Feminismus und Psychoanalyse. Feminismus im Denken von Margarete Mitscherlich


Hausarbeit, 2019

15 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Von Margarete Nielsen zu Margarete Mitscherlich
2.1 Margarete Nielsen
2.1.1 Biografische Daten
2.1.2 Familiärer und nationaler Hintergrund
2.1.3 Jugend, schulischer Werdegang und Nationalität
2.1.4 Beruflicher Werdegang
2.2 Margarete Mitscherlich
2.2.1 Weiterer Werdegang und Meilensteine
2.2.2 Alexander Mitscherlich

3 Wege zum Feminismus
3.1 Einfluss der Mutter und Alice Schwarzer
3.2 Von der Psychoanalyse zum Feminismus

4 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Feminismus und Psychoanalyse – wie lassen sich diese scheinbar gegensätzlichen Ansätze vereinbaren? Margarete Mitscherlich, die deutsch-dänische Psychoanalytikerin, Ärztin, Autorin und Mitbegründerin des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt am Main, sowie Freundin der Journalistin und Publizistin Alice Schwarzer – der wohl bekanntesten Feministin Deutschlands – hat im Laufe ihres Schaffens und mittels ihrer zahlreichen Veröffentlichungen für sich eine Vereinbarkeit dieser beiden „Denkrichtungen“ hergestellt (vgl. Hösel, 2017; Mitscherlich, 2006).

Wie und wodurch ihr dies gelungen ist, soll die vorliegende Arbeit näher beleuchten. Hierbei wird in Kapitel 2 zunächst auf die biografischen Daten und die familiären, sowie nationalen Hintergründe Margarete Mitscherlichs eingegangen, ihr schulischer und beruflicher Werdegang umrissen, um dann über das Zusammentreffen und die gemeinsame Arbeit mit Alexander Mitscherlich, in Kapitel 3 den Bogen über die Psychoanalyse zum Feminismus zu spannen, dem sie sich später zuwandte.

Ich habe mich bei der vorliegenden Arbeit für die Schreibweise mit Gender-Sternchen entschieden, um alle geschlechtlichen Identitäten einzubeziehen und anzusprechen. Es soll hier stellvertretend für (noch) nicht entwickelte weitere Bezeichnungen stehen, ohne zu kategorisieren oder zu vereinheitlichen.

2 Von Margarete Nielsen zu Margarete Mitscherlich

2.1 Margarete Nielsen

2.1.1 Biografische Daten

Dr. med. Margarete Mitscherlich wird am 17. Juli 1917 in Gravenstein (Nordschleswig), dem heute dänischen Gråsten, als Margarete Nielsen geboren. Am 12. Juni 2012 verstirbt sie knapp einen Monat vor ihrem 95. Geburtstag in Frankfurt am Main (vgl. „Margarete Mitscherlich“, n.d.).

2.1.2 Familiärer und nationaler Hintergrund

Margarete Nielsens Vater, den sie als „ein[en] denkbar verlässliche[n], etwas zur Depression neigende[n] Mann“ (Mitscherlich, 2006, S. 15) beschreibt, ist ein verwitweter Landarzt und bringt drei Kinder mit in die neue Ehe (vgl. Hösel, 2017; Mitscherlich, 2006, S. 30; Mitscherlich, Tsainis & Held, 2007, S. 179f). Sein Vater ist Lehrer und gründet später eine Bank (vgl. Mitscherlich, 2006, S. 30).

Ihre Mutter Grete verliert mit sechs Jahren ihren Vater, einen Kürschner und Pelzhändler (vgl. ebd., S. 25; Mitscherlich et al., 2007, S. 177). Sie ist Lehrerin und unterrichtet die drei Kinder ihres späteren Ehemannes, mit dem sie – aus Margaretes Sicht – 1912 eine Vernunftehe eingeht, da ihr ursprünglicher Verlobter kurz vor der Hochzeit an Tuberkulose verstirbt und sie ihm sehr nachtrauert. Für Margaretes Vater ist es aus ihrer Sicht eine Liebesheirat (vgl. Mitscherlich, 2006, S. 24 u. 29f).

1915 bekommt das Ehepaar zunächst einen gemeinsamen Sohn, Margaretes Bruder Leo (vgl. ebd., S. 29; Mitscherlich et al., 2007, S. 182f).

Als sie selbst 1917 im dänisch-deutschen Grenzgebiet geboren wird, gehört Nordschleswig noch zu Dänemark. 1920 kommt es zu einer Abstimmung, welche bewirkt, dass der Teil Schleswigs, in dem die Familie wohnt, an Dänemark übergeht. Ihre aus Lübeck stammende deutsche Mutter und Verehrerin Bismarcks, war von dieser dänischen Wiedervereinigung nicht angetan (vgl. Mitscherlich, 2006, S. 28). Im Gegensatz zu ihrem dänischen Vater, dessen Familie „seit dem verlorenen deutsch-dänischen Krieg 1866 für die Rückkehr, […] [zu] Dänemark gekämpft hatte“ (Mitscherlich, 2006, S. 28). Ihre Eltern sind also – jeweils für das eigene Land patriotisch eingestellt, was nicht immer einfach zu vereinbaren ist.

2.1.3 Jugend, schulischer Werdegang und Nationalität

Zwischen Margarete und ihrem eineinhalb Jahre älteren Bruder herrscht Rivalität. Er hat sich quasi auf die Seite des Vaters gestellt und besucht die staatliche dänische Schule, die größer ist, als die deutsche Privatschule, die Margarete sich aussucht und sich u.a. damit auf die Seite der deutschen Mutter stellt (vgl. ebd., S. 30). Sie drückt dies in folgendem Satz aus, indem sich auch schon erste emanzipatorische Gedanken zeigen:

„Das große Deutschland war mehr wert als das kleine Dänemark, meine Mutter mehr als mein Vater, deshalb ärgerte mich besonders, in einer Welt leben zu müssen, in der Männer mehr wert waren als Frauen, was mir zunehmend bewusst wurde“ (ebd.).

Ihr „‚Vaterland‘ war symbolisch Mutterland“ (ebd., S. 31).

Mit 14-15 Jahren wechselt sie an eine Schule nach Flensburg, also in ihr Mutterland, um dort die letzten Schuljahre bis zum Abitur zu verbringen. Der Abstand von der „symbiotischen Beziehung“ (ebd., S. 21) zu ihrer Mutter tut ihr gut und sie will die Welt entdecken. Als Jugendliche, am Übertritt zum Erwachsenenalter, ist ihr auch das Entdecken des eigenen Selbst wichtiger, als der Wunsch einen Partner zu finden und eine Familie zu gründen. Sie will „einen Weg darüber hinaus, der Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft [einschließt] und offen [bleibt] bis ans Lebensende“ (ebd., S. 23). Ihr ist klar, dass es „außer dem traditionellen frauenspezifischen Streben nach Glück im Sinne von Ehe und Familie […] andere wahrhaftigere, spannendere Ziele [gibt]“ (ebd.). So ist sie zeitweilig dem weiblichen Geschlecht zugeneigt, was sich beispielsweise in einer Verliebtheit ihrer Deutschlehrerin gegenüber offenbart, die ihr die Literatur und das kritische Denken eröffnet, als Margarete ca. 16-17 Jahre alt ist. Auch bezeichnet sie sich selbst als „Mädchen, die [sic!] durch ihr [sic!] Verhalten [zeigt], dass sie [sic!] lieber ein Junge gewesen„ wäre (ebd., S. 17f). Auf ihre engen Frauenbeziehungen, z.B. auch zu ihren Freundinnen angesprochen, erklärt Margarete Mitscherlich, dass Frauen eine Wichtigkeit in ihrem Leben haben, da es ihr ein Vergnügen ist, mit ihnen zusammen zu sein, und es einen selbstverständlichen Austausch gibt. Ihre Mutter sei die prägende Person ihrer Kindheit und die erste Liebe ihres Lebens. Hinzuzufügen ist, dass sie sich aber nie im sexuellen Sinne für Frauen interessiert hat (vgl. Mitscherlich, 2006, S. 21ff; Mitscherlich et al., 2007).

Margarete beginnt 1937, nach dem Tod ihres Vaters, ein Studium zunächst in München mit der Fächerkombination Deutsch, Geschichte und Englisch. Im zweiten Semester belegt sie zusätzlich Romanistik und Theaterwissenschaften, weil diese Fächer von den beiden Professoren gelehrt werden, die als einzige „nicht vom Nazi-Virus“ (Mitscherlich, 2006, S. 36) befallen sind. Da „die geisteswissenschaftliche Richtung vorwiegend braun gefärbt“ (ebd.) ist, wechselt sie zu Medizin. Am Ende schlägt sie also doch den medizinischen Weg des (dänischen) Vaters ein. Im Laufe ihres Studiums kommt sie auch nach Heidelberg, wo sie Alexander Mitscherlich flüchtig kennenlernt (vgl. ebd., S. 36 u. 39).

Margarete Mitscherlich betont in ihrer Autobiografie aber immer wieder, dass sie ihre Mutter glücklich machen will bzw. muss, da diese durch den Verlust des an Tuberkulose gestorbenen früheren Verlobten meist einen unglücklichen Eindruck auf Margarete macht. Dies prägt auch ihr eigenes Bild von Vater und Partner. Das geht so weit, dass sie selbst eine Beziehung zu einem Mann eingeht, der an Tuberkulose leidet. Zwei Jahre nach dem Krieg verlässt sie ihn jedoch und geht in die Schweiz (vgl. ebd., S. 37f).

2.1.4 Beruflicher Werdegang

Im Tessin, in Ascona übernimmt sie 1947 eine Stelle als Ärztin in einem Sanatorium, um ihrem damaligen Interesse an anthroposophischer Medizin nachzugehen (vgl. Mitscherlich, 1990a, S. 10). Hier wendet sie sich zudem der Psychoanalyse zu, was noch verstärkt wird, da sie hier ihren späteren Ehemann, den Arzt und Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich wieder trifft und sich aus der Bekanntschaft eine Liebe entwickelt. 1949 bekommt sie den gemeinsamen Sohn Matthias und zieht ihn zunächst alleine groß (vgl. Mitscherlich, 2006, S. 40). 1950 erhält sie in Tübingen ihren medizinischen Doktortitel (vgl. Hösel, 2017). Mit knapp zwei Jahren gibt sie ihren Sohn zu ihrer Mutter nach Dänemark, um sich u.a. an verschiedenen Kliniken in Heidelberg, Stuttgart und London in Psychotherapie und Psychoanalyse ausbilden zu lassen. Nach der Heirat mit Alexander Mitscherlich, 1955, holt sie Matthias wieder zu sich (vgl. Mitscherlich, 2006, S. 40f u. 53).

2.2 Margarete Mitscherlich

2.2.1 Weiterer Werdegang und Meilensteine

Die Mitscherlichs sind 1960 Gründungsmitglieder des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt am Main. Gemeinsam schreiben sie 1967 Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens (vgl. Hösel, 2017; Mitscherlich, 2006, S. 53).

Margarete Mitscherlich schreibt außerdem mehrere Bücher zum Thema Psychoanalyse und später auch zum Feminismus. Sie erhält mehrere Preise und Auszeichnungen, darunter 2005 den Tony-Sender-Preis des Magistraten der Stadt Frankfurt am Main für jahrelanges frauenpolitisches Engagement, mit einer Laudatio von Alice Schwarzer. Mehrere Jahre ist sie, u.a. nach ihrem Mann, Herausgeberin der Psyche − Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen (vgl. Hösel, 2017).

2.2.2 Alexander Mitscherlich

Alexander Mitscherlich (1908-1982), der „aus einer alten Familie von Wissenschaftlern“ (Mitscherlich, 1990a) stammt, ist Arzt, Psychoanalytiker und Sozialpsychologe. Er ist Leiter der 1950 gegründeten Abteilung für Psychosomatische Medizin an der Heidelberger Universität. Das Paar setzt sich dafür ein, nach dem Zweiten Weltkrieg die Psychoanalyse wieder nach Deutschland zu holen und arbeitet gemeinsam am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt am Main (vgl. Hösel, 2017; Mitscherlich, 2006; vgl. hierzu auch 2.1.4).

3 Wege zum Feminismus

3.1 Einfluss der Mutter und Alice Schwarzer

Margarete Mitscherlichs Weg zum Feminismus lässt sich schon früh erahnen. Der Einfluss ihrer Mutter, die für sie eine bedeutende Rolle spielt, prägt sie bis ins Erwachsenenalter. Die Mutter liest viel, was für eine Lehrerin nicht ungewöhnlich ist. Sie kennt die Frauenbewegung und ist eine Anhängerin Gertrud Bäumers, einer deutschen Frauenrechtlerin und Politikerin (vgl. Mitscherlich et al., 2007, S. 180). In Margarete Mitscherlichs Autobiografie (2006) ist an diversen Stellen herauszulesen, dass sie ihre Mutter erhöht und zum Vater kaum eine Beziehung aufbaut, der als Landarzt viel unterwegs ist und zu jeder Uhrzeit für seine Patient*innen zur Verfügung stehen muss. Da der (leibliche) Bruder sich durch seine Schulwahl auf die national-politische Seite des Vaters stellt und eine Rivalität zwischen den Geschwistern besteht, ist auch hier keine Beziehung im Sinne eines positiven männlichen Vorbildes gegeben. So ist die jugendliche Margarete scheinbar einzig durch das weibliche Vorbild geprägt, was sich in der Schwärmerei für ihre Deutschlehrerin fortsetzt (vgl. hierzu 2.1.3). Da diese Vorbilder starke, emanzipierte Frauen sind, verwundert es nicht, dass Margarete ebenfalls aufgeklärte, emanzipierte Gedanken verinnerlicht. Auch die Möglichkeit, durch das Ablegen des Abiturs und anschließendem Studium selbständig und unabhängig zu sein, trägt hierzu bei. Was zur damaligen Zeit für ein Mädchen nicht der Standard ist und ihr wiederum durch die Mutter ermöglicht wird, die die Ambitionen der Tochter erkennt und sie nach Flensburg schickt (vgl. Mitscherlich et al., 2007, S. 180).

Aber auch durch die Zuwendung zur Psychoanalyse und die Beschäftigung mit der Rolle der Frau aus psychoanalytischer Sicht, geht sie den Weg weiter und verfasst bereits in den 1960er Jahren erste Arbeiten über weibliche Sexualität. Bei einer Fernsehdiskussion lernt sie Alice Schwarzer kennen und unterstützt die Gründung der Emma, des feministischen Magazins von Alice Schwarzer, mit zehntausend Mark, die sie später samt Zinsen zurück erhält, da das Magazin großen Erfolg hat. 1977 erscheint die erste Ausgabe der Emma mit einem Artikel von Margarete Mitscherlich, der den Titel Ich bin Feministin trägt (vgl. Hösel, 2017; Mitscherlich et al., 2007, S. 186ff).

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Feminismus und Psychoanalyse. Feminismus im Denken von Margarete Mitscherlich
Hochschule
DIPLOMA Fachhochschule Nordhessen; Zentrale  (Fachbereich Gesundheit und Soziales)
Veranstaltung
Gender & Diversity
Note
1,7
Jahr
2019
Seiten
15
Katalognummer
V588007
ISBN (eBook)
9783346189899
ISBN (Buch)
9783346189905
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gender, Feminismus, Psychoanalyse
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Feminismus und Psychoanalyse. Feminismus im Denken von Margarete Mitscherlich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/588007

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