Antisemitismus als verbindendes Element zwischen Rechtsextremisten und radikalen Islamisten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. „Revisionismus“ – Holocaustleugnung als „Wissenschaft“
2.1 Was ist „Revisionismus“?
2.2 Ahmed Rami und „Radio Islam“ – Brücke zwischen West und Ost

3. „Neuer“ Islamischer Antisemitismus?

4. Zusammenarbeit zwischen rechten und islamistischen Extremisten?
4.1 Kooperation trotz Ablehnung?
4.2 Zusammenarbeit auf „intellektueller“ Ebene
4.3 Holocaustleugung im Nahen und Mittleren Osten und in arabischen Medien

5. Fazit

6. Literatur

7. Erklärung

8. Anhang
8.1 Ausdruck "TouchGraph GoogleBrowser"
8.2 Ausdruck "Radio Islam"

1. Einleitung

Dank sei Hitler, der Herr habe ihn selig, der im Namen der Palästinenser schon im Voraus Rache an den abscheulichsten Verbrechern auf der ganzen Welt [den Israelis] geübt hat. Allerdings müssen wir uns bei ihm beklagen, weil seine Rache an ihnen nicht genug war.

Ragab, Ahmad: Despite Western criticism.

In: Al Akhbar, 20. April 2001.[1]

In der jüngeren Vergangenheit wurde in vielen Medienberichten über eine befürchtete Zusammenarbeit zwischen rechtsextremen Gruppierungen und islamistischen Terroristen bei der Vorbereitung und Ausführung terroristischer Anschlägen diskutiert. Es gibt durchaus ernstzunehmende Ansatzpunkte, die auf eine verstärkte Kooperation in naher Zukunft hindeuten könnten, beispielsweise das Auftauchen von Horst Mahler und dem NPD-Vorsitzenden Udo Voigt auf einer Veranstaltung der islamistischen Organisation Hisb ut Tahrir am 27. Oktober 2002 in der Mensa der Technischen Universität Berlin.[2]

Doch wie sieht diese Kooperation zwischen Rechtsextremen und Islamisten aus und auf welcher Basis beruht sie? Dieser Frage geht die vorliegende Arbeit nach. Grundthese dabei ist, das es vor allem der in beiden Lagern vorherrschende Antisemitismus ist, der eine Zusammenarbeit nahe legt und die Kooperation über sonstige Ideologiegrenzen hinweg möglich macht. Hier spielen vor allem der so genannte „Revisionismus“ eine Rolle, d.h. die Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust. Rechtsradikale „Revisionisten“ sind die Hauptverfechter und Wegbereiter der Zusammenarbeit von rechtem und islamitischem Lager. Da es zu diesem Phänomen kaum klassische Literatur gibt, stammt der Hauptteil der verwendeten Quellen aus dem Internet. Hier verraten Links auf der einen wie auf der anderen Seite die gegenseitige Nähe.[3]

Eine – hoffentlich selbstverständliche – differenzierende Betrachtung dieses Themas ist dringend geboten. In der Bevölkerungsmehrheit sind das „Christentum“, das „Abendland“ oder der „Westen“ und wohl auch der „Islam“ – alles nicht im Sinne der geographischen Beschreibung gemeint – sicherlich nicht antisemitischen Positionen zuzuordnen. Pauschalurteile sind in allen diesen Fällen nicht angemessen und müssen auch zurückgewiesen werden. „Antiislamismus“ darf in keinem Fall eine akzeptierte Antwort auf den islamischen Antisemitismus oder den Terrorismus sein. Die Spannweite vom türkischen Kemalismus bis zum Wahhabiten-Staat Saudi-Arabien oder zur Islamischen Republik Iran zeigt, welche Variationen die Staatskonzeptionen im Islam aufweisen.[4] Dennoch geben die stehenden Ovationen für die ohne jeden Zweifel antisemitische Rede des damaligen malaysischen Ministerpräsidenten Mahathir über die „Weltherrschaft der Juden“ vor der „Organisation der Islamischen Konferenz“ (OIC) am 16. Oktober 2003 Anlass zur Sorge. Auf der Konferenz waren 57 islamische Staaten vertreten.

Das zweite Kapitel beleuchtet im ersten Teil den rechtsradikalen „Revisionismus“ allgemein und stellt führende Vertreter dieser „Geschichtsauffassung“ vor. Im zweiten Teil wird näher auf Ahmed Rami und sein Publikationsorgan „Radio Islam“ eingegangen. Rami wird als eine der Schlüsselfiguren zwischen Rechtsradikalen und Islamisten angesehen, daher sollen er und sein „Radio Islam“ in dieser Arbeit stellvertretend und „beispielhaft“ für andere „Revisionisten“ und deren Internetauftritte vorgestellt werden. Der Antisemitismus auf islamischer Seite wird oft als relativ neues Phänomen beschrieben. Damit beschäftigt sich das dritte Kapitel. Hier wird gezeigt, dass dem nicht so ist, sondern dass der Antisemitismus schon im 19, Jahrhundert vor allem durch christliche Minderheiten im arabischen Raum verbreitet wurde und seit dem kontinuierlich gewachsen ist und instrumentalisiert wurde. Das vierte Kapitel beschäftigt sich dann mit den Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit zwischen den beschriebenen Lagern und zeigt die schon bestehenden Kooperationen und Strukturen auf. Das fünfte Kapitel fasst die gewonnenen Erkenntnisse zusammen und beantwortet als Fazit die Eingangsfrage.

2. „Revisionismus“ – Holocaustleugnung als „Wissenschaft“

2.1 Was ist „Revisionismus“?

Der Begriff „Revisionismus“ bezeichnet in rechtsextremistischen Kreisen eine politisch motivierte Umdeutung des Nationalsozialismus, welche die Verharmlosung und Verleugnung der Verbrechen, die unter nationalsozialistischer Herrschaft begangen wurden, vor allem die Massenvernichtung von Millionen Juden in den Vernichtungslagern der Nazis. Diese Umdeutung der Geschichte geschieht in einem pseudo-wissenschaftlichen Kontext, um „revisionistische“ Autoren als ernsthafte Wissenschaftler präsentieren zu können, die lediglich eine abweichende Meinung vertreten. Dabei generieren sie sich auch noch gerne zusätzlich als Kämpfer für die Meinungsfreiheit und gegen jegliche Art der Zensur. Der tiefere Sinn des „revisionistischen“ Schaffens liegt aber in der langfristigen Rehabilitierung nationalsozialistischen Gedankenguts. Neben der Leugnung des Holocaust ist die Leugnung der Kriegsschuldfrage weiterer Hauptbestandteil des „Revisionismus“.[5]

Geschichtsrevision an sich ist aber ein ehrbarer und absolut notwendiger Teil der etablierten Geschichtswissenschaft. Dies bedeutet nämlich nichts anderes, als dass bisherige Erkenntnisse immer wieder neu geprüft und im Fall neuer Informationen gegebenenfalls verworfen, bestätigt oder abgeändert werden. Dieser Prozess ist eine notwendige Voraussetzung, ohne die keine Wissenschaft bestehen könnte. Der äußeren Form nachgeben sich die rechtsextremen „revisionistischen“ Autoren ebenfalls gerne wissenschaftlich und seriös. Unterzieht man deren „revisionistische Studien“ aber einer genaueren Prüfung muss man feststellen, dass hier keinesfalls mit wissenschaftlich sauberen, nachvollziehbaren Methoden und Argumenten gearbeitet wird. Die „Revisionisten“ sind nicht bereit, ergebnisoffen zu forschen und ihre Standpunkte dem anzupassen, was in einem bestimmten Augenblick als Stand des Wissens etabliert ist. Sie arbeiten mit Tricks und Halbwahrheiten, manchmal auch mit dreisten Lügen und der Verleugnung von anerkannten Fakten und Zeugen. Aus diesem Grund sollte man die hier angesprochenen „Revisionisten“ auch in Anführungszeichen schreiben, um sie vom ehrbaren und notwendigen Geschichtsrevisionismus zu unterscheiden.[6]

Führende Vertreter des „Revisionismus“ sind zum Beispiel Germar Rudolf, Jürgen Graf, Robert Faurisson, Willis Carto, Roger Garaudy, David Irving, Ernst Zündel, Ingrid Rimland und Fred Leuchter. Die wichtigsten internationalen Hauptpropagandisten des „Revisionismus“ sind das in Kalifornien angesiedelte „Institute for Historical Review“ (IHR), das von Bradley Smith zusammen mit Mark Weber gegründete „Committee for Open Debate on the Holocaust“ (CODOH), das „Vrij Historisch Onderzoek“ (VHO) in Belgien, die „Association des Anciens Amateurs de Récits de Guerre et d'Holocauste“ (AAARGH), das von Fredrick Toben geleitete „Adelaide Institute“ in Australien und „Radio Islam“ von Ahmed Rami in Schweden. Die „revisionistische“ Propaganda wird in möglichst vielen Sprachen vor allem über das Internet und über verschiedene rechtsradikale Publikationsorgane verbreitet.

2.2 Ahmed Rami und „Radio Islam“ – Brücke zwischen West und Ost

Der gebürtige Marokkaner Ahmed Rami gilt als Bindeglied zwischen westlichem und arabischen „Revisionisten“.[7] Rami lebt seit 1973 in Schweden. Seit 1987 betreibt er in Schweden sein „Radio Islam“. 1990 kam es zur ersten Verurteilung wegen der Verbreitung antisemitischen und rassistischen Gedankenguts und zur Einziehung seiner Radiolizenz für ein Jahr. Rami hält enge Kontakte zur deutschen und US-amerikanischen Neonazi-Szene.[8]

„Radio Islam“ sendete auf der Frequenz 88 MHz, wobei die Zahl 88 in der Neonazi-Szene ein Code für „Heil Hitler“ (HH) ist. So wenig professionell das Radioprogramm von Rami war, umso professioneller präsentiert sich „Radio Islam“ seit 1996 im Internet. Mit Hilfe des Schweizer „Revisionisten“ Jürgen Graf gelang es Rami, eine große Menge geschichtsverfälschenden Materials in einer Vielzahl von Sprachen anzubieten, darunter auch die „Protokolle der Weisen von Zion“, eine antisemitische Fälschung, die im Auftrag des russisch-zaristischen Geheimdienstes Ochrana produziert wurde und Hitlers „Mein Kampf“. Inzwischen findet sich das Material auch in vielen slawischen Sprachen. Dazu gibt es Hinweise auf Bezugsquellen für neonazistisches Material. Eine enge Kooperation besteht seit Jahren mit dem rechtsextremen „National Journal“. Interviews führte Rami unter anderem mit Germar Rudolf, Robert Faurisson und Ernst Zündel. Zeitweilig war Rami auch Europakorrespondent für Al-Shaab, die auflagenstärkste arabische Tageszeitung. Dort wurde er als „ungebeugter antizionistischer Widerstandskämpfer“ vorgestellt, der an die Sache der „islamischen Bewegung“ glaube. Für „Al-Shaab“ interviewte Rami unter anderem den deutschen Alt-Nazi Otto Ernst Remer, einen weiteren notorischen Holocaustleugner.[9] Bis Oktober 2000 bot „Radio Islam“ auch Zugang zur Internetpräsenz der Hamas und Hisbollah.[10]

Rami steht auch in regelmäßigen Kontakt mit Louis Farrakhan, dem Führer der „Nation of Islam“ in den USA. Eine enge Zusammenarbeit bestand bereits seit seiner Ankunft in Schweden mit dem Schweizer Holocaust-Leugner Ahmed Huber. Im Sommer 1999 bereiste Rami verschiedene arabische Staaten und den Iran, wo er Vorträge an Universitäten hielt. Im Januar 2002 trat Rami als Referent bei einem internationalen Treffen der Holocaustleugner in Moskau auf. Im Dezember 2003 nahm Rami an der Gründungsveranstaltung des von Horst Mahler initiierten "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten" in Frankreich teil.[11]

In dem antisemitischen Hetzblatt „Deutschland Report“ verkündete Rami: „Man kann sagen, dass das organisierte Weltjudentum der einzige Gewinner des 2. Weltkrieges ist. [...] Das organisierte Weltjudentum erlangte durch Auschwitz eine nie dagewesene Freiheit zur unkontrollierten Machtentfaltung. Heute sitzen Juden an allen wichtigen Schalthebeln der Macht in den USA.“ Die Bedeutung der Holocaust-Leugnung zur Delegitimation Israels wurde 1991 von Rami betont: Erst wenn die Existenz der Gaskammern erfolgreich bestritten worden sei, so Rami, „werden wir Araber weniger unter den Israelis zu leiden haben“.[12]

Am 7. September 2002 wurde Ramis Computerausrüstung durch die schwedische Polizei beschlagnahmt. Im Februar 2004 entzog ihm sein Web-Provider die Internetdomains, die auf den Falschnamen „Mohamed Wiliam“ angemeldet waren. Robert Faurisson teilte der Gemeinde der Holocaustleugner mit, Rami sei „extrem isoliert“, seine Computer beschlagnahmt und er könne wegen der Polizei nicht mehr sicher von zu Hause telefonieren. Nach eigenen Angaben Ramis wurden die Ermittlungen im April 2004 eingestellt. Auf der Startseite von „Radio Islam“ heißt es, sie sei im Besitz „einer Gruppe von Freiheitskämpfern aus verschiedenen Ländern“, die Ramis „Kampf unterstützen“ wollten.[13] Die strafrechtlichen Maßnahmen gegen Rami stehen wohl in engem Zusammenhang mit der Radikalisierung des Nahost-Konflikts seit dem Herbst 2000 und der damit einhergehenden öffentlichen Aufmerksamkeit gegenüber der Kooperation zwischen rechtsextremen „Revisionisten“ und islamischen Fundamentalisten.[14]

[...]


[1] Anlässlich des „Führergeburtstags“. Al Akhbar ist eine, von der Regierung abhängige ägyptische Tageszeitung. Übersetzung in Chatwin, Margret: Der alte Judenhass. IDGR. http://www.idgr.de/texte/rechtsextremismus/antisemitismus/zccf-konferenz02.php (18.09.2004). Anmerkung vom Autor dieser Arbeit.

Vgl. auch Tobias, Glen A., Abraham H. Foxman: Holocaust Denial in the Middle East: The Latest Anti-Israel Propaganda Theme. S. 2. http://www.adl.org/holocaust/denial_ME/default.asp (18.09.2004). Ragab wiederholte seine Überzeugung am 25.04.2001 und 27.05.2001.

[2] Vgl. Heibach, Jens: Zur Wahrscheinlichkeit der Kooperation zwischen Rechtsextremen und Islamisten. http://www.antisemitismus.net/rechte/kooperation-1.htm (19.09.2004).

[3] Vgl. Wetzel, Juliane: Die internationale Rechte und der arabische Antizionismus im World Wide Web. In: Benz, Wolfgang: Jahrbuch für Antisemitismusforschung. Berlin 2003. S. 123.

[4] Vgl. Holocaust Referenz: Rechtsradikaler „Revisionismus“.

[5] Vgl. IDGR Eintrag Revisionismus. http://lexikon.idgr.de/r/r_e/revisionismus/revisionismus.php (18.09.2004).

[6] Vgl. Holocaust Referenz: Rechtsradikaler „Revisionismus“.

http://www.h-ref.de/lit/ revisionismus.shtml (18.09.2004).

[7] Vgl. bspw. Maegerle, Anton, Heribert Schiedel: Krude Allianz. Das arabisch-islamistische Bündnis mit deutschen und österreichischen Rechtsextremisten. http://doew.at/frames.php?/thema/rechts/allianz.html (19.09.2004) oder Wetzel, S. 128.

[8] Vgl. IDGR Eintrag Ahmed Rami. http://lexikon.idgr.de/r/r_a/rami-ahmed/rami-ahmed.php (19.09.2004).

[9] Vgl. IDGR Eintrag Radio Islam. http://lexikon.idgr.de/r/r_a/radio-islam/radio-islam.php (19.09.2004).

[10] Vgl. Wetzel, S. 129.

[11] Vgl. IDGR Eintrag Ahmed Rami.

[12] Vgl. Maegerle, Schiedel.

[13] Vgl. IDGR Eintrag Ahmed Rami.

[14] Vgl. Wetzel, S. 129.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Antisemitismus als verbindendes Element zwischen Rechtsextremisten und radikalen Islamisten
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Politikwissenschaft Uni Mainz)
Veranstaltung
Nahostkonflikt und Antisemitismus – Interdependenzen
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
22
Katalognummer
V59211
ISBN (eBook)
9783638532099
ISBN (Buch)
9783638666466
Dateigröße
566 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In der jüngeren Vergangenheit wurde in vielen Medienberichten über eine befürchtete Zusammenarbeit zwischen rechtsextremen Gruppierungen und islamistischen Terroristen bei der Vorbereitung und Ausführung terroristischer Anschlägen diskutiert. Doch wie sieht diese Kooperation zwischen Rechtsextremen und Islamisten aus und auf welcher Basis beruht sie? Dieser Frage geht die vorliegende Arbeit nach.
Schlagworte
Antisemitismus, Element, Rechtsextremisten, Islamisten, Nahostkonflikt, Antisemitismus, Interdependenzen
Arbeit zitieren
Paul Eschenhagen (Autor:in), 2004, Antisemitismus als verbindendes Element zwischen Rechtsextremisten und radikalen Islamisten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59211

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