Lexikalische Kategorisierung: Semantisch-konzeptueller Ansatz nach Ronald W. Langacker


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Ronald W. Langackers semantisch-konzeptueller Ansatz
zur lexikalischen Kategorisierung
II.1 Voraussetzungen für und Einleitendes zu Langackers
Ansatz
II.2 Nomen
II.3 Verben
II.4 Atemporale Beziehungen

III. Fazit

IV. Bibliografie

I. Einleitung

Seit Jahrhunderten, denkt man beispielsweise an Dionysius Thrax, beschäftigen sich die Menschen bzw. Sprachwissenschaftler mit der Frage der Wortarten. Dabei kam und kommt man zu unterschiedlichen Einteilungen von Wortarten, die sich an jeweils anderen Klassifizierungskriterien orientieren; dies ist oft bedingt durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Strömung innerhalb der Sprachwissenschaft. Deshalb existieren neben der schulgrammatischen Kategorisierung, morphologische (vgl. Sütterlin, Glinz, van der Elst) und distributionell-strukturalistische Klassifizierungen; diskursfunktionale Ansätze und die Generative Grammatik bieten weitere Varianten. Schließlich entwickelten sich auch noch Vorschläge, die Wortarten nach semantischen Kriterien zu klassifizieren. Hierbei kommt Ronald W. Langacker mit seinem semantisch-konzeptuellen Ansatz ins Spiel.

Auch in der Schule, im Deutschunterricht, spielen Wortarten und die Wortartenlehre eine Rolle. Dort ist man abhängig bzw. beruft man sich auf die Erkenntnisse der Wissenschaft. Dabei ist sicherlich interessant, für welchen Ansatz sich der Lehrer entscheidet. Nun liegt es nahe, dass hier, allein schon wegen der Bezeichnung, die schulgrammatische Variante verbreitet wird. Zu Recht ergibt sich dann jedoch die Frage, ob „[…] manche […] Lehrer mit der Bezeichung ‚Wortklassen’ mitunter etwas mechanisch arbeiten, ohne zu überlegen, ob die von ihnen weiter benutzte alte Einteilung auch wirklich zu ihrer sonstigen modernen Einstellung paßt.“[1] Eine Frage, die Pollak wohlgemerkt schon 1958 stellt, und es darf bezweifelt werden, ob sie bis heute, fast 50 Jahre später, die Schulen erreicht hat.

Dies gilt natürlich auch für die Forschung. Wenn eine Disziplin bzw. ein bestimmtes Forschungsgebiet einer solchen seit Jahrhunderten existiert, muss überprüft werden, ob nicht einiges veraltet und überholt ist. Mittlerweile gilt die Defintion von ‚Wort’ nämlich nicht mehr als so eindeutig wie es einmal gewesen ist.[2] Man verabschiedet sich von der Vorstellung, dass jede sprachliche Einheit, die in einem Text getrennt steht, auch gleichzeitig ein Wort ist, sondern dass mehrere sprachliche Einheiten ein Wort ergeben können. Aus diesen Gründen spricht man heute auch besser von lexikalischer Kategorisierung statt von Wortarten (vgl. den Titel des Seminars). Dies bietet die Möglichkeit sich von den bisherigen Einteilungen in ‚Nomen’, ‚Verben’, ‚Adjektive’, etc. zu trennen. Langacker hält diese Begrifflichkeiten trotzdem bei und nennt seinen für dieses Thema grundlegenden Aufsatz sogar „Nouns and Verbs“[3]. Dies liegt vermutlich daran, dass Einigkeit darüber herrscht, dass sowohl Nomen als auch Verben in jeder Sprache der Welt vorzufinden sind. Aus diesen Gründen befinden sich auch in der vorliegenden Arbeit Unterkapitel mit den entsprechenden Titeln, in denen sich um diese lexikalischen Klassen bei Langacker gekümmert wird.

In dieser Arbeit soll das Konzept Langackers vorgestellt werden und auf dessen neue Erkenntnisse hingewiesen werden. Er versucht, obwohl er dies 1973 noch selbst für unmöglich hielt[4], lexikalische Einheiten nach semantischen Kriterien in lexikalische Klassen einzuteilen. Dem liegt der Grundsatz der kognitiven Linguisten, zu denen Langacker zählt, zu Grunde, dass die „Form der Funktion folgt“.

Doch schon Pollak ging dieser Frage nach, als er postulierte, dass „[d]as Wesen der Sprache aber [die] Bedeutung“[5] ist und erst im zweiten Schritt die Struktur folgt. Pollak kommt jedoch zu einer ganz anderen Einteilung als Langacker. Er unterscheidet zwischen ‚Begriffssymbolen’, ‚Zeichensymbolen’, ‚Denksymbolen’ und ‚Struktursymbolen’. Die ‚Begriffssymbole’ stellen dabei die größte Gruppe dar. In ihr sind lexikalische Einheiten enthalten, die sonst Nomen, Verben, Adjektiven und einigen anderen ‚Wortarten’ zugeteilt werden.[6] Es unterscheiden sich also nicht nur die Bezeichnungen der einzelnen Klassen von denen Langackers, sondern auch die Aufteilung überhaupt.

Dies hat seine Ursache darin, dass Langacker neben dem Semantischen auch das Konzeptuelle der Sprache einbezieht. Er kommt zu dem Schluss:

A noun is conceptually a thing, that is, a concept construed as non-relational and summarily scanned (roughly, conceived statically and holistically). A verb is a process, that is a concept construed as relational but summarily[7] scanned (roughly, mentally viewed across time). Modifiers, including adjectives, are concepts construed as relational but summarily scanned.[8]

Auch Hopper und Thompson sind sich einer solchen Möglichkeit der Klassifizierung bewusst, verwerfen die Idee aber zu Gunsten ihres diskursfunktionalen Ansatzes.[9]

Einen Vorteil in einer solchen Klassifizierung sieht Langacker darin, dass diese, sollte sie korrekt sein, nicht sprachspezifisch wäre, sondern auf jede Sprache angewendet werden könnte.[10] Eine Ansicht, die auch Cruse/Croft mit einer Einschränkung teilen. „[…] [T]he same semantic category is found everywhere, but the construal of specific experiences as belonging to the semantic category is language-specific […].”[11] Dies bedeutet, dass wir in jeder Sprache zwar die gleichen lexikalischen Kategorien vorfinden werden, aber das ‚construal’, das wir mit einem bestimmten Eintrag in eine dieser Klassen verbinden, ist sprachenspezifisch. Bedingt wird das durch die unterschiedlichen Kulturen und Welten, die eine jede Sprache umgeben.

Im folgenden Kapitel sollen nun die Voraussetzungen, die Langackers Ansatz zu Grunde liegen, dargestellt werden, um dann seine Einteilung in die verschiedenen lexikalischen Klassen, die im Anschluss daran einzeln zu betrachten werden sein, nachvollziehen zu können. Es wird dabei jeweils in einem Kapitel um die Nomen, die Verben und die atemporalen Beziehungen gehen. Unter letzte Gruppe subsumiert Langacker Adjektive, Adverbien, Partizipien und Präpositionen. Vorausgeschickt werden muss, dass sich eine Beweisführung für diesen Ansatz äußerst schwierig gestaltet, da

The semantic contrasts dealt with here are subtle, and are explicated in terms of cognitive operations to which we have no direct or intuitive access. […] [T]here is no way I can prove this claim directly or autonomously. What I can and will argue is that this analysis is part and parcel of a comprehensive descriptive framework in which a substantial array of semantic and grammatical phenomena receive a natural, unified, and revelatory account.[12]

Trotzdem soll in dieser Arbeit versucht werden zu zeigen, dass Langackers Ansatz einleuchtend ist und seine Berechtigung in der sprachwissenschaftlichen Diskussion zur lexikalischen Kategorisierung besitzt.

II. Ronald W. Langackers semantisch-konzeptueller Ansatz zur lexikalischen Kategorisierung

II.1 Voraussetzungen für und Einleitendes zu Langackers Ansatz

Um Langackers Ansatz nachvollziehen zu können, bedarf es vorab der Klärung einiger Voraussetzungen für seine Theorie. Denn jedes Konzept besitzt eine gewisse Ausgangsbasis, auf die es seine Thesen aufbaut. Besonders wichtig erscheint es in diesem Falle, da Langacker hier neue Wege beschreitet, die dazu auch noch nicht ganz unumstritten sind. Einigkeit herrscht jedoch zumindest unter kognitiven Linguisten darüber, dass das mentale Lexikon eines jeden einzelnen Sprechers von symbolischer Natur ist. Diese „[l]exikalischen Bedeutungen emergieren über soziale Interaktionen und reflektieren gemeinsam geteilte Erfahrung.“[13]

Wiederholtes Auftreten eines sprachlichen Zeichens, also von Form und Inhalt, führt zur Speicherung als lexikalische Einheit im mentalen Lexikon. Es kann dann dekontextualisiert werden und steht fortan zur Benutzung auch in abstrakteren Zusammenhängen zur Verfügung. Pollak spricht von einem „[…] im Bewußtsein fertig vorhandenen Baustein zur Errichtung des Gefüges der Rede.“[14]

[…] [T]he conceptions that achieve the status of lexical meanings are both psychologically natural and cultural salient. Their emergence through social interaction reflects not only their communicative utility for the description of shared experience, but also – and more fundamentally – the basic cognitive abilities which support and shape that experience.[15]

Bedingung sind demnach einige, angeborene kognitive Fähigkeiten. So ist der Mensch in der Lage Farben und Gerüche zu erfahren; er kann Gefühle erleben, die räumliche Ausdehnung von etwas erkennen und besitzt eine Vorstellung von Zeit, deren Verlauf für ihn erfahrbar ist. Dies sind bei Langacker die sogenannten ‚Basisdomänen’.[16] Zu den etwas schwierigeren Fähigkeiten gehören dann das Abstrahieren und Kategorisieren, das Herstellen von Beziehungen, das Fokussieren von Aufmerksamkeit auf bestimmte Details und das Erkennen von Vordergrund bzw. Hintergrund. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der allerdings erst im weiteren Verlauf ausführlich thematisiert werden wird, ist das mentale Scannen, das sich in sequentielles und zusammenfassendes aufteilt.[17]

[...]


[1] Pollak, Hans: “Gibt es Wortklassen vom Standpunkt der Bedeutung?”. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 80, 1958. 33.

[2] Cf. ebd. 39.

[3] Langacker, Ronald W.: “Nouns and Verbs”. In: Language 63, 1987. 53-94.

[4] Cf. Langacker, Ronald W.: Concept, Image, and Symbol. The Cognitive Basis of Grammar. Berlin, New York: Mouton de Gruyter, 22002. 349.

[5] Pollak 1958, 33.

[6] Cf. ebd. 42-47.

[7] Hierbei muss es sich um einen Fehler handeln, denn im weiteren Verlauf der Arbeit wird sich zeigen, dass die Verben sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie sequentiell gescannt werden.

[8] Croft, William: „Parts of speech as language universals and as language-particular categories“. In: Approaches to the Typology of Word Classes. Hrsg. Von Petra M. Vogel, Bernard Comrie. Berlin, New York: Mouton de Gruyter, 2000. 97.

[9] Cf. Hopper, Paul J., Sandra A. Thompson: “The Discourse Basis for Lexical Categories in Universal Grammar”. In: Language 60, 1984. 707.

[10] Langacker, Ronald W.: Concept, Image, and Symbol. The Cognitive Basis of Grammar. Berlin, New York: Mouton de Gruyter, 22002. 60.

[11] Cruse, D. Alan, William Croft: Cognitive Linguistics. Cambridge: CUP, 2004. 280.

[12] Langacker 2002, 60f.

[13] Schlobinski, Peter: Grammatikmodelle. Positionen und Perspektiven. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2003. 165.

[14] Pollak 1958, 35.

[15] Langacker, Ronald W.: Grammar and Conceptualization. Berlin, New York: Mouton de Gruyter, 2000. 2.

[16] Cf. ebd.

[17] Cf. ebd., 2f.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Lexikalische Kategorisierung: Semantisch-konzeptueller Ansatz nach Ronald W. Langacker
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Germanistisches Institut)
Veranstaltung
Lexikalische Kategorisierung
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V58557
ISBN (eBook)
9783638527132
ISBN (Buch)
9783656773962
Dateigröße
872 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lexikalische, Kategorisierung, Semantisch-konzeptueller, Ansatz, Ronald, Langacker, Lexikalische, Kategorisierung
Arbeit zitieren
Jonas Ole Langner (Autor:in), 2006, Lexikalische Kategorisierung: Semantisch-konzeptueller Ansatz nach Ronald W. Langacker, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58557

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