Der Historikerstreit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

25 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Eklat

3. Biographie Ernst Noltes

4. Die Vergangenheit, die nicht vergehen will

5. Weitere Personen im Historikerstreit

6. Die Rede von Richard von Weizsäcker

7. Schlussbetrachtung

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Sollen wir die Vergangenheit vergessen oder sollen wir es nicht?

Und wenn nicht, wie sollen wir mit unserer deutschen Vergangenheit umgehen?

Kann überhaupt eine Gegenwart sinnvoll gestaltet werden, ohne die Vergangenheit im Blick zu haben? Gehören nicht die Vergangenheit und die Zukunft zu den Faktoren, die unsere Gegenwart erst möglich machen?

Oder anders; darf das „Dritte Reich“ historisch so behandelt werden, dass es nicht mehr als düster-monströses Monument den Zugang zu unserer Vergangenheit versperrt, sondern eben Geschichte wird, vergangene Zeit, eine Epoche, wie viele anderen Epochen auch? Oder soll es als Mahnmal erhalten bleiben, weil nur dadurch auch ein Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg möglich wurde?

Nach der anfänglichen Verdrängung der Verbrechen der Nazis nach 1945 und der Zuschreibung auf wenige führende Nationalsozialisten in den Nürnberger Prozessen, die von vielen Deutschen als Siegerjustiz empfunden und wahrgenommen wurden und den Auschwitzprozessen, die kaum die übliche Abwehrhaltung vor dem Geschehenen veränderte und weiter zur Geschichtsverdrängung beitrugen, schien die Frage nach einer fälligen Aufarbeitung der Vergangenheit notwendig und dringend erforderlich.

Im Laufe meiner Hausarbeit über die Deutschen und ihre Geschichte, vor allem im Zusammenhang mit der Rede Ernst Noltes, aus dem der Historikerstreit entstand und der Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, die dem Streit voraus gegangen war, möchte ich zum einen anhand der Analyse dieser beiden Reden auf die daraus resultierende Frage eingehen, warum wir Deutschen unsere Vergangenheit brauchen und wie wir mit ihr umgehen sollen.

Zum anderen möchte ich speziell auf den so genannten Historikerstreit eingehen und auf die damit entstandene Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen.

In eben diesem „Streit“ wird die Besonderheit des Holocaust eingeebnet, indem seine historischen Ursachen verallgemeinert oder gefälscht werden und die Singularität des Genozids an der jüdischen Bevölkerung in Frage gestellt wird.

Diese grausamen Ereignisse des 2. Weltkrieges führten in den 1980er Jahren in der deutschen Geschichtswissenschaft zum Historikerstreit, der hauptsächlich zwischen Ernst Nolte, Andreas Hillgruber, Jürgen Habermas, Joachim Fest und Klaus Hildebrand ausgetragen wurde.

Fragen der Vergangenheitsbewältigung und der Aufarbeitung der Vergangenheit des Nationalsozialismus wurden aufgegriffen und zur Debatte gestellt.

Sehr deutlich zeigt sich hier die große Schwierigkeit der Geschichtswissenschaft, das Phänomen Nationalsozialismus wissenschaftlich und methodisch aufzuarbeiten, was im Verlauf der Hausarbeit noch näher aufgezeigt wird, ohne dass Vorwürfe wie "Geschichtsrevisionismus" oder Ähnliches laut werden. Das betrifft im besonderen Maße die Problematik des Holocausts.

2. Der Eklat

Beginnen wir mit der Vorgeschichte bei den Frankfurter Römerberg-Gesprächen, die unter dem Thema zur Erörterung der anhaltenden Folgen des Nationalsozialismus unter dem Stichwort „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ standen.

Der Hauptvortrag war dem Historiker Wolfgang Mommsen schon ein Jahr zuvor zugesichert worden.

Doch Ernst Nolte beanspruchte diesen Hauptvortrag für sich und empfand sich als „persona non grata“, also als unerwünschte Person, trotz des Angebots von Seiten der Initiatoren und des Oberbürgermeisters von Frankfurt, einen Kompromiss zu finden.

Ihm wurde „(...)jede nur mögliche Freiheit bei der Formulierung seines Themas zugestanden, so dass er – unter welchem Titel auch immer – seine Gedanken zu der Tagesproblematik unbeschwert hätte entwickeln können.“[1]

Nolte lehnte aber ab, blieb dem Treffen der Historikerversammlung fern und ließ statt dessen, oder vielleicht auch zum Trotze, seinen ursprünglich für die Tagung vorgesehenen Artikel unter dem Titel: „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ am 6. Juni 1986 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichen.

In diesem Artikel unterbreitete er provokante Vorschläge zur Revision der Geschichte des Nationalsozialismus.

„Sie lösten, verursacht auch durch ihre thesenhaft verkürzte Form, eine heftige Debatte über „Historisierung“ und „Normalisierung“ der NS-Epoche sowie über die „Singularität“ der nationalsozialistischen Massenverbrechen aus.“[2]

Der Beitrag von Ernst Nolte war der Ausgangspunkt für den so genannten „Historikerstreit“, eine lang und zum Teil heftig geführte Diskussion, die überwiegend in nicht- wissenschaftlichen Zeitschriften und renommierten Tages -und Wochenzeitungen stattfand. Bis 1988 erschienen insgesamt 1200 Publikationen in Büchern, Zeitschriften oder Zeitungsartikeln zum Streitthema.

Kernpunkt war die Frage Noltes, ob der Genozid an der jüdischen Bevölkerung von Seiten der Nationalsozialisten einzigartig war, oder ob es sich um einen mit anderen Völkermorden vergleichbaren Vorgang handelte.

Das Schlagwort „Historikerstreit“ kann seinem Namen allerdings nicht gerecht werden, da es sich nicht um eine kontrovers wissenschaftlich geführte Diskussion unter Historikern handelte, sondern unter den Beteiligten Journalisten, Politiker und eine Vielzahl von interessierten Leserbriefen mitmischten. Der Anspruch auf einen wissenschaftlich, empirisch belegten Disput ging durch subjektive Meinungsbekundungen, private Beleidigungen, Polemiken und auch durch gelegentlich politische Schlagabtausche verloren.

Da jedoch eine umfassende und ausführliche Darstellung der jeweiligen „Attacken“ und „Gegenattacken“ den hier gegebenen Rahmen sprengen würde, werde ich insbesondere auf die Wortmeldungen Noltes eingehen und lediglich einen kleinen Teil der Kritik von Jürgen Habermas aufgreifen .In einem ersten Schritt soll die Position Noltes ausführlich dargestellt werden. Diese ausführliche Darstellung ist mir wichtig um dem Leser eine genaue Beurteilung der daraus resultierenden Kritik ermöglichen zu können.

Des Weiteren wird die Kritik von Habermas aufgeführt, bevor dann in der Schlussbetrachtung die Rede des ehemaligen Bundespräsident Richard von Weizsäcker, wie wir mit unserer Vergangenheit umzugehen haben, zurück zur Leitfrage führt und Erkenntnis geben soll, ob eine Vergangenheit vergehen darf, oder ob sie Teil unserer Gegenwart bleiben soll oder muss.

3. Biographie Ernst Noltes, ein Außenseiter der Historikerzunft

- am 11. Januar 1923 wurde er in Witten geboren

3. Biographie Ernst Noltes, ein Außenseiter der Historikerzunft

- Er schließt sein Philosophiestudium unter anderem als Schüler Heideggers ab (dieser war durch sein NS-Engagements ein umstrittener Philosoph, so untersagte er zwar als Rektor Bücherverbrennungen an der Universität in Freiburg, andererseits unternahm er nur wenig, um die zunehmenden antisemitischen Strömungen an der Universität einzudämmen. Heidegger äußerte sich nie ausführlich über sein Engagement während des Dritten Reichs.)

3. Biographie Ernst Noltes, ein Außenseiter der Historikerzunft

- 1952 promoviert Nolte in Freiburg „Über Selbstentfremdung und Dialektik im deutschen Idealismus und bei Marx“

- 1953-1964 war er als Altphilologe in Bad Godesberg im höheren Schuldienst tätig

- 1964 habilitierte er an der Universität Köln über „Faschismus in seiner Epoche“, in der er eine vergleichende Analyse des deutschen Nationalsozialismus, des italienischen Faschismus und des französischen Etat Franais als epochaltypische Phänomene vornahm, eingehend darauf, dass Menschen und ihre Probleme soweit wie möglich oder gar ausschließlich aus den Bedingungen ihrer Zeit zu verstehen sind.

- 1965 wurde er Professor in Marburg

- 1967/68 wurde die Faschismusdeutung Noltes seines 1964 erschienenen Buches durch die Außerparlamentarische Opposition und die Studentenbewegungen um einen guten Teil ihrer möglichen Wirkung gebracht und dadurch die Möglichkeit der Deutung seines Werks durch den vorherrschenden Zeitgeist verschmäht. „Als Professor in Marburg (seit 1965) bekam er überdies die Illiberalität und Aggressivität der dort besonders stark vertretenen orthodoxen Linken selber zu spüren. [Diese](...) Erfahrungen blieben auf den ebenso sensiblen wie selbstbewußten Gelehrten nicht ohne nachhaltigen Einfluß.“[3]

- 1973 ging er dann an die Freie Universität Berlin und veröffentlichte dort sein Werk „Deutschland und der Kalte Krieg“ ,in dem sich bereits kontroverse Thesen zeigte, wie sie von Nolte im Kontext des Historikerstreits aufgegriffen wurden. So schrieb er, dass im Vergleich mit dem Sowjetkommunismus in der Stalin -Ära das NS-Regime bis 1939 gerade ein rechtstaatliches und liberales Idyll genannt werden könne oder weiter, dass die Vernichtung der europäischen Juden der zweite (der erste war die bolschewistische Klassenfeind-Vernichtung) „(...)modernere Versuch, Probleme, die mit der Industrialisierung zusammenhängen, durch die Beseitigung einer großen Menschengruppe zu lösen“[4] gewesen wäre.

- 1985 veröffentlichte er sein Werk „Marxismus und industrielle Revolution“

- Im Mai 2000 wird bekannt, dass Nolte von der "Deutschland-Stiftung e.V." für den mit 10.000 DM dotierten "Konrad-Adenauer-Preis" nominiert wurde. Personell wie auch ideologisch ist die "Deutschland-Stiftung" seit ihrer Gründung 1966 dem äußersten rechten Flügel der CDU zuzurechnen.

Leider war es mir nicht möglich, eine umfangreiche Biographie Noltes zusammenzustellen, da es sehr wenig Material vor allem Material über Nolte in der Zeit des Nationalsozialismus gibt.

4. Die Vergangenheit, die nicht vergehen will. Eine Rede, die geschrieben, aber nicht gehalten werden konnte

Seine eigentliche Dynamik erhielt der Streit durch die Vermutung, Nolte gehe es letztlich um die Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen, um den Deutschen ein unbelastetes Verhältnis zu ihrer nationalen Vergangenheit zu eröffnen, als Voraussetzung für eine selbstbewusste nationale Politik.

[...]


[1] Wehler Hans-Ulrich; Entsorgung der deutschen Vergangenheit. München 1988 S.37

[2] Volker Dotterweich; Kontroversen der Zeitgeschichte/ Historisch- politische Themen im Meinungsstreit. München 1998 S.101

[3] Wehler Hans-Ulrich; Entsorgung der deutschen Vergangenheit. München 1988 S.14

[4] Ebenda S.15

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Der Historikerstreit
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Note
1,5
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V59047
ISBN (eBook)
9783638530774
ISBN (Buch)
9783638666282
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Historikerstreit
Arbeit zitieren
Simone Kienel (Autor:in), 2005, Der Historikerstreit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59047

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