Todesvorstellungen von Kindern - Darstellung und theologische Diskussion


Examensarbeit, 2006

131 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Kindertheologie
A. Begriffsklärung
1. Lexikalische Definition
2. Eigene Definition
B. Entstehungsgeschichte
1. Geschichtliche Hintergründe
2. Kinderphilosophie
3. Ein Perspektivwechsel zur Subjektorientierung
4. Jahrbuch der Kindertheologie
C. Theorie der Kindertheologie:
a) Gemeinsamer Grundsatz der Kindertheologie
b) Spezifische Leistungen/ neue Inhalte
2. Theologie mit Kindern
a) 7 didaktische Grundtypen
b) Kommunikationsebenen
3. Theologie für Kinder
4. Ziele
5. Methoden
a) Die Frage als pädagogisches Konzept
b) Rolle und Aufgaben des Lehrers
D. Kritik
1. Kindertheologie als Vorbild für die Theologie?
2. Ist Kindertheologie in der Schule überhaupt möglich?
a) Martens’ Variante für den Schulunterricht
b) Grundlagen im Lehrplan
3. Kritik
4. Kindertheologie als Methode dieser Examensarbeit!

III. Todesvorstellungen von Kindern
A. Einleitung
B. Kindliche Todesvorstellungen
1. Phasen
2. Bedingungsfaktoren
C. Praktischer Teil
1. Organisatorische Vorbereitung der empirischen Untersuchung
2. Zur Gruppe und zu den einzelnen Kindern
3. Methodisches Vorgehen
a) Bilder
b) Gruppen- oder Einzelgespräch?
c) Qualitatives Interview
4. Kinderbilder
a) Fragestellung
b) Äußere Umstände
c) Material
d) Ablauf/ Verhalten/ Besonderheiten
e) Methodik der Auswertung:
f) Analyse der einzelnen Kinderbilder:
5. Interviews
a) Äußere Umstände
b) Vorüberlegungen
c) Ablauf/ Verhalten/ Besonderheiten
d) Methodik der Auswertung
e) Analyse der Kinderinterviews in Verbindung mit den Bildern
D. Kindertheologien zum Tod

IV. Theologie des Todes
A. Verbindung von Leben und Tod
1. Der Mensch und sein Tod
2. Die Bedeutung des Todes im Leben des Menschen
B. Der natürliche Tod
C. Leib- Seele- Trennung
D. Endentscheidungshypothese
E. Tod und Sünde
1. Tod als Folge der Sünde
2. Tod als Folge der persönlichen Todsünde
F. Tod und Auferstehung Jesu Christi
G. Gott- Mensch- Beziehung im Tod
H. Die Vorstellung des ewigen Lebens als Vollendung im Zustand des „Bei- Gott- Seins“

V. Auswertung der Arbeit
A. Vergleich der Kindertheologien mit der katholischen Theologie
B. ‚Todestheologie- im Unterricht der Grundschule?’

VI. Schlussbetrachtung

VII. Literaturverzeichnis

VIII. Anhang
A. Eine Stunde im November
B. Kinderbilder + Texte
1. Jens
2. Laura
3. Maria
a) Der Friedhof
b) Die Kreuzigung
4. Lena
5. Diana
6. Tobias
7. Nadine
a) Der Dot
b) Die Beerdigung
C. Kinderinterviews
1. Jens
2. Laura
3. Maria
4. Lena
5. Diana
6. Tobias
7. Nadine
D. Lehrplanbezug/ Vernetzung

I. Einleitung

Das Thema meiner Arbeit lautet: ‚Todesvorstellungen von Kindern. Darstellung und theologische Diskussion’. Ich selbst habe noch kaum Erfahrungen im Umgang mit dem Tod und mich bisher auch nicht mit diesem Thema beschäftigt. Ich bekam umso größere Reaktionen aus meinem Umfeld: ‚Oh, das ist aber kein schönes Thema!’, ‚Wie schrecklich.’ und ‚Kannst du das Thema nicht wechseln?’. Vereinzelt kamen aber auch Aussagen wie: ‚Das ist aber ein interessantes Thema.’. Die meisten Reaktionen auf mein Thema spiegeln die allgemeine Tabuisierung, Verdrängung und Privatisierung des Todes in der Gesellschaft wieder. Der Anfang des Lebens wird gefeiert und die Neugeborenen herzlich empfangen, das Ende, der Tod, wird aus der Gesellschaft ausgegrenzt und verdrängt. Die Menschen meiden die Konfrontation mit Sterbenden und damit einhergehend häufig auch mit Kranken und Alten, sie gehen diesen Lebenssituationen aus dem Weg. Dadurch erleben sie immer seltener eine direkte Konfrontation mit dem Tod und die Angst vor diesem Abschnitt des Lebens wird immer größer. Man kann fast sagen, die Menschen wollen die Todeswirklichkeit nicht mehr annehmen und manchmal auch nicht mehr hinnehmen. Sie wehren sich und versuchen mit allen Mitteln ihr Leben zu verlängern und dem Tod aus dem Weg zu gehen. Eine gewagte These meinerseits ist, sogar der heute vorherrschende Gesundheits- und Fitnesswahn ist eine anscheinende Möglichkeit der Verlängerung. Ob dies allerdings die Qualität des Lebens und somit auch des Todes steigert ist fraglich.

Die Todesthematik ist also für Erwachsene schwierig und problembelastet, aber verbinden auch Kinder solch große Schwierigkeiten und Ängste damit? Um dies herauszufinden, möchte ich in meiner Arbeit die Todesvorstellungen von Kindern in den Mittelpunkt stellen. Das Ziel dieser Arbeit soll sein, durch einen Vergleich zwischen den Kindertheologien und der katholischen Theologie herauszufinden, ob die Vorstellungen ähnlich sind oder völlig widersprüchlich. Gibt es eine gemeinsame Basis oder stammen die Vorstellungen der Kinder heutzutage aus einer anderen Welt, die z.B. stark durch Medien geprägt ist? Aus diesen Ergebnissen möchte ich ein Resümee für den Religionsunterricht ziehen, das eventuell aufzeigt, wo es schon Anknüpfungspunkte zur Korrelation gibt.

Wie möchte ich vorgehen? Zuerst stelle ich die ‚Kindertheologie’ vor, die ich im zweiten Schritt als Methode verwende, um die Todesvorstellungen der Kinder zu erfahren. Die Kinder werden Bilder zu ihren Todesvorstellungen malen und anschließend werde ich mit ihnen ein Interview führen, in dem sie ihre Vorstellungen verbalisieren und verdeutlich können. Danach werde ich die einzelnen Todestheologien der Kinder und die wissenschaftliche Todestheologie darstellen, um diese daraufhin miteinander zu vergleichen. Abschließend werde ich aus dem Vergleich Folgerungen für die Umsetzung im Unterricht ziehen.

Wichtig bei der gesamten Durchführung ist mir, dass die Frage nach dem Tod nicht zu einer Frage: ‚was kommt nach dem Tod?’ (die letzten Dinge) wird. Ich freue mich auf diese Arbeit und bin gespannt auf tolle Ergebnisse und spannende Entdeckungen.

II. Kindertheologie

A. Begriffsklärung

1. Lexikalische Definition

Um von Kindertheologie sprechen zu können, möchte ich zunächst die genaue Bedeutung des Begriffs klären. Dafür werde ich sowohl das Wort Kind als auch das Wort Theologie definieren. Ich werde dabei im ersten Schritt die lexikalische Bedeutung der Begriffe wiedergeben, um sie dann in einem zweiten Schritt auf mein Thema zu beziehen.

Kind: "Der Mensch von seiner Geburt bis zum Beginn der Pubertät. Diese Periode wird im Allgemeinen in vier Abschnitte gegliedert: Neugeborenes (bis zum 10. Lebenstag), Säugling (bis zum 12. Monat), Kleinkind (2.-6. Lebensjahr), Schulkind (7.-14. Lebensjahr)."[1]

Theologie: "Der heutige Theologie-Begriff (...) als gläubige und zugleich vernünftige beziehungsweise wissenschaftliche "Rede von Gott" (...) ist seit dem Mittelalter entstanden. Der Begriff Theologie ist dabei ein analoger Begriff mit einem weiten Kontinuum von Bedeutungen. Einerseits ist jede gläubige Rede eine theologische Rede, sofern der glaubende Mensch zugleich ein denkender Mensch ist, der immer vor Fragen steht. Andererseits ist Theologie ein enger Begriff, sofern Theologie als "wissenschaftliche" Glaubensreflexion nur von professionellen Spezialisten betrieben werden kann."[2] Außerdem fügt Karl Rahner hinzu: "Denn jeder ist als Mensch und Christ Theologe."[3]

Theologie ist also nicht nur wissenschaftliche Theologie, sondern kann auch von Laien betrieben werden. Wenn man nun die beiden Begriffe Kind und Theologie zusammenfügt, dann wäre Kindertheologie ‚jede gläubige Rede eines Kindes, das glauben und denken kann’. Doch entspricht dieser sehr offene und vage Begriff dem der Kindertheologie?

2. Eigene Definition

Da das Lexikon noch keine Definition des Begriffs Kindertheologie enthält, werde ich nun in einem zweiten Schritt versuchen, eine eigene Begriffsklärung aufzustellen. In welcher Verbindung können Kinder zur Theologie stehen?

- Kinder als Thema der Theologie
- Kinder als Subjekte von Glauben
- Kinder als Autoren bzw. Produzenten von Theologie[4]

In Bezug auf meine Arbeit möchte ich mich zuerst mit dem Punkt 3 beschäftigen (wobei 2 auch eine große Rolle spielt, doch dazu später). Kinder sollen Produzenten von Theologie sein. Können alle Kinder Produzenten von Theologie sein? Laut der lexikalischen Definition können dies alle denkenden und glaubenden Kinder sein. Doch ab wann ist ein Kind ein denkendes Kind? Ab wann wird das Kind als glaubend angesehen und an welchen Äußerungen ist dies erkennbar? Gelten nur verbale Äußerungen oder können auch non- verbale Zeichen so gedeutet werde, dass ein Kind, das sich noch nicht verbal äußern kann, als ein gläubiges Kind gesehen wird?

Oswald Bayer macht in einem Interview in der Zeitschrift 'Zeitschrift für Pädagogik und Theologie' (57. Jahrgang, 1. März 2005) sehr deutlich, dass für ihn auch schon Säuglinge und Kleinkinder Theologie betreiben können. Bayer hat den Theologiebegriff in diesem Falle sehr weit gefasst. Er unterscheidet zwischen Theologie 1: der Glaube (von Gott geschenkt) und Theologie 2: die Reflexion über den Glauben. Kindertheologie ist also für ihn auch schon vor der Sprachfähigkeit da.[5] (Wilfried Härle spricht sich in seinem Text ‚Was haben Kinder in der Theologie verloren?’ sogar dafür aus, Kinder schon ab Beginn ihrer Empfängnis mit einzubeziehen!) Da dieser Begriff von Kindertheologie für mein späteres Berufsfeld zu weit gefasst ist, möchte ich für meine Examensarbeit den Begriff einengen und ihn dann später näher erläutern. Den Begriff Kind möchte ich einschränken auf das Schulkind. Wenn ich des Weiteren also vom 'Kind' spreche, ist das Schulkind gemeint. Zur Begründung: da ich in meiner Examensarbeit von einem Theologiebegriff ausgehe, der die Reflexion des eigenen Glaubens beinhaltet (nicht jedoch darauf beschränkt!), ist es meiner Meinung nach nicht sinnvoll Säuglinge und Kleinkinder mit einzubeziehen, da diese die geforderten Leistungen aufgrund ihrer mangelnden intellektuellen Fähigkeiten noch nicht erbringen können. Im Hinblick auf den Reflexionsbegriff ist anzumerken, dass dieser nicht nur kognitiv, das heißt als verbale Äußerung, verstanden werden darf. Sondern es geht um einen breiten Reflexionsbegriff, der es zulässt, dass Kinder zunächst auch über kreative Zugänge (wie z.B. Malen, Pantomime oder Basteln) das Erfahrene auszudrücken und auf einer zweiten Ebene reflektieren. Prinzipiell wäre somit auch die Frage nach dem denkenden Kind geklärt, denn ein Kind in der Grundschule ist immer ein denkendes Kind.

Der Theologiebegriff wird nicht beschränkt auf die an den Hochschulen professionell gelehrte Glaubenswissenschaft oder auf eine abstrakte Lehre festgelegter Inhalte, sondern muss (um ihn auf die Kindertheologie anzuwenden) bewusst den Rahmen sprengen. Die Theologie, in meinem Fall, ist die Rede von und die Frage nach Gott. Außerdem beinhaltet sie das Nachdenken über den Glauben an Gott und die Rede von Gott. Theologie kann so auch, im elementaren Sinn, von Kindern betrieben werden, obwohl ihnen entwicklungspsychologisch noch das formale und abstrakte Denken nicht möglich ist.

Hinsichtlich des Theologiebegriffs herrscht unter den Referenten über Kindertheologie große Einigkeit. Doch versucht man sich dem zugrunde liegenden Religionsverständnis zu nähern, so entdeckt man erste Differenzen. Anton A. Bucher spricht von einer substanziellen Religiosität, gemeint sind "Vorstellungen über Gott, eschatologische Bilder, Schöpfungsvorstellungen (...)."[6]. Friedrich Schweitzer hingegen spricht sich für ein offenes Religionsverständnis aus, das nicht mit festgelegten Inhalten, sondern mit allgemeinen Begriffen wie Transzendenz, Letztgültigkeit u.s.w. verbunden ist. Ich möchte mich bei der vorliegenden Arbeit auf den offenen Religionsbegriff Schweitzers beziehen, der keine inhaltlichen Vorgaben hat.

B. Entstehungsgeschichte

1. Geschichtliche Hintergründe

Im Folgenden möchte ich eine chronologische Auflistung aller Quellen aufführen, die zur Entstehung der Kindertheologie beigetragen haben. Als erste und Urquelle ist die Bibel zu benennen. Im neuen Testament hebt Jesus selbst immer wieder die Stellung des Kindes hervor. "Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen..."[7] Diese Bibelstelle lässt sich deuten als eine Aufforderung durch Jesus, sich auf die Perspektive der Kinder einzulassen, sogar von Kindern zu lernen. Kinder sind in ihrer Art offen und sehr aufnahmebereit für den Glauben, dieser Wesenszug soll den Erwachsenen ein Vorbild sein.

Eine weitere Quelle lässt sich im 18. Jahrhundert bei Rousseau finden. Er spricht sich in seinem Buch 'Emile oder Über die Erziehung' (1762) für eine naturnahe, freie und undogmatische Erziehung aus, durch die sich die natürlichen Anlagen des Kindes frei entwickeln können. Rousseau spricht dem Kind eine natürliche Religion zu, die jedoch keiner Vermittlung bedarf (er ist eindeutig gegen religiöse Erziehung). Seine Lehre hat immer noch großen Einfluss auf die moderne Pädagogik (z.B. auf die Kindertheologie!). Außerdem sind seine Gedanken und Gefühle als Vorreiter der Romantik (1790- 1830) zu erkennen, deren idealistische Weltanschauung auch gleichzeitig als nächste Quelle zu benennen ist.

Die Romantik wendet sich von dem zu der Zeit vorherrschenden negativ besetzten Bild vom Kind ab, es sei ein 'noch nicht fertiger Mensch', es sei vernunftslos und seinen Leidenschaften und Bedürfnissen ausgeliefert. Die träumerische und subjektive Weltansicht der Romantik lässt das Individuum in den Mittelpunkt rücken, auch das Kind. Das Kind wird als absolut rein und unschuldig angesehen. Es ist ein 'schöpferischer Ursprung'.[8]

Doch dieses kindesverherrlichende Bild rückt in der folgenden Zeit in den Hintergrund, und eine pädagogische Richtung setzt sich durch, die das Kind wieder als Objekt betrachtet. Auf der Fuldaer Bischofskonferenz 1924 wird festgehalten: "[Es ist] Aufgabe der Katecheten, als Boten Gottes den Kindern das Glaubensgut zu bringen, nicht Aufgabe der Kinder, es zu erarbeiten."[9] Das Kind wird als Objekt gesehen, das passiv und formbar ist. Es wird angenommen, dass das Kind von außen durch Umwelt- und Gesellschaftseinflüsse beeinflusst und vollständig geprägt wird. Dies ist auch die behavioristische Sichtweise der 60er und 70er Jahre.

Verändert wurde diese Anschauung unter anderem durch die Entwicklungspsychologie und die Reformpädagogik. Sie machen deutlich, dass das Kind ein von Anfang an aktives und soziales Individuum ist, das seine Umwelt mit Interesse und Neugier entdeckt und sich ein eigenständiges Weltbild rekonstruiert. J. Piaget und F. Oser zeigen besonders deutlich unter kognitiven (Piaget) und religiösen (Oser) Gesichtspunkten, welche Fähigkeiten und Stufen Kinder in welchem Alter erreichen.

Die Entwicklung in der Einstellung zum Kind von 'Kinder seien theologisch primär zu belehren' zu 'Subjekte von Theologie'[10] wurde entscheidend vorangetrieben durch die EKD- Synode 1994 in Haale/ Saale. Ein Ausschnitt aus dem Sitzungsbericht lautet: "Beklagt wird dabei, dass es in Gesellschaft und Kirche keine Tradition gebe, das den Kindern eigene Verständnis von Leben und Welt und die ihnen eigenen Wünsche und Vorstellungen zu erfragen oder gar ernst zu nehmen. Was Kinder brauchen, meinen die Erwachsenen im Allgemeinen immer schon zu wissen, auf jeden Fall besser als die Kinder selbst. Dagegen wird festgehalten, dass die eigene Sicht der Kinder von Leben und Welt das Wissen der Erwachsenen ergänzen und ihnen helfen könnte neue Einsichten zu gewinnen."[11] Heute hat es sich weitestgehend in der pädagogischen Theorie durchgesetzt, Kinder als aktive Subjekte ihrer Mit- und Umwelt zu sehen. Jedoch "tut sich die [Praxis der] Religionspädagogik und Katechetik bis heute nicht so leicht damit, Kinder nicht als Adressaten von Glaubens- Unterweisung anzusehen, sondern ernst zu nehmen als Subjekte des Glaubens."[12] Diese verschiedenen Quellen und maßgeblich auch die Kinderphilosophie (s. II.,B.,2.) trugen zur Entstehung der Kindertheologie bei. Aufgegriffen wurden diese Gedanken von mehreren Theologen, die erste Aufsätze über Kindertheologie in verschiedenen theologischen und pädagogischen Zeitschriften präsentierten (seit Ende der achtziger Jahre). Um ein Forum für die Kindertheologie zu schaffen, entstand 2002 das erste Jahrbuch der Kindertheologie (s. II.,B.,4), von dem mittlerweile schon 4 Bände erschienen sind.

2. Kinderphilosophie

Die Kindertheologie wurde entscheidend geprägt und angeregt durch Gedanken der Kinderphilosophie. Somit gibt es zahlreiche inhaltliche Berührungspunkte. An manchen Stellen lassen sich die Kinderphilosophie und die Kindertheologie nicht einmal klar unterscheiden, denn beide stellen elementare Fragen. Allerdings ist die Kinderphilosophie viel offener, vor allem in ihren Antwortmöglichkeiten. Die Kinderphilosophie entstand in den USA und wurde in der BRD von Gareth Matthew und Hans - Ludwig Freese begründet. Diese hoben in ihren Beispielen immer wieder das ursprüngliche Staunen und die Lust und Neugier zu eigenen Fragen und Deutungen bei den Kindern hervor.[13]

3. Ein Perspektivwechsel zur Subjektorientierung

Kindertheologie ist eine spezifische Richtung der Religionspädagogik und Religionsdidaktik. Durch die veränderte Sicht des Kindes als Akteur seiner Umwelt wird eine dogmatische Unterweisung im herkömmlichen Sinne ausgeschlossen. "Die gegenwärtige Pädagogik bemüht sich, Kinder nicht mehr als "Werdende", sondern als "Seiende" zu betrachten. Nicht das, was sie werden sollen, wird in den Mittelpunkt gerückt, sondern das, was sie sind."[14] Im Gegensatz dazu wurde und wird ein sogenannter 'kindgerechter' Religionsunterricht durchgeführt, der die Kinder in ihrem Können weit unterschätzt und somit nicht ihr Potenzial vollkommen ausschöpft. Den Kindern erscheint ein solcher Unterricht meist als 'zu leicht' und sie verlieren ihre natürliche Neugier. Das Ziel des Religionsunterrichts, nämlich die kindliche Religiosität zu wecken und zu fördern, wird in diesem Fall nicht optimal erreicht. Diese Richtung der Religionspädagogik suchte also Alternativen zu folgenden Aspekten des überholten Religionsunterrichts:

- kein lebensfernes Wissen soll eingetrichtert werden. Dieses Wissen wird von den Kindern sowieso nur kurz gespeichert, denn es hat sich nicht emotional verankert.
- keine abstrakte Belehrung soll erfolgen, dass heißt kein Begriffslernen und keine deduktive Wissensvermittlung.

4. Jahrbuch der Kindertheologie

Das Jahrbuch der Kindertheologie wird von A. Bucher, G. Büttner, P. Freudenberger- Lötz und M. Schreiner herausgegeben und bildet ein erstes Forum zum Thema Kindertheologie. Das Jahrbuch ist erstmals im Dezember 2002 erschienen (Mittendrin ist Gott), danach im Juni 2003 (Im Himmelreich ist keiner sauer). Das dritte Band erschien im Juni 2004 (Zeit ist immer da) und das vierte und bis jetzt letzte Band im Juni 2005 (Kirchen sind ziemlich christlich). Die Jahrbücher beinhalten immer verschiedene Aspekte und sind meist nach dem gleichen Prinzip aufgebaut. Der erste Artikel beschäftigt sich mit dem Begriff Kindertheologie unter verschiedenen Gesichtspunkten. Darauf folgen wissenschaftliche Beiträge, die aktuelle Forschungsprojekte zu theologisch relevanten Vorstellungen von Kindern präsentieren. Praktische Beispiele kommen auch nicht zu kurz. Es wird aufgezeigt, wie Kindertheologie in unterschiedlichen religionspädagogischen Handlungsfeldern umgesetzt wird. Auch der mediale Aspekt wird berücksichtigt, denn innerhalb der praktischen Beispiele werden entsprechende Unterrichtsmaterialien präsentiert. So findet also keine Trennung zwischen Theorie und Praxis statt. So wird die Theorie nicht praxisfern und die Praxis nicht reflexionslos. Das Jahrbuch richtet sich an alle, die sich mit religiöser Erziehung befassen, an Kindergärtner/innen, Religionslehrer/innen, Religionsdidaktiker/innen, Mitarbeiter/innen in Gemeinden und an interessierte Eltern.[15]

C. Theorie der Kindertheologie:

Im nächsten Kapitel möchte ich mich mit folgenden Fragen beschäftigen:

Was ist Kindertheologie? Wie sieht sie aus? Welche Ziele hat sie? Welche Methoden wendet sie an? beschäftigen.

Bei der Beantwortung dieser Fragen werde ich systematisch drei Blickrichtungen der Kindertheologie untersuchen. Ich werde dabei einer Unterteilung von Friedrich Schweitzer folgen, der die Kindertheologie in drei Abschnitte unterteilt hat.

1. Theologie von Kindern

a) Gemeinsamer Grundsatz der Kindertheologie

Mit Kindern theologisieren ist immer religiöses Lernen. Dieses religiöse Lernen sollte immer ein am Kind orientiertes Lernen sein. Das Kind mit seinen Gedanken, Fragen, Erfahrungen und Gefühlen steht im Mittelpunkt. Es wird als Subjekt und aktiver Gestalter seiner religiösen Lebensgeschichte wahrgenommen. Es ist anzumerken, dass es bei dieser pädagogischen Subjektorientierung nicht um eine kindliche Ichbezogenheit geht, sondern darum, dass der Erwachsene die theologischen Gedanken des Kindes ernst nimmt. Es geht darum, dass der Unterricht nicht mehr aus deduktiver Wissensvermittlung besteht und dem Kind der Eindruck vermittelt wird, dass alles Wissenswerte schon erforscht ist und das Kind die Unterrichtsinhalte nur noch auswendig lernen muss. Sondern wichtig ist, dass jedes Kind durch aktive Teilnahme das Wissen neu entdecken, selber erarbeiten und sich aneignen kann. So wird man auch den unterschiedlichen Voraussetzungen gerecht, die die Kinder in Erfahrungen, Wissen und Glauben mitbringen.

Doch wie sieht nun Kindertheologie aus? Kinder können und sollen eigene theologische Fragen hervorbringen, dadurch wird theologisches Denken in Bewegung gesetzt. Sie sollen selbständig Antworten darauf finden und diese erproben und gegebenenfalls verändern. Kinder sollen sich mit Inhalten der christlichen Lehre auseinandersetzen und eigene Deutungen finden. "Innerhalb solcher Lernprozesse kommen die Kinder zu tastenden Erprobungen eigener Rede von Gott bzw. eigenen bildnerischen Ausdrucks ihrer Gottesvorstellungen."[16] Der Grundsatz der Kindertheologie ist es, dass das Kind zu eigenen theologischen Einsichten kommt. Diese sind ernst und (besonders wichtig) auch beim Wort zu nehmen. Das fällt meist schwer, da Kinder häufig ihre Gedanken erfahrungsbezogen formulieren und sie hinter bildhaften Konstrukten verstecken. Häufig vermischen sich Gedanken auch mit Gefühlen, die sie bei bestimmten Themen ergreifen (dies ist auch gut so!) und so rutscht der eigentliche Gedanke manchmal ein wenig in den Hintergrund. Kindertheologie vollzieht sich oft in Gruppen. Dabei ist darauf zu achten, dass sich jedes Kind frei äußern kann. Jeder sollte die Möglichkeit haben, seine Gedanken frei zu formulieren, sie mit anderen Gedanken zu vergleichen und diese positiv wie negativ zu bewerten und sich mit Kritik an der eigenen Position auseinanderzusetzen. Es geht um einen gemeinsamen Gedankenaustausch, bei dem Probleme durchdacht und die verschiedenen Möglichkeiten erprobt, verworfen oder korrigiert werden. So ist Theologisieren immer auch ein Bildungsprozess unter Gleichaltrigen. Die Formen des Dialogs können unterschiedliche Formen haben. Hans- Ludwig Freese (eigentlich Vertreter der Kinderphilosophie) z.B. spricht sich für den sokratischen Dialog aus, der die Entwicklung des Gedankens in kleinen, kontrollierten Argumentationsschritten beinhaltet (ausführliche Darstellung in Punkt II., C., 5.). Franz W. Niehl spricht von einem 'umkreisenden Verstehen', dass er wie folgt erläutert: "Das umkreisende Verstehen betrachtet den Glaubenserwerb als einen offenen Verständigungsprozess, in dem es vorläufige Klärungen, nicht aber endgültige Resultate gibt. Das umkreisende Verstehen vertraut der Kraft der Frage und hütet sich vor der schnellen Antwort. Denn die rasche Antwort stellt den Verstand still; das nachdenkliche Fragen aber rauht die Seele auf. Das umkreisende Verstehen berücksichtigt dankbar Einsprüche und Widersprüche. Es respektiert sie und geht produktiv damit um."[17]

Allerdings äußert sich Kindertheologie nicht nur in der Form verbaler Sprache (jedoch meistens), sondern kann in zahlreichen Ausdrucksformen, wie z.B. Bildern, Theater oder Gesang, erscheinen.

Ausdrücklich ist zu sagen, dass es nicht um eine Idealisierung des Kindes geht. Die kindlichen Gedanken sind nicht immer gut und richtig. Jedoch sollten sie immer ernst genommen werden. Nur so ist sicherzustellen, dass sich Kinder ihren Glauben persönlich aneignen und diesen auch für ihr Leben nutzen. Diese Theologie der Kinder hat ihr eigenes Recht, genauso wie jedes Kind ein Recht auf Religion hat.

b) Spezifische Leistungen/ neue Inhalte

Hierbei soll noch einmal deutlich hervorgehoben werden, welche spezifischen Leistungen die Kindertheologie von der sonstigen Religionspädagogik unterscheiden und welche neuen Inhalte sie ausmachen.

Die besonderen Leistungen von Kindertheologie, die sie von einer Theologie von Jugendlichen oder Erwachsenen unterscheidet, sind 1) die Elementarität des Zugangs: Kinder denken und fragen meist sehr elementar. Leider haben wir Erwachsene meist keine elementaren Antworten auf solche Fragen. "Nicht etwa deswegen, weil es sie nicht gäbe, sondern weil wir sie (noch) nicht gefunden haben." Das zu erkennen und auch auszuhalten, ist eine spezifische Leistung von Kindertheologie. 2) Leiblichkeit des Denkens: Kinder in der Grundschule denken noch konstitutiv- leiblich und haben somit noch andere (Gottes-) Vorstellungen. Ihre kognitiven Fähigkeiten ermöglichen es ihnen noch nicht, ihr Abstraktionsvermögen vollends auszuschöpfen. Dies ist allerdings nicht negativ zu bewerten, denn Kinder haben so einen eigenen Zugang zu den Themen, der ihnen (wahrscheinlich) später abhanden kommt.[18]

Neu bei der Kindertheologie ist unter anderem, dass "anthropomorphe Vorstellungen (...) nicht als defizitär angesehen (werden), sondern als ebenso wertvoll wie symbolisch- vergeistigte. Auch werden sie weniger als Sozialisationseffekte erklärt, sodass es sich um bloße Reproduktionen von schon Gesehenem handelt, sondern vielmehr als Eigengestaltung ihrer Imaginationskraft und theologischen Kompetenz gewürdigt, ohne dass mögliche Einflüsse durch die Kontexte (Fernsehen, Kinderbibeln, Gespräche über Gott u.s.w.) bestritten werden."[19] Kinder können auch als 'Schöpfungstheologen' gesehen werden, denn sie fragen auch 'Woher kommt die Welt?' und bringen als Antwort eigene Vorstellungen hervor. Kinder sind auch 'Exegeten', sie hinterfragen und beantworten selbständig überliefertes altes Wissen. Sie legen biblische Texte auf ihre Art und Weise aus, bringen sie in neue Zusammenhänge und haben eigene Interpretationen. (Diese sind jedoch nicht immer für Erwachsene akzeptabel.) Anzumerken ist, dass nicht alle Rezipienten der Kindertheologie mit den Bezeichnungen 'Schöpfungstheologe' und 'Exeget' für Kinder einverstanden sind. Peter Müller spricht sich eindeutig dagegen aus, Kinder als Exegeten zu bezeichnen. In seinem Text 'Kinder als Exegeten' (im Jahrbuch für Kindertheologie Band 2) zählt er eine Vielzahl von Gründen auf, die dagegen sprechen, Kinder als Exegeten zu bezeichnen.

2. Theologie mit Kindern

Die Theologie mit Kindern ist nichts anderes, als das gemeinsame Fragen und Suchen nach Antwortmöglichkeiten. Betont wird in diesem Fall, dass die Kinder nicht alleine gelassen werden dürfen. Ein Lehrer sollte solche Prozesse immer begleiten. Die Praxis und die grundlegende Haltung bleiben gleich. Die veränderte Perspektive des Kindes wird eingehalten, indem das Kind sich erst mal frei zu allen Themen äußern kann. Durch gezieltes Nachfragen, seitens des Lehrers, soll sich das Kind dann mit dem Geäußerten auseinandersetzen.

a) 7 didaktische Grundtypen

In Anlehnung an Rainer Oberthür, hat Heinz Schmidt sieben didaktische Grundtypen zum Theologisieren mit Kindern aufgelistet[20]:

1. das sokratische Gespräch: Ein dialogischer Ansatz, der auf einem Gespräch zwischen 'Kind' und 'Meister' beruht. Durch eindringliches Nachfragen, soll das Kind sein Wissen in Frage stellen und selbstständig zu seiner (oder einer) richtigen Antwort kommen. Dieser Ansatz ist hauptsächlich in der Kinderphilosophie zu finden.
2. die elementare Lehre: Bezugsliteratur sind die Bücher von Rabbi Marc Gellmann/ Monsignore Thomas Hartmann: 'Wo wohnt Gott?' und 'Wie buchstabiert man Gott?' Hier geht es darum Falsches heraus- und Richtiges festzustellen.
3. die mythologische Erzählung: Religiöse Mythen, die sonst schwer für Kinder verständlich sind, sollen ihnen hierbei nahe gebracht werden. Durch narrativ elementare Bilder und Geschichten sollen Emotionen der Kinder geweckt werden. Sie sollen eine christliche Haltung einnehmen. Hartmut Rupp erläutert diesen Ansatz näher in dem Aufsatz 'Kinder brauchen Mythen' in seinem Buch 'Theologisieren mit Kindern'.
4. die literarische Erzählung: Dramatische Geschichten (mit oder ohne Bilder) die Fragen provozieren und bearbeiten wollen, werden im Unterricht eingesetzt. G. Büttner und J. Thierfelder folgen diesem Ansatz, wenn sie mit 'theologischen Klassikern theologisieren'.
5. der fragenorientierte Unterricht: Die Frage des Kindes steht hierbei im Mittelpunkt. Von ihr ausgehend werden religiöse Erzählungen, Bibelgeschichten u.a. herangezogen um sie zu beantworten. Charakteristisch ist der ganzheitliche Ablauf des Unterrichts. Rainer Oberthür ist als Vertreter dieses Ansatzes zu nennen.
6. Dilemmageschichten: Eine Notsituation wird aufgezeigt, dadurch soll die eigene theologische Vorstellung oder Position überdacht und neu konstruiert werden.
7. Freiarbeit: Unterschiedliche Lernangebote werden durch den Lehrer bereitgestellt. Das Kind soll seinen persönlichen Fragen nachgehen und sie anhand dieser Hilfen selbstständig bearbeiten und lösen können.

Dies ist eine sehr hilfreiche Aufzählung verschiedener Herangehensweisen zum Theologisieren mit Kindern für die Praxis. Jedoch muss kritisch überprüft werden, ob sie auch mit den genannten Grundsätzen der Kindertheologie übereinstimmt. Steht das Kind mit seinen Fragen und Bedürfnissen im Mittelpunkt? Wird das Kind als Subjekt religiösen Lernens wahrgenommen? Werden die Kinderantworten ernst genommen und mit ihnen gearbeitet? Oder weiß im Endeffekt der Erwachsene es doch wieder besser und hatte von Anfang an ein Lernziel (im inhaltlichen Sinne) im Hinterkopf?

Das sokratische Gespräch nimmt das Kind zwar mit seinen Vorstellungen ernst, jedoch soll es, durch das Nachfragen des 'Meisters', zu einem meist schon im Vorhinein festgelegten Ziel kommen. Ich denke die Vorgehensweise ist in diesem Falle richtig, das Ziel ist es leider nicht. Bei der elementaren Lehre und mythologischen Erzählung wird im unterschiedlichen Grad vom Kind und seinen Fragen ausgegangen. Diese sollten im idealen Fall der Kindertheologie Ausgangspunkt sein (müssen es jedoch nicht), jedoch sollten sie zumindest berücksichtigt werden bei der Bearbeitung. Fraglich ist, in welchem Maß das bei diesen beiden Konzepten geschieht. Als besonders effektiv für die Kindertheologie erscheinen mir der fragenorientierte Unterricht und die Freiarbeit. Das Kind steht ganz mit seinen Fragen und Vorstellungen im Mittelpunkt des Interesses. Außerdem stehen zur Bearbeitung, Beantwortung und Reflexion unterschiedliche Vorgehensweisen zur Verfügung (z.B. aus den Bereichen: Musik, Tanz und Spiel). Dies erscheint mir als besonders wichtig, wenn man davon ausgeht, dass ein sinnvolles und ganzheitliches Lernen nicht nur durch Texte oder Gespräche möglich ist.

Bei den verschiedenen didaktischen Grundtypen wird deutlich, dass es zwei unterschiedliche Herangehensweisen gibt:

1. Die Kinder zeigen ihr Interesse an theologischen Themen. Sie stellen Fragen und können diese in einer vorbereiteten Umgebung oder in einem gemeinsamen Gespräch selbst beantworten. Der Lehrer steht als Beobachter und Helfer zur Seite. Gelegentlich fragt er gezielt nach, um den Prozess religiösen Lernens zu vertiefen oder ihn voranzutreiben.
2. Der Lehrer inszeniert eine Fragesituation anhand von Texten, Bildern oder anderen Materialien. Die Kinder werden so auf die Frage gestoßen und können danach anhand des gewohnten Ablaufs vorgehen.

Das Kind sollte aber in beiden Fällen immer genügend Freiraum haben, um sich seine eigene Meinung bilden zu können. Durch die Unterteilung in die zwei oben genannten Herangehensweisen wäre ein Problem gelöst, dass die Kindertheologie wohl in der Schule haben würde. Nicht jedes Thema, das im Lehrplan enthalten ist, wird von den Kindern durch Fragen angesprochen. Durch die zweite Herangehensweise muss der Lehrer nicht auf die Fragen der Kinder warten, sondern kann sie provozieren und herauslocken.[21]

b) Kommunikationsebenen

Gerade bei der Theologie mit Kindern kommt die Frage auf: Wie sollte der Lehrer zu dem Kind stehen? Nach Ansicht der Kindertheologie soll der Erwachsene mit dem Kind eigentlich auf einer Ebene stehen, es ernst nehmen (teils stehen Kinderantworten sogar über denen Erwachsener). Doch ist dies realistisch und immer umsetzbar? Das Konzept der Kindertheologie führt zu dem Problem, dass drei Kommunikationsebenen gleichzeitig zu beachten sind. Henning Schluß hat diese aufgeführt: "Die Analyse der Argumentationsstruktur in den kindertheologischen Texten hat demnach in eine Aporie geführt. Einerseits zielt Kindertheologie symmetrische Kommunikation an. Andererseits, solange sie Pädagogik sein will, ist sie auf eine gewisse Asymmetrie angewiesen, die sich zwangsläufig aus dem Gefälle im Lehr- Lernprozess ergibt. Darüber hinaus legen manche kindertheologische Texte sogar eine umgekehrte Asymmetrie nahe, die Erwachsene oder gar die Fachexegese von den Kindern lernen heißt."[22] Die symmetrische Kommunikation ist also eine solche, die Kinder ernst nimmt und sie auf eine Ebene mit dem Erwachsenen stellt. Die asymmetrische Kommunikation ist die, die nicht außen vorlässt, dass der Lehrer immer noch Lehrer ist und zumindest inhaltlich meist mehr weiß. Die umgekehrte Asymmetrie geht davon aus, dass Kinder manchmal mehr wissen. Sie können dem Erwachsenen sogar neue Zugänge eröffnen. Kinder zeigen dem Erwachsenen, dass bestimmte Vor- Verständnisse nicht immer selbstverständlich sind und auch diese hinterfragt werden müssen, damit man zu neuen Erkenntnissen kommen kann. Der Erwachsene soll eine "Ebene des Staunen Könnens" erreichen.

Um dieses Problem der drei divergierenden Kommunikationsebenen zu lösen ist Henning Schluß' These "de(r) zentrale() Topos von Kindertheologie (ist) so näher zu bestimmen, dass Kindertheologie sich mit dem Ernstnehmen der Kinder um eine größtmögliche Symmetrie der Kommunikation bemüht, die aber das asymmetrische Gefälle in der pädagogischen Situation nicht ignoriert, sondern zu überwinden sucht. Das Mittel dafür ist eine möglichst symmetrische Kommunikation. Das Einlassen der Kindertheologin auf das Fragen der Kinder, auf ihre Gespräche kann in diesen Gesprächen selbst zu einem Aufbrechen bislang unreflektierter Vorannahmen der (kindlichen) Religiosität führen. So können in der Kommunikation neue Horizonte von den Kindern selbst erarbeitet und entdeckt werden."[23] Die von der Kindertheologie gewünschte symmetrische Kommunikation wird hier also differenziert. Auf der inhaltlichen Ebene soll die traditionelle Asymmetrie bestehen bleiben (!). Auf der Beziehungsebene jedoch findet man die gewünschte Symmetrie vor. Der Erwachsene nimmt das Kind ernst und steht mit ihm gleichrangig auf einer Ebene. Die drei unterschiedlichen Kommunikationsebenen stehen sich somit nicht mehr im Weg, sondern ergänzen sich und wirken produktiv zusammen.

3. Theologie für Kinder

Dieser Aspekt der Kindertheologie soll nicht die bisherigen aufgestellten Standpunkte neu ausrichten, sondern soll eine Ergänzung zu dem bisher Gesagten sein. Die geforderte Ernstnahme und Wertschätzung der kindlichen Theologien soll und darf nicht ausschließen, dass den Kindern auch spezifisches religiöses Wissen vermittelt wird. Sie haben nicht nur ein Recht auf eine eigene Theologie, sie haben auch das Recht auf religiöse Aufklärung. Diese Vermittlung soll natürlich nicht deduktiver Art sein, sondern soll nach wie vor nach der induktiven Verfahrensweise -das Kind mit seinen Fragen und Vorstellungen ist die Quelle- ablaufen. Bei der 'Theologie für Kinder' soll dem Kind theologisches Sachwissen vermittelt werden, ob sich das Kind dieses selber aneignet oder zusammen mit dem Lehrer, ist nicht vorrangig. Kinder brauchen religiöses Hintergrundwissen (religiöse Geschichten, Metaphern, Bilder usw. müssen ihnen nahe gebracht werden) ansonsten können sich keine eigenständigen Theologien entwickeln. Auch sollte der Lehrer eingreifen, wenn er merkt, dass ein Kind religiöse Vorstellungen hat, die mit Angst besetzt sind. In diesem Fall wird der Lehrer zum Aufklärer, der positive Aspekte des negativ besetzten Bildes aufzeigt. Theologie für Kinder sollte also nicht im Vorhinein abgewertet und abgelehnt werden, sondern sollte unter den genannten Aspekten sehr wohl berücksichtigt und praktiziert werden.

4. Ziele

Das oberste Ziel der Kindertheologie ist es, dass Kinder durch eigenes Fragen und Forschen zu eigenen Theologien kommen. Doch es gibt noch viele weitere, die ich im Folgenden aufzählen möchte.

Weitere Ziele der Kindertheologie sind:[24]

- religiöses Interesse zu wecken und zu fördern.
- religiöses Denken lernen.
- das Bewahren des unbefangenen Fragens.
- dass das Kind lernt, die 'richtigen' Fragen zu stellen (in dem Sinne: was muss ich jetzt fragen, um der Antwort einen Schritt näher zu kommen?), ihren Wert zu erkennen und ihre Beantwortbarkeit einzuschätzen. Wenn eine Frage unbeantwortet bleibt, soll es lernen damit umzugehen.
- 'dialogisches lernen' lernen, da sich Kindertheologie oft im Gespräch vollzieht. Durch den Gedankenaustausch aller Kinder, soll das Wissen des Kindes erweitert oder korrigiert werden. Das religiöse Wissen und der kindliche Glaube entwickeln sich so immer weiter.
- eine Haltung der Neugier und Offenheit zu fördern.
- die Entwicklung einer (religiösen) Identität.
- die Bereicherung der Vorstellungskraft.
- dass das Kind lernt Antwortmöglichkeiten kognitiv auszuprobieren.
- die Identifikation mit der eigenen Religion durch selbständiges Aneignen des Wissens und der emotionalen Bindung daran.
- die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit (Fragen, Argumentieren, Begründen).
- das Erkennen, dass es nicht nur 'richtig' und 'falsch' gibt (gerade bei religiösen Antworten), sondern auch das Kriterium der größeren oder geringeren Plausibilität.
- nicht alle Widersprüche zu überwinden, sondern Mehrdeutigkeit auszuhalten.
- dass Erwachsene durch die Kindertheologie lernen, dass auch längst beantwortete Fragen immer wieder neu hinterfragt, neu überdacht und neu beantwortet werden müssen.
- auf gar keinen Fall bei einem kindertheologischem Gespräch ein inhaltliches Ziel zu haben, denn ansonsten ist keine 'richtige' Kindertheologie möglich.

5. Methoden

Nachdem nun die grundlegende Position der Kindertheologie und ihre Ziele aufgezeigt wurden, wird deutlich, dass auch eine veränderte Praxis folgen muss. Doch wie kann diese aussehen? Ist es überhaupt möglich eine Methodik der Kindertheologie zu entwerfen? Wird dadurch nicht der Ablauf in ein vorbereitetes Schema gepresst, der keine Freiheiten zulässt und somit nicht mehr dem Ziel der Kindertheologie gerecht wird? Kindliches Fragen und Staunen sollte nicht schon vorher eingeplant werden. Trotzdem ist es wichtig, sich bestimmte Methoden und Vorgehensweisen zu überlegen, andernfalls schwächt das Theologisieren zu einem Gespräch ab, bei dem bloß Gedanken ausgetauscht werden. Diese Methoden dürfen jedoch auf keinen Fall Ergebnisse vorschreiben, sondern den Kindern muss immer der Freiraum gegeben sein, eigene Entdeckungen zu machen. Doch wie kann der Lehrer fördern, dass die Kinder nun zu diesen eigenen theologischen Fragen und Antworten kommen?

Eine vorbereitete Umgebung muss geschaffen werden, in der sich Kinder wohl fühlen und keine Ängste haben sich frei zu äußern. "Kinder müssen eine symbolische und lebenspraktische Umgebung vorfinden, aus der sie das symbolische Material für das eigene Erleben und die eigenen Fragen gewinnen. [...] [E]ine[] entsprechende[] Gestaltung der Lebens- und Unterrichtsräume und [die] Teilnahme an religiöser Praxis (Gebet, Andacht, Feier usw.)“[25] ist Voraussetzung für eine gelingende Praxis der Kindertheologie. Durch diese anregende und motivierende Umgebung werden die Kinder eventuell Fragen stellen, die dem Lehrer einen am Kind orientierten Unterrichtseinstieg ermöglichen. Der Unterricht ist so ein vom Kind her geleiteter Unterricht. Doch wie schon erwähnt wurde, stellen Kinder nicht zu allen Themen fragen und dem Lehrer muss es trotzdem möglich sein, auch diese zu behandeln. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Themenwahl die Erfahrungs- und Lebenswelt der Kinder berücksichtigt wird. Nur so werden Kinder interessiert sein und neugierig auf eine 'Entdeckung' des Themas. Die "Kindertheologie impliziert eine Hermeneutik der aktiven Aneignung und weniger der Vermittlung."[26] Um dabei allen Kindern und ihren individuellen Lerntypen (visuell, auditiv und haptisch) gerecht zu werden, muss der Lehrer unterschiedliche Lernvarianten anbieten. Dies muss nicht in einer Stunde erfolgen, aber Abwechslung in der Vorgehensweise der Wissensaneignung sollte geboten werden.

Diese können wie folgt aussehen:[27]

- einen Text/ Geschichte/ Märchen/ Mythen selber lesen oder vorgelesen bekommen
- einen Text selber schreiben
- Musik hören oder selber musizieren
- Tanz, Pantomime oder ein Spiel zu Texten oder Begriffen
- basteln z.B. Collagen oder Landschaftsnachbau
- Bildbetrachtung und Interpretation
- eigenes Bild malen

Denn gerade in der kreativen Äußerung seiner Gedanken kann das Kind über sie nachdenken und eine produktive Distanz finden.

In den meisten Fällen sollte dieser kreative Teil aber in einem Gespräch enden, damit deutlich wird, was vorher ausgedrückt worden ist. Kindertheologie hat also in aller Regel (oder im Endeffekt) eine mündliche Form, die aus einem theologischen Gespräch besteht. Dieses theologische Gespräch könnte (vorgeschlagen von Ekkehard Martens) in der Form eines sokratischen Gesprächs verlaufen, dessen einzelne Schritte ich im Folgenden kurz erläutere.[28]

1. etwas genau und differenziert beschreiben können (phänomenologisch)
2. sich selbst und einen anderen verstehen, was verstanden wird (hermeneutisch)
3. begrifflich und argumentativ klären, wie etwas verstanden wird (analytisch)
4. nachfragen und widersprechen (dialektisch)
5. phantasieren, wie man etwas verstehen könnte (spekulativ).

Wenn diese 5 Schritte des sokratischen Gesprächs einmal erlernt sind, können Kinder diese immer wieder anwenden und auch in anderen Gesprächsituationen verwenden. Zum Abschluss möchte ich noch Rainer Oberthür zitieren, dessen Zitat noch einmal aufzeigt, was oberste Priorität haben sollte: Ziel der Methoden sollte immer sein "nicht Lernprozesse durch Beschleunigung zu optimieren, sondern sie durch Verlangsamen zu intensivieren."[29]

a) Die Frage als pädagogisches Konzept

"Du verlässt nicht die, die nach dir fragen" (Psalm 9,11)

Eine Methode der Religionsdidaktik ist der schülerfragenorientierte Ansatz. Dieser Ansatz wird besonders von Rainer Oberthür vertreten und ist ein wesentlicher Bestandteil der Kindertheologie. Denn viele Äußerungen der Kindertheologie sind Fragen. Sie sind charakteristisch für das Kindsein. Die Fragen des Kindes zeigen seinen unstillbaren, natürlichen Wissensdurst. "Kinderfragen zeigen an, was Kinder jetzt bewegt und beschäftigt. Sie sind Ausdruck gegenwärtiger Sinngebung- und Orientierungsbedürfnisse, die aktuell der Auseinandersetzung bedürfen."[30] Diese Fragen ernst zu nehmen und ihnen nachzugehen ist Ziel und Quelle der Kindertheologie. Durch das Ernstnehmen der Fragen wird deutlich, dass das Kind als Subjekt wahrgenommen wird und nicht wie früher als Objekt, wo der Lehrer die Fragen stellte und die Kinder auswendig gelernte Phrasen antworteten. Die Fragen werden zur Basis und zum Ursprung des Religionsunterrichts. Das Fragenstellen als Aktivität stellt sich als wesentliche Auseinandersetzung mit Gott heraus. Wenn man genau hinhört, thematisieren die Kinderfragen die existenziellen Grundprobleme menschlichen Daseins. Sie fragen nach den 'großen Themen der Menschheit'.[31] Dabei fällt die Radikalität auf, mit der Kinder fragen. Die Fragen zielen auf Antworten und endgültige Lösungen, die nicht immer vom Lehrer erfüllbar sind. Denn nicht alle Fragen sind definitiv beantwortbar. "Die Frage ist, was diese Fragen bedeuten. Sind sie eine Aufforderung die richtige Lehre darzustellen, sind sie Ausdruck des Noch- Nicht- Wissens und der Anfang der Selbsterkenntnis oder sind sie Ausdruck und Beginn einer eigenständigen religiösen Suche?"[32] Das Ziel der Fragen ist natürlich hauptsächlich ihre Beantwortung (auf welche Art und Weise auch immer), aber sie haben auch noch bestimmte andere psychische Funktionen. Sie dienen der Unsicherheitsreduktion, der Sinngebung und der moralischen Orientierung des Kindes.[33] Im Sinne einer schülerfragenorientierten Religionsdidaktik muss also dem Kind immer der Freiraum gegeben sein, seine Fragen zu äußern, diesen nachzugehen und eigene Theologien zu entwickeln.

b) Rolle und Aufgaben des Lehrers

"Wenn man Kinder lehren, unterrichten, sie erziehen will, muss man selber ein Kind werden: wieder das Staunen und das unbefangene Fragen lernen."[34]

Oswald Bayer hat diesen sehr zutreffenden Satz über den Lehrer formuliert, der Kindertheologie betreiben will. Dennoch denke ich, dass der Lehrer noch einige andere Qualitäten mit sich bringen muss, um dazu beizutragen, dass Kindertheologie funktioniert (wobei damit nicht gesagt sei, dass Kindertheologie nur durch Hilfe oder Beitrag eines Lehrers funktionieren kann). Er sollte in jedem Fall eine eigene theologische Position haben und diese auch gegebenenfalls deutlich machen (ohne dabei den Kindern diese eintrichtern zu wollen). Außerdem sollte er über religiöse Entwicklungsstufen Bescheid wissen (z.B. Oser/ Gemünder: Der Mensch- Stufen seiner religiösen Entwicklung, Gütersloh 1988), die ihm eventuell dabei behilflich sein können Kinderäußerungen besser einzuschätzen. An dieser Stelle möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass die Kenntnis dieser Entwicklungsstufen nicht dazu führen darf, das Kind von vornherein einzustufen. Dadurch würde die Äußerung des Kindes nicht unbefangen angenommen und eventuell fehlinterpretiert werden. Der Lehrer sollte immer um ein größtmöglichstes Verstehen bemüht sein und sich zurückhalten mit Korrekturen. Die Voraussetzungen dafür sind, dass der Lehrer die Schüler ernst und beim Wort nimmt, sich auf ihr Fragen einlässt und sie als Partner anerkennt. Der Lehrer sollte die '100 Sprachen' der Kinder verstehen lernen und ihnen immer wieder neu Chancen geben sich auf verschiedenen Wegen auszudrücken. Er muss anerkennen, dass Kinder eine eigene Religiosität, eine eigene Theologie und eine eigene Lebensweise haben.[35]

Um den verschiedenen Schwerpunkten (Theologie von/ mit /für Kinder) gerecht zu werden, möchte ich die Aufgaben des Lehrers für die einzelnen Punkte aufzeigen. Bei der Theologie von Kindern stellt sich natürlich die Frage, ob dem Lehrer überhaupt eine Aufgabe zukommt, oder ob er nicht völlig überflüssig ist. Ich denke Theologie von Kindern kann auch ohne einen Lehrer oder eine erwachsene Person entstehen. Da ich nun aber von Kindertheologie als mögliche Methode des Religionsunterrichts ausgehe, muss und wird ein Lehrer dabei sein. Seine Rolle in diesem Fall ist sehr eingeschränkt. Er sollte Anregungen und Impulse liefern (im besten Fall ja noch nicht einmal das, wenn diese von den Kindern kommen) und die Kinder ermutigen, ihre Glaubensvorstellungen zu äußern.

Bei der Theologie mit Kindern kommt dem Lehrer schon eine bedeutendere Rolle zu. In erster Linie steht er den Kindern als Helfer zur Seite. Er versucht bewusst die Kinder durch geschaffene Lernsituationen mit Themen zu konfrontieren, damit sie sich mit diesen beschäftigen und ihre bisherige Meinung dazu verändern oder erweitern. Er sollte im Sinne eines sokratischen 'Meisters' eine fragende Haltung einnehmen und die Nachdenklichkeit des Kindes fördern. Wenn er sich einmischt in ein Gespräch, dann nur um Gegenargumente oder neue Einsichten aufzuzeigen, die dem Gespräch helfen sich weiterzuentwickeln. Die Kinder können durch diese Hilfe zu neuen Beobachtungen gelangen und werden so in ihrem Lernprozess gefördert.

Bei der Theologie für Kinder übernimmt der Lehrer die Rolle eines Aufklärers oder Mittlers. Er wird durch die unterschiedlichen Meinungen und Äußerungen der Kinder wohl öfters aufgefordert sein (teils durch die Kinder selber) selbst dazu Stellung zu beziehen. Sei es, weil die Kinder in manchen Fällen die kirchliche Lehrmeinung dazu wissen wollen oder sei es, weil sie eine eigene persönliche Meinung des Lehrers kennen lernen wollen. Diese eigene Stellungnahme des Lehrers halte ich für besonders wichtig, denn der Lehrer vertritt für die Schüler diese Religion. Er wird zum Vorbild und die Kinder orientieren sich an ihm und seinem Umgang mit der Religion (-s Praxis).

Diese Aufgaben des Lehrers setzen "die Bereitschaft voraus, von und mit Kindern zu lernen und sich auch im Blick auf die eigene theologische Position in Frage stellen zu lassen."[36]

D. Kritik

1. Kindertheologie als Vorbild für die Theologie?

„Die eigene Sicht der Kinder von Leben und Welt- bzw. von Glaube und Theologie- ernst zu nehmen, könnte das Wissen der Erwachsenen ergänzen und ihnen helfen, neue Einsichten zu gewinnen“ aus dem Protokoll der EKD- Synode 1994.[37]

Die Fragen, die sich aufgrund der provozierenden These: ‚Kindertheologie als Vorbilde für die Theologie’ auftun sind: Sind Kinder überhaupt dazu in der Lage Theologien zu entwickeln, die man mit denen der wissenschaftlichen Theologie vergleichen kann? (Diese Frage werde ich im V. Kapitel meiner Arbeit behandeln) Kann man Kinder mit ihren anthropomorphen Gottesvorstellungen mit ausgebildeten Theologen gleichstellen? Ist das nicht eine Beleidigung für die universitäre Theologie? Wenn die Kindertheologie der wissenschaftlichen Theologie nützen soll, wie sieht diese Hilfe aus?

Kinder treiben Theologie, indem sie alte Überlieferungen neu auslegen. Sie bringen sie mit ihrer Erfahrungs- und Lebenswelt in einen neuen (für uns manchmal unverständlichen) Zusammenhang. Kinder haben einen eigenen Zugang zu Aussagen des Glaubens und kommen so zu anders akzentuierten oder neuen Einsichten. Diese bereichern die wissenschaftliche Theologie, denn Kinder hinterfragen auch Themen, die den Theologen als fraglos erscheinen und erweitern sie durch neue Sichtweisen. Im Kindergespräch entsteht also ein lebendiger Diskurs theologischer Traditionsbildung. Dieser macht deutlich, dass theologische Fragen nicht nur von Experten diskutiert und beantwortet werden können, sondern dass sich auch Kinder als kompetent erweisen. Die Ergebnisse der Kinder können für die wissenschaftliche Theoriebildung bedeutsam sein, denn sie zeigen manche Leerstellen wissenschaftlicher Theologie auf.[38]

Wenn man die Themen vergleicht, mit denen sich Kindertheologen und wissenschaftliche Theologen auseinandersetzen, dann zeigt sich, dass sie sich im elementaren Sinne überschneiden. Diese zwei ganz unterschiedlichen Welten haben also im Wesentlichen vieles gemeinsam.

Es gibt natürlich auch Einsprüche von Kritikern. Sie geben zu bedenken, dass die theologischen Gedanken der Kinder keine eigenen seien. Diese seien bloße Reproduktionen ihrer Umwelt, die beeinflusst sind durch die Medien (aber auch durch die Eltern, sonstiger Religionsunterricht, Kirche u.a.). Dagegen zu halten ist das oben entworfene Kindbild. Das Kind ist aktiv und produktiv. Die äußeren Einflüsse werden zwar nicht abgestritten, dennoch ist das Kind ein kompetenter Autor theologischer Gedanken, die nicht bloße Reproduktionen sind.

Kindertheologie könnte also der wissenschaftlichen Theologie behilflich zur Seite stehen, wenn sich diese darauf einließe. Denn die Kindertheologie gibt ihr einen Anstoß aus ihrer Isolation herauszukommen und sich wieder ihrer eigentlichen Basis, den Glaubensvorstellungen, zu nähern. Wilfried Härle formuliert in seinem Beitrag ‚Was haben Kinder in der Theologie verloren?’ (In: ‚Zeit ist immer da’, S. 27) den prägnanten Abschlusssatz „Was hat die Theologie ohne Kinder verloren? Was geht ihnen verloren, wenn sie die Kinder nicht wahrnimmt, beachtet und achtet?“ Auch G. Ort und H. Hanisch formulieren eine ähnlich aussagekräftige These: „Theologie [gibt es] bereits bei Kindern[…]; diese Theologie hat eigenes Recht und eigenen Rang; religionspädagogische Bemühung hat es…in erster Linie…mit dem Gespräch zwischen Partnern zu tun, die – auf verschiedene Weisen- Theologie treiben. Dabei soll wissenschaftliche Theologie ebenso offen für das sein, was in den Theologien der Kinder zum Vorschein kommt, wie das umgekehrt gilt.“[39]

2. Ist Kindertheologie in der Schule überhaupt möglich?

Diese berechtigte Frage stellt sich natürlich, wenn an sich die Inhalte der Kindertheologie anschaut. Einige der Fragen, die sich aus der Überschrift ergeben, wurden jedoch schon geklärt, zum Beispiel die Frage, ob der Lehrer in die Diskussionen eingreifen darf und wenn ja in welcher Art und Weise. Von der Methodik her sehe ich keine Probleme Kindertheologie in der Schule zu betreiben.

Man muss natürlich beachten, dass gerade in einer Schulklasse 25 Kinder sitzen, die alle im unterschiedlichen Maße dazu befähigt sind zu argumentieren. Das Reflexionsniveau ist somit nicht bei allen gleich hoch. Allerdings birgt dieses Problem auch positive Aspekte, denn in einer heterogenen Gruppe können die schlechteren Schüler von den besseren profitieren. Die Klasse sollte daher meiner Meinung nach nicht nach Leistung eingestuft in kleinere Gruppen unterteilt werden, sondern die Leistungsvielfalt sollte beibehalten werden.

Die Wahl der Themen für den Unterricht wurde schon in dem Punkt C. 5. angesprochen. Ich möchte an dieser Stelle jedoch noch einmal betonen, dass es eine spezifische Leistung von Kindertheologie ist, dass die Themen der Kinder die Inhalte des Religionsunterrichts vom Kind her begründen. Wenn die Kinder nicht zu allen Themen Fragen stellen, die im Lehrplan verankert sind, ist es dem Lehrer trotzdem möglich, die Kinder auf diese zu stoßen.

a) Martens’ Variante für den Schulunterricht

Bei der Beantwortung der Frage, ob Kindertheologie in der Schule überhaupt umsetzbar ist, stieß ich auf einen Aufsatz von Ekkehard Martens ‚Kinderphilosophie und Kindertheologie- Familienähnlichkeiten’, der diese Frage klar bejaht. Er schlägt in seinem Aufsatz jedoch eine dritte Variante für den Schulunterricht vor: ‚Mit Kindern über Grund- Fragen philosophisch nachdenken- aus säkularer und aus religiöser Perspektive’. Bei dieser Variante sollen die beiden Perspektiven (Philosophie und Theologie) miteinander verschränkt werden und die Basis für einen interreligiösen Unterricht bilden. Er begründet seine Variante damit, dass bei Kinderfragen diesen Alters nicht klar zu unterscheiden ist, ob sie nun philosophischer oder theologischer Art sind. Martens zählt in seinem Text viele weitere methodische und inhaltliche Gründe, aber auch Gründe der Haltung und Institutionalisierung auf, die für seine Variante sprechen.

b) Grundlagen im Lehrplan

Um zu entscheiden, ob Kindertheologie in der Schule möglich ist, muss man natürlich den Lehrplan daraufhin überprüfen. Ich habe mir daraufhin die ‚Richtlinien und Lehrpläne zur Erprobung für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen’ von 2003 angeschaut. Folgende Ziele, die die Methode von Kindertheologie rechtfertigen, sind aufgelistet:[40]

- Der Katholische Religionsunterricht soll zu verantwortlichem Denken und Verhalten im Hinblick auf Religion und Glaube befähigen.
- Eine Fragehaltung und das Suchen nach Antworten auf die grundlegenden Fragen des Menschen zu entwickeln und zu vertiefen.
- Das Wahrnehmen und Staunen über den Menschen in der Schöpfung zu vertiefen.
- Gelebte Religion und lebendigen Glauben zu erkunden und zu erfahren, zu verstehen und zu deuten.
- Eine religiöse Gestaltungs- und Sprachfähigkeit zu erwerben.
- Das fragende und nachdenkliche Gespräch zu erlernen.
- Der Religionsunterricht ist darauf angelegt, Fähigkeiten zu fördern, die Welt und das Leben sensibel wahrzunehmen, zu bestaunen, zu befragen und zu deuten.
- Die Schülerin/der Schüler kann Fragen und Erfahrungen zu Religion und Glauben bedenken, zum Ausdruck bringen und sich darüber mit Anderen austauschen.

Die Methode des fragenden Gesprächs (siehe II.,C.,5.,a) ist auch im Lehrplan erwähnt:

„Das fragende und nachdenkliche Gespräch ist ein Wesensmerkmal des Religionsunterrichts. Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter stellen viele Fragen. Dazu gehören auch die großen menschlichen Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach der Herkunft und Zukunft der Menschen und nach Gott. Sie möchten Meinungen und Überzeugungen von Erwachsenen kennen lernen. Im Religionsunterricht wird diese Fragehaltung angenommen, neue Fragen werden geweckt. Antworten werden in der biblischen Überlieferung und im Glaubenszeugnis der Kirche gesucht und bedacht. Dabei lernen Schülerinnen und Schüler auch, dass in manchen Situationen Fragen offen bleiben. Sie können vielleicht auf dieser Stufe des Lernens möglicherweise nur ansatzweise und nicht immer endgültig beantwortet werden. In jedem Fall bleibt es die wichtige Aufgabe des Religionsunterrichts, zumindest die Fragehaltungen von Schülerinnen und Schülern anzuregen und wach zu halten. Schülerinnen und Schüler zum Formulieren ihrer „großen Fragen“ zu führen, ist ein wichtiges Anliegen des Religionsunterrichts. In diesem Lernprozess würdigen Lehrerinnen und Lehrer die sprachliche Ausdrucksform der Schülerinnen und Schüler, auch wenn ihre Antworten auf komplexe Sachverhalte einfach erscheinen.“[41]

[...]


[1] Lexikonredaktion des Bibliographischen Instituts, Art. Kind, Duden- Lexikon 7, S. 1005

[2] LThK, Art., Tod, S.66

[3] Bucher, A.., Mittendrin ist Gott, S.10

[4] Vgl. Bucher, A., Zeit ist immer da, S.11

[5] Vgl. Schweitzer, F., "Jeder Mensch ist Theologe"- also auch Kinder?, S.4-9)

[6] Bucher, A., Mittendrin ist Gott, S.14

[7] Die Bildel, Mt 18, 3-4

[8] Bucher, A.., Mittendrin ist Gott, S.13

[9] Bucher, A., Kinder als Subjekte, S.146

[10] Bucher, A., Mittendrin ist Gott, S.9,10

[11] Bucher, A., Im Himmelreich ist keiner sauer, S.9

[12] Büttner, G./ Rupp, H., Theologisieren mit Kindern, S.100

[13] Vgl. Büttner, G./ Bucher, A., Kindertheologie- Eine Zwischenbilanz,S.36

[14] Büttner, G./ Rupp, H., Theologisieren mit Kindern, S.16

[15] Bucher, A., Mittendrin ist Gott, S. 7

[16]Oberthür, R., Wer fragt, weiß schon etwas!, S.54

[17] Vgl. Bucher, A., Zeit ist immer da, S. 24,25

[18] Vgl. Bucher, A., Zeit ist immer da, S. 24,25

[19] Bucher, A., Mittendrin ist Gott, S.18

[20] Diese Auflistung folgt: Büttner, G./ Rupp, H., Theologisieren mit Kindern, S.18,19

[21] Vgl. www.ekir.de/ekir/dokumente/Kindertheologie-Grundl-LP.doc am 26.01.2006

[22] Schluß, H., Ein Vorschlag, Gegenstand und Grenze der Kindertheologie anhand eines systematischen Leitgedankens zu entwickeln, S.27

[23] Ebd., S.26

[24] Vgl.: Büttner, G./ Rupp, H., Theologisieren mit Kindern; Oberthür, R., Kinder fragen nach Leid und Gott; Horster, D., Philosophieren mit Kindern.

[25] Büttner, G./ Rupp, H., Theologisieren mit Kindern, S.17

[26] Bucher, A., Mittendrin ist Gott, S.25

[27] Vgl. Oberthür, R., Kinder und die großen Fragen, S.17

[28] Vgl. im Folgenden: Bucher, A., Kirchen sind ziemlich christlich, S.21

[29] Oberthür, R., Kinder fragen nach Leid und Gott, S.24

[30] Büttner, G./ Rupp, H.,Theologisieren mit Kindern, S.16

[31] Vgl. Oberthür, R., Kinder und die großen Fragen, S. 14

[32] Büttner, G./ Rupp, H., Theologisieren mit Kindern, S. 79

[33] Vgl. Ebd., S.15

[34] Schweitzer, F., "Jeder Mensch ist Theologe"- also auch Kinder?, S. 9

[35] Vgl. Büttner, G./ Bucher, A., Kindertheologie- Eine Zwischenbilanz, S. 41

[36] Orth, G./ Hanisch, H., Glauben entdecken- Religion lernen, S. 335

[37] Ebd., S.314

[38] Vgl. Ebd., S. 315

[39] Ebd., S.315

[40] Vgl. Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein- Westfalen, Richtlinien und Lehrpläne zur Erprobung für die Grundschule in Nordrhein- Westfalen, S. 151- 168, Folgende Ziele sind wortwörtlich aus dem Lehrplan entnommen.

[41] Ebd., S. 153

Ende der Leseprobe aus 131 Seiten

Details

Titel
Todesvorstellungen von Kindern - Darstellung und theologische Diskussion
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
131
Katalognummer
V58541
ISBN (eBook)
9783638527064
ISBN (Buch)
9783656793601
Dateigröße
1835 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Todesvorstellungen, Kindern, Darstellung, Diskussion
Arbeit zitieren
Jennifer Keßel (Autor:in), 2006, Todesvorstellungen von Kindern - Darstellung und theologische Diskussion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58541

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