Qualitativer Vergleich der Kriegsberichterstattung vom dritten Irakkrieg an Hand ausgewählter Printmedien


Bachelorarbeit, 2005

72 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Motivation

2 Forschungsfragen & Hypothesen

3 Überblick zum Irak – Konflikt

4 Theoretische Basis - Methode & Versuchsplan
4.1 Definition des Qualitätsbegriffs
4.2 Weitere Definitionen
4.3 Winklers Qualitätskriterien
4.4 Die Wallische Qualitätskurve
4.5 Definitionen der Textgattungen
4.5.1 Die Nachricht:
4.5.2 Das Interview:
4.5.3 Die Reportage:
4.5.4 Der Kommentar/ Leitartikel:
4.6 Finale Kriterienzusammenstellung
4.7 Der Untersuchungsgegenstand – Printmedien
4.7.1 Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)
4.7.2 Süddeutsche Zeitung (SD)
4.7.3 Der Standard (ST)
4.8 Operationalisierung & Praxistauglichkeit
4.8.1 Aktualität
4.8.2 Orientierungsfunktion
4.8.3 Originalität
4.8.4 Rechtmäßigkeit
4.8.5 Relevanz
4.8.6 Richtigkeit
4.8.7 Sachlichkeit
4.8.8 Unterhaltung
4.8.9 Verständlichkeit
4.8.10 * Informationsmenge
4.8.11 * Transparenz
4.8.12 * Ausgewogenheit
4.8.13 * Interaktivität
4.8.14 * Zensur & Propaganda
4.9 Methodisches Vorgehen: Die Auswertungstabelle – Entstehung und Handhabe
4.9.1 Aktualität
4.9.2 Ausgewogenheit
4.9.3 Informationsmenge
4.9.4 Interaktivität
4.9.5 Orientierungsfunktion
4.9.6 Relevanz
4.9.7 Richtigkeit
4.9.8 Transparenz
4.9.9 Verständlichkeit
4.9.10 Zensur & Propaganda
4.10 Instruktionen für die Durchführung

5 Ergebnisse & Interpretation
5.1 Die Stichprobe und ihre Mannigfaltigkeit
5.2 Aufschlüsselung nach Wochentagen
5.2.1 Informationsmenge
5.2.2 Relevanz
5.2.3 Richtigkeit
5.2.4 Transparenz
5.2.5 Ausgewogenheit
5.2.6 Verständlichkeit
5.2.7 Aktualität
5.2.8 Interaktivität
5.2.9 Orientierungsfunktion
5.2.10 Zensur/ Propaganda
5.3 Qualitätsvergleich der Medien
5.3.1 Rohdaten
5.3.2 Informationsmenge
5.3.3 Relevanz
5.3.4 Richtigkeit
5.3.5 Transparenz
5.3.6 Ausgewogenheit
5.3.7 Verständlichkeit
5.3.8 Aktualität
5.3.9 Interaktivität
5.3.10 Orientierungsfunktion
5.3.11 Zensur & Propaganda - außer Konkurrenz
5.4 Grand Finale – Gesamtergebnis des Medienvergleichs

6 Beantwortung der Forschungsfragen & Hypothesen

7 Zusammenfassung & Diskussion

8 Literaturverzeichnis

9 Anhang
9.1 Instruktionen für die Auswertung
9.2 Rohdaten
9.2.1 Auswertung – Tagesanalyse
9.2.2 Auswertung – Medienvergleich

Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1: Vergleichsaufstellung von Qualitätskriterien

Tabelle 2: Winklers Qualitätskriterien

Tabelle 3: Kriterienselektion aus den Wallisch´schen Qualitätskurven

Tabelle 4: Kriterienüberblick nach erster Selektion („Liste der Wichtigsten“)

Tabelle 5: Der Untersuchungsgegenstand - Printmedien im Überblick

Tabelle 6: Satzlängen und deren Verständlichkeitsgrad

Tabelle 7: Entwicklung der Liste der Kriterien für die Datenerhebung

Tabelle 8: Verteilung der Stichprobe auf Wochentage und Medien

Tabelle 9: Auswahl - Tagesanalyse aller Medien (gesamte Woche)

Tabelle 10: Beantwortung der „W-Fragen“ im Untersuchungszeitraum

Tabelle 11: Ausgewogenheit der Berichterstattung

Tabelle 12: Auswahl – Medienvergleich (gesamte Woche)

Tabelle 13: Ergebnisse – Rohdaten

Tabelle 14: Ergebnisse - Informationsmenge

Tabelle 15: Ergebnisse - Relevanz

Tabelle 16: Ergebnisse - Richtigkeit

Tabelle 17: Ergebnisse – Transparenz

Tabelle 18: Ergebnisse Ausgewogenheit

Tabelle 19: Ergebnisse - Verständlichkeit

Tabelle 20: Ergebnisse - Aktualität

Tabelle 21: Ergebnisse - Interaktivität

Tabelle 22: Ergebnisse - Orientierungsfunktion

Tabelle 23: Ergebnisse – Zensur & Propaganda

Tabelle 24: Punkteverteilung & Gesamtergebnis

Tabelle 24: Rohdaten

Tabelle 25: Auswertung - Tagesanalyse

Tabelle 26: Auswertung - Medienvergleich

Grafik 1: Graph – Nachricht

Grafik 2: Graph – Interview

Grafik 3: Graph – Reportage

Grafik 4: Graph – Kommentar/ Leitartikel

Grafik 5: Gesamtzahl der Artikel pro Zeitung

Grafik 6: Gesamtzahl der Artikel pro Tag

Grafik 7: Anzahl der Artikel pro Tag und Medium

1 Einleitung und Motivation

Der Krisenherd im Nahen Osten ist seit vielen Jahren wesentlicher Bestandteil medialen Interesses und medialer Berichterstattung. Seitdem die Kriegsberichterstattung beispielsweise im ersten und zweiten Irak-Krieg oder auch in Vietnam eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen begann und somit das Kriegsgeschehen von der öffentlichen Peripherie in greifbare Nähe rückte, kommt den Medien die Rolle von Exklusivlieferanten von Informationen an Kriegsschauplätze zu (vgl. Brickwedde-Stümpel/ Wienand 2003, 17).

Die Motivation diese Arbeit zu verfassen, liegt für uns einerseits in beruflichen Hintergründen (Major Kurt Rogan ist derzeit in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit beim Österreichischen Bundesheer im Kommando der Landstreitkräfte, welche für alle neun Bundesländer verantwortlich ist), andererseits in der bereits oben angesprochenen (noch immer) andauernden Aktualität dieses Themenkreises und nicht zuletzt in der besonderen Möglichkeit trotz zeitlicher Distanz ebendiese Medieninhalte neu zu bearbeiten und eventuell auch einen verwertbaren Nutzen für die journalistische Praxis daraus zu ziehen.

Ein weiterer Vorteil besteht auch in der Beschaffung des Forschungsmaterials, welches uns durch gute Kontakte zum österreichischen Bundesheer und die dortigen zuständigen Stellen der ZentDok (Zentraldokumentation der Landesverteidigungsakademie Wien/ BMLV) zur Sichtung und weiteren Verarbeitung zur Verfügung steht.

Das Erkenntnisinteresse unsererseits liegt darin, herauszufinden ob sich allgemeine und/ oder besondere Qualitätskriterien in der Kriegsberichterstattung finden und anwenden lassen, wie und ob überhaupt solche Kriterien zu operationalisieren sind, wie sich selbige in weiterer Folge auf ein umgrenztes Themengebiet anwenden und umsetzten lassen und ob es schließlich möglich ist, aus den gewonnen Daten und Ergebnissen nützliche - d.h. sinnvoll verwertbare – Informationen zu gewinnen. Dazu später noch mehr im Kapitel 2 über konkrete Forschungsfragen und die Hypothese.

Um einen kurzen inhaltlichen Überblick zu gewähren, sei hier noch kurz der Aufbau der Arbeit umrissen: Nach einem grundlegenden Teil über die Forschungsthematik, in welchem neben einem allgemeinen Überblick über den Krisenherd und Konflikt im Irak besonderes Augenmerk auf die jüngste kriegerische Auseinandersetzung gelegt werden soll, folgt anschließend eine Einführung in die theoretische Basis des Forschungszugangs, sowie eine exakte Erläuterung des Vorgehens und der angewandten Methodik. Ein Teil wird sich auch mit Qualitätsbegriffen (siehe Kapitel 4.1 „Definition des Qualitätsbegriffs“) im Zusammenhang mit dieser besonderen Thematik befassen. Die Arbeit setzt sich inhaltlich mit dem Vergleich von ausgewählten Printmedien (siehe Kapitel 4.7 „Der Untersuchungsgegenstand – Printmedien“) in einem umgrenzten Zeitrahmen von 20. März 2003 bis einschließlich 27. März 2003 (die erste Woche nach dem offiziellen Kriegsbeginn plus ein Tag) anhand einer speziellen Anzahl recherchierter Qualitätskriterien auseinander (vgl. Brickwedde-Stümpel/ Wienand 2003, 21f).

2 Forschungsfragen & Hypothesen

Im Zuge der Arbeit sollen die folgenden Fragen im Zentrum des Forschungsinteresses stehen und schließlich am Ende der Arbeit in Kapitel 6 „Beantwortung der Forschungsfragen und Hypothesen“ bestmöglich beantwortet werden. Die Forschungsfragen lauten wie folgt...

- Lassen sich die allgemeinen Qualitätskriterien nach Winkler (siehe Kapitel 4 „Theoretische Basis - Methode und Versuchsplan“) auf diese besondere Form der Berichterstattung anwenden?
- Gibt es zusätzliche relevante Qualitätsmaße für diese Form der journalistischen Schreibe (vgl. Ruß-Mohl 1996, 102)?
- Wurden diese Kriterien in den vorliegenden Printmedien erfüllt bzw. lassen sich qualitative Unterschiede in den verschiedenen Typen herausarbeiten?
- Als Exkurs soll auch noch der Rolle von Propaganda und Zensur in der Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung der verschiedenen Printmedien nachgegangen werden. Was für eine Rolle spielt Zensur und Propaganda im Hinblick auf qualitative Bewertungen/ Reihungen von Printmedien?
Weiters soll folgende Hypothese im Mittelpunkt der Arbeit stehen:
- Durch Anwendung bestimmter Kriterien auf journalistische Darstellungsformen im vorgegebenen Zeitraum lassen sich Unterschiede hinsichtlich der „journalistischen Qualität“ zwischen den drei untersuchten Printmedien feststellen.

3 Überblick zum Irak – Konflikt

Der Irak, bislang eine Republik, hat eine Größe von knapp 440.000 Quadratkilometern und liegt eingebettet zwischen dem Iran, der Türkei, Syrien, Jordanien, Saudi- Arabien und Kuwait. Die Bevölkerung setzt sich Großteils aus Arabern (zirka 45 Prozent) und Kurden (zirka 20 Prozent), sowie einer Vielzahl anderer Volksgruppen zusammen (vgl. Grobe 2003, 60f).

Ein wesentlicher Bestandteil, ein Element, das mit Sicherheit eine beachtliche Rolle seit jeher in allen Konflikten der jüngeren Vergangenheit spielt, ist eng verwoben mit der irakischen Wirtschaft. Deren Haupteinnahmequelle ist Öl. Das nachgewiesene Vorkommen auf bzw. unter irakischem Territorium liegt bei elf Prozent der weltweiten Ressourcen (ebd.).

Bestandteil Nummer zwei liegt schon seit den ersten Konflikten in der Person Saddam Hussein verhaftet. Er steht an der Spitze von insgesamt fünf Geheimdiensten. Diese, die wiederum Großteils seinen eigenen Familienangehörigen unterstehen, verleihen ihm so die Macht, Autorität und Position, die er mittlerweile (spätestens) seit dem Putsch 1968 inne hatte. Jedoch meint Karl Grobe dazu kritisch:

In Irak (sic) halten sich die Geheimdienste des Diktators vor allem gegenseitig in Schach.

(Grobe 2003, 66)

Der dritte Bestandteil des Spannungsdreiecks umfasst nun die USA und die Nachwirkungen jenes Ereignisses, das sich so eindringlich in die jüngste Geschichte geschrieben hat. Der Terroranschlag vom 11. September.

Die „Nachbeben“ dieses Ereignisses auf amerikanischem Boden, in Kombination mit den beiden anderen Spitzen des oben skizzierten Dreiecks, sind drei der wesentlichsten Bestandteile dessen, was mit dem 21. März 2003 seinen offiziellen Anfang nahm; der Kriegsbeginn zwischen den USA - unter immanenter Beteiligung des amtierenden Präsidenten George W. Bush – und dem Irak – mit seinem „größten“ Diktator Saddam Hussein.

Welche Rolle spielen nun die Medien in diesem Konflikt? Eine recht treffende Beschreibung dazu findet sich in dem Buch „Vom gerechten Krieg“. In einem der Artikel heißt es dort:

Den Medien kommt dabei für die Einschätzung dessen, was tatsächlich oder vermeintlich geschieht, eine wichtige Rolle zu: Als Exklusivlieferanten der Informationen vom Kriegsschauplatz kommt ihnen eine deutlich gestiegene Funktion bei der Wirklichkeitskonstruktion zu.

(Brickwedde-Stümpel/ Wienand 2003, 17f)

Ein recht interessanter Aspekt an diesem Zitat ist wohl die Passage über die „Wirklichkeitskonstruktion“. Das Wort selbst spiegelt – gewollt oder ungewollt – einen besonderen Umstand wieder. Zwar soll hier keine philosophische Diskussion über die Definition von Wirklichkeit angestrengt werden, doch ist die Kombination aus den Worten „Wirklichkeit“ und „konstruieren“ doch recht treffend formuliert.

Katja Brickwedde – Stümpel und Edith Wienand nennen außerdem drei mögliche Haltungen der Medien gegenüber dem Kriegsgeschehen: neutral in Beobachtung und Berichterstattung, die Rolle eines Verlautbarungsorgans und die Rolle eines Transportmittels politischer Vorlieben.

Unter all diesen Vorraussetzungen und vor all diesen Hintergründen baut sich nun der Grundstein für diese Arbeit zusammen. Es gibt einen definierten, recht aktuellen zeitlichen Rahmen und ein mehr als medial – trächtiges Thema; nämlich Krieg. Ein Umstand, der diesen Zeitraum besonders interessant für eine Untersuchung qualitativen Journalismus macht ist eben jene hohe Konzentration an Berichterstattung über ein genau umgrenztes Thema, während eines enormen Outputs an medialen Informationen. All das zusammengenommen unterstützt den Anspruch auf relativ hohe Vergleichbarkeit der Untersuchungsgegenstände und lässt auf höchst interessante Ergebnisse hoffen.

Es soll jedoch nicht darauf verzichtet werden, darauf hinzuweisen, dass es hier primär um Erkenntnisse rund um qualitativen Journalismus geht, als um eine, wie auch immer geartete Wertung, Interpretation oder Aufarbeitung des Irak- Konfliktes selbst.

In medias res...

4 Theoretische Basis - Methode & Versuchsplan

Die Methode, die hier für die gesamte Auswertung herangezogen wurde, bedarf nun einer äußerst detaillierten Beschreibung. Um sich überhaupt erst mit einer qualitativen Fragestellung bzw. der Suche nach passenden Antworten auseinandersetzen zu können ist es in diesem Fall nötig einen „Umweg“ über quantitative Merkmale in Kauf zu nehmen. Es werden in den nun folgenden Kapiteln also die empirischen Vorraussetzungen, Theorien und Rahmenbedingungen beschrieben, die die Grundlage für die anschließende Auswertung und Interpretation der Ergebnisse darstellen.

4.1 Definition des Qualitätsbegriffs

Zu aller erst scheint es unumgänglich sich näher mit der Frage „Was bedeutet Qualität im Allgemeinen?“ bzw. „Was bedeutet Qualität im besonderen Fall der Anwendung auf (print)journalistisches Arbeiten?“.

Eine Mögliche Annäherung wäre beispielsweise den Begriff „Qualität“ im deutschsprachigen Standardwörterbuch Duden nachzuschlagen. Dort heißt es:

„Qualität, die (Beschaffenheit, Güte, Wert)“

(Wermke/ Kunkel-Razum/ Scholze-Stubenrecht et.al. 2000, 783)

Im Synonymwörterbuch des Duden steht der Begriff Qualität, gleichgesetzt wie folgt:

„1. Art [und Weise], Beschaffenheit, Zustand
2. Charakterzug, Eigenart, Eigenheit, Eigenschaft, Eigentümlichkeit, Kennzeichen, Merkmal, Spezifikum, Wesenszug; (bildungsspr.): Attribut, Charakteristikum.
3. Güte, Klasse, Niveau, Wert.“
(Wermke/ Kunkel-Razum/ Scholze-Stubenrecht et.al. 2004, 692)

Bei näherer Betrachtung dieses ersten Definitionsversuchs fällt auf, dass entgegen einer häufigen Annahme bzw. entgegen der umgangssprachlichen Verwendung des Begriffs, hier keinerlei Wertung heraus zu sehen ist. Das heißt, der Begriff Qualität ist in seiner eigentlichen Form keinesfalls wertend zu verstehen und erfährt eine diesbezügliche Gewichtung erst mit dem Kontext seiner Verwendung. Es liegt hier also eine beinahe inflationäre Verwendung des Begriffs vor (vgl. Winkler 2003, 22).

Dem beipflichtend meint auch Fabris in einem Artikel des „Medien Journals“ im Jahre 1996, dass „im umgangssprachlichen Verständnis von Qualität das überdurchschnittliche Erfüllen von Standards (...) gemeint sei“ (Fabris 1996, 5).

Eine mittlerweile zwar etwas veraltete, dafür umso weiter verbreitete Metapher des Medienwissenschaftlers Stephan Ruß-Mohl - scheinbar ebenso unbefriedigend – lautet:

„Qualität im Journalismus definieren zu wollen, gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln.“

(Ruß-Mohl 1996, 122)

Und wenige Zeilen darunter das greifbarere Zugeständnis:

„Qualitätssicherung ist ein auf Dauer angelegter Vorgang, ist selbst ein Prozess – mit präventiven, mit den Produktionsprozess begleitenden und mit korrektiven Elementen.“

(Ruß-Mohl 1996, 122)

Was lässt sich nun aus diesen Anhaltspunkten für den umgrenzten Bereich der journalistischen Qualität herausfiltern? Einerseits sei gesagt, dass Qualität sowohl im positiven, wie auch im negativen Niederschlag finden kann. Außerdem kann hier der Schluss gezogen werden, dass sich Qualität – in welcher Form auch immer – nur im jeweils vorliegenden Zusammenhang zeigt und auch festmachen lässt. Und letztendlich sei hier sogleich angemerkt, dass ebendiese Qualität eben nicht einen bestimmten Rahmen trägt, sich in Schraken verweisen oder einfach ausgedrückt, an einem Phänomen, Begriff oder Gedanken festmachen lässt, sondern vielmehr ebenso flexibel und vielschichtig ist, wie die journalistische Landschaft selbst. Die Suche nach Allgemeingültigkeit gestaltet sich demnach ebenso schwierig, wie auch reizvoll.

So trifft man bereits in einem Standardwerk über den journalistischen Alltag auf einen der Ausläufer dieses Definitionsdilemmas. Man begegnet im Kapitel über die „Journalistische Qualität“ in Heinz Pürers Standardwerk „Praktischer Journalismus“ schon nach wenigen Zeilen einer ersten kleinen Sammlung von Qualitätskriterien. Diese sind...

- Objektivität
- Reduktion von Komplexität
- Aktualität
- Originalität
- Reflexivität

(Washietl 2004, 337)

Unter „Objektivität“ versteht sich hier vereinfacht die Faktentreue, die Bewertung und seriöse Auswahl, die Trennung von Nachricht und Meinung, die Vielfalt der Blickwinkel und die schlichte Fairness. „Reduktion von Komplexität“ meint das Vereinfachen, sich verständlich ausdrücken, komprimieren und selektieren von Information durch den/ die Journalisten/innen. „Aktualität“ sieht hier den häufigen Konnex mit dem andauernden Zeitdruck als relevant; und „Originalität“ stellt das Bieten von Leseanreizen, den Aufwand durch Eigenrecherche und das eingebrachte Hintergrundwissen in den Vordergrund. Schließlich bleibt noch die „Reflexivität“, die als Offenlegung der Bedingungen der Berichterstattung und als das „Sich-leisten-von“ Quellenkritik zu verstehen ist (vgl. Washietl 2004, 337f).

Das ist genau wie im Falle dieser Arbeit ein Versuch, nicht die Sache selbst zu definieren und diese in einen Satz oder ein Statement zu zwängen, sondern nur ihren Bewegungs- und Spielraum abzugrenzen. Dennoch wird bei näherer Betrachtung schnell klar, dass diese Kriterien selbst ebenso nach Definition verlangen und man so in Gefahr gerät sich im Kreis zu drehen. Darüber hinaus erscheint die Anzahl der genannten Kriterien etwas zu gering und mitunter auch schwer „erfassbar“.

4.2 Weitere Definitionen

Die folgenden beiden Definitionen sind zwar nicht unmittelbar relevant, dürfen deshalb jedoch nicht beiseite gelassen werden. Ihre Wichtigkeit wird einerseits durch die Worte der Einleitung gerechtfertigt, andererseits durch den weiteren Inhalt der Arbeit notwendig.

Ein Definitionsansatz zu (Kriegs)Berichterstattung wäre...

„ Kriegsberichterstattung als Form der Krisenkommunikation: Möglichkeit, durch Verständigung einen ethischen Beitrag zur Herstellung von Frieden (Herv. d. Verf.) und Gerechtigkeit zu leisten. Rekonstruktion verständigungsorientierten Handelns.“

(Loretan, OQ[1])

Dieser Definition steht Engelbert Washietl etwas kritischer gegenüber. Er sieht darin für den/die Journalisten/in gar eine „professionelle Grenzsituation“ (Washietl 2004, 336). Der Österreicher Oberst Wolfgang Schober, der sich mit dieser Thematik unter dem Titel „An der Informationsfront“ auseinandergesetzt hat, meint zur Rolle des/der kriegsberichterstattenden Journalisten/in:

„Es wird versucht, die Massenmedien für den Transport der zentralen Botschaften (...) einzusetzen. Derartige Methoden heutiger Kommunikation zeigen aber auch, dass der `Kampf an der vierten Front´ von entscheidender Bedeutung für die Akzeptanz und Legitimation (Herv. d. Verf.) von sicherheitspolitischen Operationen sind.“

(Schober 2003 zit.n. Pürer et. al. 20045, 336)

Ein Definitionsansatze zu Zensur wären...

„Zensur (lat. censura) ist ein Verfahren eines Staates oder einer Gemeinschaft, um Informationen oder andere durch Medien (Herv. d. Verf.) vermittelte Inhalte zu kontrollieren, zu unterdrücken oder im eigenen Sinn zu steuern. Vor allem Nachrichten, künstlerische Äußerungen und Meinungsäußerungen sind Gegenstände der Zensur.“

(Wikipedia 2004, OQ[2])

4.3 Winklers Qualitätskriterien

Auf der Suche nach einem geeigneten Maßstab zur Erfassung der uns vorliegenden Printprodukte stießen wir schließlich auf eine Diplomarbeit von Thomas Winkler (2003). Die Arbeit mit dem verheißungsvollen Titel „Qualitätskriterien für den Printjournalismus“ ließ auf recht hilfreiche Unterstützung hoffen.

Um einen ersten Überblick vermitteln zu können, werden im Folgenden zuerst eine Reihe von Qualitätskriterien genannt, die einerseits Grundlage für die Winkler´sche Arbeit waren, andererseits gleichzeitig einen Einblick bieten sollen, wie umfangreich ein solcher Pool gefüllt sein kann. Erst im anschließenden Kapitel wird dann auf die einzelnen Kriterien, die nach einer gewissenhaften Selektion und Prüfung auf Umsetzbarkeit noch übrig bleiben, näher eingegangen.

Neben Ruß-Mohl haben sich in der Vergangenheit auch anderer Wissenschaftler und Autoren mit der Suche nach geeigneten Kriterien beschäftigt und Modelle und Listen davon erstellt. Einen ersten Vergleich dazu bietet Siegert 2001:

Tabelle 1: Vergleichsaufstellung von Qualitätskriterien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Siegert 2001, 78 zit.n. Winkler 2003, 39)

Um dem Einwand Rechnung zu tragen, die in Tabelle 1 angeführte Aufstellung sei schon etwas veraltet, wurde die Tabelle um die äußerst rechte Spalte (grau unterlegt) erweitert, in welcher sich eine Aufstellung jüngeren Datums findet. Was damit jedoch noch eher gezeigt werden soll, ist die Tatsache, dass es über die Jahre (also in diesem Fall zwischen 1992 und 2004) auf der Suche nach Qualitätskriterien zwar immer wieder Veränderungen in Art und Umfang der Listen gegeben hat, diese aber nur geringfügig abweichend sind und offensichtlich ihren Anspruch auf Allgemeingültigkeit nie hundertprozentig behaupten konnten.

Außerdem ist hier sehr schön zu erkennen, dass trotz unterschiedlicher Zeiten hinsichtlich der Veröffentlichung und ebenso unterschiedlichen Autoren, es doch immer wieder zu Übereinstimmungen in den Listen gekommen ist. So tritt beispielsweise das Kriterium „Relevanz“ drei Mal auf (Schatz/ Schulz 1992, Rager 1994, Hagen 1995) oder das Kriterium „Aktualität“ insgesamt gar vier Mal (Ruß-Mohl 1992, Rager 1994, Hagen 1995, Washietl 2004). Eine Kongruenz, die bereits bei oberflächlicher Betrachtung ins Auge sticht.

Aus diesen und ähnlichen Pools, sowie an einigen Experteninterviews, orientiert sich die Winkler´sche Auswahl. Die Experteninterviews und deren Einschätzung der Kriterien können auch als ein Garant für (temporäre) Aktualität der Auswahl gesehen werden. Die Einschätzung der Wertigkeit und Relevanz verschiedener Kriterien ist – wie bereits im vorangegangenen Absatz erwähnt – über die Zeit gesehen nicht statisch und unveränderbar, sondern ebenso verschiedenen Schwankungen und Präferenzen der jeweiligen Zeit und journalistischen „Modeerscheinungen“ unterworfen.

Letztendlich gelangt Winkler zu einer Gesamtliste von 15 Qualitätskriterien, abgesichert durch Experteninterviews, Durchforstung vergangener Konzepte und schließlich auch speziell ausgewählt nach den Gesichtspunkten der Praxistauglichkeit (d.h. praktische Anwendbarkeit der Kriterien) und deren Operationalisierbarkeit (d.h. in auswertbare Größen zerlegbar und darstellbar). (vgl. Winkler 2003, 42f).

Tabelle 2: Winklers Qualitätskriterien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese erste Liste erhebt jedoch keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit und Allgemeingültigkeit, da diese und ähnliche Listen zukünftig erweitert, verkürzt, verändert und ergänzt werden können und müssen (vgl. Winkler 2003, 43)

4.4 Die Wallische Qualitätskurve

Die oben genannten Kriterien können also allesamt für eine Qualitätsprüfung von Printprodukten herangezogen werden. Da der Umfang dieser Arbeit jedoch eine Auswertung aller Kriterien aus zeitlichen, wie auch inhaltlichen Gründen nicht zulassen würde, ist es nötig sich einigen geordneten Einschränkungen zu unterziehen, um einerseits eine Datenflut zu verhindern, andererseits, – wie später beschrieben werden wird – um schwer umsetzbare Kriterien herauszufiltern. Nicht zuletzt kann diese Auseinandersetzung mit der Praxistauglichkeit von Qualitätskriterien auch als Test gesehen werden, ob nun tatsächlich die von Winkler angestrebte Umsetzbarkeit möglich ist.

Die Wallisch´sche Qualitätskurve stellt hier eine (die Erste) Instanz zur Eindämmung des Datenvolumens dar. Durch diese Kurve ist es möglich die vorhin genannten Kriterien nach ihrer Wertigkeit zu ordnen. Basierend auf den, von Winkler durchgeführten Experteninterviews einerseits, und der Aufsplittung der Kriterien nach ihrer Anwendbarkeit auf verschiedene journalistische Darstellungsformen, lässt sich im Folgenden der Umfang deutlich einschränken; ohne jedoch einen allzu großen Verlust an Glaubwürdigkeit nach sich zu ziehen.

Dazu werden die 15 Kriterien auf der x-Achse eines Diagramms aufgetragen und für die folgenden vier Hauptstilgattungen einzeln bewertet. Dieses Vorgehen zeigt außerdem recht eindrucksvoll, dass die angestrebte Allgemeingültigkeit bereits an Hand unterschiedlicher journalistischer Ausdruckformen neu zu bewerten ist.

„Die Qualitätskurven sollen zeigen, welche Kriterien für welche Stilgattung zentral sind – diese sind dann in der Mitte der x-Achse angeordnet.“

(Winkler 2003, 46)

Kurz gesagt soll eine Mengenreduktion durch Kriterienselektion und Reduktion der journalistischen Ausdrucksformen von statten gehen.

Die vier Untersuchten Textgattungen, hinsichtlich derer auch das Datenmaterial ausgewählt wurde, lauten wie folgt:

- Nachricht
- Interview
- Reportage
- Kommentar/Leitartikel

(Die Definitionen dieser vier Textgattungen finden sich im Anschluss in Kapitel 4.5 Definitionen der Textgattungen)

Auf der y-Achse sind schließlich die Bewertungen aus den Experteninterviews aufgetragen, wobei ein niedriger Wert gleichzusetzen ist mit geringer Bedeutung des Kriteriums und umgekehrt ein hoher Wert für große Bedeutung (vgl. Winkler 2003, 46ff).

Daraus ergeben sich folgende Kurven, die allesamt einer Normalverteilung recht nahe kommen:

Grafik 1: Graph – Nachricht

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 2: Graph – Interview

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 3: Graph – Reportage

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 4: Graph – Kommentar/ Leitartikel

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.5 Definitionen der Textgattungen

Wie bereits in der Aufzählung der vier Textgattungen in Kapitel 4.4 erwähnt seinen hier noch die nötigen Definitionen angefügt:

4.5.1 Die Nachricht:

Was ist nun das Charakteristische einer Nachricht? Einerseits soll der Grundsatz beachtet werden, das all das eine Nachricht wert ist, was von der Norm abweicht. Also eine „Information, nach-der-man-sich-richten-kann“ (Schlüter 2004 zit.n. Pürer et al. 20045, 140). Somit steht fast immer eine Neuigkeit im Vordergrund, die in der Nachricht auch an der Spitze des Textes zu finden sein soll (Lead). Der klassische Aufbau wäre also...

1. „Überschrift (als Extrakt aus dem Vorspann)
2. Vorspann/ Einstieg/ Lead - kurz und bündig, Beantwortung der wichtigsten Fragen (meist die „W-Fragen“, d. Verf.)
3. Anschließend finden sich weitere Details, Einzelheiten und Hintergründe.“

(Schlüter 2004 zit.n. Pürer et al. 20045, 141)

Außerdem zu beachten ist die „Zertrümmerung der Chronologie“ und die Beantwortung der „W-Fragen“. Schlüter schreibt hier: „Wer hat wann – was – wo – warum – wie gemacht?“ Ebenso ist zu beachten, in jedem Fall die nötige Distanz zum beschriebenen Inhalt bzw. Vorfall zu wahren. (ebd.)

4.5.2 Das Interview:

Das Interview unterteilt sich in zwei Hauptformen: Das klassische Interview als Wechselspiel zwischen Frage und Antwort der Gesprächspartner. Hier ist auf ausreichende Abwechslung zu achten um der Stereotypie vorzubeugen. Die zweite Variante ist die Interview-Mischform, in der weniger ansprechende Passagen durch journalistische Zusammenfassungen des Inhalts aufgebessert werden. Diese Variante bietet auch die Möglichkeit, dem Leser zu vermitteln, wie etwas gesagt wurde, wobei darauf zu achten ist, lebendige und aussagekräftige Zitate unbedingt im Wortlaut zu erhalten (vgl. Schlüter 2004 zit.n. Pürer et. al. 20045, 142ff).

[...]


[1] http://www.medienheft.ch/kurdenkonflikt/0Editorial.htm

[2] http://www.wikipedia.de

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Qualitativer Vergleich der Kriegsberichterstattung vom dritten Irakkrieg an Hand ausgewählter Printmedien
Hochschule
Universität Salzburg  (Fachbereich Kommunikationswissenschaft)
Veranstaltung
SE Qualität und Qualitätssicherung im Journalismus
Note
1
Autoren
Jahr
2005
Seiten
72
Katalognummer
V59182
ISBN (eBook)
9783638531863
ISBN (Buch)
9783656795728
Dateigröße
621 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit liegt darin, herauszufinden ob sich allgemeine und/ oder besondere Qualitätskriterien in der Kriegsberichterstattung finden und anwenden lassen, wie und ob überhaupt solche Kriterien zu operationalisieren sind, wie sich selbige in weiterer Folge auf ein umgrenztes Themengebiet anwenden und umsetzten lassen und ob es schließlich möglich ist, aus den gewonnen Daten und Ergebnissen nützliche - d.h. sinnvoll verwertbare - Informationen zu gewinnen.
Schlagworte
Qualitativer, Vergleich, Kriegsberichterstattung, Irakkrieg, Hand, Printmedien, Qualität, Qualitätssicherung, Journalismus
Arbeit zitieren
Bakkalaureus d. Kommunikationswiss. Friedrich Schneeberger (Autor:in)Kurt Rogan (Autor:in), 2005, Qualitativer Vergleich der Kriegsberichterstattung vom dritten Irakkrieg an Hand ausgewählter Printmedien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59182

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Qualitativer Vergleich der Kriegsberichterstattung vom dritten Irakkrieg an Hand ausgewählter Printmedien



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden