Der Industrial Relations Act - Ein Misserfolg für die Regierung Heath


Hausarbeit, 2000

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung in Programmatik und Problematik des Industrial Relations Act

2. Der Industrial Relations Act. Ein Misserfolg für die Regierung Heath
2.1. Unbelehrbarkeit
2.2. Kompromisslosigkeit
2.3. Ungründlichkeit
2.4. Fehleinschätzungen
2.5. Fehlende Standhaftigkeit
2.6. Dauerbelastung und Scheitern

3. Schlussbemerkung

1. Einführung in Programmatik und Problematik des Industrial Relations Act

Im Jahr 1971 versuchte die britische Regierung unter Premierminister Edward Heath durch die Implementierung des Industrial Relations Act die Arbeitsbeziehungen des Landes grundlegend neu zu regeln,[1] um die hinter den anderen europäischen Staaten[2] zurückgebliebene wirtschaftliche Entwicklung zu verbessern.[3] Ein Jahr nach dem überraschenden[4] Wahlsieg im Juli 1970 für Heath und seine Conservative Party trat somit das erste Gesetz der britischen Geschichte in Kraft, welches die Industrial Relations in einem umfassenden Maße regeln[5] und dabei die Rechte der Gewerkschaften drastisch einschränken sollte.

Noch kurz nach dem Wahlsieg erfreute sich der Industrial Relations Act samt seiner Hoffnung auf einen Wirtschaftsaufschwung einer überwältigenden Popularität innerhalb der britischen Gesellschaft.[6] Doch noch im selben Jahr, indem der Industrial Relations Act in Kraft trat, wurde klar, dass das Gesetz ein Misserfolg für die Regierung Heath werden sollte. 1972 ließen sich die gesetzlichen Neuregelungen in der ursprünglichen Form nicht mehr aufrecht erhalten. Vielmehr wurde das Gesetz zu einer Dauerbelastung für die Regierung, so dass sie im Februar 1974 Neuwahlen ausschrieben ließ und hier der Labour Party unterlag.[7]

Im folgenden soll nun untersucht werden, wie es dazu kommen konnte, dass der Industrial Relations Act zu einem Misserfolg für die Regierung Heath wurde und letztlich ihr Scheitern verursachte. Dies soll anhand mehrerer Teilbereiche verdeutlicht werden, in denen die politische Tätigkeit der Regierung Heath in Verbindung mit dem Gesetz zu dieser Entwicklung beigetragen hat.

2. Der Industrial Relations Act. Ein Misserfolg für die Regierung Heath

2.1. Unbelehrbarkeit

Die Implementierung des Industrial Relations Act war wohl der bis dahin ehrgeizigste Versuch, die Arbeitsbeziehungen in Großbritannien zu reformieren.[8] Der Regierung Heath müssen dabei aber durchaus strategische oder handwerkliche Fehler vorgeworfen werden, was die Konzeption des Industrial Relations Act anbetrifft. So hätte sie etwa bereits aus den schlechten Erfahrungen lernen können, die ihre Vorgängerregierung mit einem dem Industrial Relations Act ähnlichen, aber unverwirklichten Gesetzesvorschlag gemacht hatte.[9]

Teile der Konzeption und der Ziele des Industrial Relations Act waren daher keineswegs ein politischer Neuansatz der Regierung Heath. Vielmehr hatte die Arbeitsministerin der damaligen Labourregierung, Barbara Castle, bereits 1969 entgegen der Empfehlung einer Kommission, die von Premierminister Wilson eingesetzt wurde und kleine Reformschritte anstatt einer großen Reform vorschlug,[10] einen Gesetzesvorschlag eingebracht,[11] der dem Industrial Relations Act ähnlich war, insgesamt aber nicht ganz so weit ging.[12]

Das in dem Weißbuch „In Place of Strife“ veröffentlichte Gesetzesvorhaben sollte das Streikrecht der Gewerkschaften einschränken, da dieses als mitverantwortlich für die krisenhafte wirtschaftliche Situation Großbritanniens galt.[13] Doch obwohl der Plan auf breite Zustimmung in der Öffentlichkeit stieß,[14] wurde er letztlich verworfen. Dabei leisteten nicht nur die Trade Unions massiven Widerstand. Es bestand außerdem eine große Mehrheit unter den Abgeordneten der Labour Party im House of Commons, die sich gegen das Gesetz aussprachen, und sogar einige Regierungsmitglieder schlossen sich der Auffassung an,[15] das Gesetz nicht durchzusetzen.[16] Denn schließlich war es praktisch ein ungeschriebenes Gesetz, dass keine Labour Party jemals die Immunität der Gewerkschaften oder das alteingesessene System der Arbeitsbeziehungen antasten sollte.[17]

Hätte die Regierung Heath also aus den Schwierigkeiten ihrer Vorgängerregierung gelernt, dann hätte sie nicht zu viele Reformschritte auf einmal vornehmen dürfen und hätte auf eine schnelle radikale Entmachtung der Gewerkschaften verzichten müssen.[18] Vielmehr hätte sie, wie der Regierung Wilson einst von der von ihr eingesetzten Reformkommission angeraten wurde, kleine Reformschritte implementieren müssen, um die Proteste der Gewerkschaften klein zu halten und eine wirkliche Chance auf die Verwirklichung einer großen Reform der Arbeitsbeziehungen zu haben. Indem die Regierung Heath dies aber nicht befolgte und die Warnsignale unter der Vorgängerregierung schlichtweg ignorierte, war ein massiver Protest der Gewerkschaften und ein Scheitern der Gesetzgebung vorprogrammiert.

2.2. Kompromisslosigkeit

Ein weiterer Fehler der Regierung Heath war ihre Beharrlichkeit, mit der sie den Industrial Relations Act mit aller Macht durchsetzen wollte. Diese Inflexibilität und Kompromisslosigkeit trug sicherlich dazu bei, den Widerstand der Gewerkschaften zu verstärken, die durch das Gesetz in ihrer Macht stark beschnittenen wurden.

Bei sehr großen Reformen, wie sie die Neuregelung der Arbeitsbeziehungen zweifellos darstellte, war es üblich, das Reformvorhaben vor der Implementierung des Gesetzes genügend lang mit der Opposition im House of Commons zu diskutieren und möglichst einen Kompromiss zu finden. Eine große Aussprache über den Industrial Relations Act fand zwar statt, doch wurden ganze Passagen – darunter auch sehr wichtige wie die Einsetzung des National Industrial Relations Court – aufgrund mangelnder Zeit überhaupt nicht angesprochen[19] und so stieß das Gesetz während der gesamten Zeit seiner Existenz auf erbitterten Widerstand der Labour Party.[20]

Mit dem Trade Union Congress (TUC), den die Regierung extra eingeladen hatte, kam zwar eine Diskussion über die Folgen des Gesetzes zustande,[21] doch hatte Arbeitsminister Carr unmissverständlich klar gemacht, dass die einzelnen Bestandteile des Industrial Relations Act nicht verhandelbar seien und exakt nach der im Wahlprogramm aufgeführten Konzeption durchgeführt würden.[22] Hiernach boykottierte der TUC, weitere Gespräche über das Gesetz zu führen[23] und auflagenstarke Zeitungen wie The Economist riefen der Regierung nochmals in Erinnerung, dass das Gesetz eigentlich die Industrial Relations verbessern sollte.[24]

Aber auch innerhalb der parlamentarischen Conservative Party war der Industrial Relations Act nicht unumstritten. Einige konservative Abgeordnete monierten, dass einige Passagen des Gesetzes zu weit auslegbar seien. Andere Abgeordnete der Conservative Party zweifelten an der Methode, die Industrial Relations durch ein Gesetz neu zu regeln. Sie hielten es für besser, die Reform durch einen Konsens mit der Opposition und den Gewerkschaften zu verabschieden. Damit wollten sie einem möglichen Protest der Gewerkschaften aus dem Weg gehen, der bei einer gesetzlich vorgegebenen Lösung drohen konnte.[25]

Dennoch beharrte die Regierung Heath darauf, das Gesetz zu verabschieden und auch, nachdem es zu zahlreichen Streiks und Massendemonstrationen gegen den Industrial Relations Act gekommen war, bevor das Gesetz im August 1971 überhaupt in Kraft trat, veranlassten diese ersten Warnsignale die Regierung nicht dazu, das Gesetz zurückzunehmen oder zu modifizieren.[26] Diese kompromisslose Haltung, das Gesetz unbedingt durchsetzen zu wollen, sollte später dazu beitragen, dass die Neuregelung der Arbeitsbeziehungen misslang und zum Scheitern der Regierung beitrug.

2.3. Ungründlichkeit

Zu den Fehlern, die zum Misserfolg des Industrial Relations Act beitrugen, gehört auch die Ungründlichkeit der Regierung Heath.

Der Industrial Relations Act verpflichtete die verschiedenen Gewerkschaften, den Anordnungen des extra eingerichteten National Industrial Relations Court (NIRC) Folge zu leisten und sich bei diesem registrieren zu lassen, um als Tarifpartei anerkannt zu werden.[27] Dabei sollte der NIRC eine Art unabhängiges Gericht für die Industrial Relations darstellen, letztlich war er aber ein Instrument der Regierung, das deren Entscheidungen in die Tat umsetzte.[28] Daher bedeutete diese Bindung des NIRC einen Verlust der Unabhängigkeit, den die Judikative gegenüber der Exekutive haben sollte, und somit auch einen Verlust an Glaubwürdigkeit, die Arbeitsbeziehungen nach freiem Ermessen regeln zu können.[29]

Ein Hauptziel des Industrial Relations Act war, Streiks so weit wie möglich einzudämmen und zu verhindern. Dazu konnte eine vom NIRC angeordnete Abkühlungsperiode (cooling-off period) beitragen, die offizielle Streiks für sechzig Tage aussetzte, falls die gesamte Wirtschaft von dem Streik betroffen oder ein offizieller Notstand zu befürchten war.[30] Nach Ablauf der sechzig Tage hoffte die Regierung, die Gründe für den Streik bereits beseitigt zu haben.[31]

In der Praxis funktionierten diese Grundsätze aber nicht. Zwar ließ das NIRC konsequenterweise 32 Gewerkschaften suspendieren, die sich nicht registrieren hatten lassen.[32] Auch wurden außerdem einige Hafenarbeiter verhaftet[33] und die Transport and General Workers Union mit einer empfindlichen Geldstrafe belegt,[34] weil sie die Anordnungen des NIRC nicht befolgt hatten. Doch stieß dies natürlich auf noch verstärktere Proteste und der Trade Union Congress beschloss, die Suspendierungen und Strafen zu missachten und das Gesetz schlichtweg durch Streiks zu sabotieren. Die cooling-off period wurde weitgehendst ignoriert[35] und daher lediglich einmal angewandt, wobei sie nicht die erhoffte streikverhindernde Wirkung hatte.[36]

[...]


[1] Colneric 1979, S.1.

[2] Crafts 1992, S.44.

[3] Childs 1992, S.223.

[4] Kluxen 1985, S.845. Edward Heath war bereits vier Jahre zuvor gegen Harold Wilson angetreten und hatte dort das schlechteste Wahlergebnis für die Conservative Party seit 1945 erzielt. Vgl. Blake 1997, S.303. Außerdem besaß Heath sowohl allgemein, als auch in seiner eigenen Partei, keine großen Sympathiewerte. Vgl. Ball 1987, S.185.

[5] Taylor 1994, S.525.

[6] Campbell 1993, S.364.

[7] Kluxen 1985, S.847.

[8] Peele 1995, S.8.

[9] Childs 1992, S.223.

[10] Die nach ihrem Vorsitzenden benannte Donovan-Kommission hatte die Aufgabe Empfehlungen für eine Neureglung der Arbeitsbeziehungen abzugeben. Kastendiek betont hierbei, dass die Reformvorschläge noch weitgehend dem free collective bargaining folgten. Vgl. Kastendiek 1998, S.339. Childs hingegen erwähnt den Vorschlag der Kommission, die Immunität der Haftbarmachung für inoffiziell Streikende abzuschaffen. Vgl. Childs 1992, S.208.

[11] Leitolf 1995, S.288.

[12] Kastendiek 1998, S.341.

[13] Sturm 1997, S.29.

[14] Leitolf 1995, S.288.

[15] Stacey 1975, S.48.

[16] Sturm 1997, S.204.

[17] Peele 1995, S.197.

[18] Taylor 1994, S.525.

[19] Campbell 1993, S.368.

[20] Campbell 1993, S.365.

[21] Moran 1983, S.279.

[22] Dorey 1995, S.88.

[23] Moran 1983, S.279.

[24] Campbell 1993, S.365.

[25] Dorey 1995, S.90-91.

[26] Fetscher 1978, S.266.

[27] Sturm 1997, S.30. Hierbei wurden nur Gewerkschaften als Tarifpartei akzeptiert, die die Bestimmungen des Industrial Relations Act akzeptierten und in die Tat umsetzten. Vgl. Windolf 1983, S.35.

[28] Campbell 1983, S.461.

[29] Colneric 1979, S.451.

[30] Friebel 1982, S.40.

[31] Kastendiek 1998, S.340.

[32] Childs 1992, S.224.

[33] Blake 1997, S.314.

[34] Stacey 1975, S.49.

[35] Kluxen 1985, S.847.

[36] Colneric 1979, S.477.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Industrial Relations Act - Ein Misserfolg für die Regierung Heath
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Note
1,3
Autor
Jahr
2000
Seiten
20
Katalognummer
V59314
ISBN (eBook)
9783638532938
ISBN (Buch)
9783638752640
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Industrial, Relations, Misserfolg, Regierung, Heath
Arbeit zitieren
Dirk Wippert (Autor:in), 2000, Der Industrial Relations Act - Ein Misserfolg für die Regierung Heath, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59314

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