Lehrer, Schule und Unterricht im Nationalsozialismus


Examensarbeit, 2006

91 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zeitgeschichtlicher Hintergrund

3. Lehrer im Nationalsozialismus
3.1 Gleichschaltung der Lehrerschaft durch den Nationalsozialistischen Lehrerbund
3.2 Arbeitsbedingungen der Lehrer unter Einflussnahme des Nationalsozialismus
3.3 Umbruch in der Lehrerbildung
3.4 Idealbild eines NS-Volksschullehrers

4. Unterricht im Nationalsozialismus
4.1 Reichsrichtlinien der Jahre 1937 und 1939
4.2 Nationalsozialistische Erziehung am Beispiel des Unterrichtsfaches Deutsch
4.3 Nationalsozialistische Erziehung am Beispiel des Unterrichtsfaches Geschichte

5. Schule im Nationalsozialismus
5.1 Schulwirklichkeit einer bayerischen Volksschule unter dem Hakenkreuz
5.2 Bedeutung der Schulfeiern
5.3 Hitler-Jugend als außerschulische Instanz

6. Folgen des Nationalsozialismus
6.1 Langfristige Folgen des Nationalsozialismus in der Schule
6.2 Langfristige Folgen des Nationalsozialismus im Unterricht
6.3 Entwicklungstendenzen der Lehrer nach 1945

7. Schlussbetrachtung

8. Literaturverzeichnis
8.1 Verzeichnis der Archive
8.2 Verzeichnis der Amtsblätter
8.3 Literatur

1. Einleitung

Der Nationalsozialismus, die hauptsächlich von Adolf Hitler organisierte und begründete politische Bewegung, bestimmte von 1933-1945 die deutsche Politik. Durch den Zusammenbruch des Deutschen Reichs im Jahr 1945 wurde die Diktatur beendet. Die Niederlage des ersten Weltkriegs 1918 und die Versailler Friedensbestimmungen verschärften die Spannungen und Klassengegensätze im deutschen Volk. Zudem waren die durch die Inflation hervorgerufene Verunsicherung und Verarmung des Mittelstandes, sowie die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise von 1929, allgemeine Voraussetzungen für das Aufkommen des Nationalsozialismus. Die Parteipolitische Bewegung wurde 1921 durch Adolf Hitler in Auftrieb gebracht. Er nahm die Parteiführung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in seine Hand und verschaffte sich mit der Einführung des Führerprinzips diktatorische Vollmachten. Die Parteiorganisation wurde durch die Aufstellungen der Schutzstaffeln (SS) seit 1925, der Errichtung einer Reihe berufsständischer Gliederungen und der Bildung der Hitler-Jugend (HJ) im Jahr 1926 immer weiter ausgebaut. In den Wahlkämpfen konnte sich die NSDAP allerdings nicht durchsetzen. Erst durch die Weltwirtschaftskrise von 1929 und der daran geknüpften zunehmenden Arbeitslosigkeit begann der Massenzustrom zur NSDAP. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 gelang der Nationalsozialismus in Deutschland zur Macht. Fortan galt ein Verbot für alle weiteren Gewerkschaften und Parteien. Der Führer und die NSDAP galten als Repräsentanten des gesunden Volksempfindens. Die Entscheidungen Adolf Hitlers mussten unanfechtbar durchgeführt werden und galten als unfehlbar. Im Interesse einer möglichst straffen Konzentration und Steigerung der so gelenkten staatlichen Macht wurde das Reich als zentralisierter Einheitsstaat durchorganisiert. Bei dieser Gleichschaltung fielen auch alle eigenständigen Organisationen im Bereich der Schule.[1] Die Schule galt als eines der wichtigsten Instrumente des nationalsozialistischen Herrschaftssystems, da die Anordnungen der Machthaber ohne weiteres ausgeführt wurden. Als bedeutendste Bildungsinstanz nahm sie sich des nationalsozialistischen Grundsatzes an, der besagte: Das Volk ist alles, das Individuum nichts. Demnach wurde die Schule zum ausführenden Organ der NSDAP. Auf reformpädagogische Erziehungsvorstellungen, sowie pädagogische Theorien wurde verzichtet. Die nationalsozialistische Erziehung verfolgte weder die Förderung der Individualität noch die Entfaltung der persönlichen Anlagen. Stattdessen sollte der gemeinschaftlich denkende und handelnde Volksgenosse aus der Erziehung hervorgehen, der zudem linientreu, hart, gehorsam, soldatisch und unkritisch war, somit einfach zu leiten und zu lenken.[2]

„Zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und flink wie die Windhunde.“[3]

Die Schule war dazu bestimmt, der nationalsozialistischen Ideologie neue Anhänger zu verschaffen. Ziel war es, die Rassentheorie in den Köpfen der Schüler zu verwurzeln und durch den Unterricht Verbundenheit zu Blut und Boden zu fördern. Ein politisches System aus einem „willensmächtigen Führer und willenlosen Geführten“[4] sollte gefestigt werden. Um die machthaberischen Ziele zu erfüllen, stellte die Schule ihre Erziehungsziele in den Dienst des nationalsozialistischen Staates und der Partei.[5]

Die Nationalsozialisten betrachteten ihre Partei als Bewegung mit völkisch- politischem Charakter. Durch die breite ideologische Vielfalt gewann die Partei Mitglieder, von denen sich manche allerdings nicht mit der Partei identifizierten. Die fehlenden Zielvorstellungen für eine neue Gestaltung des Staates ermöglichten der NSDAP den Aufstieg zur Massenpartei. Die Bevölkerung und auch die Pädagogen identifizierten sich mit der nationalen Bewegung und der daran geknüpften „patriotischen Aufbruchstimmung“[6].

Für das Bildungswesen bestand das Ziel, eine Erziehungstheorie zu finden, die sich an der nationalsozialistischen Weltanschauung orientierte. Demnach sollte das bürgerlich-liberale Erziehungskonzept der Weimarer Republik abgeschafft werden. Zwei Wissenschaftler spielten dabei eine erhebliche Rolle. Alfred Bäumler und Ernst Krieck. Beide versuchten dem neuen Regime eine weltanschauliche Erziehungswissenschaft anzubieten. Dadurch, dass das NS- Regime ohne konkrete Ziele geführt wurde, wurde diese Offenheit sowohl von Bäumler als auch von Krieck genutzt um, im Rahmen der ideologischen Vorstellungen, die eigenen Betrachtungsweisen an die Bevölkerung heranzuführen.[7]

Die faschistische Erziehungspolitik des Nationalsozialismus wurde besonders durch Ernst Krieck untermauert. Dieser brachte 1932 das Buch die „Nationalpolitische Erziehung“ heraus. Die Lektüre lieferte die Basis der nationalsozialistischen Erziehung und wurde als Pflichtlektüre in der Lehrerbildung unverzichtbar.[8]

Der bedeutendste Ideologe des Nationalsozialismus war allerdings Baldur von Schirach. Durch die Erschaffung der Hitler-Jugend entstand eine Organisation, die einen immensen Einfluss auf die nationalsozialistische Jugend und auf das nationalsozialistische Schulwesen hatte.[9]

Um Rassismus und Imperialismus als Zielvorstellungen des Nationalsozialismus durchzusetzen, wurde dem Erziehungswesen bereits in Mein Kampf eine zentrale Funktion zugeschrieben. Die Aufgabe bestand darin, die Ausbildung und Erziehung der Jugend so zu gestalten, dass diese zu der Überzeugung gelangen sollten, anderen überlegen zu sein. Des Weiteren sollten Rassegedanke, Rassesinn und Rassegefühl in den Köpfen und Herzen der völkischen Jugend verankert werden.

In dieser Arbeit werden exemplarisch die zentralen Veränderungen und Folgen des Nationalsozialismus in den Bereichen Schule, Lehrer und Unterricht untersucht. Anhand von ausgewählten Bereichen sollen die bedeutendsten Umgestaltungen und Beeinflussungen im Bildungswesen Schule aufgedeckt werden. Die Folgen des Nationalsozialismus werden sich ausschließlich auf den Zeitraum von 1933-1945 beziehen.

Um einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Nationalsozialismus zu bekommen, wird zunächst der zeitgeschichtliche Hintergrund kurz dargestellt. Darauf folgt die Darstellung der Veränderungen, die durch die nationalsozialistische Diktatur in den genannten Bereichen durchgeführt wurden. Abschließend werden die Folgen des Nationalsozialismus im Bildungswesen dargestellt und es wird ein Ausblick auf die Entwicklungstendenzen der Lehrerschaft nach 1945 gegeben.

2. Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Der Nationalsozialismus löste die republikanisch-demokratische Staatsform der Weimarer Republik ab. Die Weimarer Reichsverfassung, die von der Nationalversammlung in Weimar erlassene Verfassung für das deutsche Reich, vom 11.8.1919, wurde 1933 außer Kraft gesetzt. Diese Verfassung sah einen Kompromiss einheits- und bundesstaatlicher Elemente vor, bei nachdrücklicher Betonung der demokratischen Grundrechte und der Volkssouveränität. Der Artikel 148 der Weimarer Reichsverfassung wies die Bestimmungen auf, dass die Schulen ausnahmslos nach „staatsbürgerlicher Gesinnung, sittlicher Bildung, persönlicher und beruflicher Tüchtigung im Geiste des deutschen Volkstums und der Völkerversöhnung“[10] streben sollten. Politische Bildung, in der Weimarer Republik „staatsbürgerliche Erziehung“[11] genannt, verfolgte das Ziel der staatsbürgerlichen Gesinnung. Alle Unterrichtsfächer hatten die staatsbürgerliche Erziehung zur Aufgabe. Der primäre Leitsatz der Reichsschulkonferenz zur Staatsbürgerkunde des Jahres 1920 sagte aus, dass die staatsbürgerliche Gesinnung den Unterrichtsstoff, sowie das Schulleben vollständig durchdringen musste. Der Unterricht in Staatsbürgerkunde konnte nur erfolgversprechend ausgeführt werden, wenn die staatsbürgerliche Gesinnung als Grundvoraussetzung vorhanden war. Der demokratische Verfassungsstaat wurde nach 1918 besonders von Geschichtslehrern der höheren Schule, sowie von Universitätslehrern verweigert. In der zweiten Phase der Weimarer Republik fanden sich die Lehrer schrittweise mit dem gegebenen Staat ab. Der Philologenverband und der Verband der Geschichtslehrer erklärten Loyalität gegenüber der Weimarer Republik. Trotz dieser loyalen Haltung wurden von der Mehrheit Abneigung und Vorbehalte aufrechterhalten. Bereits 1927 tendierten die Lehrer des Unterrichtsfaches Geschichte zu einer politischen Radikalisierung nach rechts. Die Nationale Opposition um Hugenberg und Hitler zog ab 1929 fortlaufend Philologen an. Somit setzte sich die politische Radikalisierung immer stärker durch. Die Jahre 1930/31 waren letztendlich ausschlaggebend für die Verbitterung der Lehrerschaft gegenüber der Weimarer Republik. Selbst die bis dato republikfreundlichen Volksschullehrer hinterfragten die Regierungspolitik nicht mehr, sondern sahen lediglich das Versagen des Verfassungsstaates. Die Sparmaßnahmen der Länder und die Notverordnungen der Regierung Brüning, die sich in der Arbeitslosigkeit der Lehrer, Streichung der Stellen und Kürzungen des Gehaltes äußerten, waren der Grund für den Wechsel der staatspolitischen Einstellung der Lehrer.[12] Die Schulkonferenz des Jahres 1920 blieb ohne Erfolg und beeinflusste demnach nicht die Entwicklung. Durch das Nichtzustandekommen einer homogenen Reformbewegung, wurde die ideologische und politische Zersplitterung auch im pädagogischen Sektor sichtbar. Entscheidungen schulpolitischen Charakters waren in der ersten Phase der Weimarer Republik von 1919-1923 Ergebnisse von Kompromissen der SPD, DDP und der Zentrumspartei. 1920 fand, als Ergebnis punktuell durchgesetzter fortschrittlicher Positionen, die gesetzliche Festlegung der Grundschulpflicht für alle Schüler statt. Eine Korrektur dieses Gesetzes folgte 1925. Danach war, sofern es sich um intelligente Schüler handelte, der Wechsel zum Gymnasium nach einer dreijährigen Grundschulzeit möglich. Kennzeichnend für die zweite Phase der Weimarer Republik, im Zeitraum von 1924-1928, war die ungleiche Entwicklung der Länder des Deutschen Reichs. Das Ergebnis der Schulpolitik war, dass sich die weltlichen und die Simultanschulen nicht gegen die Konfessionsschulen durchsetzen konnten. Die dritte Phase der Weimarer Republik, im Zeitraum von 1929-1933, wurde unter anderem durch die Weltwirtschaftskrise und die Sparmaßnahmen und Notverordnungen im Schulbereich geprägt. Deshalb nahmen nationalsozialistische Tendenzen zu und ebneten den Weg für den Nationalsozialismus.[13]

3. Lehrer im Nationalsozialismus

3.1 Gleichschaltung der Lehrerschaft durch den Nationalsozialistischen Lehrerbund

Die Belastungen durch die Finanz und Wirtschaftskrise weiteten sich zu einer Dauerkrise der Republik aus. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise entschied sich die Reichsregierung für eine „deflationäre Wirtschafts- und Finanzpolitik“[14], wobei besonders der Berufszweig der Lehrer betroffen war. Der Nettoverdienst wurde auf den Stand des Jahres 1913 herabgesetzt. Die Treue zu den alten Lehrerverbänden wurde zu dieser Zeit, trotz der resoluten Einsparungen bei den Beamtengehältern, aufrechterhalten. Somit blieb auch die Treue zur Weimarer Republik vorerst unangetastet. Jedoch schien kurze Zeit später eine politische Kooperation von christlich-demokratischen, sozial-demokratischen, liberal-demokratischen, bürgerlich-nationalen und konservativ-monarchischen Staatsauffassungen im Weimarer Parteienstaat nicht mehr möglich. Da 90% aller Lehrer zu dieser Zeit Mitglied in Lehrerverbänden waren und somit letztendlich durch diese organisiert wurden, folgte ein sukzessiver Entfremdungsprozess von der Ideologie der Weimarer Republik. Diese kontraproduktive Entwicklung wurde augenscheinlich durch die nicht mehr tragbare Belastung für die Republik ausgelöst.

Parallel zur NSDAP bildete sich in den Jahren 1929/30 der Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB) aus den Reihen der Lehrerschaft. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte noch keinerlei Auseinandersetzung der Lehrerverbände mit dem Nationalsozialismus stattgefunden. In Anbetracht der immerwährenden Distanzierung von der Weimarer Republik und der graduell damit verbundenen Bewegung in Richtung des nationalsozialistischen Weltbilds bleibt parteipolitisch festzuhalten, dass die Lehrerschaft die Grundeinstellung der gesamtdeutschen Bevölkerung widerspiegelte. Dessen ungeachtet handelte es sich nicht um einen totalitären Umbruch des politischen Bewusstseins, sondern vielmehr um einen kontinuierlichen Vorgang der die politische Orientierung der Lehrerschaft in nationalsozialistische Richtung verlagerte.

Aufgrund der stetig wechselnden Parteien und den daraus resultierenden Erneuerungen in der Erziehungswissenschaft, keimte auf Seiten der Lehrer der beständige Wunsch nach Werten wie Autorität, Leistung, Strenge und Zucht auf. Es stellte sich fortwährend die Frage, wem seine Arbeitskraft bei diesem Parteienpluralismus zu Grunde gelegt wurde. Dieser Faktor führte dazu, dass in den Lehrerverbänden die Orientierungslosigkeit dominierte und aufgrund dessen eine Abwehrhaltung gegen die Politik der Weimarer Republik eingenommen wurde. Durch die sozialen und wirtschaftlichen Probleme entstand die Fragestellung, inwieweit man sowohl den Staatsinteressen, als auch den im Treueid eingegangenen Verpflichtungen nachkommen kann. Aufgrund dessen wurde nicht nur das Anliegen nach einem Gemeinschaftsgefühl und einer Volkseinheit größer, sondern auch das Streben nach einer Schulpolitik, deren Basis einheitlich von einem führenden Regime geregelt werden sollte.

„Ein Volk, eine Schule, ein Vaterland, eine Lehrerschaft, eine Nation- und eine Erziehung.“[15]

Dieses Herbeisehnen einer neuen Basis für den Staat ebnete den Weg für den Nationalsozialismus und den Nationalsozialistischen Lehrerbund. Durch kontinuierliche Parteienwechsel hatte die Lehrerschaft Furcht, die Eigenverantwortung als Erzieher, sowie ihre pädagogische Unabhängigkeit zu verlieren. Dies erklärt den anhaltend wachsenden Zulauf zum Nationalsozialismus und die sich stets schneller vollziehende politische Flucht vor der Weimarer Republik.[16]

Bezüglich des bereits angesprochenen Nationalsozialistischen Lehrerbundes ist zu sagen, dass dessen Gründung auf einem langjährig laufenden Prozess basierte. Bereits seit dem Jahre 1923 existierte in München eine Gruppierung, die sich “Arbeitsgemeinschaft des Bundes völkischer Lehrer“[17] nannte. Diese wurde von Lehrer Klinger und Prof. Dr. Escherich geleitet, wobei Letztgenannter in den darauffolgenden Jahren den Posten des ersten nationalsozialistischen Rektors der Universität München bekleidete. Nach der Auflösung des Bundes völkischer Lehrer im Jahr 1925 wurde dessen Tätigkeit von der „Freien Gruppe nationalsozialistischer Lehrer“[18] übernommen. 1929, dem Entstehungsjahr des NSLB, kam es dann zu einem Übertritt der Freien Gruppe nationalsozialistischer Lehrer zum neugegründeten NSLB.

Die Grundlage für die Gründung des NSLB wurde bereits auf dem 2. Reichsparteitag der NSDAP in Weimar 1926 durch einen Vortrag des späteren Gauleiters Hans Schemm gelegt.[19] Aufgrund seines stetig steigenden Bekanntheitsgrades durch sein politisches Amt als Landtagsabgeordneter der NSDAP und seinen häufigen nationalsozialistischen Reden, verzeichnete Schemm ein verstärktes Herantreten von Seiten der Lehrer, deren Fragen „standes- und bildungspolitischer“[20] Art waren. Im Blickpunkt seines Interesses stand der verstärkte Kontaktaufbau zu Lehrern, deren politische Haltung einer Abwehrhaltung zur Weimarer Republik gleich war. Die Idee, eine unterstützende Funktion für die NSDAP in Form eines vollständig geregelten nationalsozialistischen Lehrerverbandes zu errichten, entstand aus dem gleichgesinnten Kreis um Schemm. Basierend auf dieser Idee fand die erste Sitzung, die als Vorabgründung des NSLB aufzufassen war, 1927 in Hof an der Saale statt. Die Wahl des Standortes fiel auf diese Stadt, da sie für die teilnehmenden Lehrer aus Thüringen, Sachsen und Franken gleichermaßen gut zu erreichen war. Somit konnte sich der NSLB in den folgenden Jahren, vor allem aufgrund der geographischen Profite, in den drei genannten Gebieten etablieren.

Die offizielle Gründung des NSLB ereignete sich am 21.04.1929 in Hof. Hans Schemm lud als Ideengeber des NSLB mit einem Schreiben zur offiziellen Gründung. Das Schreiben zur ersten offiziellen Gründungsversammlung des NSLB, richtete sich an diejenigen Lehrer mit nationalsozialistischer Gesinnung, welche sich im Stande sahen eine Kerntruppe aufzubauen und darüber hinaus einen Wiederaufstieg des Volkes anstrebten. Seiner Einladung folgten 48 Männer und zwei Frauen, die ihm durch ein einstimmiges Wahlergebnis die Leitung des neugegründeten NSLB übertrugen.

Schemm appellierte stets an das politische Bewusstsein der Lehrer. Er beabsichtigte eine grundlegende Veränderung ihrer ideologischen Denkweise, so dass sie der Demokratie und dem Liberalismus absagen und sich ausnahmslos dem nationalsozialistischen Weltbild in den Dienst stellen sollten. Gleichermaßen adressierte er das Schreiben an Lehrer, deren Intention es war, ein Versinken der Jugend in die Demokratie und den Pazifismus zu verhindern.[21]

Sowohl in seiner Rede als auch im Einladungsschreiben wies Schemm darauf hin, dass der NSLB nicht dazu diene pädagogische Interessen zu vertreten, sondern vielmehr zum Erlangen der politischen Macht beitragen sollte. Diese sei zur Umsetzung des nationalsozialistischen Erziehungsideals nötig. Somit war das Verbandsziel darin aufzufassen, politische Macht zu erreichen und den Kampf gegen politische Gegner aufzunehmen. Infolgedessen verstand der NSLB seine primäre Funktion in der Unterstützung der NSDAP und dem Werben neuer Mitglieder.[22]

„Dieser NSLB versuchte nicht mit einer überzeugenden Bildungstheorie zu wirken. Es waren eher beliebig füllbare Begriffe und romantische Träume von der zukünftigen Größe eines neuen Reichs und dem Ende aller Gegensätze, die sie in einer den sozialen Abstieg fürchtenden und von Enttäuschungen geprägten Lehrerschaft anboten.“[23]

Einige Monate nach der NSLB - Sondersitzung des Reichsparteitages vom 01.-04.08.1929 und dem dort gefassten Beschluss, den NSLB über das gesamte Reichsgebiet offiziell auszudehnen, wurde Schemm von Hitler zum „Reichsleiter“ bestellt und der NSLB als autonome Gruppierung innerhalb der NSDAP anerkannt.[24] Die Begründung hierfür lag in der durch Hitler durchgeführten Anerkennung des NSLB als „selbstständige organisatorische Gliederung innerhalb der NSDAP“[25]. Die politische Richtung des NSLB war unverkennbar. Durch die unmittelbare Nähe zur Parteiorganisation der NSDAP ergab sich die Voraussetzung, dass jedes Mitglied des NSLB auch Mitglied der NSDAP sein musste. Da der NSLB als unterstützender NSDAP-Verband galt und die Mitglieder der NSLB Parteizugehörigkeit nachweisen mussten, entstand eine Abhängigkeit des NSLB von der NSDAP.[26]

Festzuhalten ist, der Eintritt der Lehrer in die NSDAP war nicht grundsätzlich als eine sympathisierende Neigung zum Nationalsozialismus zu verstehen, sondern häufig nur „blanker karrierebezogener Opportunismus“[27].

Der NSLB hatte sich zur Aufgabe gemacht, eine Auflösung der Lehrervereine herbeizuführen; darüber hinaus sollten Volksschullehrer eine akademische Ausbildung erhalten. Dies ist grundsätzlich durch die Tatsache zu erklären, dass der NSLB in erster Linie durch Volksschullehrer bestimmt wurde. Ab dem Jahre 1930 erweiterte der NSLB sein zuvor definiertes Aufgabengebiet um den Aspekt, Privatschulen abzuschaffen und stattdessen Gemeinschaftsschulen zuführen. Im Blickpunkt der angestrebten Veränderungen standen die Volksschullehrer.[28]

Ab 1932 hatte der NSLB eine Popularität erreicht, sodass die Versammlungen im Raum Berlin und in Mitteldeutschland einer Massenveranstaltung gleichzusetzen waren. Der Zuwachs des NSLB ist mit dem Wandel des politischen Bewusstseins der Bevölkerung zu vergleichen. Die politische Entwicklung der Lehrerschaft kann ebenfalls als Folge der immer fortschreitenden Entfremdung der gesamten Bevölkerung von der Weimarer Republik verstanden werden. Ein Beleg dafür bietet der Deutsche Lehrerverein, der für seine SPD-Parteizugehörigkeit bekannt war. Dieser konnte 1932 sein Bekenntnis zur Weimarer Republik nicht mehr aufrecht erhalten und trat 1933 der innenpolitischen Wende durch die Machtergreifung Hitlers und der daraus resultierenden Gleichschaltung mit den Worten „der erste Schritt aus einem Interessenhaufen ein Volk zu bilden, ist getan“[29] positiv gestimmt entgegen. Der Aufstieg der Nationalsozialisten war somit auch in den traditionellen Lehrerverbänden sichtbar. Demnach handelte es sich weder um einen sofortigen politischen Bewusstseinswechsel, noch um eine absolute Angleichung an den Nationalsozialismus. Durch die ab 1933 propagierte Gleichschaltung wurde dem in den vergangenen Jahren herrschenden Parteienpluralismus, den Kürzungen per Notverordnung und dem Nichteintreffen der erwarteten positiven Wende im Volksschulwesen entgegengetreten. Das Streben nach einer einheitlichen Basis und einem Ausweg aus der Krise gewann zunehmend an Bedeutung, folglich war der Weg der Nationalsozialisten durch die Krisen des Weimarer Staates geebnet.[30]

Bei der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 registrierte die NSDAP einen Mitgliederanteil von 5% der gesamten Lehrerschaft. Als Folge der Reichstagswahl vom 5. März 1933 bleibt festzuhalten, dass die NSDAP mit einem Wahlergebnis von 43,9% keine alleinige Mehrheit erreichen konnte und ein Zusammenschluss mit der DNVP zwingend notwendig war. Demgemäß wurde im sofortigen Anschluss an die Wahl auf eine „Gleichschaltung der Länder“[31] durch zielbewusste Maßnahmen hingearbeitet. Infolgedessen wurde das „Vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder“[32] erstmals am 31. März 1933 verkündet. Die Gleichschaltung zu einer erzwungenen Amtsabtretung der bis dato beständigen Demokraten. Trotz der Loyalitätsbekundungen, die besagten, dass eine Bereitschaft auf Seiten der Lehrer bestand ihre Arbeit im Dienst des nationalen Erziehungswesens zu verrichten, wurden die Demokraten ihren Ämtern enthoben.

Das Streben der Lehrerverbände, aufgrund der Loyalitätsbekundungen an das neue Regime, weiterhin autonom fungieren zu können misslang, da Schemm systematisch darauf hinarbeitete alle Lehrervereine ausnahmslos unter Leitung des NSLB zu einer einheitlichen Gemeinschaft zu organisieren. Somit wirkte auf die Mitglieder der Lehrervereine ein doppelseitiger Druck, der sich darin äußerte, dass neben Schemm auch die Nationalsozialisten eine Übergabe der Vorstandspositionen forderten. Folgerichtig fand eine Auswechselung der Vorstände in fast allen Lehrervereinen statt, sofern sie nicht durch eine Selbstauflösung dieser zuvorkamen.[33] Die zurückbleibenden Vereine traten einheitlich dem NSLB bei und nahmen beim Beitritt einen neuen Paragraphen in ihre Satzungen auf. Dieser Säuberungsparagraph richtete sich besonders gegen Juden und für den Staat nichttragbare Mitglieder.[34] Durch die Verfügung über eine Beitrittssperre der NSDAP ab dem 01.05.1933, bestand fortan die Möglichkeit dem NSLB ohne NSDAP Mitgliedschaft beizutreten.

Der Gleichschaltungsprozess begann mit dem Eintritt der alten Lehrerverbände in den NSLB. Dieser Prozess der Eingliederung war mitunter das Ergebnis der Kritik der Nationalsozialisten am Weimarer Föderalismus, wie auch die Suche nach einer politisch gleichgeschalteten Basis als Ausweg aus der Krise.[35] Diesbezüglich ist die Gleichschaltung mit dem Ziel einer totalitären Staatsordnung dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft zuzuordnen. Hitlers Ziel war es, die in der Weimarer Republik vorhandene liberal-demokratische politische Gestaltung zu zerstören, da diese konträr zu den politischen Strukturen des Nationalsozialismus stand.

Ausgelöst durch Kosten, in Form der Schenkungssteuer, verlief die Überleitung der Lehrervereine nach Hitlers Machtergreifung vorerst schwierig. Um eine Vermeidung der Kosten herbeizuführen wurde die Deutsche Erziehergemeinschaft (DEG) gegründet. Auch in dieser Organisation lag die Leitung bei Schemm.[36]

Die offizielle Gründungsfeier der Deutschen Erziehergemeinschaft fand am 08.06.1933, einen Tag nach der Vorsitzübernahme des DLV durch Schemm, in Magdeburg statt. Diese Versammlung galt fortan als „Potsdam der deutschen Lehrerschaft“[37]. Zum Beitritt erklärten sich 44 Lehrerverbände. Schemms Rede verkündete, dass alles, was sich der Volkseinheit in den Weg stellte, vernichtet werden würde.[38]

„Deutschland, Hindenburg und Hitler, verlangt von uns, was ihr wollt, wir deutschen Lehrer werden Deutschland schicksalsmäßig in unsere Arme nehmen, die deutsche Jugend zu dem führen, was es sein muß [sic!], wir folgen euch blindlings, wohin ihr uns führt.“[39]

In der Gründung der Deutschen Erziehergemeinschaft sah Schemm eine Übergangslösung für die Erreichung seines eigentlichen Ziels. Dieses lag in der Existenz des nationalsozialistischen Lehrerbund als Einheitsorganisation aller Lehrerverbände. Das Vorhaben stand konträr zu den Denkweisen der beigetretenen Vereine, die sich als Dachverbände des NSLB sahen und sich somit erhofften weiterhin ihre Autonomie zu bewahren. Folglich kamen Unstimmigkeiten über die Organisation innerhalb der DEG auf.[40]

Nicht alle Lehrervereine waren der DEG beigetreten und dieser Gesellschaft gegenüber positiv gestimmt. Einer der Vereine, der der DEG nicht beigetreten war, war der Deutsche Philologenverband. Einige Tage vor der feierlichen Unterzeichnung des Magdeburger Abkommens teilte der Verbandsvorsitzende schriftlich mit, dass ein Beitritt zur DEG nur unter folgender Prämisse erfolgen würde:

„Daß [sic!] es sich in Magdeburg um die Gründung der Deutschen Erziehungsgemeinschaft handelte die [...] eine Säule des DBB [...] darstellt.“[41]

Die Absage des Deutschen Philologenverbandes steigerte sich zu einer rigorosen Gegenwehr und letztlich zu einer Ablehnung der Zusammenarbeit mit dem NSLB im Frühjahr 1934. Neben dem Deutschen Philologenverband behielt der „Verein katholischer deutscher Lehrerinnen“[42] (VkdL) seine Autonomie. Der Deutsche Philologenverband weigerte sich aus standespolitischen Beweggründen, sowie der Furcht vor einer Majorisierung durch die Volksschullehrer gegen den Zusammenschluss zu einer Einheitsorganisation. Konfessionell geleitete Verbände, wie der Verein katholischer deutscher Lehrer, waren grundsätzlich eher der Zentrumspartei zugeschrieben. Dieser Verein war weiterhin beständig, da er sich auf eine im Reichskonkordat abgeschlossene Schutzvorschrift bezogen hatte und seine Arbeit als karitative Organisation weiterführte. 1937 wurde der VkdL durch die Nationalsozialisten verboten. Trotz der vehementen Abwehrhaltung des VkdL gegenüber dem Nationalsozialismus waren zu dieser Zeit bereits 9.000 der 20.000 Mitglieder dem NSLB beigetreten.[43]

In Wilhelm Frick, der 1933 das Amt des Reichsinnenministers ausübte, fand der Deutsche Philologenverband Unterstützung in seiner ablehnenden Haltung gegenüber der DEG. Ein Zusammenschluss zu einer zweiten deutschen Erziehergemeinschaft (DEG II) fand unter Fricks Leitung am 01.12.1933 statt. Unter der DEG II als leitendes Organ schlossen sich der Deutsche Philologenverband, der Bayerische Lehrerverband und die Reichsverbänden der Gewerbe-, Handels- und Privatschullehrer zusammen.[44] Diese Erziehergemeinschaft sah in sich eine Gegenorganisation des NSLB und der DEG I. Ein Beweggrund für die Gründung einer weiteren Erziehergemeinschaft lag darin, dass Frick dem NSLB vorgeworfen hatte eine „ständische Einheitszwangsorganisation“[45] zu sein. Fricks Titulierung, der NSLB arbeite mit Gewalt und Zwang, wurde durch die Rede von Hans Schemm bei der feierlichen Unterzeichnung des Magdeburger Abkommens belegt.

„Sie haben den Fahneneid auf das Hakenkreuzbanner und auf Schwarz-Weiß-Rot abgelegt mit ihrer Unterschrift. Daß [sic!] lässt sie in Ihrem Leben nie mehr los, wenn Sie nicht zum Verräter an Potsdam werden wollen. [...] wer es wagen würde, dieser wundervollen Einigung Abbruch zu tun, oder auch nur dagegen anrennen zu wollen, oder auch nur den Versuch zu machen- glauben Sie mir, der wird vom Volk dafür gerichtet. Die Art der Durchführung dieses Richtspruches überlassen Sie ruhig der Brutalität des Nationalsozialismus. Wir... geloben, jeden mit Verachtung und Vernichtung zu verfolgen, der es auch nur wagt, diese Einigung zu stören...“[46]

Da der NSLB, wie bereits aufgeführt, als einzige offizielle Einheitsorganisation der Lehrerschaft von Hitler anerkannt wurde, war Schemm als Sieger aus dem Kampf gegen Frick hervorgegangen. Der Deutsche Philologenverband erlag im Gegensatz zum Bayerischen Lehrerverein 1936 der Selbstauflösung. Diese Selbstauflösung war die Folge eines 1935 ausgesprochenen Verbotes des Verbandsorgans und dem Verbot des Deutschen Philologenblattes, weshalb eine weitere Ausführung der Arbeit nicht mehr möglich war.[47] Der bayerische Lehrerverein wurde weder verboten noch löste er sich auf. Stattdessen stimmte dieser Anfang Juli 1934 der Überleitung in den NSLB unter der Voraussetzung zu, dass der Verein weiterhin größtenteils selbstständig agieren konnte.[48]

Nach der Machtergreifung Hitlers sprach man von einem „lawinenartigen Anwachsen“[49] des NSLB. Der Zeitraum, gerechnet von Ende 1932 bis Dezember 1933, wies einen Zuwachs von 214.000 Mitgliedern auf.[50] Betrachtet man die NSLB Mitgliederkarteien, die Daten über das Mitglied, sowie Eintrittsdatum des NSLB und der NSDAP katalogisierten, so ist festzustellen, dass bis Dezember 1933 95% aller Lehrer in den NSLB übergeleitet wurden.[51]

Dieser Zuwachs galt als Folgeerscheinung, ausgelöst durch die Aufnahme der alten Lehrervereine, die ihre Loyalität zum neuen Regime nur unter Beweis stellen konnten, wenn ein ausnahmsloser Übertritt der Mitglieder in den NSLB vollzogen wurde.[52]

Bis 1937 hatte der NSLB alle Vermögenswerte der ehemaligen Lehrerverbände übernommen, ohne finanzielle Einbuße durch steuerliche Nachteile zu haben. Dementsprechend waren die Mitglieder dazu gezwungen dem NSLB beizutreten, sofern sie nicht einen Verlust jeglicher Leistungen ihrer Sozialeinrichtungen verzeichnen wollten. Die Leitung des NSLB lag, aufgrund eines tödlichen Unfalls von Hans Schemm, inzwischen bei Fritz Wächtler. Ein schnell angestiegener Bedeutungsverlust nach Beginn des 2. Weltkrieges endete mit der Stilllegung des NSLB im Februar 1943. Die Stilllegung entsprach den Vorstellungen Hitlers, da die Lehrerschaft im Dritten Reich immens an Bedeutung verloren hatte.[53]

„Lehrer werde leider nur ein bestimmter Typ von Mensch, der sich für den Kampf in freien Lebensberufen nicht eigne.[...] Wenn man [...] von ihren politischen Ansichten höre oder ihre Beschwerden zu Gesicht bekomme, dann könne man nur immer wieder feststellen, daß [sic!] es sich bei ihnen um ein ganz besonders dummes und unselbstständiges geistiges Proletariat handele, so richtig dazu geschaffen eine Säule des, Gott sei Dank, überwundenen Systems darzustellen. [...] Denn kleinen Jungen und Mädchen das ABC beizubringen, sei ja wirklich kein Kunststück.“[54]

3.2 Arbeitsbedingungen der Lehrer unter Einflussnahme des Nationalsozialismus

Die Arbeitsbedingungen der Lehrer änderten sich radikal nach Hitlers Machtübernahme, da von nationalsozialistischer Seite alle politischen Gegner, egal ob Organisationen oder Einzelpersonen, ausgeschaltet wurden. Infolgedessen wurden erhebliche Einschnitte in der Personalebene getätigt. Im Jahr der Machtergreifung wurde auf allen Stufen der Schulverwaltung Neubesetzungen durch Nationalsozialisten durchgeführt. Diesen Personalauswechselungen folgten Nöte auf materieller Ebene und Einschüchterungen auf Seiten der Ausgewechselten. Durch das ab dem 07.04.1933 in Kraft getretene „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“[55], bestand die Möglichkeit einer sofortigen Dienstentlassung, sofern der Anschein bestand, dass die bisherige politische Beschaffenheit keine Loyalität gegenüber dem neuen Staat aufzeigte. Eine weitere Folge des Gesetzes war eine Entlassung ohne Anspruch auf Gehalt im erzwungenen Ruhestand. Dies war der Fall, wenn die betreffende Person nicht der arischen Rasse angehörte und nicht über die vorausgesetzte parteiliche Eignung verfügte. Demzufolge wurde ein Großteil der Sozialdemokraten und Kommunisten gestürzt. Wenn dienstlicher Bedarf bestand ein rangniedrigeres Amt zu besetzen, waren die Beamten gezwungen sich diesem zu beugen. Als Folge der Entlassungen der Volksschullehrer war festzustellen, dass eine ordnungsgemäße Aufnahme des Unterrichts nach den Osterferien 1933 nicht möglich war. Zusätzlich zu dem Gesetzesbeschluss vom 7. April 1933 wurde ein Verbot der SPD ausgesprochen. Aus diesem Grund bestand die Aufforderung an die Sozialdemokraten in einem Zeitraum von drei Tagen einen Nachweis über ihre fortan nicht mehr parteiliche Bindung zur SPD abzuliefern.[56]

In Anbetracht des Überschusses an Personal und § 4, der die oben aufgeführte fristlose Entlassung beinhaltete, wirkte ein starker Druck auf die Beamten ein, die weiterhin ihr Amt ausübten. Für die Lehrer entstand der Zwang sich an das neue Regime anzupassen. Eine abrupte Änderung dieses Aspektes fand im Jahr 1935 statt. Der Grund dafür lag in dem verstärkt auftretenden Lehrermangel.[57]

Die Ausweitung des Lehrermangels ermöglichte eine erneute Anstellung der Personen, die 1933 aus dem Schuldienst entlassen wurden. Der Schwerpunkt bei der Besetzung der freien Stellen lag weniger auf fachlichem Wissen, als auf nationalsozialistischem Einsatz und Zuverlässigkeit im politischen Bewusstsein. Die politischen Eingriffe in der Personalebene hatten zur Folge, dass innerhalb der Lehrerschaft ein gespanntes Klima herrschte. Es musste jederzeit damit gerechnet werden von Kollegen oder aus Elternreihen denunziert zu werden.[58]

„Belastend war vor allem, daß [sic!] Schülerinnen und Schüler, die immer mehr durch Organisationen und Propaganda beeinflusst wurden, ihre Lehrer politisch beobachteten.“[59]

Mögliche Gründe dafür waren die Verweigerung des 1934 eingeführten Hitlergrußes, politische Witze und das Nichterheben vom Stuhl beim Absingen des Horst-Wessel Liedes. Die Denunziation konnte bis zur Entlassung führen, vorausgesetzt, es entstand der Eindruck nicht 100%ig hinter dem nationalsozialistischen Regime zu stehen.[60]

Die Beamten, die trotz der Säuberung weiterhin im Schuldienst ihren Dienst verrichteten, mussten sich ab 1935 nationalsozialistischen Lagerschulungen unterziehen. Die Leitung dieser Schulungen lag in den Händen des NSLB und des Zentralinstituts für Erziehung.[61] Der zeitliche Rahmen einer Schulung betrug 14 Tage, zudem wurden die Schulungen generell außerhalb der Schulzeit durchgeführt. Die nationalsozialistische Schulpolitik legte den Schwerpunkt auf die Informierung der Lehrer über Themen wie Rassenkunde, Heimatkunde und Vererbungslehre. Diese Gebiete wurden auf den Schulungen informativ abgedeckt. Eine Zählung der Lehrerschaft, die an Lagerschulungen teilgenommen hatte, lag 1942 bei 333.650. Diese Zahl entsprach nahezu ausnahmslos der Anzahl der Lehrer in der Zeit des Dritten Reichs. Die „Überholung der Lehrerschaft“[62] zählte zu den bedeutungsvollsten Aufgaben in der Schulpolitik des Nationalsozialismus. Bis 1939 nahmen 215.000 Mitglieder an Lagerschulungen teil. Wie bereits aufgeführt lag die Leitung sowohl beim NSLB als auch beim Zentralinstitut. Die beiden Parteien hatten sich darauf geeinigt, dass der NSLB für die weltanschauliche Schulung zuständig war und das Zentralinstitut für die Weiterbildung der fachlichen Seite. Die Einigung wurde vom NSLB gebrochen und zeigte indem dieser in die fachliche Schulung eingriff, da die weltanschauliche Schulung nicht ohne Bezugsetzung zur fachlichen Schulung vermittelt werden konnte. Dieser Bruch sprach für die Zeit des Nationalsozialismus, da vorerst abgesprochene Einigungen wiederholt von Seiten der Nationalsozialisten nicht eingehalten wurden.[63]

[...]


[1] Vgl. Grosses Lexikon in Farbe. Band 3. NAH-TRO. Genehmigte Sonderausgabe. Prisma

Verlag GmbH. München 1993. S. 612 f.

[2] Vgl. Flessau, Kurt- Ingo: Schule der Diktatur. Lehrpläne und Schulbücher des

Nationalsozialismus. Frank Ehrenwirth Verlag GmbH & Co KG. München 1977. S. 10 f.

[3] Hitler, Adolf: Mein Kampf. München 1933. S. 392

[4] Flessau 1977. S. 11

[5] Vgl. ebd. S. 11

[6] Giesecke, Hermann: Hitlers Pädagogen. Theorie und Praxis nationalsozialistischer Erziehung.

Juventa Verlag. Weinheim und München 1993. S. 8

[7] Vgl. Giesecke 1993. S. 7 f.

[8] Vgl. Prange, Klaus: Identität und Politik bei Ernst Krieck. Ein Beitrag zur Pathographie

totalitärer Pädagogik. In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Die Formung des Volksgenossen. Der

Erziehungsstaat des Dritten Reichs. Geschichte des Erziehungs- und Bildungswesens in

Deutschland. Beltz Verlag. Weinheim und Basel 1985. S. 156

[9] Vgl. Giesecke 1993. S. 8 f.

[10] Dithmar, Reinhard (Hrsg.): Schule und Unterricht in der Endphase der Weimarer Republik.

Auf dem Weg in die Diktatur. Hermann Luchterhand Verlag GmbH & Co KG. Neuwied,

Kriftel, Berlin 1993. S. 2

[11] Dithmar 1993. S. 1

[12] Vgl. Geiger, Wolfgang: Staatsbürgerliche Erziehung und Bildung in der Endphase der

Weimarer Republik. In: Dithmar 1993. S. 1 f.

[13] Vgl. Schmoldt, Benno: Schule und Unterricht im allgemeinbildenden Schulwesen der

Weimarer Republik unter besondere Berücksichtigung der Entwicklung in Berlin. In:

Dithmar 1993. S. 74

[14] Vgl. Erger, Johannes: Lehrer und Nationalsozialismus. Von den traditionellen

Lehrerverbänden zum Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB). In: Heinemann,

Manfred (Hrsg.): Erziehung und Schulung im Dritten Reich. Teil 2: Hochschule und

Erwachsenenbildung. Veröffentlichungen der Historischen Kommission der

Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften Band 4.2. Klett –Cotta.

Stuttgart 1980. S.210

[15] Schoeps, Hans-Joachim (Hrsg.): Zeitgeist im Wandel. Bd.2. Zeitgeist der Weimarer

Republik. Klett Verlag. Stuttgart 1968. zit. n.: Erger. In: Heinemann 1980.Teil 2. S.212

[16] Vgl. Erger. In: Heinemann 1980. Teil 2. S.208 ff.

[17] Erger. In: Heinemann 1980. Teil 2. S. 213

[18] Erger. In: Heinemann 1980. Teil 2. S. 214

[19] Vgl. ebd. S.214

[20] Ebd. S. 214

[21] Vgl. ebd. S. 214 f.

[22] Vgl. ebd. S. 214 f.

[23] Vgl. Erger. In: Heinemann 1980. Teil 2. S. 221

[24] Vgl. Horn, Klaus- Peter: Pädagogische Zeitschriften im Nationalsozialismus.

Selbstbehauptung, Anpassung, Funktionalisierung. Deutscher Studienverlag.

Weinheim 1996. S. 93

[25] Erger. In: Heinemann 1980. Teil 2. S. 216

[26] Vgl. ebd. S.216 f.

[27] Bölling, Rainer (Hrsg.): Sozialgeschichte der deutschen Lehrer. Ein Überblick von

1800 bis zur Gegenwart. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 1983. S 141

[28] Vgl. Giesecke 1993. S.152

[29] Erger. In: Heinemann 1980. Teil 2. S. 227

[30] Vgl. Erger. In: Heinemann 1980. Teil 2. S.226 f.

[31] Bölling 1983. S. 136

[32] Küppers, Heinrich: Zur Gleichschaltung der öffentlich organisierten Erziehung in den

Jahren 1933/34. In: Heinemann 1980. Teil 2. S. 233

[33] Vgl. Bölling 1983. S.136 f.

[34] Vgl. Bölling 1983. S.137

[35] Vgl. Erger. In: Heinemann 1980. Teil 2. S. 226 f.

[36] Vgl. Giesecke 1993. S.152 f.

[37] Bölling 1983. S. 137

[38] Vgl. ebd. S. 137

[39] Ebd. S.137

[40] Vgl. ebd. S. 137

[41] Hoofe, A: Deutsches Philologenblatt. Nr.10. Korrespondenz-Blatt für den akademisch

gebildeten Lehrerstand. Quelle Meyer Verlag. Leipzig 1933. zit. n.: Küppers. In: Heinemann

1980. Teil 2. S. 238

[42] Bölling 1983. S. 138

[43] Vgl. ebd. S.138

[44] Vgl. Küppers. In: Heinemann 1980. Teil 2. S. 238

[45] Bölling 1983. S. 138

[46] Nationalsozialistischer Lehrerbund (Hrsg.): Reichszeitung der deutschen Erzieher

(Nationalsozialistische Lehrerzeitung). Reichsleitung Bayreuth. Bayreuth 1933. Nr.7. S.

9. zit. n.: Breyvogel, Wilfried: Volksschullehrer und Faschismus. Skizze zu einer

sozialgeschichtlichen Erforschung ihrer sozialen Lage. In: Heinemann, Manfred (Hrsg.): Der

Lehrer und seine Organisation. Ernst Klett Verlag. Stuttgart 1977. S. 336

[47] Vgl. Giesecke 1993 S. 153

[48] Vgl. Bölling 1983. S. 142

[49] Bölling 1983. S. 139

[50] Vgl. Giesecke 1993. S. 153

[51] Vgl. Breyvogel. In: Heinemann 1977. S. 330

[52] Vgl. Breyvogel. In: Heinemann 1977. S. 337

[53] Vgl. Bölling 1983 S. 139 ff.

[54] Bölling 1983. S. 142

[55] Giesecke 1993. S.151

[56] Vgl. ebd. S.151

[57] Vgl. Breyvogel, Wilfried: Die soziale Lage und das politische Bewusstsein der

Volksschullehrer 1927- 1933. Eine Studie zur Gewerkschaftsfrage in der

Volksschullehrerschaft. Scriptor Verlag. Königstein/ Ts. 1979. S. 10

[58] Vgl. Bölling 1989. S. 143 f.

[59] Klewitz, Marion: Lehrersein im Dritten Reich. Analysen lebensgeschichtlicher

Erzählungen zum Beruflichen Selbstverständnis. Juventa Verlag. Weinheim und

München 1987. S. 75

[60] Vgl. Bölling 1983. S. 144

[61] Vgl. Giesecke 1993. S.152

[62] Bölling 1983. S.144

[63] Vgl. Giesecke 1993. S. 152

Ende der Leseprobe aus 91 Seiten

Details

Titel
Lehrer, Schule und Unterricht im Nationalsozialismus
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
91
Katalognummer
V58831
ISBN (eBook)
9783638529235
ISBN (Buch)
9783638816236
Dateigröße
817 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit beschreibt die zentralen Veränderungen und langfristigen Folgen in Schule, Unterricht und Lehrerschaft in dem Zeitraum von 1933- 1945. Zudem wird die Rolle der HJ als außerschulische Instanz dargestellt. Abschließend werden die Entwicklungstendenzen der Lehrerschaft nach 1945 aufgezeigt.
Schlagworte
Lehrer, Schule, Unterricht, Nationalsozialismus
Arbeit zitieren
Christina Zimmermann (Autor:in), 2006, Lehrer, Schule und Unterricht im Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58831

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