Sexualisierung einer Frauen-Biografie - Zu Ciceros Angriffen gegen Clodia Metelli (56 v. Chr.)


Seminararbeit, 2006

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

I. Die Situation der Clodia Metelli
I.1 Clodias Abkunft und rechtlicher Status
I.2 Die Verbindung zu P. Clodius Pulcher
I.I.3 Die iuvenes barbatuli

II. II. Clodias Aktivitäten nach Cicero
II.1 meretrix - Clodia als aktive Gestalterin
II.2 impududicita - Clodia in der Öffentlichkeit

III. Zusammenfassung

IV. Bibliographie

Einleitung

Im Jahre 56 v. Chr.[1] saß M. Caelius Rufus, ein junger Mann aus dem Ritterstand und ehemaliger Schüler von Cicero und Crassus,, auf der Anklagebank. Der Anklagepunkt lautete vi, bewaffneter Aufruhr und Gewaltanwendung. Caelius soll an den Übergriffen auf die alexandrinische Gesandtschaft in Neapel und Puteoli und an der Ermordung des Gelehrten Dion, der die Delegation angeführt hatte, beteiligt gewesen sein. Die Gesandtschaft wollte in Rom gegen die Wiedereinsetzung des vertriebenen Königs protestieren. Der König Ptolemaios XII befand sich in Rom im Exil und wurde von einflussreichen Kreisen Roms, darunter Pompeius, unterstützt.

In Ciceros Verteidigungsrede für Caelius geht es aber nur am Rande um die Ägyptenfrage. Scheinbar werden nicht politische Themen verhandelt, sondern nur ein Streit eines ehemaligen Liebespaares. Clodia wirft Caelius, ihrem ehemaligen Geliebten vor, er habe sich bei ihr Gold geliehen, das er für die Durchführung seiner Übergriffe gegen die Gesandtschaft genutzt habe, ferner habe er sie vergiften wollen. Cicero als letzter der wohl sechs Redner hatte die Aufgabe, die vorangegangenen Vorwürfe der Anklage, in denen Caelius’ sexuelle Eskapaden betont wurden, zu entkräften und zweitens die Zeugin der Anklage, Clodia, unglaubwürdig zu machen. So platzierte Cicero die sexuelle Diffamierung Clodias ins Zentrum seiner Rede.

Das negative Bild, das Cicero in seiner Rede von Clodia entwarf, beeinflusste auch antike Autoren wie Cassius Dio und Plutarch und ebenso die ältere Forschung. Das mag verschiedene Gründe haben. Zum einen ist die Rede Pro Caelio [2] die einzige Quelle über diesen Prozess. Die anderen Reden sind nicht erhalten, auch Cicero berichtet in keiner anderen Schrift darüber. Zum anderen ist in der älteren Forschung die Tendenz zu erkennen, die Person Cicero positiv darzustellen. Überliefert ist eine Fülle von Cicero-Texten, die aufgrund Ciceros herausragenden rhetorischen Fähigkeiten wohl auch die älteren Forscher überzeugten. Ein weiterer Grund für die negative Clodia-Darstellung mag daran liegen, dass Frauengeschichte lange Zeit als nicht beachtenswerter Teil der Geschichte gesehen wurde und dass das Frauen-Bild heute ein anderes ist als damals. Die neuere Forschung hingegen versucht die Entstehung des negativen Clodia-Bilds zu erklären, um dann die Figur kritisch zu rekonstruieren.[3] Die lange angenommene Identität von Clodia mit Catulls Lesbia in seinen Gedichten wird von der neueren Forschung angezweifelt, Dixon zweifelt auch eine Liebesbeziehung von Catull zu Clodia an. Debattiert wird über einen vermeintlichen politischen Einfluss Clodias und wie groß er war. In der vorliegenden Arbeit sollen nun Ciceros sexuelle Angriffe auf Clodia kritisch hinterfragt werden. Im ersten Teil wird Clodias Situation rekonstruiert anhand von drei relevanten Faktoren. Im zweiten Teil soll untersucht werden, wie Clodias Situation in Ciceros Rede Pro Caelio sexuell diffamiert wird und was das Reden über Sexualität mit Politik zu tun hat.

I. Die Situation der Clodia Metelli

Clodias Situation fußte auf drei Faktoren: Ihrem rechtlichen Status als Witwe aus der Oberschicht, der Verbindung mit ihrem Bruder P. Clodius Pulcher und dem Unterhalten eigener Beziehungsnetze wie den iuvenes barbatuli.

I.1 Clodias Abkunft und rechtlicher Status

Cicero bringt in Pro Caelio Clodias Abstammung aus der Familie der Claudier zur Sprache.[4]

Clodia entstammte der gens Claudia [5], einer der angesehensten und ältesten patrizischen Geschlechter Roms. Die Familie soll berühmt und berüchtigt gewesen sein für ihren ausgeprägten Adelsstolz. Man zählte in der Familiengeschichte 32 Konsuln, sieben Zensoren, fünf Diktatoren und sieben Triumphe. Einer der wichtigsten Repräsentanten war Ap. Claudius, im Alter wegen einer Erblindung „Caecus“ genannt. Er war Konsul (307 und 296), Zensor (312), und Erbauer der nach ihm benannten via Appia und der aqua Appia. Die Familie unterhielt traditionell auch verwandtschaftliche Verbindungen zu anderen angesehenen Familien, zum Beispiel der gens Iulii und den Metelli. Die Claudier befanden sich nach Wiseman „at the heart of the ruling class of the Roman Republic.“[6]

Es ist nicht ganz klar, wann Clodia geboren wurde. Im Jahre 56 wird sie von Cicero als Person dargestellt, die älter war als der wohl 25 oder 26 jährige Caelius. Clodia dürfte im Jahr 56 zwischen 30 und 40 Jahren gewesen sein.. Das heißt, sie müsste zwischen 96 und 86 geboren sein. Sie wurde Quintus Metellus Celer, ihrem Cousin mütterlicherseits zur Frau gegeben. Auch die Metelli stellten kontinuierlich über mehrere Generationen Konsuln und zählten zur Senatsaristokratie bzw. römischen Nobilität. Die Heirat kann also als standesgemäß bezeichnet, aber ebenfalls nicht genau datiert werden.

Metellus starb 59 unter ungeklärten Umständen. Der Tod des Ehemanns konnte einer Witwe außerordentliche Freiheiten gewähren. Das traf vor allem auf Witwen aus manus -Ehen zu.[7] In den Quellen wird von Clodias Eheform nichts berichtet. Cicero erwähnt nur, Clodia würde ihre Verwandten selten befragen, was auf ein selbständiges und eigenmächtiges Vorgehen hinweist. Angesichts dieser Freiheit könnte man meinen, Clodia sei eine manus -Ehe eingegangen.[8]

Starb der Ehemann einer manus -Ehe wurde die Witwe zu einer Person sui iuris, „eigenen Rechts“.[9] Als rechtmäßigen Vormund (tutor legitimus) bekam sie den nächsten Verwandten der cognatischen Familie. Der verstorbene Mann konnte auch seiner Frau per Testament einen anderen Vormund zuweisen (tutor testamentarius) oder ihr einräumen, ihren tutor frei zu wählen (tutor optivus oder dativus). Da sie bereits durch die manus -Ehe einen Status-Wandel vollzogen hatte, konnte sie ein Testament einrichten, ohne noch einmal eine coemptio, einen Scheinverkauf, durchführen zu müssen. Die Wahlmöglichkeit der Frau konnte eingeschränkt oder uneingeschränkt sein, die Frau hatte die Möglichkeit, ihre Vormünder so oft auszuwechseln, wie sie wollte, konnte sich für einzelne Geschäfte Vormünder suchen - es sei denn, diese Möglichkeit war beschränkt worden. Natürlich wählte eine Frau nur jemanden, von dem sie erwarten konnte, dass er bei Rechtsgeschäften keine Schwierigkeiten machen würde. Meist war es kein nächstverwandter Agnat, der, weil nicht erbberechtigt, ein geringes Interesse hatte, die Frau zu kontrollieren.[10] Das Privileg, sich selbst den Vormund zu bestellen, war nur dem Ehemann seiner in manus -Ehe verheirateten Frau vorbehalten, nicht aber dem pater familias. Witwen aus manus -Ehen wurde wohl eher zugetraut, das vererbte Vermögen zusammen halten zu können. Wahrscheinlich ist, dass die Frau in manus schon zu Lebzeiten des Mannes über eine gewisse Summe Geld verfügte, ähnlich dem peculium, das Söhne von dem pater familias bekamen, und ihre haushalterischen Fähigkeiten beweisen konnte. Die Zustimmung (auctoritas) des tutors war erforderlich bei der Eheschließung, der Bestellung der Mitgift, dem Errichten von Testamenten, der Aufnahme von Schulden, der Freilassung von Sklaven und der Veräußerung von Vermögen. Alle anderen Gegenstände konnte eine Frau frei verkaufen, sie durfte ohne Zustimmung des Vormundes kaufen und Geld verleihen.[11] Nach Krause bedeutete die Geschlechtsvormundschaft für Witwen schon in der späten Republik „keine ernsthafte Einschränkung ihres wirtschaftlichen Handlungsspielraums.“[12]

[...]


[1] Die folgenden Jahreszahlen beziehen sich – sofern nicht deutlich gekennzeichnet – auf den Zeitraum vor Christi.

[2] Cicero, Rede für Caelius, herausg. u. übers. von Marion Giebel. Stuttgart 1994.

[3] Vgl. Dixon, Suzanne: Reading Roman Women. London 2001, Kap.9; Skinner, Marilyn B.: Sexuality in Greek and Roman Culture. Oxford 2005, Kap.7 u. 8; Wiseman, Tim P.: Catullus and his world. A Reappraisal. Cambridge 1990, Kap.2 u. 3.

[4] Cic.Cael.14,33 u. 14,34.

[5] Der Name „Clodius“/ „Clodia“ ist eine vulgarisierte Form von „Claudius“/ „Claudia“. Die Familie übernahm diese Form, nachdem P. Clodius Pulcher im Jahre 59 zum Plebejerstand gewechselt war, um das Amt des Volkstribuns ausüben zu können.

[6] Wiseman, Tim: Catullus, S.20.

[7] In einer manus -Ehe gingen die patria potestas und das Eigentum der Frau von ihrem pater familias auf den Ehemann bzw. dessen agnatische Familie über. In einer manus -freien Ehe blieben Eigentum und Vormundschaft der Tochter in der Verfügungsgewalt ihres pater familias, also in ihrer agnatischen Familie.

[8] Jane F. Gardner und Christiane Kunst vertreten die These, dass manus -Ehen von manus -freien Ehen abgelöst wurden. Das ist kein Argument, dass eine manus -Ehe für Clodia auzuschließen ist.

[9] Vgl. Krause, Jens-Uwe: Wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung von Witwen. (Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien 17). Stuttgart 1994; Gardner, Jane F.: Frauen im antiken Rom. Familie, Alltag, Recht. München 1995.

[10] Krause, Jens-Uwe: Witwen, S.179.

[11] Krause, Jens-Uwe: Witwen, S.180.

[12] ebd., S.181.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Sexualisierung einer Frauen-Biografie - Zu Ciceros Angriffen gegen Clodia Metelli (56 v. Chr.)
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Lehrstuhl für Alte Geschichte)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V58441
ISBN (eBook)
9783638526357
ISBN (Buch)
9783656775379
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine Episode aus der unruhigen späten Republik: Ciceros sexuelle Diffamierung von Clodia Metelli, der Schwester seines Erzfeinds P. Clodius Pulcher, in der Gerichtsrede Pro Caelio. Ciceros Anschuldigungen beeinflussten nachhaltig das Clodia-Bild in der älteren Forschung. In dieser Arbeit werden die sexuellen Codes der Diffamierung kritisch gegengelesen.
Schlagworte
Sexualisierung, Frauen-Biografie, Ciceros, Angriffen, Clodia, Metelli
Arbeit zitieren
Michael Kunth (Autor:in), 2006, Sexualisierung einer Frauen-Biografie - Zu Ciceros Angriffen gegen Clodia Metelli (56 v. Chr.), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58441

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