Gender status beliefs und ihre Auswirkungen auf die Geschlechterungleichheit im Erwerbsbereich


Hausarbeit, 2004

31 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Vorbemerkung

II. Gender status beliefs
II, 1 Was sind gender status beliefs?
II, 2 Wie entstehen gender status beliefs?

III. Geschlechterungleichheit in der Arbeitswelt
III, 1 Frauen im Erwerbsleben – allgemein
III, 2 Frauen im Erwerbsleben – Führungspositionen

IV. Ridgeways Arbeit im Rahmen der geschlechterbezogenen Organisationsforschung
IV, 1 Bedeutung von Geschlecht
IV, 2 Rosabeth Moss Kanter „The Concept of Tokenism“ – im Vergleich zu
Ridgeways Ansatz

V. Schlussfolgerung

VI. Bibliographie

I. Vorbemerkung

„Schon der Anblick der weiblichen Gestalt lehrt, dass das Weib weder zu großen geistigen noch körperlichen Arbeiten bestimmt ist.“

Zu diesem Schluss kommt Arthur Schopenhauer in seinem Werk „Über die Weiber“. Doch obgleich sich die Auffassung Schopenhauers über die Frau heute getrost als antiquiert bezeichnen lässt sind in Deutschland Frauen in Spitzenpositionen immer noch eine Rarität, dem Mikrozensus 2000 zur Folge sind mehr als zwei Drittel aller leitenden Angestellten männlich. Und je weiter man an der Karriereleiter hinauf schaut, um so deutlicher wird die Benachteiligung von Frauen: der Frauenanteil innerhalb der Wirtschaftseliten betrug laut der Potsdamer Elitestudie von 1995 gerade einmal zwei Prozent. Auch der Bildungsbereich bestätigt die Geschlechterungleichheit. Das kürzlich erschienene Jahrbuch 2005 stellt fest, dass zum zweiten Mal in Folge mehr Frauen als Männer in diesem Jahr ein Hochschulstudium begonnen haben. Bei den Absolventen beträgt der Frauenanteil noch 47 Prozent. Bei der Habilitation sind lediglich knappe 20 Prozent Frauen. Noch deutlicher wird es nur bei der C4-Professur, wo sich der Anteil der weiblichen Professorinnen auf acht Prozent beläuft.

Die Hartnäckigkeit der Geschlechterhierarchien sind vor allem in der Arbeitswelt hinreichend bekannt und dennoch ein erstaunliches Phänomen. Die dichotome Einteilung der Menschen in Männer und Frauen zieht eine zählebige Hierarchisierung mit sich, die Männern mehr Macht, Status und Autorität zu gesteht. Obwohl sich die soziale und ökonomische Grundlage elementar verändert hat, ist die Geschlechterhierarchie fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Doch warum ist das so?

Eine mögliche Antwort darauf gibt Cecilia L. Ridgeway. Als Grundlage der Reproduktion von Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen nennt Ridgeway die Interaktion zwischen den Geschlechtern und die damit verbundene geschlechtliche Kategorisierung: Als erste unbewusste Handlung in der Interaktion steht die Kategorisierung. Laut Ridgeway setzt eben diese erste unbewusste Geschlechtszuweisung neben dem verzerrten Vergleichsprozess auf welchen ich nicht näher eingehen werde den Statusprozess in Gang. Dieser Statusprozess und die damit verbundenen Annahmen über Status- und Wertunterschiede zwischen den Geschlechtern, die status beliefs, stehen im Mittelpunkt meiner Arbeit.

Die sich hieraus ergebende Fragestellung rückt den Einfluss und die Bedeutung von status beliefs auf die Geschlechterungleichheit in den Vordergrund. Was sind status beliefs? Woher kommen sie? Wie beeinflussen sie die Interaktion und somit die Reproduktion von Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern?

Das sind die zentralen Punkte, die ich unter Bezugnahme auf Cecilia L. Ridgeway in meiner Arbeit darstellen und kritisch durchleuchten werde.

Als zweiten und weiterführenden Bereich werde ich ebenfalls unter Rekurrierung auf Ridgeway und einige Studien erörtern, welchen Einfluss die gender status beliefs auf die Geschlechterungleichheit in der Arbeitswelt speziell auf Führungspositionen haben. Ridgeway benennt die Arbeitswelt als

eines der beiden [...] Fundamente, auf denen das gegenwärtige System der Geschlechterungleicheit beruht. Das andere Fundament bildet die häusliche Arbeitsteilung.

Ich spreche in meiner Arbeit daher immer von „goal-oriented settings“. Das heißt ich untersuche status beliefs und ihren Einfluss auf die Geschlechterungleichheit und beziehe mich hierbei ausschließlich auf die Arbeitswelt. Da Ridgeway ihre experimentellen Fallbeispiele stets hierauf bezieht und die Arbeitswelt und insbesondere den Führungsbereich als eine Basis für die Zementierung von status beliefs und damit von Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern sieht, wird sich auch meine Arbeit daran orientieren.

Als Professorin für Soziologie an der Universität von Stanford befasst sich Ridgeway in ihrer Forschung mit sozialen Hierarchien, alltäglicher Interaktion und sozialen Ungleichheiten im Allgemeinen.

Ich grenze meine Arbeit auf die gender status beliefs in ihrer Entstehung und Wirkung ein, da ich diesen Ausschnitt aus Ridgeways wissenschaftlicher Arbeit im Zusammenhang mit dem übergeordneten Seminarkontext für sehr relevant erachte. Das Seminar „Gender and Organization“ führt ein in die geschlechterbezogene Organisationsforschung und liefert Erklärungsansätze und theoretische Grundlagen für die anhaltende Ungleichheit und hierarchische Struktur in Organisationen entlang der Geschlechtergrenzen.

Ridgeway liefert mit ihrem Ansatz eine mögliche Erklärung für eben diese „Härtnäckigkeit der Geschlechterungleichheit in der Arbeitswelt“. Es ist nicht möglich die gesamte Bandbreite der Arbeit Ridgeways hier darzustellen, daher konzentriere ich mich im folgenden auf die Status- und Wertunterschiede zwischen den Geschlechtern. Da diese status beliefs direkten Einfluss auf die bestehenden Ungleichheiten und Hierarchisierungen ausüben und erläutern, warum trotz rechtlicher und politischer Gleichheit Ungleichheiten nicht verschwinden, nehmen sie für mich in der Diskussion einen zentralen Stellenwert ein.

Eine zusätzliche Herausforderung sehe ich in der Tatsache, dass Ridgeway nicht rein soziologisch, sondern vielmehr sozialpsychologisch vorgeht und ihr Ansatz dennoch von enormer Aktualität und Relevanz für die soziologische Geschlechterforschung ist.

Zunächst erkläre ich, was gender status beliefs laut Ridgeway genau sind. Dann werde ich auf ihre Entstehung im Interaktionsprozess eingehen und den Statusprozess näher erläutern, das heißt darstellen wie und inwiefern sich die status beliefs ständig reproduzieren. Im zweiten Teil meiner Arbeit geht es primär um die Folgen, die die gender status beliefs laut Ridgeway mit sich ziehen. Anhand von Fallbeispielen stellt Ridgeway dar, in welcher Weise Status als Hindernis für Frauen fungiert und wie er sich strukturell auf Führungspositionen auswirkt. Im dritten großen Abschnitt meiner Arbeit steht die Bedeutung, die Ridgeway dem Geschlecht in ihrer Argumentation zukommen lässt, im Fordergrund. Im Zuge dessen setzte ich den Argumentationsansatze von Rosabeth Moss Kanter in Bezug zu Cecilia L. Ridgeway, um einen umfassenden Einblick in die geschlechterbezogene Organisationsforschung zu gewährleisten.

II. Gender status beliefs

II, 1 Was sind gender status beliefs?

Dieser Abschnitt meiner Arbeit soll den Begriff gender status beliefs näher bringen, darstellen, was hinter dem Begriff steht und erläutern, welche Bedeutung ihm in der Theorie Ridgeways zukommt.

Anhand der expectation states theory, einer grundlegenden strukturtheoretischen Theorie der Sozialpsychologie, definiert Cecilia Ridgeway status beliefs als Annahmen über Status- und Wertunterschiede zwischen Gruppen innerhalb der Gesellschaft, die von den meisten Menschen als geteiltes, allgemeines Wissen angenommen werden. Als Beispiele hierfür können neben dem Geschlecht Rasse, Bildung oder Einkommen genannt werden. Im Detail bedeutet das, dass es sich bei den gender status beliefs um eine in der Gesellschaft weit verbreitete Annahme handelt, die einer statushohen Gruppe (Männern) mehr generelle Kompetenzen und positivere spezifische Eigenschaften zuschreibt als einer statusniederen (Frauen). Solche Annahmen beruhen auf der Vorstellung, dass das eine Geschlecht dem anderen prinzipiell überlegen ist.

Ein adäquates Beispiel hierfür ist die Frage nach typisch männlichen Attributen. Häufig werden in diesem Zusammenhang Rationalität, Durchsetzungsstärke, logisches Denkvermögen und Sturheit angeführt und eben diese Attribute sind es, die mit Erfolg im Erwerbsbereich verbunden werden. Frage ich jetzt weiter nach typischen Eigenschaften, die einen Manager beschreiben, so ergeben sich enorme Übereinstimmungen mit der Beschreibung der „männlichen Attribute“. Ridgeway folgert hieraus, dass die vermeintlich als „männlich“ befundenen Eigenschaften im Erwerbsbereich als „brauchbarere“ eingestuft werden, als die von der Gesellschaft zugeschriebenen „weiblichen“ Eigenschaften. Für diese geschlechtstereotypen Zuschreibungen von außen verwendet Ridgeway für die männlichen Attribute stellvertretend den Begriff „agentic“, für die weiblichen steht der Begriff „communal“. „Agentic“ kann als einflussreich und durchsetzungsfähig verstanden werden, während „communal“ soviel wie unterstützend bedeutet.

Mit dieser Darstellung gibt die Autorin der Ursache für die klassische Rollenverteilung einen Namen: Gender status beliefs. Denn in der Konsequenz bedeutet dies laut Ridgeway selbst für erfolgreiche, wohlhabende Frauen, dass sie hinter ihnen gleichgestellten Männern zurückbleiben. Bildhaft gesprochen: Ridgeway vergleicht nicht Hausfrau mit Erfolgsmanager. Geschlechterdifferenzen werden laut Ridgeway zwischen gleichgestellten Akteuren wie beispielsweise Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin in vergleichbaren Positionen durch die Aktivierung von Statusannahmen reproduziert und bestätigt. Die gender status beliefs nehmen somit eine tragende Rolle bei der Entstehung sozialer Ungleichheit ein. Gleich dreifach sieht Ridgeway einen Kausalzusammenhang zwischen Geschlechterungleichheit in zielorientierten Interaktionen und gender status beliefs:

1. Bei Männern wird generell eine höhere berufliche Kompetenz erwartet. Aufgrund solcher Erwartungshaltungen fungieren die Statusannahmen als eine Art „self-fulfilling prophecy“. Das heißt sie beeinflussen die gegenseitige Leistungserwartung, die Selbsteinschätzung und das Selbstvertrauen und damit auch die faktische Leistung.
2. Erwartungen bezüglich Einkommen und Berufschancen sind stark von status beliefs beeinflusst, da sich Gehaltserwartungen am Status orientieren. Daher entspringen dem höheren „männlichen“ Status auch höhere Gehaltserwartungen.
3. Da gender status beliefs Männern einen Vorteil verschaffen neigen sie dazu, gegenteilige Aussagen zu negieren bzw. Informationen, die dem vorherrschenden Statuskonzept widersprechen, auszublenden.

Mit dem oben angedeuteten Aspekt der Leistungserwartung geht der Autorin zu Folge noch ein weiteres Phänomen einher, das die expectation states theory

als „self-other performance expectation“ bezeichnet. Gemeint ist hiermit, dass die implizite Annahme über die Wichtigkeit des eigenen Gesagten im Vergleich zu den Beiträgern anderer das Verhalten und somit die eigene Leistung beeinflusst. Das bedeutet, selbst wenn die Sekretärin eine brillante Geschäftsidee hat, die der Firma zu Gute käme, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sie dem Chef gegenüber äußert, sehr gering, da sie aufgrund ihres Status das eigene Gesagte für unwichtiger befindet als es tatsächlich sein kann.

Um den abstrakten Begriff der status beliefs verständlicher zu machen erscheint es mir von großer Wichtigkeit, ihn in Beziehung zu den Begriffen Stereotyp und Hierarchie zu setzen. Auch Ridgeway geht in ihrer Arbeit auf den Zusammenhang und die Untrennbarkeit der Begriffe ein.

Status beliefs bilden eine Komponente der Geschlechterstereotype. Stereotype im Allgemeinen sind eng mit Vorurteilen verbunden, daher sind sie meist wertend und leicht weiter zu vermitteln. In diesem Zusammenhang erwähnt Ridgeway eine wichtige Eigenschaft der Stereotype: The prescriptive edge of gender. Unter Bezugnahme auf Glick und Fiske stellt die Autorin dar, dass Menschen häufig den Ist-Zustand als Soll-Zustand ansehen, das heißt konkret, dass in der alltäglichen Wirklichkeit nicht berücksichtigt wird, dass es sich bei den „typisch männlichen“ und „typisch weiblichen“ Attributen um Zuschreibungen von außen handelt, die nur ausdauernd wiederholt und reproduziert werden.

Die hierbei häufig verwendete Argumentationsstrategie ist die biologische, die häufig dazu dient, Unterschiede zwischen den Geschlechtern zwar zu erklären, doch für die Ungleichheiten finden sich in der Biologie wiederum keine Erklärungen.

Geschlechterstereotype sind die kulturellen Inhalte, die mit den Geschlechtern verknüpft sind. Das bedeutet: Alles, was als „typisch männlich“ und „typisch weiblich“ betrachtet wird.

[...]

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Gender status beliefs und ihre Auswirkungen auf die Geschlechterungleichheit im Erwerbsbereich
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Gender an Organization
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
31
Katalognummer
V58900
ISBN (eBook)
9783638529716
ISBN (Buch)
9783656795155
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Darstellung der gender status beliefs, ihre Entstehung in der Interaktion und ihre Auswirkung auf die Arbeitswelt unter Bezugnahme auf den theoretischen Ansatz von Cecilia L. Ridgeway
Schlagworte
Gender, Auswirkungen, Geschlechterungleichheit, Erwerbsbereich, Gender, Organization
Arbeit zitieren
Katarina Wessling (Autor:in), 2004, Gender status beliefs und ihre Auswirkungen auf die Geschlechterungleichheit im Erwerbsbereich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58900

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Gender status beliefs und ihre Auswirkungen auf die Geschlechterungleichheit im Erwerbsbereich



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden