Hamas - ein politischer Faktor im palästinensischen state-building Prozess


Seminararbeit, 2002

17 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Die Gründung der Hamas

2. Organisationsstruktur
2.1 Soziale Einrichtungen
2.2 Die Militärverbände der Hamas
2.3 Finanzierung

3. Ideologie
3.1 Palästinensischer Nationalismus
3.2 Bewaffneter Kampf gegen Israel
3.3 Antisemitismus
3.4 Symbiose von Nationalismus und Islamismus

4. Die Rolle im Friedensprozess
4.1 Radikalität als Prinzip
4.2 Kooperation und Kontrollierte Gewalt
4.3 Die Krise als Chance

5. Funktionen der Hamas

Fazit

Anhang: Organisationsstruktur der Hamas

Literaturliste

Vorwort

Kaum eine Krisenregion dieser Welt findet international mehr Beachtung als der seit Jahrzehnten schwelende Nahostkonflikt. Insbesondere nach den, von islami­schen Fundamentalisten verübten, Terroranschlägen des 11. September und dem von den Amerikanern eingeleiteten „Kampf gegen den Terrorismus“, gerät die palästinensische Hamas-Bewegung immer mehr in den Blickpunkt. Die von US-Präsident George W. Bush zur „tödlichsten Terrororganisation der Welt“ erkorene Hamas wird oft in einem Atemzug mit dem international operierenden Al-Qaida Netzwerk Usama Bin Ladens genannt. Doch lassen sich wirklich Parallelen zu dieser Organisation oder anderen islamistischen Bewegungen ziehen? Diese Fragestellung im Hinterkopf behaltend beschäftigt sich meine Arbeit mit den Wurzeln der Hamas, ihrer Organisationsstruktur, den ideologischen Denkmustern und den praktischen Auswirkungen der Handlungen der Hamas auf den Friedens­prozess im Nahen Osten. Den Abschluss bildet eine Betrachtung der verschiede­nen Funktionen die die Hamas im komplexen Gefüge des israelisch-palästi­nensischen Verhältnisses einnimmt. Diese Arbeit wurde im Rahmen der von Frau Dr. Arsuzi-Elamir betreuten Projektgruppe „Usama Bin Laden“, in der wir uns mit verschiedenen Erscheinungsformen des Islamischen Fundamentalismus ausein­ander setzten, angefertigt.

1. Die Gründung der Hamas

Die Veröffentlichung einer Charta im August 1988 gilt als die offizielle Gründung der Hamas[1]. Seit Ausbruch der Intifada im Dezember 1987 beteiligte man sich jedoch bereits mit Aktionen am Aufstand gegen die israelische Besatzungsmacht. Hamas ist eine direkte Abspaltung der Muslimbruderschaft, die seit Jahrzehnten in den besetzten palästinensischen Gebieten eine Reihe sozial-karitativer Einrichtungen unterhält, und bis zur Eröffnung der Intifada eine gemäßigte Position gegenüber Israel einnahm. Die 1928 in Ägypten gegründete Vereinigung der Muslimbruderschaft weitete 1935, lange vor der Gründung des Staates Israel, ihre Aktivitäten auch auf Palästina aus. Ihr Ziel, die Verwirklichung einer „islamischen Ordnung“(al-nizam al-islami) und die Wiederherstellung der islamischen Gemeinschaft (umm a), war dabei nicht auf Palästina begrenzt, betrachtete dieses aber als unverzichtbaren Bestandteil des islamischen Territoriums, zumal die wichtigsten islamischen Heiligtümer nach Mekka und Medina, die Al-Aqsa-Moschee und der Felsendom, in Jerusalem liegen.[2] Im Zuge der Radikalisierung Ende der 80er Jahre diente die Hamas der Bruderschaft als Mittel um am bewaffneten Widerstand teilnehmen zu können, und somit ihren Einfluss zu wahren.[3] Die Etablierung der Islamischen Widerstandsbewegung als nach außen hin eigenständige Organisation war von der Bruderschaft als Vorsichtsmaßnahme bei einem möglichen Scheitern des bewaffneten Aufstands durchgeführt worden. Mittlerweile ging die Muslimbruderschaft in den besetzten palästinensischen Gebieten vollkommen in der, von ihr als militärischen Arm gegründeten, Hamas auf.

Als Mitgründer und geistiger Mentor der Bewegung gilt der gelähmte und inzwischen fast erblindete Scheich Ahmed Jassin. Er wurde 1938 im Gaza-Streifen geboren und ist seit 1967 Mitglied in der Muslimbruderschaft. Wegen Waffenbesitzes und der beabsichtigten Gründung einer militärischen Organisation wurde er 1983 zum ersten Mal für ein Jahr inhaftiert. Im Rahmen der Intifada ließ ihn Israel 1989 wegen seiner politischen Aktivitäten erneut verhaften. Diesmal wurde Jassin erst 1997 im Austausch gegen einige Agenten des Mossad auf freien Fuß gesetzt.[4]

2. Organisationsstruktur

Allgemein lässt sich konstatieren, dass die Hamas in den gesamtem palästinensi­schen Gebieten über ein weit verzweigtes Netz unterschiedlichster Einrichtungen verfügt. Diese reichen von Moscheen, Krankenhäusern, einer Universität, militäri­schen Zellen bis hin zu Verbindungen in israelische Gefängnisse. Die Leitung der einzelnen Institutionen erfolgt dezentral, und eine strenge Hierarchie ist kaum ausgeprägt. Vor allem zwischen der Organisation im Gaza-Streifen und derjenigen im Westjordanland bestehen historisch bedingt kaum Berührungspunkte.[5] Diese Vorgehensweise erschwert zwar die Abstimmung innerhalb der Hamas, sie stellt aber angesichts des feindlichen Umfelds in dem sie sich bewegt, eine gute Mög­lichkeit dar, die Organisation gegen Angriffe von außen immun zu machen. So erwiesen sich auch alle bisherigen Versuche Israels durch Liquidierung führender Köpfe der Bewegung ihre Handlungsfähigkeit einzuschränken als untauglich, son­dern führten vielmehr zu Vergeltungsschlägen. Auch die Tatsache, dass das politi­sche Hauptquartier der Hamas in Amman/Jordanien und somit im Ausland residiert, ist hierauf zurück zu führen. Bevor die USA die Hamas 1993 als terro­ristische Organisation einstuften, operierte man zudem von London aus.[6] Zur Illustration des verzweigten Aufbaus der Bewegung, befindet sich im Anhang zu dieser Arbeit eine Skizzierung der internen Organisation der Hamas.[7]

2.1 Soziale Einrichtungen

Das soziale Engagement stellt einen Eckpfeiler in der Wahrnehmung der Hamas durch die palästinensischen Bevölkerung dar. Durch die Übernahme von zahlrei­chen Einrichtungen der Muslimbruderschaft, wie z.B. des Islamischen Zentrums (al-Mujamma’ al-Islami) im Gaza-Streifen, verfügt Hamas über die Möglichkeit durch Linderung der Notlage in der sich viele Palästinenser befinden, sich Respekt und Anerkennung zu sichern und somit ihre politischen Aktivitäten voranzutrei­ben. Das Islamische Zentrum stellt im Gaza-Streifen einen so bedeutenden Anteil an Infrastruktur bereit, dass ein Wegbrechen dieser Einrichtungen große Lücken hinterlassen würde. So werden von ihm ein Krankenhaus, Kindergärten, Schulen und fast die Hälfte aller Moscheen unterhalten. Insbesondere den Moscheen fällt bei der Vermittlung der radikal islamischen Werte der Hamas-Bewegung eine her­ausragende Bedeutung zu. Hierbei macht man sich vor allem die Autorität zu Nutze die die Prediger bei der überwiegend streng religiösen Bevölkerung besitzen.[8]

2.2 Die Militärverbände der Hamas

Die militärischen Einheiten der Hamas sind von dem, im vorherigem Abschnitt angesprochenem, karitativen Netz strikt abgegrenzt. Die sogenannten Izz al-Din al-Qassam - Brigaden, benannt nach dem syrischen Prediger al-Qassam, der in den 30er Jahren einen Aufstand gegen die britische Mandatsmacht anführte, und dabei getötet wurde, operieren in kleinen Zellen, und wählen die Ziele ihrer An­griffe nach eigenem Ermessen aus. Zwischen diesen jungen, ungestümen Kämp­fern, die durch die Zeit der Intifada geprägt wurden und den Spitzen der Bewegung , die den Handlungsrahmen der militärischen Verbände festlegen, kommt es oftmals zu Spannungen wegen der mangelnden Abstimmung.[9] Zu den Aktionen der Izz al-Din al-Qassam - Brigaden zählen Überfälle auf Militärposten und Straßensperren der israelischen Armee, aber auch zahlreiche Selbstmordan­schläge, die eine hohe Zahl ziviler Opfer forderte und der Hamas ihren zweifel­haften Ruf als gefürchtete Terrororganisation einbrachte. Die Motive der Selbstmordattentäter und der religiösen Hintergrund werden in Kapitel 3.2 näher beleuchtet.

2.3 Finanzierung

Das soziale Engagement, aber auch die Ausrüstung der militärischen Verbände, erfordern natürlich einer Finanzierung. Die Almosensteuer (zakat), die über das Islamische Zentrum eingetrieben wird, stellt die einzige ertragreiche interne Ein­nahmequelle dar.[10] Ansonsten ist die Hamas von Zuwendungen aus dem Ausland abhängig. Als gesichert gilt die finanzielle Unterstützung durch Saudi-Arabien, Kuwait und andere Golfstaaten. Als indirekter Beweis wird das Verhalten der Hamas während des 2. Golfkrieges angeführt. Während die PLO den Irak wegen seiner aggressiven Politik gegenüber Israel offen unterstützte, übte sich die Islami­sche Widerstandsbewegung in absoluter Zurückhaltung. Die PLO wurde durch ein Zudrehen der Geldhähne für ihre Haltung bestraft wurde, wodurch die Hamas ihre Position deutlich verbessern konnte.[11] Eine Finanzierung durch den Gottesstaat Iran wird zwar von vielen Autoren für wahrscheinlich gehalten, aber einzig Shaul Mishal und Avraham Sela belegen diese Verbindung. Dabei berufen sie sich auf einen Artikel der in Paris ansässigen al-Watan al-’Arabi, der sich mit einem im November 1992 geschlossenen Kooperationsvertrag zwischen Iran und der Hamas befasst.[12] Vereinzelt wird auch die Annahme geäußert, dass bis weit in die 80er Jahre hinein, ausgerechnet Israel die damalige Muslimbruderschaft „ideell und materiell gefördert“[13] hat, und somit die Gründung der Hamas indirekt unterstützt hat. Begründen lässt sich dies durch das anfangs sehr gemäßigte Auftreten der Bruderschaft, die das Agitieren gegen Israel vermied, und von diesem als Konkur­renz zur radikaleren PLO aufgebaut werden sollte.[14]

[...]


[1] Direkt übersetzt steht Hamas für Begeisterung, zugleich Abkürzung für Harakat al-Muqawama al-Islamiyy a, Islamische Widerstandsbewegung

[2] Vgl. Meyer, Bertold : Aus der Traum? Das Scheitern des Nahost-Friedensprozesses und seine innenpolitischen Hintergründe, Frankfurt, 2001, S. 42

[3] Die militanten Islamisten des Islamischen Ğih ªd (ein bereits seit Ende der 80er Jahren bestehender Zusammenschluss radikaler Aktivisten der MB und der PLO) bedrohten mit ihrem Engagement bei der Intifada tatsächlich die Stellung der Bruderschaft im islamistischen Lager

[4] Die Angaben wurden der offiziellen Homepage der Hamas (www.palestine-info.com/hamas) entnommen

[5] Vgl. Tai, Andreas : Widerstand im Namen Allahs – Hamas als politischer Faktor im Friedensprozess, in: Ibrahim, Ferhad/Ashkenasi, Abraham (Hrsg.): Der Friedensprozess im Nahen Osten – Eine Revision, Münster, 1998, S. 147

[6] Vgl. Mishal, Shaul/Sela, Avraham: The Palestinian Hamas – Vision, Violence and Coexistence, Columbia University Press, 2000, S. 58

[7] Entnommen aus: Mishal/Sela (2000, s. Anm. 6), Appendix One

[8] ebd. S. 20 ff.

[9] Vgl. Tai (1998; s. Anm. 5), S. 148/149

[10] ebd. S. 150

[11] Vgl. z.B. Philipp, Thomas: Israel und die Besetzten Gebiete, in: Ende, Werner/Steinbach, Udo (Hrsg.): Der Islam in der Gegenwart, München, 19964, S. 504

[12] Vgl. Mishal/Sela (2000, s. Anm. 6), S. 97

[13] Watzal, Ludwig: Feinde des Friedens – Der endlose Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, Berlin, 2001, S. 51

[14] ebd. S. 21 sowie Philipp, Thomas (19964, s. Anm. 11), S. 501

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Hamas - ein politischer Faktor im palästinensischen state-building Prozess
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut der Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Proseminar Der arabische Nationalismus zwischen Panarabismus und nationalterritorialer Staatlichkeit
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
17
Katalognummer
V5896
ISBN (eBook)
9783638136198
Dateigröße
606 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Israel Nahostkonflikt Islamischer Fundamentalismus
Arbeit zitieren
Christian Alexander Sächerl (Autor:in), 2002, Hamas - ein politischer Faktor im palästinensischen state-building Prozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5896

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