Die Beziehung zwischen Mann und Frau bei D.H. Lawrence am Beispiel der Romane Women in Love und Lady Chatterley's Lover


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

24 Seiten, Note: 2


Leseprobe


INHALT

I. Der Autor D.H. Lawrence

II. Women in Love
1. URSULA & BIRKIN
2. GUDRUN & GERALD

III. Lady Chatterley’s lover

IV. Das Konzept der Liebe

Bibliographie

I. Der Autor D.H. Lawrence

Der 1885 geborene D.H. Lawrence gilt als einer der bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Während bei Werken des 19. Jahrhunderts wie etwa bei Thomas Hardy ein sorgfältig konstruierter plot mit einem wohlkonstruierten Handlungsschema nachweisbar ist, vertraut Lawrence der Eigendynamik seines Entwurfs, die durch die Polarität der Geschlechter entsteht[1]. Lawrence konzentriert sich immer wieder auf die Darstellung des „irrationalen Bereich[s], der sich den Menschen über den Instinkt, das Gefühl, [und] die Sexualität erschließt [...].“[2]

Harenbergs Lexikon der Weltliteratur fasst den Reiz, den die Werke eines Lawrence ausmachen wie folgt zusammen:

Als Antwort auf die Krise des Zeitalters stellte Lawrence eine Sexualphilosophie auf, die den Liebesakt als Urkraft des Lebens begreift und ihn als Basis einer wahren Beziehung wie auch als Möglichkeit zu innerer Regeneration sieht. Seine Charaktere bemühen sich angesichts der antithetischen Spannung zwischen Leben und Mechanisierung, den destruktiven Kräften von Industrialisierung und überbewerteter Rationalität standzuhalten.[3]

Der Autor Lawrence schreibt über die Liebe und die Beziehung zwischen den Geschlechtern.

Liebe bewirkt nicht die Verschmelzung und damit (nach Lawrence) die Auflösung eines oder zweier Menschen, sondern ruft die Steigerung ihres Seins hervor. Jeder wahrt seine Individualität und mit ihr seine Freiheit, die jedoch nicht als eine schrankenlose Willkürfreiheit verstanden wird, sondern als eine, die den ständigen Bezug zum Partner wahrt, durch den die beschriebene Seinssteigerung erzielt wurde.[4]

Jedoch sind die sich entwickelnden Beziehungen „[...[ less between stable personalities than between forces of the human psyche.“[5] Seine Romane sind jenseits aller damals geltenden Konventionen und provozieren Skandale. „Er versteht seine Welt als Experimentierfeld, in denen die Aktionen und Reaktionen der Menschen in einer Wirklichkeit gezeigt werden, die primär von sexuellen Kraftfeldern bestimmt ist.“[6] Es ist also kein Wunder, dass seine Women in Love und Lady Chatterley’s Lover für

ihre sexuellen Anspielungen und Phantasien oftmals verurteilt wurden. Jedoch sind es in Women in Love weniger die Liebesakte als vielmehr kleine, unscheinbare Szenen, die die sexuellen Spannungen in den Beziehungen zwischen Mann und Frau zeigen.

In Lady Chatterley’s Lover war nicht nur die relativ klare Beschreibung der Liebesszenen, sondern auch die Darstellung von Connys Ehebruch und der Scheidung als positive Entwicklung in ihrem Leben, ein Affront gegen die Konventionen. Die klassenbewussten Engländer störte zudem, dass Conny als Angehörige der Oberschicht eine Affäre mit Mellors aus der Arbeiterschicht beginnt.

In der folgenden Arbeit werden die Szenen näher betrachten, in denen sich die zwischenmenschlichen Spannungen in den Beziehungen von Gudrun Brangwen und Gerald Crich, von Ursula Brangwen und Rupert Bilkin sowie von Lady Cornerlia Chatterley mit ihrem Mann Sir Clifford Chatterley und ihrem Geliebten Mellors auf- und entladen.

II. Women in Love

Laut Joyce Carol Oates zelebriert Women in Love „ [i]n very simple terms […] love and marriage as the only possible salvation for twentieth-century man and dramatizes the fate of those who resist the abandonment of the ego demanded by love: a sacrificial rite, an ancient necessity.”[7]

Women in Love lebt von der Hoffnung, „daß nämlich durch den Partner oder die Partnerin die Integrität der Person gewonnen werden könne, daß jeder den anderen in seiner Personwerdung fördert und damit der Wissens- und Bewußtseinshorizont erweitert werden könne.“[8]

1. URSULA & BIRKIN

„Ursula and Birkin represent a life-theme over against which is set a death-theme in Gudrun and Gerald.”[9]

Bereits im ersten Kapitel, als die Schwestern Ursula und Gudrun einer Hochzeitsgesellschaft bei der Ankunft an der Kirche beiwohnen, ist eine Spannung zwischen Ursula und Birkin spürbar. Obwohl sie bis dato erst ein oder zweimal in offizieller Mission mit ihm, dem Schulinspektor, gesprochen hatte, genügt alleine sein Auftreten um sie zu pikieren und zu nerven aber auch um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, so dass sie mehr über ihn wissen will.[10] Ursula und Birkins Beziehung ist „a fight to the death between them – or to new life: though in what the conflict lay, no one could say.“ („Women in Love” 169)

Das mag daran liegen, dass „Birkin is sometimes a prophetic figure, and sometimes merely garrulous and silly; Ursula is sometimes a mesmerizing archetypal female, at other times shrill and possessive and dismayingly obtuse.”[11] Balbert pflichtet dem bei: „Birkin is a divided man, split not only over the issue of ’love’, but more generally torn apart by an internal struggle between what his instincts require and what his developing doctrines stipulate.”[12]

Zum ersten relevanten Treffen zwischen Ursula und Birkin kommt es, als dieser sie in seiner Funktion als Schulinspektor im Klassenzimmer aufsucht.

She heard but did not notice the click of the door. Suddenly she startled. She saw, in a shaft ruddy, copper-coloured light near her, the face of a man. It was gleaming like fire, watching her, waiting for her to be aware. It startled her terribly. She thought she was going to faint. All her suppressed, subconscious fear sprang into being with anguish. ‘Did I startle you?’ said Birkin, […]. ‘No,’ she faltered, scarcely able to speak. He laughed, saying he was sorry. She wondered why it amused him. ‘It is so dark.’ he said. ‘Shall we have the light?’ And moving aside, he switched on the electric lights. The class-room was distinct and hard, a strange place after the soft dim magic that filled it before he came’. („Women in Love” 49f)

Birkin dringt nicht nur physisch in Ursulas Klassenzimmer ein, sondern auch auf mentaler Ebene, indem er sie durch das Anschalten des Lichts aus ihrer eigenen Welt herausholt. Während Ursula aber ’terribly startled’ und ‘scarcely able to speak’ ist, genießt Birkin seine Wirkung und seine damit verbundene Macht. In dieser Szene wird schon ein Aspekt der Beziehung sichtbar, der auch später immer wieder eine große Rolle spielt: Dominanz über den Partner.

Im weiteren Verlauf des Romans kommt es immer wieder zu Szenen in denen es um Macht geht, denn wie Gerald glaubt auch Birkin, zumindest anfangs, an das Prinzip der Dominanz. So kommentiert er Geralds Herrschaftswillen über das Pferd, den dieser absolut setzt folgendermaßen: „’And of course,’ he said to Gerald, ’horses haven’t got a complete will, like human beings. A horse has no one will. Every horse, strictly, has two wills. With one will, it wants to put itself in the human power completely – and with the other, it wants to be free, wild.’” („Woman in Love” 166) Als Ursula nachfragt, warum ein Pferd sich unterordnen wolle, erwidert Birkin: „It is the last, perhaps the highest love-impulse: resign your will to the higher being.” Dann fügt er hinzu „ [a]nd woman is the same as horses […].”(„Women in Love” 166)

Auf dem Weg zu Birkin im Kapitel ‘Mino’ ist Ursula in einer „dream world“ („Women in Love” 170). „Birkin, too, is ‘moved outside himself’; everything seems ready for the ‘ultimate experience’ towards which they presumably yearn.”[13] Birkin erwartet „something final and irrevocable“ („Women in Love” 171) und fährt fort: „I can’t say it is love I have to offer – and it isn’t love I want. It is something much more impersonal and harder – and rarer.”(„Women in Love” 171) Birkin versucht zu erklären: „‘What I want is a strange conjunction with you -‘ he said quietly; ‘- not meeting and mingling; - you are quite right: - but an equilibrium, a pure balance of two single beings: - as the stars balance each other.’ („Women in Love” 174) Er verteidigt seinen Kater Mino, den sie beide beobachten als dieser mit einer streunenden Katze grob umgeht. Mino wolle die Katze nur in ein stabiles Gleichgewicht bringen, „[a] transcent and abiding rapport with a single male.“ („Women in Love” 177) Ursula, die durchaus eine klassische romantische Liebesbeziehung möchte, findet Birkin einfach nur egoistisch und denkt, er wolle sie dominieren und unterdrücken. „Birkin’s and Ursula’s progress is impeded by the difficulty of Birkin’s conception of marriage […].”[14] „Neither sufficiently committed to Birkin, nor free from his potent influence, she [Ursula] feels adrift towards death, in a limbo of irresolution accelerated by their deathly sex and his inconsistent treatment of her.”[15]

„Ursulas need for agitation in love brings a discordant note into her relation with Birkin, even at moments when they seem most harmoniously at one with each other.”[16] Für Ursula ist es im Verlauf der Beziehung sehr wichtig, dass Birkin ihr wieder und wieder sagt, dass er sie liebt und sehr lange versteht sie ihn nicht.

’I love you right enough,’ he said grimly. ‘But I want something else.’

‘But why? But why?’ she insisted, bending her wonderful luminous face to him. ‘Why isn’t it enough?’

‘Because we can go on one better,’ he said, putting his arm round her.

‘No we can’t, ‘ she said, in a strong, voluptuous voice of yielding. ‘We can only love each other.’ („Women in Love” 181)

Auch in ‘Moony’ streiten Ursula und Birkin.

’You want me to be your thing, never criticize you or to have anything to say for myself. You want me to be a mere thing for you! […].’ ’No,’ he said, outspoken with anger. ‘I want you to drop your assertive will, your frightened apprehensive self-insistence, that is what I want. I want you to trust yourself so implicitly that you can let yourself go.’ („Women in Love” 289/290)

Der Konflikt zwischen den Beiden besteht (wieder) in ihrer sehr unterschiedlichen Auffassung von Liebe und wie sie sich den jeweils Anderen wünschen. „He [Birkin] knew that Ursula was refered back to him. He knew his life rested with her. But he would rather not live than accept the love she proffered. The old way of love seemed a dreadful bondage, a sort of conscription.” („Women in Love” 231) Ursula denkt, Birkin möchte sie als passives Objekt besitzen um seinem Verlangen zu dienen. Im weiteren Verlauf des Kapitels wirft sie ihm vor, zu sehr auf sich selbst und seine Bedürfnisse fokussiert zu sein und nicht auf sie einzugehen. Er glaubt ihr Beharren resultiert aus einer mangelnden Selbstsicherheit.

„[T]his couple are well matched; they are articulate as well as combative […]” schreibt Nigel Messenger über diese Auseinandersetzung.[17] Am Ende schafft aber nicht die Kommunikation Frieden, sondern erst als beide aufhören zu reden kommt langsam “stillness and peace“ („Women in Love” 290) über sie und schließlich halten sie sich an den Händen. Nachdem Ursula am Ende des Streits am See nach Hause gegangen ist, beschließt Birkin um ihre Hand anzuhalten, denn er „[…] has finally come to accept Ursula’s version of love, romantic though it may be, as related to his own more transcendental endeavor“[18] die er zuvor abgelehnt hatte.

Kapitel 19 ist ein Wendepunkt in der Beziehung. „Birkin has arrived at the truest formulation of his goal by a double process of debate (with him self, with Ursula) and of action, both in emotional interchange with Ursula and in symbolic action (rolling in the vegetation and attacking the moon).”[19]

[...]


[1] Vergleiche: Willi Erzgräber, Der Englische Roman von Joseph Conrad bis Graham Greene, A. Francke Verlag, Tübingen 1999, Seite 228ff.

[2] Erzgräber 242.

[3] Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, Band 3, Harenberg-Lexikon-Verlag, Dortmund 1994, Seite 1746.

[4] Erzgräber 259.

[5] J. I. M. Stewart, Eight Modern Writers, Oxford University Press, Oxford 1963, Seite 518.

[6] Erzgräber 226.

[7] Joyce Carol Oates, Lawrence's Götterdämmerung:
The Apocalyptic Vision of Women in Love , 1978;
http://jco.usfca.edu/onlawrence.html.

[8] Erzgräber 266.

[9] Stewart 514.

[10] D. H. Lawrence, Women in Love, Penguin Books Limited, London 1996, Seite 34.

[11] Joyce Carol Oates; Lawrence's Götterdämmerung:
The Apocalyptic Vision of Women in Love ;
http://jco.usfca.edu/onlawrence.html

[12] Peter Balbert, D. H. Lawrence and the Phallic Imagination, The Macmillian Press Ltd., Houndsmills 1989, Seite 95.

[13] Stephen J. Miko, Toward Woman in Love, The Emergence of a Lawretian Aesthetic, Yale University Press, New Haven und London 1972, Seite 266.

[14] Stewart 514.

[15] Balbert 101.

[16] Leo Bersani, zitiert von Dorbad, Seite 103

[17] Nigel Messenger, How to study a D. H. Lawrence Novel, Macmillian Education Ltd., Houndmills 1989, Seite 89.

[18] Miko 270.

[19] Miko 270.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Beziehung zwischen Mann und Frau bei D.H. Lawrence am Beispiel der Romane Women in Love und Lady Chatterley's Lover
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V59232
ISBN (eBook)
9783638532266
ISBN (Buch)
9783638682343
Dateigröße
628 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar Dozent: "Insgesamt eine gelungene und überzeugende rbeit, die zu fundierten Ergebnissen in Bezug auf die Fragestellung gelangt."
Schlagworte
Beziehung, Mann, Frau, Lawrence, Beispiel, Romane, Women, Love, Lady, Chatterley, Lover
Arbeit zitieren
Barbara Pelikan (Autor:in), 2006, Die Beziehung zwischen Mann und Frau bei D.H. Lawrence am Beispiel der Romane Women in Love und Lady Chatterley's Lover, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59232

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