischen Staaten in seiner ganzen Barbarei mag der Vergangenheit angehören. An seine Stelle ist eine neue Form organisierter Gewalt getreten, die weitreichender, allgegenwärtiger, vielleicht aber nicht ganz so maßlos ist.“[10]

Für diese „neue Form organisierter Gewalt“ verwendet Kaldor den Begriff „neue Kriege“. Der Begriff des „postmodernen“ Krieges scheint der Autorin ebenfalls gut geeignet, um den Wandel im Kriegsgeschehen auszudrücken, allerdings wird dieser Begriff bereits gebraucht, wenn von virtuellen und Cyberspace-Kriegen die Rede ist.[11]

Der These von den „neuen Kriege“ liegt die Annahme zugrunde, dass sich, ausgelöst durch die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen, die das Ende der bipolaren Weltordnung mit sich brachte, ein Gestaltwandel der kriegerischen Gewalt in innerstaatlichen Kriegen vollzogen hätte. Nach dem Ende der Blockkonfrontation habe der Wegfall der finanziellen und militärischen Hilfe (geo-strategische oder auch politische Rente) von Seiten der Supermächte an Verbündete dazu geführt, dass den Gewaltakteuren (Staaten und deren militärische Truppen und nicht-staatliche Akteure) in innerstaatlichen Kriegen die Mittel zur Kriegsführung entzogen worden seien und sie deshalb auf alternative Strategien zur Finanzierung des Krieges zurückgreifen müssten. Bedingt durch diese Entwicklung avanciere Gewalt zu dem Mittel durch welches die Ressourcen gesichert werden können, die zur Kriegführung benötigt werden.[12]

Auch Herfried Münkler greift auf den Terminus „neu“ zurück. In seinem Werk „Die neuen Kriege“ (2000) zeigt er die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der „neuen Kriege“ mit dem Dreißigjährigen Krieg in Europa auf.[13] Die behandelte Thematik zeigt, dass auch Münkler den Terminus zur sprachlichen Abgrenzung übernimmt, jedoch nicht aus der Überzeugung heraus, dass diese Kriege grundsätzlich „neu“ seien.

Bei einigen Autoren stößt der Begriff „neue Kriege“ allerdings auf Ablehnung. Weitere, in der Literatur verwendete Begriffe, die diese innerstaatlichen Kriege zu erfassen versuchen, sind unter anderem die Begriffe „Bürgerkriege“ und „Kleine Kriege“, bzw. „low-intensity-wars“.[14]

Im Rahmen dieser Arbeit soll sich nicht mit der Frage auseinander gesetzt werden, ob die Verwendung des Begriffs „neue Kriege“ gerechtfertigt ist[15], da in diesem Zusammenhang komparatistisch gearbeitet werden müsste.

Im Vordergrund dieser Arbeit steht somit nicht die Frage ob die Kriege „neu“ sind, sondern nach deren Merkmalen. Bevor nun diese Merkmale vorgestellt werden, erfolgt eine kurze Auseinandersetzung mit der Rolle, die der Staat und die in ihm herrschenden politischen Eliten im Rahmen dieser Kriege spielen. Darüber hinaus erfolgt eine kurze Auseinandersetzung mit den globalen Faktoren, mit denen die Länder der „Dritten Welt“ konfrontiert werden.

2.2 Grundlegende theoretische Überlegungen: Der Staatsbegriff und die Interessen von herrschenden Eliten

Da in dieser Arbeit eine Analyse der am Krieg unmittelbar und mittelbar beteiligten Akteure sowie deren Interessen erfolgt, ist es notwendig an dieser Stelle einige theoretische Überlegungen zum Staat selbst und über die Interessen von „herrschenden Eliten“ innerhalb von Staaten vorzunehmen.

Dies geschieht einerseits anhand Max Webers Staatstheorie, da in ihr der Staat über die spezifischen Mittel, die diesem zur Verfügung stehen, definiert ist. Andererseits geschieht dies anhand von Gerhard Haucks theoretischen Überlegungen, die sich mit der Thematik schwacher Staatlichkeit beschäftigen. Diese werden in dem anschließenden Punkt 2.2.1 dargelegt.

Macht, Herrschaft und Legitimität sind u.a. tragende Konzepte eines Staates. Macht, nach der klassischen Definition Max Webers, ist „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht[16]. Somit ist der Begriff der Macht weit gefasst und kann innerhalb jeder sozialen Beziehung existieren.

Der Begriff der Herrschaft hingegen ist spezieller und bei Weber wie folgt definiert: „Herrschaft soll heißen, die Chance für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“.[17]

Nach Weber ist das spezifischste Mittel eines Staates das „Monopol der legitimen physischen Gewaltsamkeit“, welches der Staat innerhalb eines bestimmten Gebietes für sich in Anspruch nimmt.[18]

Der Staat ist somit für Weber „(…) diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes (…) das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht.“[19]

Seiner Meinung nach ist jeder Staat auf Gewaltsamkeit gestützt.[20] Um den Staat, bzw. die gewaltsame Herrschaft, aufrechterhalten zu können „(…)bedarf es gewisser materieller äußerer Sachgüter, ganz wie bei einem wirtschaftlichen Betrieb.“[21]

Derjenige, der Politik betreibt, strebt nach Macht, „(…) entweder als Mittel im Dienst anderer Ziele (idealer oder egoistischer), oder Macht um »ihrer selbst willen«: um das Prestigegefühl, das sie gibt, zu genießen.“[22]

Somit bedeutet Politik, das Streben nach Machtanteilen bzw. das Streben nach Beeinflussung von Machtverteilung. Weber führt zwei Beweggründe auf, aus der Politik einen Beruf zu machen. Entweder man lebt für die Politik oder von der Politik. Derjenige, der danach strebt, von der Politik zu leben, ist daran interessiert, aus ihr eine dauerhafte Einnahmequelle zu machen.[23]

Darüber hinaus geht Weber der Frage nach, warum sich die beherrschten Menschen, das Volk, der Autorität einer Herrschaft fügen. Er fragt somit nach den Rechtfertigungsgründen, nach der Legitimation, von Herrschaft.

In diesem Zusammenhang hebt er die Bedeutung von Legitimation und das Streben der herrschenden Eliten nach Legitimierung ihrer Herrschaft hervor.[24] Die Legitimation von Herrschaft ist eine Voraussetzung für den Gehorsam der Beherrschten gegenüber den Herrschenden.

2.2.1 Die Rolle des Staats im Kontext der Debatte über die „neuen Kriege“

Im klassischen Krieg zwischen Staaten war und ist „der Staat einziger Inhaber der nach außen gerichteten Gewalt (…)“ [25] und finanziert seine regulären Armeen durch Steueraufkommen. Folglich wurden Privatarmeen abgeschafft. Kriminalität und Korruption wurden durch Exekutive und Judikative verfolgt und bestraft, wodurch eine weit reichende innere Sicherheit innerhalb der Staaten gegeben war.[26]

Im Gegensatz dazu werden die „neuen Kriege“ in einer „(…) Situation ausgetragen, in denen die Staatseinnahmen im Gefolge wirtschaftlichen Niedergangs und sich ausbreitender Kriminalität, Korruption und Ineffizienz versiegen, in denen die Gewalt im Zuge des um sich greifenden organisierten Verbrechens und der Bildung paramilitärischer Gruppen zunehmend privatisiert wird und in denen somit die politische Legitimität schwindet.“[27]

Dieses Zitat macht deutlich, dass die „neuen Kriege“ in einer Situation entstehen, in der der Staat nicht (mehr) in der Lage ist, seine wichtigsten Aufgaben, nämlich die Garantie von Sicherheit, Freiheit und Wohlfahrt zu erfüllen. Wie es allerdings dazu kommt, dass der Staat diese Aufgaben nicht erfüllt bzw. erfüllen kann, hierzu lassen sich in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedliche Auffassungen finden. Wie bereits erwähnt sehen einige Autoren, genannt seien an dieser Stelle Mary Kaldor und Werner Ruf, die „die Ursache des Staatszerfalls in der Rolle der externen Mächte bzw. im Nachlassen von deren Interesse aufgrund des strategischen Bedeutungsverlusts dieser Staaten nach dem Ende der Bipolarität“[28] sehen.

Viele Staaten in der ehemals Dritten Welt haben einen Legitimationsverlust erlitten, da diese aus dem „Systemkonflikt Mittel zur Stabilisierung wenn auch nicht ihrer Ökonomien, so doch ihrer politischen Regime mobilisieren konnten.“ [29]

An dieser Stelle ist ein differenzierterer Blick auf den in der Literatur häufig verwendeten Begriff des Staatszerfalls notwendig, dessen Auswirkungen, u.a. dass der Staat nicht mehr als einziger Inhaber der physischen Gewaltsamkeit fungiert, einen wichtigen Stellenwert in den „neuen Kriegen“ einnehmen.

Dabei soll keine normative Diskussion erfolgen, welche Funktionen ein Staat zu erfüllen hat. Der Debatte über „schwache Staaten“ in der „Dritten Welt“ sollen einige Überlegungen gegenübergestellt werden, die auf Gerhard Haucks Beschäftigung mit der Staatsmacht in afrikanischen Ländern zurückzuführen sind.

Nach Webers Staatsdefinition, in der der Staat als alleiniger Inhaber des Gewaltmonopols definiert ist, ist es angebracht von der Schwäche oder dem Versagen von Staaten, in denen die „neuen Kriege“ ausgetragen werden, zu sprechen.

Um differenziertere Aussagen über die Leistungsfähigkeit von Staaten treffen zu können, unterscheidet Hauck zwischen der „Regulationsmacht“ und der „Akkumulationssicherungsmacht“ eines Staates.[30] Letztere meint die „(…)Macht des Staatsapparats, die Akkumulations- bzw. Mehrproduktaneignungs-Chancen des Blocks an der Macht (einschließlich seiner eigenen) zu garantieren (…)“.[31] Dahingegen ist mit der „Regulationsmacht“ eines Staates dessen Fähigkeit gemeint, die Einhaltung von Normen zu garantieren bzw. diese zu erzwingen.[32]

Hauck konstatiert, dass die Akkumulationssicherungsmacht afrikanischer Staaten meist stark und die Regulationsmacht dahingegen schwach ausgeprägt ist. Des Weiteren betont er, dass das Verhältnis zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren nicht nur von Rivalität und Konkurrenz geprägt ist, sondern auch von „(…) Komplizität und (…) Reziprozität (…)“[33].

Die Nutzung privater Sicherheitsdienste durch Regierungen sowie die Bündnisse, die diese mit bewaffneten Gruppen und Bewegungen eingehen, sind demnach kein Indikator für die Schwäche eines Staates. Im Gegenteil, die Macht wird durch die Zunahme von Kontrollorganen sogar verdoppelt.[34]

Hervorzuheben ist hierbei die Aussage Haucks, dass alle Akteure, die Herrschafts- und Ausbeutungschancen verleihende Positionen innehaben, dem „Block an der Macht“ angehören und von diesen Bündnissen zu profitieren scheinen. Gemeint sind u.a. Rebellen, Regierungen, und die agierenden Kriegsherren.[35]

Das staatliche Gewaltmonopol ist durch die Privatisierung von Gewalt zwar durchbrochen, den Akkumulationschancen des „Blocks an der Macht“[36] steht dies aber nicht im Weg, solange die Anführer dieser privatisierten Einheiten in diesen integrierbar sind.[37]

„Die Probe aufs Exempel stellt sich erst dann, wenn sich irgendwelche Außenstehenden - seien es „parasouveräne“ Machthaber, seien es Volksgruppen von unten - nicht integrieren lassen, d.h. wenn sie die bisherigen Akkumulationsmechanismen oder die weite Teilhabe relevanter hegemonialer Gruppierungen an der Akkumulation in Frage stellen.“[38]

Um schwache Staaten handelt es sich nach Hauck folglich nur dann, wenn es dem Repressionsapparat des Staates nicht gelingt, sich gegen solche Gruppierungen durchzusetzen.[39] Interessant für die vorliegende Untersuchung ist vor allem das bestehende Interesse des „Blocks an der Macht“ an der Kumulation von Reichtum und an der Sicherung von Akkumulationschancen. Das Interesse an Regulation hingegen ist nur insofern gegeben, als dass sie insoweit erfolgt, um die Akkumulationschancen zu sichern. Darüber hinaus besteht nach Hauck wenig Interesse an der Ausübung von Regulationsmacht.[40]

Die Debatte über Staatszerfall oder schwache Staaten steht nicht im Zentrum dieser Untersuchung.[41] Dieser Exkurs sollte lediglich dazu dienen, grundlegend wichtige Begriffe wie Macht, Staat, Legitimität, staatliches Gewaltmonopol und andere in dem Umfang zu erläutern, den es für die weitere Analyse des Untersuchungsgegenstandes bedarf.

Ein weiteres Anliegen ist, die Interessen von „herrschenden Eliten“ innerhalb afrikanischer Staaten anhand von theoretischen Überlegungen herauszuarbeiten.

Bevor die Merkmale der „neuen Kriege“ zugrunde gelegt werden, erfolgt eine kurze Beschäftigung mit den Auswirkungen des fortschreitenden Globalisierungsprozesses auf Staaten und Individuen.

2.2.2 Transnationale Faktoren: Der Prozess der Globalisierung und dessen Auswirkungen auf Staat und Individuum

Neben dem bereits diskutierten Zerfall von Staatlichkeit als Entstehungskontext der „neuen Kriege“ betont Kaldor die Einbettung dieser in den Kontext des Globalisierungsprozesses, worunter die Autorin „die Zunahme der den ganzen Erdball umspannenden, wechselseitigen Verflechtungen - im politischen, wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Bereich“ [42] versteht. Die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses äußern sich neben dem Profit anderer Staaten an den bestehenden Kriegswirtschaften[43] auch in der steigenden Teilnahme internationaler Akteure, wie ausländischen Unternehmen, Reportern, Söldnertruppen und internationalen Hilfsorganisationen am Kriegsgeschehen.[44]

Anfang der Siebziger Jahre setzte der Trend zur Deregulierung und Liberalisierung der Finanzmärkte ein. Trotz unternommener Strukturanpassungsmaßnahmen von IWF und Weltbank[45] zur Öffnung der Märkte hat es die überwiegende Anzahl der Entwicklungsländer nicht geschafft in ausreichendem Maße an diesen zu partizipieren. Hoch subventionierte Exporte von Seiten der USA und der EU haben Einfluss auf die Landwirtschaft und somit auch auf die wirtschaftliche Situation der südlichen Länder. Diese werden hierdurch vom Handel ausgeschlossen, was eine global verursachte Ungleichheit zur Folge hat. Da in den betroffenen Ländern der größte Teil der Bevölkerung von der Teilhabe an der regulären Ökonomie ausgeschlossen ist, sucht dieser Teil nach alternativen Überlebensstrategien.[46]

In diesem Kontext ist eine weitere Auswirkung des zunehmenden Globalisierungsprozesses in den „neuen Kriegen“ erkennbar. Sie verläuft an der Trennlinie entlang der Achse Global/Lokal. Während auf der einen Seite die Angehörigen der globalen Klasse, mit Zugang zu Informationssystemen, uneingeschränkter Reisefreiheit und politischen Mitspracherechten stehen, befinden sich auf der anderen Seite die Modernisierungsverlierer, welche, ausgeschlossen von der Teilhabe an globalen Prozessen, die Veränderungen von politischen, ökologischen und ökonomischen Parametern aus der Opferperspektive erleben.[47]

Es wird deutlich, dass der Prozess der Globalisierung Auswirkungen auf die Situation und das Handeln von Staat und Individuum hat.

2.3 Die Merkmale der „neuen“ Kriege

In den „neuen Kriegen“ ist der Staat, wie bereits erwähnt, nicht mehr der alleinige Inhaber der physischen Gewaltsamkeit. In ihnen erfolgt eine doppelte Privatisierung von Gewalt. Eine Privatisierung durch den Staat selbst, indem er sich Milizen und paramilitärischer Gruppen bedient, die sich weitestgehend seiner Kontrolle entziehen[48], sowie eine Privatisierung von Gewalt von unten, d.h. eine zunehmende Dezentralisierung von Rebellengruppen.

Neben dieser Entstaatlichung kriegerischer Gewalt bzw. der Privatisierung von Gewalt, die sich in der Teilnahme von Kriegsherren, Söldnerbanden und privaten Kriegsführungsarmeen (Private Military Companys, PMC’s[49] ) am Krieg äußert, zeigen Münkler und Kaldor ein weiteres wichtiges Merkmal der „neuen Kriege“ auf, das für diese kennzeichnend ist. Die Asymmetrien in der Anwendung kriegerischer Gewalt. In den „neuen Kriegen“ sind die im Rahmen des klassischen Staatenkrieges errungenen völkerrechtlichen Normen außer Kraft gesetzt.[50] Das hängt ursächlich mit der Privatisierung und der Entstaatlichung der kriegerischen Gewalt zusammen. Es stehen sich nicht mehr gut ausgerüstete und ausgebildete (professionelle) Armeen im Krieg gegenüber. Die nicht staatlichen Akteure die am Kriegsgeschehen beteiligt sind, unterstehen nicht den Richtlinien des humanitären Völker- und Kriegsrechts. Die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten kann und wird, aufgrund fehlender Kennzeichnung der Kriegsparteien durch nicht vorhandene Uniformen, nicht mehr getroffen. Die Zivilbevölkerung wird somit einbezogen in die kriegerischen Auseinandersetzungen.

Der Staat ist nicht mehr in der Lage, ihm unterstehende militärische Truppen zu kontrollieren. Die Entstaatlichung von Gewalt und die Verselbständigung bisher militärisch eingebundener Truppen haben zur Folge, dass das staatliche Gewaltmonopol weiter erodiert.

Auseinandersetzungen auf Schlachtfeldern werden in den „neuen Kriegen“ vermieden, die Kriegsführenden Parteien machen von Guerilla-Strategien gebrauch. Strategisch wichtige Gebiete werden erobert und die Zivilbevölkerung dem Willen der Kriegspartei unterworfen. Im Rahmen dieser Kriegsstrategie werden die bereits gewonnen Regeln der Kriegsführung, hervorzuheben sind der Schutz der Zivilbevölkerung und die Vereinbarungen zur Behandlung von Kriegsgefangenen, außer Kraft gesetzt. Instrumente wie Massenvertreibung, Raub, Vergewaltigung und Mord werden im Kontext dieser Kriege als militärische Strategien eingesetzt. An die Stelle der offenen Schlacht zwischen militärisch annähernd gleich starken Kriegsparteien ist das Massaker getreten.[51]

Nach der begrifflichen Klärung und der Darstellung der Merkmale der „neuen Kriege“ stellt sich vor allem die Frage nach den Faktoren, die dazu beitragen, dass diese Kriege in ihrem Verlauf eine enorme Verselbständigung erfahren und, wie im Fall des Sudans, warum sie von langer Dauer sein können. Um dies zu erreichen sollen in Kapitel 2.4 und 2.4.1 die ökonomischen Interessen unterschiedlicher Akteure in innerstaatlichen Kriegen thematisiert werden. Zuvor wird die Rolle von ethnischen und religiösen Unterschieden innerhalb dieser Kriege erläutert.

2.4 Die Instrumentalisierung von ethnischen und religiösen Gegensätzen

Über die Zielsetzung von innerstaatlichen Kriegen lassen sich in der Forschung unterschiedliche Auffassungen finden.[52]

Mary Kaldor vertritt die Annahme, dass im Gegensatz zu geopolitisch oder ideologisch motivierten Kriegen, die „neuen Kriege“ eine „Politik der Identität“ zum Ziel hätten. Darunter versteht sie „Bewegungen, die ihre Gefolgschaft auf der Grundlage ethnischer, rassischer oder religiöser Identitäten mobilisieren, und zwar zum Zwecke der Erlangung staatlicher Macht.“ [53]

Der Unterschied dieser Art von Identitätspolitik, im Gegensatz zum Zusammenprallen der Identitäten im Rahmen des Staatenkrieges, bestünde darin, dass sie auf einem Machtanspruch auf der „Grundlage von Etiketten“ basiere. Dies beinhalte, dass in ihrem Rahmen keine Vorstellungen über einen politischen oder sozialen Wandel entwickelt würden. Diese Art der „Politik der Identität“ sei fragmentierend, rückwärtsgewandt und exklusionsorientiert.[54]

Dabei macht Kaldor zwei Quellen ausfindig, aus der sich die „Politik der Identität“ speist. Ausgelöst durch die mit der Globalisierung einhergehende wachsende Ohnmacht und schwindende Legitimität von herrschenden Klassen innerhalb dieser Staaten, bedienen sich diese einer Form von politischer Mobilisierung, um ihr politisches Überleben zu sichern. Eine weitere Quelle, die Kaldor ausfindig macht, findet sich „in Wirtschaftsstrukturen, die man als Parallelökonomie bezeichnen kann: neue Formen legalen und illegalen Broterwerbs, die in den ausgeschlossenen Bereichen der Gesellschaft florieren und denen eine solche Politik die Aussicht auf Legitimation ihrer Schattentätigkeit eröffnet.“ [55]

Georg Elwert hebt die ökonomische Zielsetzung der Kriegsakteure in den Vordergrund: „Wenn wir hinter den Vorhang von angeblich trennender Kultur und Religion sehen, können wir Akteure mit klaren wirtschaftlichen Interessen erkennen.“ [56]

Der Instrumentalisierung von Emotionen zur Mobilisierung in Konfliktsituationen und Kriegen schreibt er zentrale Bedeutung zu. Angst stellt demnach die wichtigste Emotion für die Kriegsakteure dar, die diese in Kriegssituationen nutzen. Mit Hilfe von elektronischen Propagandamittel (z.B. Radio) lässt sich Angst im großen Stil erzeugen und verbreiten. Die Angst, selbst Opfer von Gewalttaten zu werden, führt zu präventiver Gewaltanwendung. Diese „Präventivschläge“ eskalieren schnell und können in einem grenzenlosen Einsatz von Gewalt gegenüber dem deklarierten „Feind“ münden.[57] Durch den Einsatz dieser Propagandamittel können problemlos große Bevölkerungsmassen erreicht werden, was zu einer „(…) Massenbeteiligung der für einige Wenige ökonomisch reizvollen militärischen Unternehmungen (…)“ [58] führen kann. Diese Freund/Feind Trennung, welche innerhalb von Kriegen militärstrategisch von hohem Nutzen sein kann, kann „(…) ideologisch überformt die Gestalt der „ethnischen Säuberung“ annehmen.“ [59]

Die bereits erwähnte Angst vor Rache oder davor, als Feind deklariert und somit zum potentiellen Opfer zu werden sind Gründe, warum bis zu diesem Zeitpunkt nicht mobilisierte Zivilisten zu unbezahlten „Säuberungshelfer“ werden.[60]

Beide Autoren betonen somit die Instrumentalisierung von ethnischen und religiösen Gegensätzen, diese werden zur Mobilisierung in Konfliktsituationen genutzt. Der Unterschied in ihren Annahmen besteht in der Zielsetzung der Akteure. Während Kaldor in den „neuen Kriegen“ politische Ziele der Akteure in den Vordergrund stellt, betont Elwert das Ziel einiger Akteure, durch kriminelles Wirtschaften in Kriegssituationen Profit zu erzielen.

Nachdem nun die Rolle der Instrumentalisierung von ethnischen und religiösen Differenzen dargelegt wurde und deutlich geworden ist, dass die strategische Nutzung solcher Gegensätze wichtige Konsequenzen für den Kriegsverlauf haben kann, steht nachfolgend die Frage nach der Finanzierung von innerstaatlichen Kriegen im Vordergrund, wodurch diese ermöglicht werden. Über die reine Finanzierung der Kriege hinaus bereichern sich die unterschiedlichsten Akteure am Krieg, was im Folgenden verdeutlicht werden soll.

2.4 Die ökonomischen Interessen im und am Krieg

„Profitez de la guerre, la paix sera terrible.“[61] (Profitiert vom Krieg, der Frieden wird schrecklich sein.)

Angestoßen durch eine 1996 erschienene Aufsatzsammlung von Francois Jean und Jean-Christophe Rufin „Ökonomie der Bürgerkriege“[62], wurde der ökonomischen Einbettung in binnenwirtschaftliche und vor allem weltwirtschaftliche Strukturen von innerstaatlichen Kriegen erhöhte Aufmerksamkeit in der politikwissenschaftlichen Auseinandersetzung geschenkt.

Im Kontext der Debatte um die „neuen Kriege“ kommt der ökonomischen Dimension in innerstaatlichen Kriegen ebenfalls eine immense Bedeutung zu.[63]

Wirtschaftliche Ursachen, in Form von wirtschaftlicher Unzufriedenheit bzw. von wirtschaftlicher Not, wurden bereits seit längerem als eine Ursache bewaffneter Konflikte angesehen. In der politikwissenschaftlichen Debatte der Neunziger Jahre wurde den wirtschaftlichen Interessen der am Krieg beteiligten Akteure die verdiente Aufmerksamkeit geschenkt.[64]

„Von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die wirtschaftliche Dimension von Kriegen war die Einsicht, dass ein endgültiger Sieg nicht das einzige Ziel von Kriegen sein muss, sondern dass sie den mächtigsten Gruppen einen Vorwand bieten können, um wirtschaftlich von einer bewaffneten Auseinandersetzung zu prof itiere n.“[65]

[...]


[1] Vgl.: Schreiber, Wolfgang: Die Kriege in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und danach, in: Rabehl, Thomas/Schreiber, Wolfgang (Hrsg.): Das Kriegsgeschehen 2000. Daten und Tendenzen bewaffneter Konflikte (Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung AKUF), Opladen 2001, S. 14-18.; Vgl.: Paes, Wolf-Christian: Die neue Ökonomie des Krieges, in: Ruf, Werner (Hrsg.): Politische Ökonomie der Gewalt. Staatszerfall und die Privatisierung von Gewalt und Krieg (Friedens- und Konfliktforschung Bd. 7), Opladen 2003, S. 165.; Vgl.: Nohlen, Dieter (Hrsg.): Lexikon der Dritten Welt. Länder, Organisationen, Theorien, Begriffe, Personen, überarb. Neuausgabe, Hamburg 2000, S. 452.

[2] Vgl.: Schreiber 2001, S. 30ff.

In der Kriegsursachenforschung herrscht keine Einigkeit über diese Annahme. Unterschiedliche Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Konzentration auf die demokratische Ausrichtung von Staaten als wichtigster Faktor von Friedensfähigkeit als unzulänglich erweist.

Hierzu vgl.: Schreiber 2001, S. 34f.

[3] Vgl.: Schreiber 2001, S. 36, 41.

[4] Vgl.: Schreiber 2001, S. 39f.

[5] Zum Stand der Afrikaforschung an deutschen Hochschulen siehe:

Lölke, Ulrich/Simo, David: Debattenbeitrag: Wissenschaftliche Neugier und Kooperation mit Afrika. Zur Lage der Afrikawissenschaften in Deutschland, in: Afrika Spektrum, 39/2004,

S. 135-140.

[6] Vgl.: United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR),

URL: http://www.unhcr.de/unhcr.php/cat/27/aid/1228, Stand: 26.04.2006.

[7] Vgl.: Kramer, Dieter: Kriege sind nicht ethnisch - zur Debatte um militärgestützte Interventionen, in: Zeitschrift Entwicklungspolitik, 3/4/2005, S. 41.;

Vgl.: Elwert, Georg: Wie ethnisch sind Bürgerkriege? Der Irrglaube, dass Bürgerkriege kulturelle Wurzeln haben, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, 10/1998, S. 265-268.

[8] Vgl.: Kaldor, Mary: Neue und alte Kriege. Organisierte Gewalt im Zeitalter der Globalisierung, Frankfurt/M. 2000, S. 8 f.

[9] Vgl.: Kaldor 2000, S. 26-29.

[10] Kaldor 2000, S. 14.

[11] Vgl.: Kaldor 2000, S. 9.

[12] Vgl.: Heupel, Monika/Zangl, Bernhard: Von „alten“ und „neuen“ Kriegen - zum Gestaltwandel kriegerischer Gewalt, in: Politische Vierteljahresschrift, 3/2004, S. 346f.

[13] Vgl.: Münkler, Herfried: Die neuen Kriege, Reinbek 2004.

[14] Vgl.: Schreiber 2001, S. 36.

[15] Mit dieser Problematik haben sich einige Autoren auseinandergesetzt. Die Beiträge von Volker Matthies und Sven Chojnacki in dem Sammelband von Siegfried Frech und Peter I. Trummer sind als weiterführende Lektüre zu empfehlen.

Siehe: Frech, Siegfried/Trummer, Peter I. (Hrsg.): Neue Kriege. Akteure, Gewaltmärkte, Ökonomie (Basisthemen Politik), Schwalbach 2005.

Siehe auch: Heupel/Zangl 2004, S. 346-369.

[16] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft (1922). Macht und Herrschaft,

URL: http://www.textlog.de/7312.html, Stand: 02.05.2006, Paragraph 16.

[17] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft (1922). Macht und Herrschaft,

URL: http://www.textlog.de/7312.html, Stand: 02.05.2006, Paragraph 16.

[18] Vgl.: Weber, Max: Politik als Beruf. Vortrag, in: Winckelmann, Johannes (Hrsg.): Max Weber. Gesammelte Politische Schriften, 4. Aufl., Tübingen 1980, S. 506.

[19] Ebd.

[20] Vgl.: Ebd.

[21] Weber 1980, S. 508.

[22] Weber 1980, S. 507.

[23] Vgl.: Weber 1980, S. 513.

[24] Vgl.: Weber 1980, S. 508.

Weber führt in diesem Zusammenhang drei Idealtypen von legitimer Herrschaft an. Auf sie soll hier nicht näher eingegangen werden.

[25] Ruf, Werner: Einleitung. Politische Ökonomie der Gewalt. Staatszerfall und Privatisierung von Gewalt und Krieg, in: Ruf, Werner (Hrsg.): Politische Ökonomie der Gewalt. Staatszerfall und Privatisierung von Gewalt und Krieg (Friedens- und Konfliktforschung, Bd. 7), Opladen 2003, S. 20.

[26] Vgl.: Kaldor 2000, S. 13f.

[27] Kaldor 2000, S. 14.

[28] Ebd. ; Vgl.: Kaldor 2000, S. 11.

[29] Ruf, Werner: Zur Privatisierung von Gewalt, in: Luedtke, Ralph-M./Strutynski, Peter (Hrsg.): Pazifismus, Politik und Widerstand. Analysen und Strategien der Friedensbewegung (Kasseler Schriftenreihe zur Friedenspolitik Bd. 4), Kassel 1999, S. 17.

[30] Vgl.: Hauck, Gerhard: Schwache Staaten? Überlegungen zu einer fragwürdigen entwicklungspolitischen Kategorie, in: PERIPHERIE, 96/2004, S. 411.

[31] Hauck 2004, S. 419.

[32] Vgl.: Hauck 2004, S. 419.

[33] Hauck 2004, S. 418.

[34] Vgl.: Hauck 2004, S. 417.

[35] Vgl.: Hauck 2004, S. 418

[36] Diesen Begriff verwendet Hauck in Anlehnung an Antonio Gramscis Konzept. Der Begriff umfasst alle Akteure, die Positionen innehaben, die ihnen Herrschafts- und Ausbeutungschancen bieten.

Hierzu vgl.: Hauck 2004, S. 418.

[37] Vgl.: Hauck 2004, S. 422.

[38] Hauck 2004, S. 423.

[39] Vgl.: Ebd.

[40] Vgl.: Hauck 2004, S. 425.

[41] Leider kann im Rahmen dieser Arbeit nicht explizit auf die Indikatoren und die Prozesse der Erosion von Staatlichkeit eingegangen werden. Weiterführende Literatur hierzu:

Lambach, Daniel: Staatszerfall im postkolonialen Afrika, Marburg 2002.

Ruf 2003, S. 24-28.;

Willand, Verena/Russ, Markus: Entwicklungspolitische Analyse. Die Republik Sudan- Symptome fragiler Staatlichkeit (Hanns Seidel Stiftung)?,

URL: http://www.hss.de/downloads/Entwicklungspolitische_Analyse_-Sudan.pdf, Stand:30.12.2005.

[42] Kaldor 2000, S. 10.

[43] Der Begriff der Kriegsökonomie wird in Kapitel 2.4.1 näher erläutert.

[44] Vgl.: Kaldor 2000, S. 11f, S. 115ff.; Vgl.: Paes 2003, S. 166.

[45] Im Rahmen von Strukturanpassungsprogrammen vergeben Weltbank und IWF Kredite an Entwicklungsländer oder erlassen diesen Schulden. Im Gegenzug müssen diese Staaten eine von IWF und Weltbank vorgeschriebene Finanzpolitik betreiben, die im Wesentlichen die Verkürzung der Staatsausgaben vorsieht (Kürzung von Löhnen, Umgestaltung von Preispolitiken und weiteres). Hierzu Vgl.: IWF/Internationaler Währungsfonds, in: Drechsler, Hanno/Hilligen, Wolfgang/Neumann, Franz (Hrsg.): Gesellschaft und Staat. Lexikon der Politik, 9. neubearb., erw. Aufl., München 1995, S. 418.

[46] Vgl.: Lock, Peter: Gewalt als Regulation: Zur Logik der Schattenglobalisierung, in: Kurtenbach, Sabine/Lock,Peter(Hrsg.):Kriegeals(Über)Lebenswelten:Schattenglobalisierung, Kriegsökonomien und Inseln der Zivilität (EINE Welt-Texte der Stiftung Entwicklung und Frieden, Bd. 16), Bonn 2004, S. 40-43.

[47] Vgl.: Kaldor 2000, S. 12, 118 f.; Vgl.: Paes 2003, S. 166.

[48] Vgl.: Münkler 2004, S. 10f.

[49] Weiterführende Literatur hierzu: Uesseler, Rolf: Neue Kriege, neue Söldner. Private Militärfirmen und globale Interventionsstrategien, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 3/2005, S. 323-334.

[50] Wichtige Vereinbarungen, die einen rechtlichen Rahmen im Bezug auf Kriegseintritt und Kriegsführung darstellen sind: die Genfer Konventionen (1864), die Haager Friedenskonferenzen (1899 und 1907), der Briand-Kellog-Pakt (1928), die Völkerbundsatzung und die Statuten der Vereinten Nationen (1945).

[51] Vgl.: Kaldor 2000, S. 17f.

[52] Vgl.: Schreiber 2001, S. 39f.

[53] Kaldor 2000, S. 121.

[54] Vgl.: Kaldor 2000, S. 16, S. 123f.

[55] Kaldor 2000, S. 125.

[56] Elwert 1998, S. 265.

[57] Vgl.: Elwert 1997, S. 92.

[58] Elwert 1997, S. 92.

[59] Ebd.

[60] Vgl.: Ebd.

Auch Michael Bollig beschäftigt sich mit der Instrumentalisierung von ethnischen Gegensätzen durch Kriegsherrengruppen.

Hierzu vgl.: Bollig, Michael: Lokale Kriegsherren - Überlegungen zur Entstehung von gewaltoffenen Räumen im präkolonialen und postkolonialen Afrika, in: Böhm, Winfried/Lindauer, Martin (Hrsg.): Welt ohne Krieg? (Elftes Würzburger Symposium der Universität Würzburg), Stuttgart 2002, S. 329.

[61] Kröpelin, Stefan: Spielball der Mächtigen. Über die Flüchtlingskatastrophe in der sudanesischen Region Darfur wird einseitig und mit Halbwahrheiten berichtet, in: Frankfurter Rundschau (FR), Nr. 240, 14.10.2004, S. 9.

Sprichwort, welches von den tschadischen Tubu stammt. Die Tubu sind eine Bevölkerungsgruppe die ehemals weite Gebiete der zentralen Sahahra, wie den Tschad, Sudan, Niger und Libyen besiedelten, zurückgedrängt wurden und heutzutage hauptsächlich im Niger und im Tschad angesiedelt sind.

[62] Die Originalausgabe im französischen erschien 1996 unter dem Titel „Economie des guerres civiles“. In deutscher Sprache erschien die erste Auflage 1999: Jean, Francois/Rufin, Jean-Christophe (Hrsg.): Ökonomie der Bürgerkriege, Hamburg 1999.

[63] medico international beschäftigt sich ebenfalls mit dieser Thematik. Vgl.: medico international (Hrsg.): Zur Ökonomie der „neuen Kriege“. Ungeheuer ist nur das Normale (medico report 24), Frankfurt/M. 2002.

2003 folgte eine Herausgeberschaft von Werner Ruf zu diesem Thema: Ruf, Werner (Hrsg.): Politische Ökonomie der Gewalt. Staatszerfall und die Privatisierung von Gewalt und Krieg (Friedens- und Konfliktforschung Bd. 7), Opladen 2003.

[64] Vgl.: Le Billon, Phillipe: Natürliche Ressourcen und die politische Ökonomie des Krieges, in: Ruf, Werner (Hrsg.): Politische Ökonomie der Gewalt. Staatszerfall und die Privatisierung von Gewalt und Krieg (Friedens- und Konfliktforschung Bd. 7), Opladen 2003, S. 145.

[65] Le Billon 2003, S. 145.

Ende der Leseprobe aus 120 Seiten

Details

Titel
Krieg in Sudan - Eine Akteurszentrierte Analyse der ökonomischen Interessen im und am Krieg
Hochschule
Universität Kassel
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
120
Katalognummer
V59358
ISBN (eBook)
9783638533195
ISBN (Buch)
9783656814795
Dateigröße
1086 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Krieg, Sudan, Eine, Akteurszentrierte, Analyse, Interessen, Krieg
Arbeit zitieren
Nadine Zollet (Autor:in), 2006, Krieg in Sudan - Eine Akteurszentrierte Analyse der ökonomischen Interessen im und am Krieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59358

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