Palliative Versorgung und Begleitung schwer erkrankter Kinder und ihrer Familien. Wenn ein Kind nicht mehr geheilt werden kann


Fachbuch, 2021

118 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Pädiatrische Palliative Care und Kinderhospizarbeit
2.1 Begriffsdefinitionen
2.2 Historische Entwicklung der Kinderhospizarbeit
2.3 Aufgaben und Ziele
2.4 Grundsätze
2.5 Qualität in der Kinderhospizarbeit
2.6 Finanzierung und gesetzliche Grundlagen
2.7 Pädiatrische Palliative Care und Soziale Arbeit

3 Die Lebenssituation betroffener Kinder und Familien
3.1 Lebenslimitierende Erkrankungen im Kindesalter
3.2 Die Lebenssituation erkrankter Kinder
3.3 Verständnis von Tod in den Kindheitsphasen
3.3.1 Kinder bis zum sechsten Lebensjahr
3.3.2 Grundschulalter
3.3.3 Pubertät
3.4 Die Situation betroffener Familien
3.5 Die Situation der Geschwister

4 Begleitung von lebenslimitierend erkrankten Kindern
4.1 Stationäres Kinderhospiz
4.2 Ambulanter Kinderhospizdienst

5 Sterben, Tod und Trauer
5.1 Sterbe- und Trauerprozesse
5.2 Trauerbegleitung und Nachsorge

6 Fazit

7 Diskussion

Literaturverzeichnis

Anhänge

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum:

Copyright © Social Plus 2020

Ein Imprint der GRIN Publishing GmbH, München

Druck und Bindung: Books on Demand GmbH, Norderstedt, Germany

Covergestaltung: GRIN Publishing GmbH

Abkürzungsverzeichnis

AAPV Allgemeine Ambulante Palliativversorgung

ACH Association of Children´s Hospices

ACT Association for Children with Life-Threatening or Terminal Conditions and their Families

AGP Alter, Gesellschaft, Partizipation

DHPV Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e.V.

DKHV Deutscher Kinderhospizverein e.V.

EAPC European Association for Palliative Care

ICPCN International Children´s Palliative Care Network

IMPaCCT International Meeting for Palliative Care in Children, Trento

PCT Palliative-Care-Team

PPC Pädiatrische Palliative Care

QuinK Qualitätsindex für Kinder- und Jugendhospizarbeit

SAPPV Spezialisierte ambulante pädiatrische Palliativversorgung

SAPV Spezialisierte ambulante Palliativversorgung

SDM Shared-Decision-Making

SPZ Sozialpädiatrische Zentren

WHO World Health Organization, Weltgesundheitsorganisation

1 Einleitung

Die palliative Versorgung und Begleitung von lebenslimitierend erkrankten Kindern ist in Deutschland ein bisher wenig erforschtes Thema. So wurde erstmals von 2007-2010 eine wissenschaftliche Untersuchung über die stationären und ambulanten Kinderhospizdienste in Deutschland durchgeführt (Jennessen et al. 2011). Außerdem liegt für die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit einer lebenslimitierenden Erkrankung keine offizielle Statistik vor. Aus diesen Gründen wird oftmals die Statistik aus England u.a. von Norman und Fraser 2014 aufgeführt und auf Deutschland umgerechnet. Demnach leiden ca. 50.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland an einer lebensverkürzenden Erkrankung. Ahrens 2007 und Jennessen et al. 2011 berichten von ungefähr 22.600 betroffenen Kindern. Von diesen sterben jährlich ca. 1500 Kinder. Diese ungenaue Statistik lässt sich darauf zurückführen, dass in Deutschland keine verlässlichen Daten zur Verfügung stehen.

Sterben und Tod wird in unserer heutigen Gesellschaft „radikal gekürzt, auf kurze Formen von Abschied nehmen und Begräbnis reduziert, Zeichen der Trauer werden in der Öffentlichkeit nicht mehr getragen“ (Leyendecker und Lammers 2001, S. 9). So ist es verständlich, dass viele Menschen die Auseinandersetzung mit diesen Themen verdrängen. Für eine umfassende Lebens- und Sterbebegleitung ist eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben jedoch „eine unabdingbare Voraussetzung“ (Leyendecker 2008, S. 14). Aufgrund der häufigen Tabuisierung dieser Themen in der Gesellschaft herrscht diesbezüglich oftmals Sprachlosigkeit und Verunsicherung, und es besteht Hilflosigkeit in der Kommunikation hierüber. Die öffentliche Tabuisierung des Todes ist auch darauf zurückzuführen, dass das Sterben institutionalisiert wurde und viele Menschen keine direkte Erfahrung mit sterbenden Menschen mehr machen. Insbesondere die Hospizbewegung fördert jedoch die Auseinandersetzung mit Sterben und Tod, ermöglicht ein erfülltes Sterben und Abschiednehmen durch intensive Sterbe- und Trauerbegleitung (Leyendecker und Lammers 2001). „Nur derjenige, der in der Vorstellung oder im bewussten Erleben den Phänomenen von Krankheit, Leiden, Sterben und Tod nicht ausgewichen ist, wird fähig sein, ein Kind im Sterben zu begleiten“ (ebd. 2001, S. 206). Auch das Thema Kindheit und Tod stellt in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema dar. So ist es „immer noch wenig präsent, dass auch Kinder und Jugendliche an schweren und unheilbaren Erkrankungen leiden und einer palliativen Versorgung und Pflege bedürfen“ (Oetting-Roß 2019, S. 138). Die Kinderhospizarbeit in Deutschland hat sich seit ihrer Gründung 1990 kontinuierlich weiterentwickelt. Sie „setzt sich zusammen aus stationären Kinderhospizen, ambulanten Kinderhospizdiensten, Fort- und Weiter­bildungsangeboten sowie jeweils spezifischen Angebotsformen für die lebensverkürzend erkrankten Kinder/Jugendlichen, ihre Eltern und Geschwister und die professionellen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ (Jennessen et al. 2011, S. 11). Lebenslimitierend erkrankte und sterbende Kinder zu begleiten und den Trauerweg mitzugehen bzw. zu gestalten, stellt eine große und wichtige Herausforderung dar. Die Betreuung und Versorgung lebenslimitierend erkrankter Kinder erfordert viel Kraft und Zeit. Der Ausbau und die Stärkung von Versorgungsstrukturen im Land, insbesondere der medizinischen und psychosozialen Hilfen, stellt ein unverzichtbares Thema dar, auch wenn in den letzten Jahren bereits Versorgungslücken geschlossen wurden, z.B. durch den Ausbau von Kinderhospizdiensten.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der palliativen Versorgung und Begleitung von Kindern und ihren Familien. Dabei werden im zweiten Kapitel zunächst die Grundlagen der Pädiatrischen Palliative Care (PPC) und der Kinderhospizarbeit erläutert. PPC stellt ein ganzheitliches Angebot von der Diagnosestellung bis über den Tod hinaus für die gesamte Familie dar. Neben wichtigen Begriffen ist die Darstellung der historischen Entwicklung der Kinderhospizarbeit für das Verständnis der Bedeutung dieser Dienste für betroffene Familien unumgänglich. Die Kinderhospizbewegung ist ein noch relativ junges Feld und wird in einem Rückblick bis heute dargestellt. Mithilfe intensiver Literaturrecherche werden die relevanten Aufgaben, Ziele und Grundsätze der Kinderhospizarbeit benannt. Diese sind Wegweiser für die Begleitung. In der Fachliteratur wird zunehmend der Qualitätsgedanke im Bereich der Kinderhospizarbeit aufgegriffen. Wichtige Leitlinien und Standards werden in Kapitel 2.5 erläutert (und zum Teil im Anhang aufgeführt), ehe der Fokus auf die Finanzierung und die gesetzlichen Grundlagen gelegt wird. Zum Abschluss des zweiten Kapitels folgt ein Einblick in die Bedeutung der Sozialen Arbeit für die Pädiatrische Palliative Care. Dies ist insofern wichtig, da die Soziale Arbeit in diesem Bereich häufig „missachtet“ wird und doch wertvolle Aufgaben leisten kann.

Im Fokus des dritten Kapitels steht die besondere Lebenssituation der betroffenen Kinder, Familien und der Geschwister. Die separate Thematisierung der Geschwister erfolgt aus dem Grund, da diese eine oft vergessene Zielgruppe darstellen und der Ausbau von Geschwisterangeboten notwendig ist. Da es unzureichend Forschungen zu den Perspektiven der Betroffenen gibt, wird die vorhandene Fachliteratur ausgewertet. Die mir vorliegenden bereits bestehenden relevanten Forschungsarbeiten werden erläutert. Darüber hinaus werden zum besseren Verständnis in Kapitel 3.1 die vier Gruppen der lebenslimitierenden Erkrankungen im Kindesalter erläutert, in Kapitel 3.3 wird auf die Todeskonzepte von Kindern eingegangen.

Im vierten Kapitel dieser Arbeit werden die Begleitungsmöglichkeiten aufgezeigt und dabei die Unterstützungsangebote, die Aufgaben einer ganzheitlichen Begleitung sowie erforderliche Kompetenzen für die Begleitung eingehender behandelt. Der Fokus wird dann auf die stationären Kinderhospize (Kapitel 4.1) und auf die ambulanten Kinderhospizdienste (Kapitel 4.2) gelegt.

Das darauffolgende Kapitel befasst sich mit dem Sterbeprozess des Kindes und den Trauerprozessen innerhalb der Familie. Es ist wichtig, dass die Versorgung und Begleitung der Familie nicht mit dem Tod des Kindes endet. Somit wird in Kapitel 5.2 die Bedeutung der Trauerbegleitung und der Nachsorge erläutert.

Daraufhin folgt das Fazit dieser Arbeit. In der anschließenden Diskussion werden die erarbeiteten Erkenntnisse aus den vorhergegangenen Kapiteln kritisch aufgegriffen und Schlussfolgerungen für die Versorgung und Begleitung der Kinder und ihrer Familien gezogen. Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist die ausführliche und kritische Darstellung der Kinderhospizarbeit in Deutschland, der Begleitung und Versorgung der Kinder und ihrer Familien.

Es wird größtenteils auf internationale Literatur verzichtet, da international unterschiedliche Versorgungsformen und Unterstützungsangebote existieren und diese Arbeit die Situation und die palliative Begleitung und Versorgung in Deutschland in den Blick nimmt. Jedoch ist es sinnvoll, internationale Begleitungsformen miteinander zu vergleichen, voneinander zu lernen und daraufhin Verbesserungen durchzuführen. So werden in der Arbeit unter 2.5 auch internationale Qualitätsrichtlinien erwähnt, da diese Standards darstellen, die in jedem Land gelten sollten. Des Weiteren wird auf die medizinischen und pflegerischen Aspekte nicht näher eingegangen. Bei manchen Werken konnte nicht die aktuelle Auflage verwendet werden. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text an manchen Stellen ausschließlich die männliche Form gewählt, es ist jedoch immer auch die weibliche Form mitgemeint. Auch sind mit dem Begriff Kinder – wenn nicht anders erwähnt – grundsätzlich Kinder und Jugendliche gemeint.

2 Pädiatrische Palliative Care und Kinderhospizarbeit

Pädiatrische Palliative Care stellt ein umfangreiches Konzept und Angebot für betroffene Kinder, Jugendliche und die Familie dar, in dem nicht die Krankheiten, sondern die Bedürfnisse der Betroffenen im Mittelpunkt stehen (Streuli et al. 2018). Es werden hierbei gemeinsam Lösungen und Handlungsmöglichkeiten mit allen Beteiligten erarbeitet, um eine optimale Betreuung und Begleitung ab der Diagnosestellung einer lebensverkürzenden Erkrankung bis über den Tod des Kindes hinaus zu gewährleisten. Im Zentrum der PPC/Kinderhospizarbeit steht dabei die Lebensqualität der gesamten Familie sowie die ganzheitliche Unterstützung in allen Phasen der Krankheit und des Sterbens. Das interdisziplinäre Palliative-Care-Team (PCT) steht bei Entscheidungs­schwierigkeiten bis hin zu Therapieabwägungen qualitativ beratend und unterstützend zur Seite. Auch Fragestellungen hinsichtlich Verständigungs­schwierigkeiten bei Diagnosestellungen, Behandlungen, Nebenwirkungen etc. können durch die PPC-Betreuung geklärt werden. PPC kann in die vier Abschnitte Diagnosestellung, Leben mit der Erkrankung, Sterbebegleitung und Trauerbegleitung eingeteilt werden (ebd. 2018).

2.1 Begriffsdefinitionen

Im folgenden Kapitel werden einige ausgewählte wichtige Begriffe definiert. Palliativ bedeutet Mantel (lat. pallium) und meint im medizinischen Sinne die Phase, in der nicht mehr die Heilung der Krankheit (kurative Zielrichtung), sondern die Linderung der Krankheitssymptome und die Verbesserung der Lebensqualität im Vordergrund steht (Bergsträsser 2014). Die Palliativversorgung von Kindern ist jedoch auch möglich, wenn noch kurative Ziele bestehen. „Kurative Medizin und Palliativmedizin unterscheiden sich nicht durch ihr Ziel, sondern durch die Mittel, mit denen das gemeinsame Ziel der Lebensqualität unter den gegebenen Umständen am besten erreicht werden kann“ (Rellensmann 2013, S. 40).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert die Palliativversorgung als „ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art“ (WHO 2002). Palliativversorgung beinhaltet demnach „die Schmerztherapie, Symptomkontrolle und die psychosoziale Unterstützung des Patienten und seiner Familie“ (Jennessen et al. 2011, S. 168). Auch wird dieser Begriff häufig als Kollektivum für die Gesamtheit der palliativen Medizin und Pflege und für die ganzheitliche psychosoziale Sterbebegleitung verwendet (Jennessen et al. 2011; Zernikow et al. 2013). „Unter den Begriff der Sterbebegleitung fallen Maßnahmen zur Pflege, Betreuung und Behandlung von Symptomen von Sterbenden“ (Likar und Traar 2014, S. 113).

Die WHO definiert die Palliativversorgung für Kinder separat zur allgemeinen Palliativversorgung folgendermaßen: „Die Palliativversorgung von Kindern umfasst die aktive Betreuung der körperlichen, geistigen und spirituellen Bedürfnisse des Kindes vom Zeitpunkt der Diagnosestellung an und schließt die Unterstützung der Familie mit ein. Die Versorgenden müssen die körperlichen und psychosozialen Leiden des Kindes erkennen und lindern. Eine effektive Palliativversorgung benötigt einen multidisziplinären Ansatz, der die Familie einbezieht und regionale Unterstützungsangebote nutzbar macht“ (WHO 1998).

End-of-Life-Care stützt sich auf die Palliative Care, meint jedoch die Versorgung in der Terminalphase des Erkrankten (Jennessen et al. 2011). Palliative Care findet jedoch nicht erst am Lebensende statt und kann bereits bei noch kurativer Zielsetzung eingesetzt werden (Trachsel 2018). Respite Care ist ein aus den USA und Großbritannien stammendes Konzept und „beinhaltet entlastende, kurzzeitige Pflege mit dem Ziel, häusliche Pflegesituationen zu stabilisieren und zu erhalten“ (Jennessen et al. 2011, S. 217). Dieses Konzept beinhaltet sowohl Haushaltshilfen sowie Entlastungsaufenthalte im Kinderhospiz etc. (Wingenfeld und Mikula 2002).

Lebensverkürzende Erkrankungen beziehen sich auf unheilbare Erkrankungen. Lebensbedrohliche Krankheiten haben kurative Therapiemöglichkeiten, diese können jedoch scheitern (Flood 2014). Der Begriff der lebenslimitierenden Erkrankung wird oft parallel verwendet zu den Begriffen lebensverkürzend oder progredient erkrankte Kinder und Jugendliche. Ist die Krankheit so weit fortgeschritten, dass das Kind sich schon im Endstadium befindet, wird dieser Zustand als final/terminal bezeichnet (Jennessen et al. 2011). „Neue belastende Symptome kommen hinzu. Komplikationen und Nebenwirkungen von Behandlungen treten durch die Schwäche und fehlende Abwehr vermehrt auf“ (Sitte 2018, S. 163). Nicht heilbar sind Erkrankungen, die nicht durch medizinische Maßnahmen geheilt werden können. Fortschreitende Erkrankungen bedeuten, dass der Verlauf nicht aufgehalten werden kann.

Weit fortgeschritten sind Erkrankungen, wenn bereits die psychosoziale Betreuung, Verbesserung der Lebensqualität und die Symptomverbesserung im Vordergrund stehen (Fachverband SAPV Hessen 2015).

2.2 Historische Entwicklung der Kinderhospizarbeit

Hospiz bedeutet Herberge (lat. „hospitium“) und möchte sterbenden Menschen ein würdevolles Sterben ermöglichen, auch mithilfe psychologischen, sozialen und spirituellen Begleitungsangeboten (Wingenfeld und Mikula 2002). Der Hospizgedanke „Beistehen und Begleiten“ aus dem Mittelalter soll sterbenden Menschen ein Zuhause bieten (Müller-Busch 2014). Die Hospizidee beruht auf vier Säulen: Palliative Medizin, Palliative Pflege, Psychosoziale Begleitung und Spirituelle Begleitung (Stähli 2004). Die Hospizbewegung kann „als Idee und Engagement verstanden werden, das Sterben wieder in das gesellschaftliche Leben und Miteinander zu integrieren“ (Müller-Busch 2014, S. 37). So wie die allgemeine Hospizbewegung in England entstand (Cicely Saunders gründete 1967 das St. Christhopher´s Hospice in London), stammt auch die Idee der Kinderhospizarbeit aus England. Dort entstand die Kinderhospizbewegung 1978, und 1982 wurde weltweit das erste Kinderhospiz „Helen House“ in Oxford von Frances Domenica eröffnet (Jennessen et al. 2011). Mehr als 50 weitere Kinderhospize folgten in England im Laufe der Zeit. „Helen House opened and was soon to be cited as a shining example of how gravely-ill children and their families could be cared for and supported. It was to blaze a trail in the provision of hospice care for children and young adults” (Worswick 1993, S. 160). Das Helen House gilt nach wie vor als Orientierung für Kinderhospize weltweit (Wingenfeld und Mikula 2002). „Helen House would make more families with very ill children feel able to take on the job of caring for their children at home, by providing backup support, a safety-net always in place […] to give them confidence as they walked the emotional and practical tightrope that long-term caring so often is” (Worswick 1993, S. 162 f.). Auch in Deutschland gelten stationäre Kinderhospize als Stütze für die ambulante Begleitung, da das Primat der häuslichen Versorgung einen Grundsatz der Kinderhospizarbeit darstellt1. Seit 1994 werden in England ambulante Kinderhospizdienste („hospice at home“) angeboten (Jennessen et al. 2011). In Deutschland besteht seit 1990 eine Kinderhospizbewegung. In diesen vergangenen 30 Jahren hat sich im Bereich der Kinderhospizarbeit einiges getan und entwickelt. Auf diese Entwicklungen soll im Folgenden Bezug genommen werden.

Im Jahre 1990 formierten sich sechs Elternpaare betroffener Kinder in Deutschland, ausgehend von ihren Erfahrungen, dass das Sterben von Kindern in der Öffentlichkeit tabuisiert ist und ihre Sorgen, Ängste und Bedürfnisse nicht beachtet werden (ebd. 2011). Mit der damaligen Gründung des Deutschen Kinderhospizvereins e.V. (DKHV) wurde ein Meilenstein gelegt, um die Entwicklung der Kinderhospizarbeit in gutem Sinne voranzutreiben und insbesondere auch die ambulante Versorgung und Begleitung, Entlastung, Unterstützung und weitere Angebote anzubieten. Das erste Kinderhospiz „Balthasar“ in Deutschland wurde im Jahre 1998 in Olpe eröffnet. Hiermit war das erste Hauptziel des DKHV erreicht. In Kirchheim/Teck wurde 1999 der erste ambulante Kinderhospizdienst ins Leben gerufen. Mit der Gründung des Bundesverbands Kinderhospiz e.V. im Jahre 2002 kam eine weitere Organisation hinzu (ebd. 2011). „Er ist der Zusammenschluss aller maßgeblichen ambulanten und stationären Kinderhospize und Kinderhospizinitiativen in Deutschland“ (Ahrens 2007, S. 123). Sein Ziel ist die Vernetzung der Kinderhospizarbeit, Stärkung der Öffentlichkeitsarbeit, Bildung und die Sicherung von Qualitätsstandards. 2005 gründete der DKHV die Deutsche Kinder­hospizakademie. In dieser werden u.a. neue Konzepte für Seminare ausgearbeitet, z.B. Familienseminare (ebd. 2007). Die Deutsche Kinderhospizakademie veranstaltet jährlich mehr als 50 Seminare für lebenslimitierend erkrankte Kinder, Familien, Haupt- und Ehrenamtliche sowie für alle Interessierten. Außerdem organisiert sie das alle zwei Jahre stattfindende Kinderhospizforum, Ferienfreizeiten etc. (Deutscher Kinderhospizverein e.V. 2015). 2009 wurde ebenso in Olpe das erste Jugendhospiz eröffnet, so wie auch in England eigene Jugendhospize existieren, um diesen jungen Menschen einen Ort anbieten zu können, an dem individuell auf ihre Lebenslage eingegangen werden kann, die sich von denen der Kinder unterscheidet. Während 2004 lediglich sechs ambulante Kinderhospizdienste zur Verfügung standen, waren es ein Jahr später – 2005 – bereits 25. Heute existieren 17 stationäre Kinder- und Jugendhospize. Des Weiteren gibt es weit über 150 ambulante Kinderhospizdienste in Deutschland (Deutscher Kinderhospizverein e.V. 2015). Der 10. Februar ist seit 2007 der „Tag der Kinderhospizarbeit“ (Jennessen et al. 2011, S. 50).

2.3 Aufgaben und Ziele

Die wichtigste Aufgabe der Kinderhospizarbeit stellt die individuelle Betreuung, Versorgung und Begleitung des kranken Kindes und seiner Angehörigen ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung bis über den Tod hinaus dar. Diese Aufgabe umfasst sowohl die medizinsch-therapeutische, pflegerische, spirituelle und psychsosoziale Begleitung sowie die Sterbe- und Trauerbegleitung (ebd. 2011). Dabei muss die Begleitung „bedürfnisorientiert, individuell, ganzheitlich“ (Hurth et al. 2015, S. 185) sein. Die weiteren Aufgaben sind u.a. Fortbildungen für alle Haupt- und Ehrenamtlichen, Kooperation mit anderen Einrichtungen und Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit (Student et al. 2016). Bergsträsser sieht jedoch den Aspekt, dass Palliative Care bereits schon ab der Diagnosestellung eines Kindes in Betracht kommt, für die Eltern als sehr herausfordernd an, da diese zunächst mit der Diagnose überfordert seien und nicht zugleich etwas von „palliativ“ hören möchten und dieses Konzept evtl. erst einmal abwehren könnten (Bergsträsser 2014). Daher fordert sie eine palliative Betreuung erst dann zu starten, sobald eine umfassende Begleitung unausweichlich ist (ebd. 2014).

Das übergeordnete Ziel von Kinderhospizarbeit stellt die Verbesserung der Lebensqualität der gesamten Familie dar. Durch die kontinuierliche Unterstützung durch ein interdisziplinäres Team muss sichergestellt werden, dass die Angebote auf die jeweiligen Bedürfnisse des Kindes und seiner Familie ausgerichtet sind. Hierfür benötigen alle Beteiligte umfangreiches Wissen über PPC. Diese Angebote können durch die gegenseitige Ergänzung von stationärer und ambulanter Kinderhospizarbeit spezifiziert werden (Jennessen et al. 2011). Stationäre Kinderhospize dienen insbesondere der „Entlastung und Entspannung in einer anderen als der alltäglichen Umgebung, während die ambulanten Angebote den Familien alltagsnahe Entlastung in ihrem gewohnten Umfeld ermöglichen“ (ebd. 2011, S. 52). Des Weiteren hat der DKHV sowie auch der Bundesverband Kinderhospiz e.V. das Ziel, mithilfe finanzieller Absicherung die ambulanten und stationären Kinderhospizdienste immer weiter auszubauen, kontinuierlich zu verbessern und stärker miteinander zu vernetzen, inklusive einer besseren Vernetzung und Kooperation aller Beteiligten. Ebenso steht auch das Ziel, die Themen Krankheit, Sterben und Tod von Kindern mehr in die Öffentlichkeit zu tragen und das Tabu hierbei zu überwinden, im Fokus (ebd. 2011). Da der Großteil der stationären und ambulanten Angebote der Kinderhospizarbeit über Spenden finanziert wird, spielt auch hier die Öffentlichkeitsarbeit eine sehr wichtige Rolle. Auch die Gewinnung von Ehrenamtlichen kann durch eine gute Öffentlichkeitsarbeit gelingen (ebd. 2011).

Grundlagen der Aufgaben und Ziele von Palliative Care sind demnach die umfassende, frühestmögliche Versorgung und Symptomlinderung, die durch multiprofessionelle Zusammenarbeit gewährleistet werden soll, welche sich durch eine entsprechende ganzheitliche Haltung gegenüber dem Patienten und seiner Familie (systemische Betrachtung) sowie durch eine 24h/7d Rufbereitschaft auszeichnet (Fachverband SAPV Hessen 2015). Die ganzheitliche Versorgung umfasst somit:

- Körperliche Aspekte: z.B. Schmerzmessung, Medikation, medizinische und pflegerische Maßnahmen
- Psychische Aspekte: z.B. Stärkung der Ressourcen, Bewältigungsstrategien, Gesprächsangebote
- Soziale Aspekte: z.B. Verbesserung der Lebenssituation, Unterstützungsmöglichkeiten
- Spirituelle und ethische Aspekte: z.B. Achtung aller Religionen und Einstellungen (ebd. 2015).

2.4 Grundsätze

Die Kinderhospizarbeit handelt nach dem Grundsatz, dass eine palliative Versorgung des Kindes möglichst zu Hause in gewohnter Umgebung stattfinden soll. Dieser Grundsatz „Primat der häuslichen Versorgung“ nimmt Rücksicht auf die Bedeutung der zusätzlichen Belastung des schwer kranken Kindes durch eine Trennung von seinen Bezugspersonen (Wingenfeld und Mikula 2002; Jennessen et al. 2011). Ein weiterer Grundsatz der Kinderhospizarbeit stellt der Fokus auf die gesamte Familie des erkrankten Kindes dar, insbesondere auf die Verbesserung deren Lebensqualität (Streuli et al. 2018). Bei der Kinderhospizarbeit geht es nicht nur um die Versorgung und Begleitung des betroffenen Kindes, sondern um die der ganzen Familie und seines Umfeldes (Jennessen et al. 2011). Dies bedeutet insbesondere die weitere Begleitung der Familie in ihrer Trauerarbeit nach dem Tod des Kindes und impliziert die Anerkennung der Eltern als Fachleute und Experten ihrer eigenen Kinder (Jennessen et al. 2011; Müller 2018). Es benötigt eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem multiprofessionellen Team und der gesamten Familie (Swallow et al. 2011). „Professionelle Hospizkompetenz setzt sich somit aus der Trias Wissen, Können und Haltung zusammen“ (Jennessen et al. 2011, S. 54). Pädiatrische Palliativversorgung hat auf das Recht der Selbstbestimmung des Kindes und seiner Familie zu achten und auf die Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen einzugehen (Zernikow et al. 2013).

Auch sollte die Palliativversorgung des betroffenen Kindes Rücksicht auf den Wunsch des Ortes nehmen, an dem diese stattfinden soll (Hessisches Netzwerk Palliativversorgung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene 2015). Sie handelt nach dem Grundsatz ambulant vor stationär, leistet Öffentlichkeitsarbeit, steht der Familie kostenfrei zur Verfügung und sieht die ganze Familie als „Experten für ihre Belange“ (Bruhn und Blümke 2014, S. 51).

Die Kennzeichen guter Hospizarbeit sind folgende:

- Im Mittelpunkt steht der sterbende Mensch und seine Angehörigen
- Ein multiprofessionelles Team steht zur Verfügung
- Ehrenamtliche erbringen wertvolle alltägliche Aufgaben
- Gute Symptomkontrolle
- Kontinuität der Fürsorge (Student et al. 2016).

2.5 Qualität in der Kinderhospizarbeit

Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Kinderhospizarbeit erreichte erst in den letzten Jahren zunehmende Beachtung. Hierbei spielen Leitlininen und Standards eine wichtige Rolle, die Orientierungshilfe bieten (Jennessen et al. 2011). In der Rahmenvereinbarung nach §39a Absatz 1 Satz 4 SGB V über Art und Umfang sowie Sicherung der Qualität der stationären Kinderhospizversorgung heißt es in §4 Absatz 2: „Die Qualität der Leistungserbringung ist laufend zu prüfen. Dabei ist insbesondere darauf abzustellen, inwieweit den individuellen Bedürfnissen der Kinder entsprochen und damit ein Höchstmaß an persönlicher Lebensqualität ermöglicht wurde. Der Träger des Kinderhospizes ist dafür verantwortlich, dass Maßnahmen zur internen Sicherung der Qualität festgelegt und durchgeführt werden. Der Träger soll sich ferner an Maßnahmen der externen Qualitätssicherung beteiligen“ (GKV-Spitzenverband 2017b, S. 8).

In England exisitiert seit 2004 das „Quality Assurance Package“ von der Association of Children´s Hospices (ACH) und dient als Instrument zur Evaluation der stationären Kinderhospizarbeit. Für die sechs Bereiche Zugang, Kind, Familie, Mitarbeitende, Umgebung, Kommunikation gibt es bestimmte Fragen, die man mit einer Skala von 1-5 beantworten kann, um so die Umsetzung der Qualität in der eigenen Kinderhospizarbeit überprüfen zu können (Jennessen et al. 2011). Im angloamerikanischen Raum wurden mit der ACT- (Association for Children with Life-threatening or Terminal Conditions and their Families) und der ICPCN-Charter (International Children´s Palliative Care Network) sowie mit den IMPaCCT-Standards (International Meeting für Palliative Care in Children, Trento) Leitlinien für Kinderhospizarbeit entwickelt, die für Qualitätsmanagementprozesse und als Orientierungshilfen wichtig sind (ebd. 2011). Die ACT-Charta wurde 1993 veröffentlicht und ständig aktualisiert. Im Mittelpunkt steht die Akzeptanz der elterlichen Expertise, der Fokus auf die häusliche Versorgung und auf der altersgerechten Kommunikation und der Trauerbegleitung nach dem Tod des Kindes (ebd. 2011). Die ICPCN-Charta (Charter of rights for life-limited and life-threatened children) betont die Rechte der lebenslimitierend erkrankten Kinder2. Die IMPaCCT-Standards zur pädiatrischen Palliativversorgung in Europa wurden von der IMPaCCT, „eine Arbeitsgruppe der EAPC (European Association for Palliative Care)“ (ebd. 2011, S. 104) entwickelt. Folgende Versorgungsstandards werden empfohlen:

- Elementare Versorgungsstandards, wie z.B. das Recht auf die Versorgung ab Diagnosestellung und der Fokus auf die ganze Familie als eine Einheit und ihre aktive Beteiligung
- Schmerz- und Symptommanagement durch ein multiprofessionelles Team und entsprechende Kommunikation auch mit dem Kind
- Ethische Aspekte und gesetzliche Kinderrechte, z.B. Beachtung der Gleichheit und der Würde jedes Kindes sowie die Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse und Interessen der Kinder (Craig et al. 2008).

Die bisherigen internationalen Leitlinien und Standards betonen insbesondere die multiprofessionelle Unterstützung des Kindes und seiner gesamten Familie von dem Zeitpunkt der Diagnosestellung bis über den Tod hinaus. Dies deckt sich mit den erarbeiteten Aufgaben, Zielen und Grundsätzen der Kinderhospizarbeit in den vorherigen Kapiteln, welche anhand dieser Standards und Leitlinien reflektiert und verbessert werden können.

Die erste quantitative und qualitative (triangulative) wissenschaftliche Untersuchung über die Qualität der stationären und ambulanten Kinderhospizarbeit in Deutschland wurde von 2007 bis 2010 von einem Team der Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen durchgeführt und wird in Jennessen et al. 2011 näher erläutert. Durch die Kooperation zwischen dem DKHV und dem Forschungsteam konnte diese erstmalige Studie erfassen, wie die Betreuung und Lebenswirklichkeit in Deutschland sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich aussieht sowie Verbesserungswünsche für die Zukunft diesbezüglich erarbeitet werden (Jennessen et al. 2011). Zunächst wurden im stationären Bereich die Hauptamtlichen und die Familien quantitativ und qualitativ befragt (Interviews und Fragebögen bei den Hauptamtlichen und den Eltern, Interviews und Teilnehmende Beobachtungen bei den Kindern/Jugendlichen). Nach der an diese Ergebnisse anschließenden Gruppendiskussion mit Mitarbeitenden und den Eltern wurden im ambulanten Bereich schriftliche Befragungen von Eltern, Ehrenamtlichen und Koordinatoren durchgeführt. Durch dieses Vorgehen konnten wertvolle Erkenntnisse und Entwicklungsbedarfe festgestellt werden. Die qualitativen Methoden erforschten die subjektiven Meinungen, Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse der Beteiligten. Die durchgeführten Experteninterviews wurden durch die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Durch das Verallgemeinerungsmodell von Mayring konnten diese qualitativ erhobenen Ergebnisse auch quantitativ verallgemeinert werden (ebd. 2011). Der Schwerpunkt lag hierbei in der Frage nach der Qualität der Kinderhospizarbeit und der Lebenssituation und den Bedürfnissen der betroffenen Kinder/Familien und deren Zufriedenheit über die kinderhospizlichen Angebote3. Durch die Erforschung der individuellen Perspektiven aller Beteiligten (Kinder, Familien, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende) konnte ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung und Verbesserung der Kinderhospizarbeit in Deutschland beigetragen werden. „Gerade die Intention, auch die fortschreitend erkrankten Kinder aktiv mit in die Qualitätsdebatte einzubeziehen und ihren nicht lautsprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten Gehör zu verschaffen, sollte als ethisch begründetes Bemühen um Partizipation am Forschungsprozess verstanden werden“ (ebd. 2011, S. 113). Um die Qualität der ganzheitlichen Versorgung von lebenslimitierend erkrankten Kindern und ihren Familien in Deutschland zu sichern und weiterzuentwickeln, bildete dieses Forschungsteam zusammen mit dem Deutschen Hospiz- und PalliativVerband e.V. (DHPV) einen Qualitätsindex für Kinder- und Jugendhospizarbeit (QuinK). Das Ziel ist die Diskussion über die Qualitätsentwicklung in der Kinderhospizarbeit, die Evaluation und Reflexion der bestehenden Strukturen sowie der Praxis und Einrichtungen im Hinblick auf ihre Haltungen und Praktiken (Hurth et al. 2015). Die bestehenden Angebote und Konzepte werden hierdurch kritisch hinterfragt und können dementsprechend dynamisch angepasst bzw. verändert und verglichen werden. Hierfür benötigt es Kooperation mit allen Beteiligten (ebd. 2015).

Dabei geht es um die kontinuierliche Weiterentwicklung, die mit Hilfe von Qualitätsmanagement und Qualitätsentwicklung gesichert werden soll. Qualitätsmanagement beruht auf einer kritischen Betrachtung der bisherigen Ergebnisse und Entwicklungen, um daraus kontinuierliche Verbesserungs­potentiale abrufen zu können, z.B. für die Bereiche der Verbesserung der Lebensqualität Betroffener. Das Forscherteam entwickelte darüber hinaus 33 Leitlinien für die Kinderhospizarbeit4, „die als wissenschaftlich begründete Handlungsempfehlungen und Orientierungshilfen für die praktische Arbeit aller AkteurInnen der Kinderhospizarbeit genutzt werden können“ (ebd. 2015, S. 187). Diese stellen die ersten Leitlinien für die deutsche Kinderhospizarbeit dar. Nach Jennessen et al. 2011 werden diese Leitlinien in programmatische Qualität (z.B. flächendeckende Versorgung), organisatorische Qualität (z.B. Kinderhospiz­angebote ohne zeitliche Beschränkung), professionelle Qualität (z.B. Kommunikation über Themen wie Sterben und Tod) und interaktionale Qualität (z.B. bedürfnisorientierte Pflege) unterteilt. Aus diesen 33 Leitlinien entwickelte der DHPV zwölf Grundsätze5 für Kinder- und Jugendhospizarbeit, die wiederum die Grundlage für QuinK darstellen, um diese Grundsätze auch in der Praxis zu etablieren und weiterzuentwickeln (Hurth et al. 2015). Zu den zwölf Grundsätzen wurde ein Fragekatalog entwickelt, der sich in die drei Bereiche Haltungen (Grundeinstellung), Strukturen (Konzepte, Rahmenbedingungen) und Praktiken (Handlungen) einteilen lässt. Dieser Fragekatalog kann Orientierung sowohl für die Begleitenden als auch für die Familien bieten. Somit kann eine Einrichtung oder ein Dienst die eigene Umsetzung mithilfe der zwölf Grundsätze hinterfragen und daraus Weiterentwicklungsmöglichkeiten erarbeiten. Der QuinK ist seit 2014 für alle Einrichtungen zugänglich (ebd. 2015).

Der Grundsatz Nr. 26 könnte z.B. folgendermaßen überprüft und evaluiert werden:

- Beispielfrage zum Bereich Haltungen: „Betrachten wir eine lebensverkürzende oder lebensbedrohliche Erkankung eines Kindes/eines Jugendlichen als Belastung für alle Familienmitglieder?“ (ebd. 2015, S. 190 f.)
- Beispielfrage zum Bereich Strukturen: „Ist die Auseinandersetzung mit Krankheit, Sterben und Tod konzeptionell in dem Angebot unserer Einrichtung vorgesehen?“ (ebd. 2015, S. 191)
- Beispielfrage zum Bereich Praktiken: „Ermutigen wir alle Familienmitglieder, individuelle Bedürfnisse und Entlastungsmöglichkeiten zu formulieren und auszuleben?“ (ebd. 2015, S. 192).

Die Phasen des zyklischen QuinK-Prozesses gestalten sich folgendermaßen: In der ersten Phase (Start) entschließt sich eine Einrichtung/Dienst in der Kinder- und Jugendhospizarbeit mit dem Qualitätsentwicklungsinstrument QuinK zu arbeiten. In der darauffolgenden Phase (Reflexion) wird die Einrichtungssituation reflektiert und mit Hilfe der Fragen Entwicklungsnotwendigkeiten formuliert. In der dritten Phase (Planung) werden Entwicklungsschritte festgelegt und geplant, welche in der vierten Phase (Umsetzung) schließlich umgesetzt werden. Die letzte Phase steht im Zentrum der Evaluation, in der überprüft wird, inwieweit die Veränderungen umgesetzt wurden (ebd. 2015). Entscheidend ist die Beteiligung sowohl von den Mitarbeitenden als auch der Familien in diesem Prozess, die mit ihren individuellen Erfahrungen und Perspektiven wertvolle Beiträge, Verbesserungsvorschläge etc. liefern können, sodass die jeweilige Einrichtung die optimale Betreuung und Versorgung gewährleisten sowie die Angebote bedarfs- und bedürfnisgerechter anbieten kann. Auch Geschwister ab acht Jahren können bezüglich des vierten Grundsatzes anhand einer vereinfachten Version von QuinK beteiligt werden. Der erste Grundsatz kann z.B. auch von betroffenen Kindern ab acht Jahren evaluiert werden (ebd. 2015). Somit kann der QuinK und die entsprechende Kooperation zwischen der Einrichtung und den Familien dazu beitragen, dass sich die Versorgung und Begleitung lebenslimitierend erkankter Kinder an den Bedürfnissen der Betroffenen ausrichtet.

Bei der Anwendung von Leitlinien muss jedoch auch auf deren Grenzen Rücksicht genommen werden. Somit sollten Leitlinien u.a. nicht dazu führen, dass „der Qualitätsbegriff nur mit Wirtschaftlichkeit und Kostenreduzierung in Verbindung gebracht wird“ (Jennessen et al. 2011 S. 106) oder Leitlinien zur Standardisierung und Verlust der Interaktionsqualität und Flexibilität beitragen (ebd. 2011).

2.6 Finanzierung und gesetzliche Grundlagen

In diesem Kapitel soll die Finanzierung der stationären und ambulanten Kinderhospizarbeit erläutert werden. Des Weiteren wird auf die gesetzlichen Grundlagen der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) und der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) bzw. der spezialisierten ambulanten pädiatrischen Palliativversorgung (SAPPV) eingegangen. Wird im Folgenden von der SAPV gesprochen, ist die SAPPV mitgemeint.

Die stationären Kinderhospize werden durch eine Mischfinanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung finanziert, sodass 95% des tagesbezogenen Bedarfssatzes übernommen werden und 5% durch Eigenmittel und Spenden finanziert werden. In §39a SGB V heißt es: „Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung bedürfen, haben im Rahmen der Verträge nach Satz 4 Anspruch auf einen Zuschuß zu stationärer oder teilstationärer Versorgung in Hospizen, in denen palliativ-medizinische Behandlung erbracht wird, wenn eine ambulante Versorgung im Haushalt oder der Familie des Versicherten nicht erbracht werden kann. Die Krankenkasse trägt die zuschussfähigen Kosten nach Satz 1 unter Anrechnung der Leistungen nach dem Elften Buch zu 95 Prozent“. Wichtig hierbei ist zu erwähnen, dass, im Unterschied zu Erwachsenenhospizen, Kinder auch zur Entlastung in Kinderhospizen aufgenommen werden. Die Krankenkassen schließen mit den Kinderhospizen einen Vertrag, in dem der Tagessatz festgelegt wird. „Voraussetzung für eine Kostenübernahme ist eine ärztlich attestierte begrenzte Lebenserwartung des Kindes“ (Jennessen et al. 2011, S. 60). Die Prognose der Lebenserwartung ist jedoch bei Kindern häufig schwierig zu stellen. Der Vertragsarzt oder der Krankenhausarzt verordnet die Aufnahme in ein Kinderhospiz. Jedoch bringt es wenig, „wenn der Gesetzgeber vorschreibt, dass die Krankenkassen 95% des Tagesbedarfssatzes tragen müssen, wenn dieser so niedrig angesetzt wird, dass er nur 50% der tatsächlichen Kosten eines Kinderhospizes decken kann“ (Zernikow et al. 2013, S. 31). Nicht bezahlt wird z.B. der Aufenthalt von Eltern oder Geschwistern (Ahrens 2007; Jennessen et al. 2011). Diese verbleibenden Kosten werden durch Spenden finanziert. Es besteht „seit 2017 (…) eine eigene Rahmenvereinbarung für stationäre Kinderhospize, in der erstmalig viele wesentliche Inhalte der Kinderhospizarbeit erfasst wurden. Dadurch soll es den einzelnen Trägern ermöglicht werden, mit den Kostenträgern höhere Tagessätze zu vereinbaren, um kostendeckender arbeiten zu können“ (Müller 2018, S. 307). In dieser Rahmenvereinbarung für stationäre Kinderhospize wird bereits in der Präambel darauf hingewiesen, dass die Begleitung bei Kindern über einen langen Zeitraum gehen kann und diese die Wünsche/Bedürfnisse der Familie berücksichtigen soll, um dem Kind ein würdevolles Leben und Sterben zu bieten. Außerdem weisen sie auf eine enge Zusammenarbeit „im Rahmen des regionalen Netzwerkes mit allen an der Versorgung und Begleitung schwerstkranker Kinder Beteiligten“ (GKV-Spitzenverband 2017b, S. 2) hin, sodass Abstimmungs- und Planungsprozesse regional vonstattengehen können. Im Rahmen des §3 der Rahmenvereinbarung heißt es: „Die Trauerbegleitung der Zugehörigen nach dem Tod des Kindes gehört zur konzeptionellen Ausrichtung des Kinderhospizes. Die diesbezüglichen Aufwendungen gehen nicht in die Kalkulation des tagesbezogenen Bedarfssatzes ein“ (ebd. 2017b, S. 7).

In §37 SGB V wird die ambulante (Kinder)Krankenpflege geregelt, welche über die Krankenkasse finanziert wird. Nach §37 Absatz 2a SGB V umfasst dies auch die ambulante Palliativversorgung. Ambulante Kinderhospizdienste benötigen qualifizierte Koordinatoren, um von der Krankenkasse eine finanzielle Unterstützung zu erhalten (§39a Absatz 2 SGB V). Weitere Voraussetzung ist die Zusammenarbeit mit palliativmedizinisch erfahrenen Pflegediensten und Ärzten. Des Weiteren erhalten die ambulanten Kinderhospizdienste die Förderung nur, wenn die Ehrenamtlichen qualifiziert sind und die Dokumentation ihrer Einsätze, Fortbildungen und Supervision erfolgen (Jennessen et al. 2011). In §39a Absatz 2 Satz 5 heißt es: „Die Förderung nach Satz 1 erfolgt durch einen angemessenen Zuschuss zu den notwendigen Personal- und Sachkosten“. „Die Höhe der finanziellen Zuwendungen ist bundeslandspezifisch und von der Anzahl der begleitenden Familien sowie der ehrenamtlichen Helfer abhängig“ (Zernikow et al. 2013, S. 23). Müller 2018 fordert eine eigene Rahmenvereinbarung auch für die ambulanten Kinderhospizdienste, welche den besonderen Anforderungen im Kinder- und Jugendbereich gerecht wird. In §39b SGB V wird das Recht auf eine Hospiz- und Palliativberatung geregelt. Die Krankenkassen sind demnach verpflichtet, individuelle Beratung und Hilfestellung zu leisten. In §39b Absatz 1 Satz 2 heißt es: „Der Anspruch umfasst auch die Erstellung einer Übersicht der Ansprechpartner der regional verfügbaren Beratungs- und Versorgungsangebote“. Dies ist insofern wichtig, da viele Familien oftmals unzureichend über die Möglichkeiten und Angebote informiert sind.

In §37b SGB V wird das Recht auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) geregelt, das seit 2007 durch das Wettbewerbsstärkungsgesetz besteht. Demnach haben Versicherte, die an einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung7 leiden, mit einer begrenzten Lebenserwartung und der Notwendigkeit einer aufwändigen Versorgung (komplexes Symptomgeschehen, die eine spezialisierte und aufwändige Versorgung bedürfen, andere ambulante Versorgungsmöglichkeiten reichen nicht aus) Anspruch auf SAPV (Fachverband SAPV Hessen 2015). „Die Basisversorgung wird von niedergelassenen Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin, Hausärzten, ambulanten Kinderkrankenpflegediensten, ambulanten Kinderhospizdiensten und stationären Kinderhospizen geleistet. Die SAPPV ist im Bedarfsfall ein zusätzliches ärztlich-pflegerisches und psychosoziales Angebot und ergänzt die bestehende Basisversorgung“ (Müller 2018, S. 309). Dies erfordert einen hohen Personal- und Zeitaufwand (ebd. 2018). In §37b Absatz 1 Satz 3 heißt es: „Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung umfasst ärztliche und pflegerische Leistungen einschließlich ihrer Koordination insbesondere zur Schmerztherapie und Symptomkontrolle und zielt darauf ab, die Betreuung der Versicherten nach Satz 1 in der vertrauten Umgebung des häuslichen oder familiären Bereichs zu ermöglichen“. Die besonderen Belange von Kindern sind nach §37b Absatz 1 Satz 6 zu berücksichtigen. Nach §132d SGB V schließt die Krankenkasse mit geeigneten Einrichtungen oder Personen Verträge zur Umsetzung der SAPV. Die Verordnung erfolgt durch einen Vertrags- oder Krankenhausarzt. In der Regel werden SAPPV-Leistungen für drei Monate erbracht. Werden die SAPPV-Leistungen länger benötigt, muss das PCT eine Folgeverordnung bei der Krankenkasse einreichen. „Der Hausarzt kann die Verordnung bis zum Lebensende ausstellen bzw. solange es nötig ist“ (Sitte 2018, S. 177). SAPV „dient dem Ziel, die Lebensqualität und die Selbstbestimmung schwerstkranker Menschen zu erhalten, zu fördern und zu verbessern und ihnen ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod in ihrer vertrauten häuslichen oder familiären Umgebung oder in einer stationären Pflegeeinrichtung zu ermöglichen und stationäre Krankenhauseinweisung verhindern“ (Fachverband SAPV Hessen 2015, S. 220). Auch in stationären Hospizen besteht Anspruch auf SAPPV als Teilleistung. SAPPV ist für die Patienten kostenlos. In Deutschland gibt es über 40 SAPPV-Teams.

„Leistungen der SAPV können als Beratungsleistung, Koordination der Versorgung, additiv unterstützende Teilversorgung oder vollständige Versorgung verordnet werden“ (Fachverband SAPV Hessen 2015, S. 209). Beratungsleistung umfasst die ganzheitliche multiprofessionelle dokumentierte persönliche oder telefonische spezialisierte Beratung des betroffenen Patienten, seiner Angehörigen und der Leistungserbringer: Befunderhebung, Assessment, Einzelberatung oder gemein­same Beratung zu möglichen Maßnahmen oder sozialrechtlichen Fragestellungen (ebd. 2015). Koordination der Versorgung „dient der individuell bedarfsgerechten fachlichen und organisatorischen Vernetzung, Ordnung, Abstimmung und Steuerung der auf den Patienten abgestimmten beteiligten und benötigten Behandlungs- und Versorgungsanteile“ (ebd. 2015, S. 214). Darunter fällt z.B. die gemeinsame Erarbeitung von Therapiezielen oder die Vermittlung von Unter­stützungsangeboten (Kremeike 2019). Additiv unterstützende Teilversorgung meint hierbei die nicht durch die Basisversorgung erbrachten Leistungen nach §5 Absatz 3 der SAPV-Richtlinien (Fachverband SAPV Hessen 2015). Diese wären z.B. die „Erstellung eines multidisziplinären, palliativmedizinischen und -pflegerischen Behandlungsplans“ (Kremeike 2019, S. 281), Krisenmanagement und Rufbereit­schaft. Vollständige Versorgung umfasst alle genannten Aspekte: „Beratung, Koordination und additiv unterstützende Teilversorgung im Rahmen der SAPV-Behandlung“ (Fachverband SAPV Hessen 2015, S. 219). Die Vollversorgung schließt u.a. weitere folgende Leistungen mit ein:

- Symptomlinderung
- Apparative sowie spezialisierte palliativmedizinische Behandlungsmaßnahmen
- Spezialisierte palliativpflegerische Maßnahmen
- 24 Stunden Ruf-, Notfall- und Kriseninterventionsbereitschaft (ebd. 2015).

Ein integrativer Ansatz bedeutet auch hier, z.B. die SAPPV-Teams mit dem ambulanten Kinderhospizdienst zu kombinieren, um so der multiprofessionellen Versorgungsstruktur gerecht zu werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Da in Deutschland die Krankenversorgung in verschiedene Bereiche aufgeteilt ist, müssen insbesondere für die häusliche Versorgung zusätzlich zu der AAPV (Ärzte, Pflegedienste, Therapeuten etc.) die SAPPV-Teams und ambulante Kinderhospizdienste eingesetzt werden (Raischl 2014). Das SAPPV-Team ist multiprofessionell (Berger 2014). Die Basis der AAPV wird somit durch die spezifischen Aufgaben und Leistungen der SAPPV sowie der ambulanten Hospizdienste ergänzt (Raischl 2014). Die AAPV und ihre Leistungen in der Regelversorgung soll durch Vernetzungen und Kooperationen mit ambulanten Pflegediensten, Krankenhäusern, niedergelassenen Vertragsärzten und Vertragsärztinnen, Palliative-Care-Teams, weiteren ambulanten und stationären Hospizdiensten etc. gesichert und kontinuierlich weiterentwickelt werden (Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien, Frauen und Senioren BW 2014). Durch die SAPV sollen Menschen „in ihrer vertrauten häuslichen oder familiären Umgebung“ (Fachverband SAPV Hessen 2015, S. 27) sterben können. SAPV kann jedoch auch in Einrichtungen durchgeführt werden. „Das Team arbeitet von einer Klinik aus und wird in einer speziellen palliativmedizinischen Bedarfssituation in der Klinik, im Hospiz, in anderen Einrichtungen der Kurzzeitpflege oder beim Übergang von der Klinik nach Hause und zu Hause tätig“ (Zernikow et al. 2013, S. 6). SAPV ist bei Kindern bereits ab der Diagnosestellung möglich und somit nicht zeitlich begrenzt. „Bei Kindern und Jugendlichen sind die Voraussetzungen für die SAPV auch als Krisenintervention bei einer länger prognostizierten Lebenserwartung erfüllt“ (Fachverband SAPV Hessen 2015, S. 28). Die Umsetzung, Finanzierung sowie Personalmangel werden jedoch häufig bemängelt. Besonders im Bereich der pädiatrischen Palliativversorgung bestehen hohe finanzielle Kosten, erheblicher Fachkräftemangel und unzureichende flächendeckende Angebote (Schraut 2014). Besonders im Bereich der Pädiatrie bedarf es eine ausreichende Verfügbarkeit von SAPPV-Teams und eine kontinuierliche Sicherstellung einer bundesweit ausreichenden bedürfnis- und bedarfsgerechten Versorgung und Begleitung von Kindern und ihren Familien in den verschiedenen Versorgungsangeboten (Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien, Frauen und Senioren BW 2014). Hierfür ist eine Vernetzung untereinander Voraussetzung, um für die jeweilige Situation die bestmögliche Versorgung und nahtlose Übergänge z.B. vom stationären in den ambulanten Bereich schaffen zu können. Auch ist eine bessere Beratung aller Beteiligten über die Angebote der AAPV, SAPV und weiterer Hospizdienste erforderlich (ebd. 2014). „Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass nahezu alle Kinder mit einer zum Tode führenden Erkrankung im Verlauf mehrfach eine so schwere Symptomatik entwickeln, dass sie einer spezialisierten palliativmedizinischen und -pflegerischen Betreuung bedürfen“ (ebd. 2014, S. 31). SAPPV-Leistungen sind regional verschieden und erfordern einen hohen Aufwand durch den Einsatz multiprofessioneller Teams und der 24h-Rufbereitschaft an sieben Tagen die Woche. Auch im Bereich der SAPPV spielt Qualitätsmanagement eine wichtig Rolle, insbesondere aus dem Grund, dass jedes PCT nach anderen Strukturen arbeitet sowie jedes Kind und seine Familie andere Ressourcen, Bedarfe und Bedürfnisse hat und somit unterschiedliche Versorgungssituationen resultieren. Eine kontinuierliche Evaluation, Fortbildung als auch Supervision sollte jedem PCT zur Verfügung stehen (ebd. 2015). Während der Aufbau von Kinderhospizen größtenteils gut gefördert wird, ist der Aufbau von pädiatrischen Palliative-Care-Teams für die SAPPV oder pädiatrischen palliativmedizinischen Konsiliardiensten in Deutschland noch nicht weit fortgeschritten. Oftmals scheitert es aufgrund „Budgetverhandlungen zwischen Kostenträgern und möglichen Anbietern“ (Zernikow et al. 2013, S. 21).

2.7 Pädiatrische Palliative Care und Soziale Arbeit

„Die Soziale Arbeit gehört zu den wichtigsten und am meisten unterschätzten Berufen in der Betreuung Schwerstkranker und Sterbender“ (Borasio 2011, S. 82). Dieses Zitat wird in der gesichteten Literatur sehr häufig zitiert, wenn die Soziale Arbeit und ihre Bedeutung für die Palliative Care thematisiert wird. Palliative Care steht für Multiprofessionalität. Dieser Gedanke geht auf Cicely Saunders zurück, die selbst sowohl Ärztin, Krankenschwester als auch Sozialarbeiterin war. „Sie verdeutlicht, dass man die Sorgen und Ängste von PatientInnen nicht aus der Perspektive einer einzigen Disziplin heraus angehen kann“ (Pleschberger 2017, S. 36). Zu diesem multiprofessionellem Team zählt daher auch die Soziale Arbeit. Für die Soziale Arbeit besteht in diesem Handlungsfeld jedoch oftmals eine unklare Rollenzuschreibung, da viele mit diesem Thema in ihrem Studium nicht vertraut und sterbende Kinder nicht immer als eine Zielgruppe der Sozialen Arbeit angesehen werden (Pichler 2011). Aus diesem Grund ist die Soziale Arbeit im Bereich der Palliative Care oftmals eine noch nicht geachtete Profession und steht in einem Kampf, „unabdingbarer Bestandteil palliativer Versorgungsstrukturen zu sein“ (Pankofer 2014, S. 23). Sozialarbeitende müssen „einen Einblick in das Familiensystem und die Beziehungen der einzelnen Mitglieder zueinander bekommen, um situationsangepasste und adäquate Hilfe leisten zu können“ (Pichler 2011, S. 49). Sie beraten zu begleitenden Hilfen (z.B. Kinderhospizdienste), nachstationären Hilfen (z.B. Versorgungsmöglichkeiten, Organisation von SAPPV, Hilfsmittel), sozialen und sozialrechtlichen Themen (z.B. Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung, Hilfe bei sozialen Notlagen) (Göth et al. 2018). Eine zusätzliche „Dienstleistung Sozialer Arbeit ist die nachgehende Betreuung der Trauernden, z.B. telefonische Einzelberatung, Initiierung von Trauergruppen, Zugehörigentreffen, Erinnerungsveranstaltungen u.Ä.“ (ebd. 2018, S. 61). Hierfür benötigen Sozialarbeitende sowohl Wissen über Trauerprozesse, Können im Bereich der Trauerverarbeitung und der Krisenintervention sowie eine „gesicherte emotionale Basis“ (Student et al. 2016, S. 98).

Sozialarbeitende helfen mit ihrer systemischen, ganzheitlichen Sichtweise bei rechtlichen, finanziellen, sozialen und persönlichen Fragen und Problemen, planen, begleiten, vermitteln und organisieren weitere Hilfen. Wichtig ist eine fächerübergreifende Zusammenarbeit und öffentliche Netzwerkarbeit. Hierbei ist nicht nur fachliche, sondern auch menschliche Kompetenz gefordert: Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, gemeinsame Entscheidungs-/Zielfindung, Zusammentragen von Wissen aus den verschiedenen Professionen (Neuenschwander 2015). Insbesondere Fallbesprechungen, Teamgespräche und multiprofessionelle Gremien spielen dabei eine große Rolle (Pankofer 2014). Die Soziale Arbeit hat die Aufgabe, den Familien ihre Ansprüche aufzuzeigen und einzufordern (Jennessen et al. 2011). Sozialarbeitende beraten die Familien bezüglich Versorgungs- und Entlastungsmöglichkeiten, Selbsthilfe­gruppen/psychosoziale Unterstützung, leisten Krisenintervention und Unter­stützung in weiteren Bereichen wie z.B. im Umgang mit der Krankheit (Pankofer 2014). Sie entwickeln Empowermentstrategien, leisten Netzwerkarbeit, Case Management und psychosoziale Einzelfallhilfe (Fachverband SAPV Hessen 2015). Eine weitere Aufgabe ist es, „das System Familie vor einem Zusammenbruch zu bewahren“ (Pichler 2011, S. 88). Hierbei gilt insbesondere die Ressourcenförderung. So sollten sowohl die persönlichen Ressourcen der Familie (z.B. Selbstwirksamkeit, psychische Stabilität, Resilienz, Copingstrategien), sozialen Ressourcen (soziales Netzwerk), die familiären Beziehungen untereinander sowie auch die materiellen Grundbedürfnisse und Ressourcen gesichert werden. Sozialarbeitende können durch eine offene Kommunikation über die Gefühle der Kinder und ihrer Familien für Entlastung sorgen, sie können die o.g. Ressourcen stärken, was wiederum zu mehr Autonomie und einer besseren Bewältigung führen kann (ebd. 2011). „Soziale Arbeit kann einen wesentlichen Beitrag zur Integration des Sterbens in das Leben leisten“ (ebd. 2011, S. 60). Sozialarbeitende haben des Weiteren den Auftrag, die Kinder und die Familien bei ihrer Auseinandersetzung mit Sterben und Tod zu unterstützen, sie vor Isolation zu bewahren und gesellschaftliche Teilhabe zu fördern (Pankofer 2014). Soziale Arbeit könnte der zunehmenden Fremdbestimmung (z.B. durch die Ärzte) dadurch entgegenwirken, indem sie die Betroffenen stärkt und ermutigt, ihre eigenen Kompetenzen zu nutzen und auszubauen. Dadurch fördert sie das Selbstvertrauen der gesamten Familie (Busche und Strege 1999). „Fachkräfte der Sozialen Arbeit helfen, ein funktionierendes privates und fachliches Unterstützungssystem aufzubauen“ (Wagner 2014, S. 67). Auch können Sozialarbeitende für die Koordination von Ehrenamtlichen eingesetzt werden (Pankofer 2014), dies wird aber häufiger von Pflegefachkräften übernommen (Raischl und Reigber 2014).

In der Studie von Pichler 2011 konnten u.a. folgende Aufgaben für die Soziale Arbeit erarbeitet werden: Netzwerkarbeit, Entlassmanagement, Vermittlung, Organisation, Öffentlichkeitsarbeit. Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit kann es auch sein, sich für notwendige Veränderungen einzusetzen und auf Forschungslücken hinzuweisen. Auch könnte Soziale Arbeit die gesellschaftliche Akzeptanz fördern (Pichler 2011). Des Weiteren kann es eine Aufgabe der Sozialen Arbeit sein, „gesetzliche Defizite in der Versorgung von Betroffenen zu entdecken und auf politischer Ebene darzustellen“ (Pankofer 2014, S. 29 f.).

Besonders in diesem Arbeitsfeld spielt die Psychohygiene sowie Supervision eine große Rolle. Die Arbeit mit schwerkranken und sterbenden Kindern, die Begleitung bis hin zum Tod und darüber hinaus, der Umgang mit Trauer stellen Belastungssituationen dar, mit denen alle Beteiligten, auch die Sozialarbeitenden, konfrontiert werden.

„Soziale Arbeit steht vor der Herausforderung, sich selbst in diesem Handlungsfeld ihren methodischen, praktischen und theoretischen Befähigungen entsprechend zu positionieren und ihre Aufgaben bezüglich der Bedarfsdeckung sterbender Kinder und deren Primärangehöriger herauszukristallisieren“ (Pichler 2011, S. 165). Hierzu sollten auch empirische Forschungen zählen, die bekräftigen, dass Soziale Arbeit ein wichtiger Bestandteil für die Palliative Care darstellt (Wagner 2014). Grundvoraussetzung für die Arbeit ist auch hier die hospizliche Haltung „und erst danach eine spezifische Fachlichkeit“ (Student et al. 2016, S. 44). Soziale Arbeit kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass Sterben und Tod von Kindern in der Gesellschaft enttabuisiert wird (Busche und Strege 1999). „Zusätzlich zu einer flächendeckenden Versorgungsstruktur müssten hospizliche Grundsätze in Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens und generell im Gemeinwesen implementiert werden – ein weiteres Handlungsfeld Sozialer Arbeit“ (Student et al. 2016, S. 34).

Es gilt für die Soziale Arbeit „das Kompetenzprofil zu schärfen, die Selbstdarstellung zu verbessern, die Professionalität zu beweisen und sich durch Leistung unersetzlich zu machen“ (ebd. 2016, S. 157). Die Sektion „Soziale Arbeit“ der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin setzt sich hierbei für notwendige Veränderungen ein.

3 Die Lebenssituation betroffener Kinder und Familien

In den nachfolgenden Kapiteln werden die verschiedenen lebenslimitierenden Erkrankungen von Kindern erläutert und es wird auf die Lebenssituation der Kinder, Familien und der Geschwister eingegangen. Darüber hinaus muss man das Verständnis von Tod im Laufe der kindlichen Entwicklung berücksichtigen, welches in Kapitel 3.3 näher betrachtet wird.

3.1 Lebenslimitierende Erkrankungen im Kindesalter

Lebensverkürzende Erkrankungen zeichnen sich durch ihre „Unheilbarkeit (no reasonable hope of cure), die zunehmende Verschlechterung des Gesundheitszustandes (progressive deterioration) und ein an der altersgemäßen Morbiditätsrate gemessener früher Tod“ (Jennessen et al. 2011, S. 14 f.) aus. Lebensbedrohliche Krankheiten sind Krankheiten, deren Heilung zwar in Betracht kommt, die Therapien jedoch oftmals nicht zum Erfolg führen (ebd. 2011). „Das Krankheitsspektrum im Kindesalter ist umfangreicher als jenes der Erwachsenen, mit einem großen Anteil sehr seltener Erkrankungen“ (Streuli et al. 2018, S. 14). Die lebenslimitierenden Erkrankungen bei Kindern können in vier Gruppen unterteilt werden:

- Gruppe 1 der lebensbedrohlichen Erkrankungen, bei denen zwar kurative Therapien möglich sind, diese jedoch scheitern können, z.B. maligne Tumoren, irreversibles Organversagen, Herzfehler
- Gruppe 2 der Erkrankungen, die nur mit intensiver Therapie zu Verlängerung des Lebens führen, z.B. Muskeldystrophie, zystische Fibrose
- Gruppe 3 der progressiv verlaufenden Erkrankungen ohne kurative Therapien, z.B. angeborene Stoffwechseldefekte, neuromuskuläre Erkrankungen
- Gruppe 4 der irreversiblen, nicht progressiven Erkrankungen mit starken neurologischen Beeinträchtigungen und einer hohen Wahrscheinlichkeit eines frühen Versterbens, z.B. Zerebralparese (Flood 2014; Streuli et al. 2018).

Die progressiven Erkrankungen können akut oder chronisch verlaufen (Jennessen et al. 2011). Viele dieser Krankheiten sind mit „erheblichen Einschränkungen des Wahrnehmungsvermögens und der Kommunikationsfähigkeit“ (Wingenfeld und Mikula 2002, S. 7) verbunden. „Kinderhospizarbeit setzt ein, wenn es sich um fortschreitende Erkrankungen mit hoher Sterbewahrscheinlichkeit oder akuter Lebensbedrohung handelt“ (Ahrens 2007, S. 124).

Die Besonderheiten in der Pädiatrischen Palliative Care sind insbesondere die verschiedenen Lebensalter (z.B. Kleinkinder oder Jugendliche), das große Krankheitsspektrum mit oftmals schweren Beeinträchtigungen und Behinderungen, die oftmals lange Dauer der Krankheiten und der daraus resultierende hohe Pflege-, Betreuungs- und Zeitaufwand, die unterschiedlichen Entwicklungsstände der Kinder, die verschiedenen Bedürfnisse, viele seltene Erkrankungen sowie insgesamt wenige Fallzahlen (Müller 2018).

3.2 Die Lebenssituation erkrankter Kinder

Kinder mit lebenslimitierenden Erkrankungen haben diese in der Regel seit der frühen Kindheit, leiden unter Schüben bzw. Verstärkung ihrer Symptome und der Irreversibilität und einer Prognose, die den „Tod im Kindes-, Jugend- oder frühen Erwachsenenalter“ (Leyendecker und Lammers 2001 S. 17 f.) hervorruft. Zu der Lebenssituation erkrankter Kinder fehlt es an ausreichender Forschung im deutschsprachigen Raum. „Es existieren kaum Erkenntnisse darüber, wie Kinder und Jugendliche ihre Situation wahrnehmen und bewältigen, welche Bedürfnisse sie haben oder welche Anforderungen sie an eine ´adressatengerechte´ Versorgung stellen“ (Oetting-Roß 2019, S. 141). Somit können nicht viele Informationen über die Situation lebenslimitierend erkrankter Kinder und Jugendlicher aus deutschen Forschungsergebnissen herangezogen werden. Ähnliche AUC DUAUCH Ähnliche Forschungsergebnisse, z.B. hinsichtlich der Situation und Perspektive von an Duchenne Muskeldystrophie erkrankten jungen Männern von Volker Daut 2005, können nur schwer verallgemeinert werden. In dieser qualitativen Studie geht es um die Situation und Bewältigung der lebensverkürzenden Krankheit (Muskeldystrophie). Für die betroffenen jungen Männer war der Wahrheitsgehalt des vermittelten Wissens über die eigene Krankheit wichtig. Das Ärztepersonal stellte für sie wichtige Bezugspersonen dar. Des Weiteren sprachen sie über ihre Ängste, Sorgen und die Schwierigkeit, Entscheidungen zu treffen. Sie forderten insbesondere mehr Verständnis und Ehrlichkeit (Daut 2005). Ferner existiert eine Studie zum pädagogischen Umgang mit Tod, Sterben und Trauer in der Schule mit dem Ziel einer besseren Förderung und sozialer Eingliederung Betroffener (Ortmann und Jennessen 2003). Der Fokus liegt in dieser Studie auch auf den Copingstrategien der beteiligten pädagogischen Fachkräfte und der Schulklasse und auf der schulischen Situation der betroffenen Kinder. Als Ergebnis dieser Studie lässt sich u.a. feststellen, dass Lehrkräfte oftmals unzureichend qualifiziert für diese belastende Situation sind und es einen Bedarf an entsprechenden Fortbildungen gibt. Durch die öffentliche Tabuisierung von Kindheit und Tod sowie die eigene Verdrängung der Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben fällt insbesondere auch die offene Kommunikation über solche Themen mit den Schülern schwer. Es besteht Unsicherheit im Umgang mit den betroffenen Kindern (ebd. 2003). Die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit und entsprechende Supervision sind jedoch für die Beteiligten sehr wichtig (Jennessen et al. 2011). Leyendecker und Lammers 2001 haben problemzentrierte Interviews an Sonderschulen mit Lehrern und Schülern bezogen auf die Begleitung und den Umgang mit betroffenen Kindern, die Bedeutung der eigenen Erfahrungen und Auseinandersetzungen mit Leben, Sterben und Tod sowie die schulische Aufarbeitung thanataler Themen ausgewertet. Das Ergebnis hierbei war u.a., dass es zunehmend mehr Begleitungserfahrungen von Lehrpersonen mit lebenslimitierend erkrankten Kindern gibt und die Lehrpersonen sich intensiv mit dem eigenen Sterben und Tod auseinandergesetzt haben (Leyendecker und Lammers 2001). Diese Auseinandersetzung führte zu einer besseren Begleitung. Jedoch wurde auch die hohe psychische Belastung der Lehrenden, Unsicherheiten im Umgang mit den Fragen der Schüler und die häufig fehlende Unterstützung im Kollegium bemängelt (ebd. 2001). In Bürgin 1978 geht es um eine Untersuchung über das Erleben und den Umgang der Kinder und ihrer Familien mit einer lebenslimitierenden Erkrankung und um eine erfolgreiche Kommunikation und Hilfe. Hierbei wurden über 30 Kinder und Jugendliche von 3-13 Jahren, die Eltern und sieben Geschwister befragt und beobachtet, auch Zeichnungen der Kinder wurden interpretiert und projektive Tests durchgeführt. Als Ergebnis dieser schweizerischen Untersuchung lässt sich u.a. festhalten, dass Kinder unterschiedlich mit ihren Krankheiten umgehen, unterschiedlichen Wissensbedarf hierüber haben sowie oftmals Ängste und Phantasien besitzen, die durch unzureichende Kommunikation zu Schweigen und Einsamkeit führen können (Bürgin 1978). Die Interpretationen dieser Studie sind jedoch sehr subjektiv, aus psychoanalytischer Sicht beschrieben und stammen aus einer Zeit, in der die Kinderhospizbewegung in Deutschland noch nicht existierte.

„Um die Belastung eines Kindes zu erkennen und den kindlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, gilt es seine subjektive Sicht zu erfassen und zu berücksichtigen“ (Oetting-Roß 2019, S. 139). In dem 2016 erschienenen wissenschaftlichen Artikel „Qualitative Forschung mit lebenslimitierend erkrankten Kindern und Jugendlichen: Hören wir richtig hin?“ von Oetting-Roß et al. behandeln die Autoren das sensible Thema der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen mit lebensverkürzenden Erkrankungen in der qualitativen Forschung. Hierbei greifen sie ethische und methodische Problemstellungen auf und diskutieren die Situation der erkrankten Kinder. Es werden die Herausforderungen, Strategien und Methoden für eine Beteiligung von betroffenen Kindern, Jugendlichen und deren Familien an der Forschung näher erläutert. Vor dem Hintergrund, dass sich die Forschung bisher nicht intensiv mit den individuellen Perspektiven der erkrankten Kinder auseinandersetzt, diese aber Voraussetzung für eine bedarfsgerechte pädiatrische Palliativversorgung sind, betonen die Autoren die Notwendigkeit des ethisch korrekten Einbezugs von betroffenen Kindern in die qualitative Forschung und gehen auf die Rahmenbedingungen für das Forschungsvorhaben ein. Gerade bei nicht-kommunizierfähigen Kindern bestehen methodische Herausforderungen in der Forschung. Hierbei werden oftmals Bildinterpretationen, Fragebögen, Teilnehmende Beobachtungen durchgeführt. Die palliative Versorgung dieser Kinder ist zahlreichen Schwierigkeiten ausgesetzt, z.B. müssen die individuellen Krankheitsdimensionen oder auch die jeweilige kindliche Entwicklungsphase beachtet werden (Oetting-Roß et al. 2016). Eine weitere Herausforderung besteht darin, zu erkennen, inwieweit die betroffenen Kinder tatsächlich in der Lage sind, selbstständig zu entscheiden, ob sie an einer Studie teilnehmen möchten. Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Forschenden und Kindern mit lebensverkürzenden Erkrankungen ist grundlegend für den Gewinn in diesem Forschungsgebiet. Dies wird jedoch bisher kaum beachtet. So sind die bisherigen Forschungsresultate nicht besonders aussagekräftig. Auch sollten sich die Forschenden eingehender mit der Kommunikation mit dieser Zielgruppe beschäftigen, das Abhängigkeitsverhältnis beachten und dabei auch mehr Verständnis für das individuelle Familiensystem entwickeln. Nicht zuletzt dadurch könnte die Perspektive von Kindern mit lebenslimitierenden Erkrankungen besser erhoben und verstanden werden, was dann wiederum zu einer besseren palliativen Versorgungssituation führen würde (ebd. 2016).

In einer eigenen Studie über die „Situation und Perspektive lebenslimitierend und lebensbedrohlich erkrankter Kinder und Jugendlicher in häuslicher Palliativversorgung“ (Oetting-Roß 2019, S. 140) konnte mithilfe der Grounded Theory, halbstrukturierten, leitfadengestützten Interviews inklusive narrativen Elementen und spielerischen Interaktionen sowie Beobachtungen mit neun Kindern/Jugendlichen u.a. folgende Sicht der erkrankten Kinder und Jugendlichen auf ihre Lebens- und Versorgungssituation festgestellt werden:

- Die Versorgungssituationen gestalteten sich unterschiedlich: professionelle häusliche Pflege, ausschließliche Pflege durch die Familie, Pflege durch ein SAPPV-Team, nicht alle hatten Begleitung durch den ambulanten Kinderhospizdienst, teilweise Nutzung von familienentlastenden Diensten
- Unterschiedliche Schulformen wurden besucht: Sonderschulen für körperbehinderte Kinder, Inklusion in einer Grundschule
- Kinder betonten überwiegend das Leben im Hier und Jetzt, hatten oft positives Selbstbild
- Grad der Beteiligung und Teilhabe z.B. am Familienleben oder in der Schule und die emotionale und körperliche Befindlichkeit waren abhängig davon, ob das Kind „gute oder schlechte“ Tage erlebt hat, schlechte Tage führten zu einem Rückzug
- Viele Kinder phantasierten über Fähigkeiten, die sie nicht hatten à „Trauer über körperliche Verlusterfahrungen“ (Oetting-Roß 2019, S. 149)
- Fehlendes Einfühlungsvermögen und mangelndes Vertrauen, Ausgrenzung und nicht notwendige Sonderbehandlungen, Reduzierung auf Krankheitsmerkmale stellten eine zusätzliche Belastung für die Kinder dar
- Fehlender Kontakt zu Gleichaltrigen wurde bemängelt sowie Abbruch von Freundschaften, Geschwister hatten eine hohe Bedeutung
- Stigmatisierung, Defizitorientierung, Vergleiche und Vorurteile erlebten sie sowohl in ihrer Lebenswelt als auch innerhalb des Versorgungssystems
- Manchmal vorherrschende Sprachlosigkeit und Unsicherheit hinsichtlich des emotionalen Empfindens zwischen den Eltern und den Kindern
- Abläufe wie aufwendige Pflege, spezielle Interventionen oder tägliche Therapien verhinderten, dass die Kinder genügend Zeit für sich oder Freizeitaktivitäten hatten à Einengung, Monotonie und Angewiesensein auf Hilfe (Fremdbestimmungs- und Abhängigkeitsgefühl)

[...]


1 Siehe Kapitel 2.4

2 Siehe Anhang

3 Einzelne Ergebnisse werden in den entsprechenden Kapiteln vorgestellt

4 Siehe Anhang

5 Siehe Anhang

6 Siehe Anhang

7 Definitionen siehe 2.1

Ende der Leseprobe aus 118 Seiten

Details

Titel
Palliative Versorgung und Begleitung schwer erkrankter Kinder und ihrer Familien. Wenn ein Kind nicht mehr geheilt werden kann
Autor
Jahr
2021
Seiten
118
Katalognummer
V593479
ISBN (eBook)
9783963551086
ISBN (Buch)
9783963551093
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pädiatrische Palliative Care, Tod und Trauer, Trauerbegleitung, Kinderhospizarbeit, Soziale Arbeit, Öffentlichkeitsarbeit
Arbeit zitieren
Clara Schießle (Autor:in), 2021, Palliative Versorgung und Begleitung schwer erkrankter Kinder und ihrer Familien. Wenn ein Kind nicht mehr geheilt werden kann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/593479

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Titel: Palliative Versorgung und Begleitung schwer erkrankter Kinder und ihrer Familien. Wenn ein Kind nicht mehr geheilt werden kann



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