Jugendsprache. Eine Varietät der deutschen Sprache


Hausarbeit, 2019

25 Seiten, Note: 2,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. BEGRIFFSDEFINITIONEN
2.1 SOZIOLEKT
2.2 JUGEND
2.3 JUGENDSPRACHE
2.4 (JUGEND-) SPRACHE ALS VARIETÄT

3. GESCHICHTE DER DEUTSCHEN JUGENDSPRACHFORSCHUNG

4. FUNKTIONEN UND MERKMALE VON JUGENDSPRACHE
4.1 LEXIKALISCHE EBENE
4.2 MORPHOLOGISCHE EBENE
4.3 SEMANTISCHE EBENE
4.4 SYNTAKTISCHE EBENE
4.5 PHONOLOGISCHE EBENE

5. JUGENDSPRACHE IN SCHULE UND UNTERRICHT
5.1 SCHÜLERSPRACHE, SCHULSPRACHE UND UNTERRICHTSSPRACHE
5.2 JUGENDSPRACHE UND SPRACHKOMPETENZ
5.3 JUGENDSPRACHE ALS UNTERRICHTSTHEMA
5.4 JUGENDSPRACHE IM BILDUNGSPLAN

6. FAZIT

7. LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

„Ich hör es gern, wenn auch die Jugend plappert; Das Neue klingt, das Alte klappert.” (Goethe 1849, S. 507)

Dieses Zitat von Goethe beschreibt das Phänomen der Jugendsprache und es macht deutlich, dass die Jugendsprache entgegen der oft vorherrschenden öffentlichen Meinung „kein Phänomen der Neuzeit ist“, so wie es auch die Professorin für Germanistik, Eva Neuland, in ihrem Buch ‚Jugendsprache‘ betont (vgl. Neuland, 2018, S.43). Jugendliche haben bereits in früheren Zeiten einen eigenen Sprachstil entwickelt. Die Sprache der Jugend zeichnet sich durch Lebendigkeit aus und entwickelt sich seit Generationen kontinuierlich weiter, so wie alle anderen Sprachen auch.

Die sprachlichen Varietäten haben in den letzten Jahren mit der Globalisierung, der Migration und den neuen Medien immer stärker an Einfluss gewonnen. Inzwischen spielt die Jugendsprache sowohl im schulischen und universitären Sprachunterricht als auch in der linguistischen Sprachforschung eine große Rolle. Es gibt nicht nur ‚die‘ eine Jugendsprache, sondern es existieren viele verschiedene jugendsprachliche Stile, die sich hinsichtlich Zeit, Situation, soziokulturellem Hintergrund und Region unterscheiden. Emotionale Marker sind typisch für Jugendsprache, da bei der Entwicklung der Jugendlichen Emotionalität und Expressivität eine sehr wichtige Rolle einnehmen.

Mit ihrer eigenen Sprache kommunizieren Jugendliche untereinander, grenzen sich damit ab und schaffen ihre eigene Identität. Gleichzeitig sorgt Jugendsprache immer wieder für Kritik in der Gesellschaft und es wird ihr Sprachverfall und Sprachverlust vorgeworfen. In dieser Arbeit möchte ich mich mit der Thematik ‚Jugendsprache‘ näher auseinandersetzen. Trägt Jugendsprache wirklich zu Sprachverfall und Sprachverlust bei, so wie in publizistischen Sprachdiskursen behauptet wird? Welche Bedeutung hat Jugendsprache im Unterricht?

Als erstes befasse ich mich mit der Definition von verschiedenen Begriffen wie ‚Soziolekt‘, ‚Jugend‘ ‚Jugendsprache‘, und ‚Jugendsprache als Varietät‘. Im Anschluss setze ich mich mit der Geschichte der Jugendsprachforschung auseinander und untersuche linguistische Merkmale von Jugendsprache. Im letzten Teil meiner Arbeit stelle ich einen Bezug von Jugendsprache zu Schule und Unterricht her und beende meine Hausarbeit mit einem persönlichen Fazit.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwende ich in dieser Hausarbeit ausschließlich der männlichen Form, es können dabei sowohl männliche als auch weibliche Personen gemeint sein.

2. Begriffsdefinitionen

2.1 Soziolekt

Hadumod Bußmann definiert im Lexikon der Sprachwissenschaft Soziolekt als Gruppensprache, der wie der Dialekt eine Sprachvarietät bezeichnet, die für eine soziale Gruppe steht. Standardsprachliche Soziolekte wie Hochdeutsch weisen einen hohen gesellschaftlichen Status auf, während nicht-standardsprachliche Soziolekte wie der Berliner Stadtdialekt sozial niedrig angesiedelt sind (vgl. Bußmann, 2008, S. 634).

Der Soziolinguist Norbert Dittmar beschreibt in seinem Buch ‚Grundlagen der Soziolingusitik‘ die Soziolekte als „soziale, schichtspezifische Spielarten des Sprachgebrauchs“ (vgl. Dittmar, 1997, S.8). Soziolekte sind für ihn gruppen- und schichtspezifische Varietäten, die schichtspezifische Merkmale aufweisen. Unterschichtsoziolekte verwenden im Gegensatz zur Mittelschicht- und Oberschichtsoziolekten weniger Wörter, redundante Wörter und weniger syntaktische Regeln. Dadurch sind die syntaktischen und semantischen Muster leichter vorhersehbar (vgl. Dittmar, 1997, S. 189-193).

Der Soziolekt ‚Jugendsprache‘ beinhaltet den Begriff ‚Jugend‘, den ich als nächstes genauer erläutern möchte.

2.2 Jugend

Eine einheitliche Definition für den Begriff ‚Jugend‘ lässt sich in der Literatur kaum finden, es gibt hierzu die verschiedensten Ansätze von Definitionen. Der Begriff ‚Jugend‘ wird im ‚Duden‘ wie folgt definiert:

1. a) Zeit des Jungseins; Lebensabschnitt eines jungen Menschen
b) Entwicklungszeit, erste Wachstumsphase eines Lebewesens von der Entstehung, Geburt an bis zur vollen Entwicklung; Jugendstadium

2. Zustand des Jungseins; jugendliche Frische, Kraft
3. Gesamtheit junger Menschen; die jungen Leute (vgl. Bibliographisches Institut, 2019)

Das deutsche Gesetz legt die Jugendphase zwischen dem 14 und 18. Lebensjahr fest und nach Bahlo müssen die vier folgenden Entwicklungsschritte für den Eintritt in die Jugendphase abgeschlossen sein:

1. Körperliche Entwicklung
2. Kognitive Reifung
3. Soziale Entwicklung
4. Sprache (vgl. Bahlo & Becker & Kalkavan-Aydin & Lotze & Marx & Schwarz & Simsek, 2019, S.2)

Jugend hat zwei verschiedene Bedeutungen: zum einen wird darunter der Lebensabschnitt eines Menschen beschrieben, zum anderen eine gesellschaftliche Gruppe. Kennzeichnend für Gruppen sind Sprache, Verhalten, Gestik, Mimik, Kleidung, Frisuren etc.. Die Soziologie bezeichnet das Jugendalter als einen „Zwischenschritt zwischen dem abhängigen Kind und dem unabhängigen Erwachsenen“ (Hurrelmann & Quenzel, 2016, S. 39) und das Hineinwachsen in zentrale gesellschaftliche Rollen. Dieser Zeitabschnitt ‚Jugend‘ ist nicht von einem bestimmten Alter abhängig, sondern wird bezüglich Dauer und Lebensabschnitt von verschiedenen Kulturen und Gesellschaften bestimmt (vgl. Hurrelmann & Quenzel, 2016, S. 39-44; Reinke, 1994, S. 295-296).

In unserer Gesellschaft wird die Altersphase der Jugend ungefähr zwischen 15 und 30 Jahren angesetzt. Aufgrund sich verändernder Bedingungen wie Ausbildungszeiten, Eintritt in das Berufsleben, Heirat, Geburt der Kinder etc. verändert sich auch der Zeitpunkt des Eintritts in den Status eines Erwachsenen. Charakteristisch für Jugend sind innere Konflikte sowie die Suche nach einer eigenen Identität und damit assoziiert ist die Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen, vor allem gegenüber den Erwachsenen (vgl. Sinner, 2014, S. 154).

Der Eintritt in die sekundäre Sozialisation außerhalb des Elternhauses fordert neue Rollen von den Jugendlichen und dabei nehmen auch die kommunikativen Aufgaben zu. Für die Ausbildung der eigenen Identität ist die persönliche Individuation und soziale Integration erforderlich. Hierbei nimmt die Sprache eine zentrale Rolle ein, sie affirmiert die Gruppenzugehörigkeit und intensiviert die Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen.

Jugendliche verwenden eine Sprachvarietät und zeigen dadurch ihre Zugehörigkeit zur Gruppe ‚Jugend‘ (vgl. Bahlo et al., 2019, S. 1-8; Hurrelmann & Quenzel , 2016, S. 5).

2.3 Jugendsprache

Im ‚Duden‘ wird der Begriff ‚Jugendsprache‘ als „Jargon (a), Sondersprache der Jugendlichen“ definiert (Bibliographisches Institut GmbH, 2018).

Eva Neuland bezeichnet Jugendsprache als ein „mündlich konstituiertes, von Jugendlichen in bestimmten Situationen verwendetes Medium der Gruppenkommunikation und [ist] durch die wesentlichen Merkmale der gesprochenen Sprache, der Gruppensprache und der kommunikativen Interaktion gekennzeichnet“ (vgl. Neuland, 2018, S. 79).

Sowohl Dr. Marlies Reinke als auch Eva Neuland erklären, es gibt nicht die eine Jugendsprache, ebenso wenig wie es die eine Jugend als homogene Gruppe gibt.

Der jugendspezifische Sprachstil wird von der Leitvarietät ‚Standardsprache‘ bestimmt. Daneben kommen weitere Varietäten wie Umgangssprache, Dialekte, Gruppensprachen und Fachsprachen zum Tragen. Im Artikel ‚Jugendsprache‘ zitiert Dr. Marlies Reinke den Germanisten Helmut Henne wie folgt: „Henne charakterisiert Jugendsprache in Bezug auf Standardsprache als ‚fortwährendes Ausweich- und Überholmanöver‘. ‚Sie setzt die Standardsprache voraus, wandelt sie schöpferisch ab, stereotypisiert sie zugleich und pflegt spezifische Formen ihres sprachlichen Spiels‘ “ (vgl. Reinke, 1994, S. 296).

Der Begriff ‚Jugendsprache‘ existiert erst seit dem 20. Jahrhundert, zuvor wurden Begriffe wie ‚Studentensprache‘ und ‚Schülersprache‘ verwendet (vgl. Neuland, 2018, S. 43-44).

Die Jugendsprache wurde in den 1980er Jahren medial entdeckt und leider oftmals zur Steuerung gesellschaftlicher Diskurse und als Konsumgut verwendet. Beispiele hierfür sind die zahlreich erschienenen Wörterbücher zur Jugendsprache. Dies führte zur Kritiken wie Sprachverfall und Sprachverlust, ohne dass hierfür jedoch irgendwelche grundlegenden Erkenntnisse aus der Jugendsprachforschung vorlagen (vgl. Neuland 2018, S. 26-31). Jugendliche wollen sich laut dem Sprach- und Übersetzungswissenschaftler Carsten Sinner jedoch nicht unbedingt mit ihrer Sprache abgrenzen, sondern sie wollen mit sprachlichen Kompetenzen und Regeln experimentieren (vgl. Sinner, 2014, S. 155).

Jugendsprache regt uns zum Nachdenken an, wir fragen uns: Was ist überhaupt ‚Jugend‘? Eigentlich denken wir, die Grenzen der ‚Wolke Jugend‘ sind recht klar, doch bei intensiver

Auseinandersetzung müssen wir feststellen, dass Jugend eine Heterogenität umfasst, die aufgrund individueller Sozialisationsbedingungen, Rollenerwartungen, Milieus und Hobbies entstanden ist. Kognitive, soziale und sprachliche Entwicklungen spielen in sozialen Gruppen eine große Rolle (vgl. Bahlo et al., 2019, S. 1-8).

2.4 (Jugend-) Sprache als Varietät

Der Begriff ‚Varietät‘ wird in der Soziolinguistik sehr different definiert. Einigkeit unter den Forschern besteht darin, „dass Varietäten in einer ersten Annäherung als an bestimmte areal und/oder sozial und/oder situativ markierte Gebrauchskontexte gebundene kohärente Sets kookkurrierender sprachstruktureller Merkmale (d.h. Strukturen und Strukturregeln) aufzufassen seien“ (Berruto, 2004, S. 189).

Nach Berruto sind Varietäten bestimmte Realisierungsformen eines Sprachsystems, die zusammen mit bestimmten sozialen und funktionalen Merkmalen auftreten und somit den Sprecher oder die Gebrauchssituation charakterisieren (vgl. Berruto, 2004, S. 189).

Frau Dr. Hadumod Bußmann definiert Varietät als Ausprägung von sprachlichem Verhalten in einem mehrdimensionalen Varietätenraum, bei dem sprachliche Merkmale verschiedener linguistischer Ebenen tangiert sind. Die außersprachlichen Merkmale sind varietätendefinierend und Bezeichnungen mit dem Grundwort ‚Lekt‘ wie Dialekt, Genderlekt, Soziolekt, Situolekt und Historiolekt haben sich etabliert (vgl. Bußmann, 2008, S. 772).

Der Soziolinguist Norbert Dittmar definiert Varietäten als „Menge sprachlicher Strukturen wie (Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik, Lexikon, Pragmatik), die relativ zu außersprachlichen Faktoren (z.B. Alter, Geschlecht, Gruppe, Religion, historische Periode, Stil etc.) in einem Varietätenraum geordnet sind“ (Dittmar 1997, S. 177).

Christian Lehmann, Professor für allgemeine und vergleichende Sprachwissenschaft, bezeichnet Varietät als eine Ausprägung einer Sprache gemäß der Dimension des Diasystems von Coseriu (vgl. Lehmann, 2017).

Nach Coseriu gibt es folgende Dimensionen:

- die diatopische: regionale Ausprägung der Gesamtsprache mit Bildung verschiedener Dialekte und Regiolekte
- diastratische: soziokulturelle Sprachschichten mit Bildung von Soziolekten wie zum Beispiel der Jugendsprache
- die diaphasische Dimension: unterschiedliche Sprachstile wie mündliche und schriftliche Sprache (vgl. Coseriu, 2007, S. 24).

Ekkehard Felder, Professor für Linguistische Germanistik, trifft zu Varietäten folgende Aussage: „Eine Varietät ist eine Sprache in der Sprache oder eine strukturell abgrenzbare Subsprache (Teilsprache) innerhalb einer Gesamtsprache. Varietäten sind Subsysteme in einem sprachlichen Gesamtsystem“ (Felder, 2016, S. 9). Die Varietäten lassen sich durch innersprachliche und außersprachliche Merkmale differenzieren, dabei fokussiert die Varietätenlinguistik die innersprachlichen Merkmale wie phonetisch-phonologisch, graphematisch, morphologisch, lexikalisch, syntaktisch und textuell und die Soziolinguistik die außersprachlichen wie geographische, soziale und fachlich-funktionale (vgl. Felder, 2016, S. 9-15).

Zur Bestimmung von Varietäten stellt Professor Felder ein Vier-Dimensionen-Modell vor, das sowohl sprachwissenschaftliche als auch soziologische Kriterien berücksichtigt und verschiedene bestehende Modelle der Varietätenlinguistik beachtet. Die vier Dimensionen sind:

- Ausdruckssystem
- Inhaltssystem
- Medium und Medialität
- Diachrone Entwicklung und synchrone Entwicklung (vgl. Felder, 2016, S. 15-19)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kommunikative Reichweite am Beispiel von Brötchen und anbluten. Quelle: (Felder, 2016, S. 61)

Jugendsprache wie auch alle anderen sprachlichen Varietäten lassen sich nicht mit starren Merkmalen strukturieren, sondern finden in einem multidimensionalen Varietätenraum statt.

Jugendsprache wird unterhalb der Standardsprache lokalisiert, korrespondiert jedoch wechselseitig mit dieser (vgl. Neuland, 2018, S. 101-103).

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Jugendsprache. Eine Varietät der deutschen Sprache
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Note
2,3
Jahr
2019
Seiten
25
Katalognummer
V585201
ISBN (eBook)
9783346240712
ISBN (Buch)
9783346240729
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugendsprache
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Jugendsprache. Eine Varietät der deutschen Sprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/585201

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