Möglichkeiten und Grenzen des Interessentenmanagements beim Einsatz von Verkaufsinformationssystemen

Am Beispiel der Firma Schenker-Seino in Japan


Diplomarbeit, 2006

61 Seiten, Note: 2,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Das Konzept des Customer Relationship Managements (CRM)
2.1 Definition CRM
2.2 Entwicklungslinien des CRM
2.2.1 Veränderte Märkte und Kundenverhalten
2.2.2 Von der Produkt- zur Kundenorientierung
2.3 Strategische Zielsetzungen des CRM-Konzepts
2.3.1 Profitabilität
2.3.2 Differenzierung
2.3.3 Langfristigkeit
2.4 Differenzierung: CRM im BtoC und BtoB

3 Erfolgsfaktoren eines systematischen CRM-Konzepts
3.1 CRM-Strategie und CRM-Kultur
3.2 Kundenwertmanagement
3.2.1 Customer Equity
3.2.2 Customer Value und Customer Value Management
3.2.3 Customer Value and Equity Management
3.3 Integrierte Aktionssteuerung

4 Kundenqualifizierung – Identifikation der wirtschaftlich relevanten Kunden
4.1 Gründe für eine systematische Kundenqualifizierung
4.2 Statische Qualifizierungsansätze
4.2.1 ABC-Analyse
4.2.2 Scoring-Analyse
4.2.3 Kundenportfolios
4.3 Dynamische Qualifizierungsmodelle
4.3.1 Kundenlebenszyklus-Analyse
4.3.2 Kunden-Kapitalwert-Rechnung

5 Systematisches Interessentenmanagement – Basis einer konsequenten Neukundengewinnung
5.1 Zusammenhang: Kundenbeziehungsmanagement und Interessentenmanagement
5.2 Der Prozess des Interessentenmanagements
5.3 Ermittlung der Potenzialdaten zur Neukundengewinnung

6 Technologische Unterstützung des CRM
6.1 Ziele des Technologieeinsatzes
6.2 Komponenten eines CRM-Systems
6.3 Kommunikatives CRM
6.4 Operatives CRM
6.5 Analytisches CRM
6.5.1 Das Customer Data Warehouse
6.5.2 Online Analytical Processing (OLAP)
6.5.3 Data Mining
6.6 Begriffsabgrenzung: Verkaufsinformationssysteme (VIS) und CRM-Systeme
6.7 Entwicklung von CRM-Systemen
6.8 Vertriebssteuerung durch operative CRM-Systeme
6.9 Grenzen von Verkaufsinformationssystemen

7 Praxisbeispiel: Schenker-Seino in Japan
7.1 Vorstellung des Unternehmens Schenker-Seino
7.2 Der Logistikmarkt in Japan
7.3 Erläuterung des Interessentenmanagements
7.3.1 Prozessänderung durch erweiterten Einsatz des Verkaufsinformationssystems SMART
7.3.2 Vorteile durch den Einsatz der Software

8 Zusammenfassung

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Viele Unternehmen befinden sich in einem Umfeld, das sich in den letzten Jahren rasant verändert hat. Vor allem gesättigte Märkte und verstärkter Wettbewerbsdruck sind Faktoren, die die Marktsituation entscheidend und nachhaltig beeinflusst haben. Aber auch das Konsumentenverhalten hat sich u.a. aufgrund eines gestiegenen Informationsstandes gewandelt. So verlangen Kunden von ihren Lieferanten neben höherer Flexibilität und kürzeren Lieferzeiten auch einen besseren Service. Das Angleichen der Qualität und der Preise der Konkurrenzprodukte erschwert eine Profilierung über das Kernprodukt. Die Beziehung zum Kunden und die Qualität der Kundenbetreuung werden zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Dem Kunden müssen Zusatzleistungen geboten werden, die genau auf dessen Bedürfnisse ausgerichtet sind. Dabei wird der Kunde in den Mittelpunkt gerückt. Customer Relationship Management (CRM) ist eine Geschäftsphilosophie der Kundenorientierung aller Geschäftsbereiche. Mit Hilfe dieses Ansatzes sollen dauerhafte Beziehungen zu Kunden, die für das Unternehmen gewinnbringend sind, aufgebaut und gepflegt werden.

Am Anfang einer Kundenbeziehung steht die Gewinnung von Neukunden. Im Rahmen von CRM sollen eine systematische Kundengewinnung sichergestellt und profitable Kunden generiert werden. Dieser Ansatz wird als Interessentenmanagement bezeichnet. Der Interessent soll systematisch von der Aufmerksamkeitsgewinnung bis zum Kaufabschluss begleitet werden. Da dieser Schritt von hoher Wichtigkeit für folgende Prozesse im Rahmen eines CRM–Konzepts ist, wird er in der vorliegenden Arbeit im Mittelpunkt stehen.

Wichtige Grundlagen für einen ganzheitlichen Ansatz zur Unternehmensführung stellen eine Datenbank und Software dar. Mit Hilfe von IT-Unterstützung werden abteilungsübergreifend alle kundenbezogenen Prozesse in sämtlichen Abteilungen, die in Verbindung zum Vertriebsprozess stehen, integriert und optimiert. Geeignete Software kann aber erst dann einen Vertriebsprozess abbilden und unterstützen, wenn er im Unternehmen ganzheitlich verankert ist und gelebt wird. Noch heute scheint in einigen Unternehmen der Fehler gemacht zu werden, dass erwartet wird, durch den Einsatz einer CRM-Software solch einen Prozess automatisch herbeiführen zu können. Dies führt meist zu einer Enttäuschung darüber, dass der erwartete Erfolg nicht eingetreten ist.

Die vorliegende Arbeit soll die Wichtigkeit eines CRM-Konzepts aufzeigen und erläutern, unter welchen Voraussetzungen der Einsatz geeigneter CRM-Software erfolgreich sein kann.

1.2 Aufbau der Arbeit

Im folgenden Kapitel werden zunächst der Begriff des CRM definiert und Entwicklungslinien des CRM aufgezeigt. Es folgt eine Erläuterung der strategischen Zielsetzungen eines CRM-Konzepts.

Der dritte Abschnitt zeigt wesentliche Erfolgsfaktoren eines systematischen CRM auf.

Im vierten Kapitel werden Gründe für systematische Kundenqualifizierungen aufgezeigt sowie unterschiedliche Ansätze vorgestellt.

Der fünfte Abschnitt beschäftigt sich mit der Durchführung eines erfolgreichen Interessentenmanagements als Grundlage eines funktionierenden CRM. Zuvor wird hier der Begriff des Interessentenmanagements definiert und in Beziehung zum CRM gesetzt.

Im sechsten Kapitel wird auf die Unterstützung durch moderne Informationssysteme eingegangen. Dabei werden zunächst die unterschiedlichen Komponenten eines CRM-Systems erläutert. Des Weiteren wird der Begriff Verkaufsinformationssystem (VIS) definiert und von der Bezeichnung CRM-System abgegrenzt. Es folgt eine Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung von CRM-Systemen. Danach werden die Grenzen der Vertriebsunterstützung durch VIS aufgezeigt.

Im siebten Abschnitt wird ein Beispiel aus der Praxis gegeben. Hier wird die Durchführung eines Interessentenmanagements im Unternehmen Schenker-Seino Co., Ltd. in Japan erläutert. Darüber hinaus wird ein Projekt mit dem Ziel des erweiterten Einsatzes eines VIS im Bereich der Neukundengewinnung vorgestellt.

Das achte Kapitel rundet die Arbeit mit einer Zusammenfassung und Schlussfolgerung ab.

2 Das Konzept des Customer Relationship Managements (CRM)

Um die Zusammenhänge des Interessentenmanagements, das das Kernthema dieser Arbeit darstellt, besser verstehen zu können, ist es erforderlich, die Grundlagen des CRM zu beschreiben. Da das Interessentenmanagement einen Teilbereich des CRM-Konzepts darstellt, werden an dieser Stelle sowohl eine Definition des CRM gegeben als auch dessen Historie und strategischen Zielsetzungen erläutert.

2.1 Definition CRM

Es existiert keine allgemein gültige Definition des Begriffs CRM. Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis variiert das Verständnis von CRM. Der Grund liegt in der ständigen Ausweitung der technischen Möglichkeiten und Einsatzbereiche.[1] Im Wesentlichen steht CRM „als Sammelbegriff für Verfahren und Strategien zur Pflege der Beziehungen von Unternehmen zu Kunden, Interessenten und Geschäftspartnern.“[2]

Die Definition des Deutschen Direktmarketing Verbandes (DDV) lautet: „CRM ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Unternehmensführung. Er integriert und optimiert abteilungsübergreifend alle kundenbezogenen Prozesse in Marketing, Vertrieb, Kundendienst sowie Forschung und Entwicklung. Dies geschieht auf der Grundlage einer Datenbank mit einer entsprechenden Software zur Marktbearbeitung und eines vorher definierten Verkaufsprozesses. Zielsetzung von CRM ist dabei die Schaffung von Mehrwerten auf Kunden- und Lieferantenseite im Rahmen von Geschäftsbeziehungen.“[3] Das setze voraus, dass „CRM-Konzepte Vorkehrungen zur permanenten Verbesserung der Kundenprozesse und zu lebenslangem Lernen der Mitarbeiter enthalten.“[4]

Diese Definition soll als Grundlage dieser Arbeit dienen, da sie aussagt, dass CRM als Philosophie in sämtliche Unternehmensprozesse einfließen und damit alle Unternehmensbereiche einbeziehen muss, um erfolgreich zu sein. Mit Hilfe einer geeigneten und strukturierten IT-Architektur ist es möglich, die Abläufe sämtlicher Abteilungen zu integrieren. Nur so kann eine konsequente Kundenorientierung gewährleistet werden.[5]

2.2 Entwicklungslinien des CRM

Anfang der 1980er Jahre entstand bereits im angloamerikanischen Raum der Begriff des Beziehungsmarketing: „Relationship Marketing is attracting, maintaining and (…) enhancing customer relationships.“[6] Zwar steht bei Relationship Marketing meist der Kunde im Vordergrund, aber dieser Begriff schließt auch die Beziehungen zu Lieferanten mit ein.[7] Das CRM-Konzept dehnt den Ansatz des Relationship Marketing computergestützt auf alle kundenbezogenen Prozesse des Unternehmens aus.[8]

CRM ist ein neuer Management-Ansatz, dem eine Symbiose von IT und betriebswirtschaftlichen Konzepten zur Optimierung der Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden zugrunde liegt. In den letzten Jahrzehnten entwickelten sich für das CRM sowohl notwendige betriebswirtschaftliche Erkenntnisse als auch technische Fähigkeiten.[9]

Auf wesentliche Entwicklungen mit tendenziell technischem Wirtschaftsinformatik-Hintergrund wird in Abschnitt 6.7 eingegangen. An dieser Stelle werden Entwicklungslinien mit tendenziell konzeptionellem Marketing-Hintergrund aufgezeigt, die den Übergang von der Produktorientierung zur Kundenorientierung bildeten. Zum besseren Verständnis wird davor die Veränderung der Märkte und des Kundenverhaltens erläutert.

2.2.1 Veränderte Märkte und Kundenverhalten

In den 1990er Jahren veränderte sich die Situation der Märkte vieler Branchen gravierend. Die Entwicklung moderner Technologien wie z.B. das Internet hat die Globalisierung beschleunigt. Über dieses Medium können Unternehmen ihre Produkte bzw. Dienstleistungen weltweit anbieten. Die Transparenz der Märkte wurde dadurch erheblich gesteigert, da dem Kunden die Informationsgewinnung und auch Preisvergleiche wesentlich erleichtert werden. Für viele Unternehmen erhöhte sich der Wettbewerbsdruck. Insbesondere für kleinere Unternehmen wurde es schwieriger, in einem stark gewandelten Umfeld zu existieren. Mit dem Beginn einer Welle von Unternehmensfusionen und –kooperationen entwickelte sich ein Verdrängungswettbewerb. Ursache dafür war u.a. die Sättigung der Märkte zahlreicher Branchen.[10]

Des Weiteren erschwert eine fehlende Unique Selling Proposition (USP) vieler Unternehmen den Absatz ihrer Produkte. Da sich Qualität und Preise der Wettbewerbsprodukte zunehmend angleichen, kann sich ein Unternehmen kaum noch über sein Kernprodukt profilieren. Eine hohe Produktqualität wird zur Selbstverständlichkeit.[11] In Abschnitt 2.2.2 wird auf die Reaktion der Unternehmen auf diese Herausforderung eingegangen.

Mit der Veränderung der Marktsituation hat sich auch das Konsumentenverhalten gewandelt. Demografische Verschiebungen in den letzten Jahren haben das Verhalten der Konsumenten stark beeinflusst. Des Weiteren wurden Kunden zunehmend anspruchsvoller. Es entwickelte sich ein höheres Preis- und Qualitätsbewusstsein. Der Informationsstand der Konsumenten stieg an und legte die Grundlage für eine breite Akzeptanz und Nutzung des Internets und anderer moderner Technologien. Auch führt der sich vollziehende Wertewandel in der Gesellschaft zu einer immer stärkeren Individualisierung. Daher wird es für Unternehmen schwieriger, Kunden zu segmentieren. Es vollzieht sich eine Entwicklung zum hybriden Verbraucher. Da die grundlegenden Bedürfnisse in unserer Gesellschaft weitgehend befriedigt sind, kommt der Bestrebung nach Selbstverwirklichung mehr und mehr Bedeutung zu. Die zunehmende Präsenz der Medien führt zu einer Informationsüberlastung des Konsumenten. Dadurch fühlt sich der Verbraucher überfordert und ist kaum in der Lage, weitere Informationen aufzunehmen. Eine weitere Herausforderung stellt sich den Unternehmen durch die ständig wachsende Anzahl der Kommunikationskanäle, die dem Konsumenten zur Verfügung gestellt werden. Zu den klassischen Kommunikationsformen wie z.B. die Telefonie oder der persönliche Besuch eines Außendienstlers traten neue Kommunikationstechnologien hinzu wie z.B. die E-Mail über das Internet. Den Unternehmen kommt dabei die Aufgabe zu, die Kunden über sämtliche Kanäle mit gleicher Qualität zu betreuen.[12]

Im nächsten Abschnitt werden die Reaktionen der Unternehmensseite auf die Veränderung der Märkte und des Konsumentenverhaltens erläutert.

2.2.2 Von der Produkt- zur Kundenorientierung

Die zuvor geschilderte Veränderung der Wettbewerbssituation forderte eine Reaktion der Unternehmen, um weiterhin konkurrenzfähig bleiben zu können. Sie konzentrierten sich zunächst auf das Angebot hochwertiger Produkte. Jedoch wird die Profilierung über das reine Kernprodukt immer schwieriger, da sich sowohl Qualität und Funktionalität als auch die Preise der Wettbewerbsprodukte zunehmend angleichen. Um auch nach dem Übergang von Verkäufer- zu Käufermärkten wettbewerbsfähig bleiben zu können, waren die Unternehmen gefordert, sich neue Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten.

Der Weg von der Massen- zur Individualkommunikation[13] wurde von der Unternehmensseite erkannt. Die zuvor erläuterte Informationsüberlastung beim Verbraucher durch den stetigen Anstieg der Massenmedien führt zu einem sinkenden Wirkungsgrad der Massenkommunikation, da das Produkt eines Unternehmens in der Masse der Wettbewerbsprodukte leicht untergeht. Wirkungsvoller ist hier eine auf den einzelnen Kunden zugeschnittene Kommunikation, um seine spezifischen Bedürfnisse befriedigen zu können. Die Herausforderung für Unternehmen stellt sich nun darin, jedem Kunden über den von ihm gewählten Kommunikationskanal ein aus seiner Sicht individuell zugeschnittenes Angebot zum gewünschten Zeitpunkt zu unterbreiten. Eine Individualkommunikation zeichnet sich durch einen dauerhaften Lernprozess aus. Im Laufe einer Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden wird versucht, einen höheren Individualisierungsgrad zu erreichen, indem Kundenreaktionen auf Marketingaktionen wie z.B. Ansprache durch einen personalisierten Werbebrief konsequent aufgezeichnet und ausgewertet werden. Aufgrund der Entwicklung neuer Kommunikationskanäle kann angenommen werden, dass der Individualkommunikation auch in Zukunft eine höhere Bedeutung zukommen wird.[14]

Der Kunde erwartet jedoch mehr als eine individualisierte Ansprache durch ein Unternehmen. Er fordert Produkte und Dienstleistungen, die genau auf ihn zugeschnitten sind. Hier kommt dem Ansatz des Mass Customization eine hohe Bedeutung zu. Diese Wettbewerbsstrategie verbindet die reine Massenproduktion mit einem Angebot mehrerer, auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Nachfragegruppen zugeschnittene Produktvarianten. Hierunter ist die Herstellung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen in großen Absatzmärkten nach den Vorgaben und Erfordernissen einzelner Nachfrager zu verstehen. Obwohl eine Differenzierungsstrategie auf Leistungsebene mit erhöhten Kosten verbunden ist, fallen im Rahmen eines Mass-Customization-Konzepts Kosten an, die mit einer Massenfertigung vergleichbar sind. Pine, Peppers und Rogers definieren Mass Customization wie folgt: „Customization means manufacturing a product or delivering a service in response to a particular customer´s needs, and mass customization means doing it in a cost-effective way.”[15] Um ein variantenreiches oder im Idealfall sogar kundenindividuelles Produktangebot auf den Markt bringen zu können, bedarf es des Einsatzes moderner Informations- und Fertigungstechniken, um Flexibilitäts- und Kostensenkungspotenziale auszuschöpfen. So ermöglicht z.B. die wachsende Verbreitung des Internets eine effiziente Erhebung und Verarbeitung der Kundenwünsche.[16]

In der Zeit der Verkäufermärkte setzten Unternehmen ihre Produkte überwiegend durch Massenmarketing ab. Der Zweck dieses Ansatzes lag darin, qualitativ hochwertige Produkte zu den geringsten Kosten herstellen zu können. Die daraus resultierenden niedrigen Verkaufspreise versprachen ein hohes Marktpotenzial. Im Massenmarketing befanden sich Teile der Theorie des Transaktionsmarketing. Hierbei steht das Produkt im Mittelpunkt. Weitgehend standardisierte Produkte sollen an einen anonymen Kunden verkauft werden. Mit dem Ziel eines hohen Marktanteils wird die Kernstrategie durch die Neukundengewinnung gebildet und Transaktionen werden als einmaliger Leistungsaustausch angesehen. Der Kunde wird im Massenmarketing nicht als Individuum erkannt. Da daher kaum Informationen über den einzelnen Kunden vorlagen, waren die Unternehmen kaum in der Lage, eine Beziehung zum Kunden aufzubauen.

Die zunehmende Sättigung der Märkte und steigende Wettbewerbsintensität minderten die Wachstumsraten der Unternehmen. Viele Firmen erkannten, dass ein transaktionsorientiertes Marketing nicht mehr ausreichte, um weiterhin auf dem Markt bestehen zu können. Zwar ist die konsequente Gewinnung neuer Kunden eine Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit, jedoch müssen Kunden auch gebunden werden, um zu verhindern, dass sie zu Mitbewerbern abwandern. Berry definiert diesen neuen Marketingansatz folgendermaßen: „Thinking of marketing in terms of having customers, not merely acquiring customers. (…) The marketing mind-set is that the attraction of new customers is merely the first step in the marketing process.”[17]

Jedoch kann nicht behauptet werden, dass bis heute das Transaktionsmarketing vom Beziehungsmarketing, dessen Grundlagen vom CRM-Konzept übernommen wurden, vollständig abgelöst wurde. Es existieren noch heute einzelne Branchen, in denen die Transaktionsorientierung noch eine entscheidende Rolle spielt. So ist z.B. für einen Hersteller von Gütern des täglichen Bedarfs eine Kundenbeziehungsorientierung kaum umzusetzen. Die Ursachen liegen sowohl in den überwiegend standardisierten Tausch-prozessen im Handel als auch in einer geringen Beziehungsbereitschaft des Kunden zum Produkt. Die Kaufentscheidung wird hier z.B. von folgenden Faktoren abhängig gemacht: Preis, Marke, Qualität des Produkts oder der Einkaufsstätte.[18]

Die folgende Abbildung zeigt die bereits erläuterten Entwicklungslinien im Marketing-Bereich, die in das CRM-Konzept eingeflossen sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Hippner, H., [(R)Evolution des CRM, 2005], S. 119.

Abbildung 1: CRM-Entwicklungen mit tendenziell konzeptionellem Marketing-Hintergrund

2.3 Strategische Zielsetzungen des CRM-Konzepts

2.3.1 Profitabilität

Im Rahmen eines CRM-Konzepts verliert die Erhöhung der Marktanteile an Stellenwert. Größere Bedeutung kommt dem Share of Wallet eines Kunden zu. Dabei handelt es sich um den beim Unternehmen verbleibenden Anteil der Kaufkraft eines Kunden. Somit konzentrieren sich Unternehmen auf Kunden und Interessenten, die für das Unternehmen langfristig profitabel erscheinen. Dabei werden intensive und dauerhafte Kundenbeziehungen angestrebt. Ein Unternehmen sollte sich beim Aufbau und der Pflege der Kundenbeziehungen nicht zu stark an kurzfristigen Maximierungsbestrebungen orientieren. Im Mittelpunkt sollte das zukünftige Potenzial eines Kunden stehen. So kann es durchaus sinnvoll sein, sich um Kunden zu bemühen, die in den ersten Phasen der Beziehung negative Deckungsbeiträge aufweisen. Voraussetzung dafür ist ein hohes zukünftiges Potenzial. Als Beispiel kann hier die Konzentration vieler Banken auf die Neukundengewinnung von Studierenden dienen. Am Anfang der Geschäftsbeziehung gelten sie i.d.R. als verlustbringend. Es wird jedoch angenommen, dass sie sich bei Eintritt in das Berufsleben zu einer äußerst finanzstarken Kundengruppe entwickeln können. Unter diesen Gesichtspunkten kann die Erwartung einer profitablen Geschäftsbeziehung durchaus gerechtfertigt sein. Viele Unternehmen stellen bei detaillierten Gewinnanalysen fest, dass ein Großteil des Gewinns mit nur wenigen Kunden erzielt wird. Der Großteil des Kundenstamms leistet einen geringen oder sogar negativen Gewinnbeitrag. Aus Gründen einer konsequenten Gewinnorientierung liegt es nahe, den Betreuungsgrad dieser Kunden zu senken oder sogar zu versuchen, auf diese Kunden ganz zu verzichten.[19]

In Kapitel 4 werden unterschiedliche Methoden zur Identifikation der wirtschaftlich relevanten Kunden erläutert.

2.3.2 Differenzierung

Die Differenzierung der Kundenbeziehung stellt eine weitere zentrale Forderung eines CRM-Konzepts dar. Da dem CRM die Aufgabe einer Individualbetreuung zukommt, zielt ein erfolgreiches Konzept auf einen differenzierten Zuschnitt sowohl der Produkte und Dienstleistungen als auch des Dialogs mit dem Kunden ab. Dabei ist es erforderlich, zwei Sichten auf die Differenzierung zu berücksichtigen. Zu unterscheiden sind die Kundensicht und die Unternehmenssicht. Der Kunde erwartet, dass seine persönlichen Bedürfnisse vom Unternehmen erkannt und berücksichtigt werden. Je nach Lebenssituation (z.B. Alter und Familienstand) haben die Kunden und Interessenten eine unterschiedliche Erwartung an das Unternehmen. Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, ist eine möglichst feine Segmentierung der Kunden notwendig.

Da eine kundenspezifische Ausgestaltung der Kundenbeziehung mit zusätzlichen Kosten für ein Unternehmen verbunden ist, ist es erforderlich, den Grad der Kundenorientierung an den erwarteten Wert des einzelnen Kunden anzupassen. Voraussetzung dafür ist ein Abgleich der Kundeninvestitionen mit der erwarteten Profitabilität eines Kunden. Anhand dieses Sachverhalts wird deutlich, dass die Maximierung der Kundenorientierung nicht zu den Zielsetzungen eines CRM-Konzepts gehört.[20]

2.3.3 Langfristigkeit

Eine weitere Zielsetzung des CRM besteht im Aufbau und Festigen einer langfristigen Kundenbeziehung. Im Vergleich zur reinen Neukundengewinnung sind die Kosten eines Beziehungsmanagements um den Faktor fünf bis zehn geringer.[21] Des Weiteren steigt mit zunehmender Dauer auch der resultierende Gewinn. Ein Grund liegt in der Erlössteigerung durch geringere Preissensibilität, da Kunden bei steigender Bindung eher bereit sind, für Leistungen, mit denen sie vertraut und zufrieden sind, einen höheren Preis zu zahlen. Auch neigen treue Kunden dazu, aufgrund ihrer Zufriedenheit mit einem Unternehmen positive Mundpropaganda zu betreiben. Die durch Empfehlung an ein Unternehmen herangetretenen Personen werden von diesem häufig geschätzt, da sie meist von höherer Qualität sind als Interessenten, die aufgrund von Werbung oder Preisaktionen das Unternehmen aufsuchen. Des Weiteren sammelt ein Unternehmen im Laufe einer Kundenbeziehung wertvolle Kundeninformationen und lernt die Bedürfnisse des Kunden genauer kennen. Marketingaktionen können effizienter durchgeführt und Streuverluste reduziert werden. Eine differenzierte Kundenansprache wird also ermöglicht. Eine langfristige Kundenorientierung kann auch zu Umsatzwachstum führen, da ein Kunde mit einem Produkt bzw. einer Dienstleistung vertraut ist und auch mit den Zusatzleistungen eines Unternehmens zufrieden ist und sich möglicherweise zu Folgekäufen entscheiden wird. Darüber hinaus kann eine Umsatzsteigerung eines Unternehmens durch Cross Selling und Up Selling realisiert werden. Zweck des Cross Selling ist es, einen bestehenden Kunden, der auch das Potenzial zum Erwerb eines weiteren Produkts aufweist, gezielt anzusprechen und auf das Produkt hinzuweisen. Mit Hilfe des Up Selling versuchen Unternehmen, einem Kunden nach vorhergehender Potenzialanalyse ein höherwertiges Produkt als das, das er bereits besitzt, zu verkaufen.[22]

Im folgenden Abschnitt werden die wesentlichen Unterschiede zwischen einem CRM-Konzept im Business to Consumers (BtoC) - und Business to Business (BtoB) -Bereich aufgezeigt. Mit dem Begriff BtoC wird die Gesamtheit aller Marketingaktivitäten für Produkte und Dienstleistungen bezeichnet, deren Nachfrager die Endnutzer sind.[23] Demgegenüber definiert sich BtoB als die Gesamtheit aller Marketingaktivitäten für Produkte und Dienstleistungen, deren Nachfrager andere Unternehmen oder Institutionen sind, die die Leistungen i.d.R. an den Endverbraucher weitervertreiben.[24]

2.4 Differenzierung: CRM im BtoC und BtoB

Es existieren Unterschiede zwischen einem endkunden- und einem geschäftskundenorientierten CRM-Konzept. An dieser Stelle werden einige wesentliche Unterschiede aufgezeigt.

Bei einem Direktverkauf an private Kunden fällt dem CRM vor allem die Kundenbindungsaufgabe, also das Streben nach einer langfristigen Kundenbeziehung zu. Demgegenüber zielt das CRM beim Direktverkauf an Firmenkunden in erster Linie auf eine Effizienzsteigerung ab. Während im BtoC-Bereich die Anzahl der Kunden und Interessenten oft sehr hoch ist, handelt es sich im BtoB häufig um überschaubare Märkte. Daher sind Interessenten und ihre individuellen Bedürfnisse im BtoC-Markt oft unbekannt, während die potenziellen Kunden im BtoB-Bereich meist gut bekannt sind. Des Weiteren entscheidet ein Einkäufer eines Firmenkunden im Rahmen von Netzwerken, während ein privater Kunde oft allein Entscheidungen trifft. Im BtoC ist der Service wichtig zur Wettbewerbsdifferenzierung. Dagegen wird dieser im BtoB oft vom Kunden vorgeschrieben. Aus diesen Gründen kommen den einzelnen Instrumenten in beiden Märkten z.T. unterschiedliche Bedeutungen zu.[25]

In dieser Arbeit werden die Unterschiede zwischen beiden Bereichen nicht im Mittelpunkt stehen, aber einige Besonderheiten in BtoB-Märkten aufgezeigt. So wird in Kapitel 7 ein Praxisbeispiel aus dem Bereich des BtoB gegeben.

3 Erfolgsfaktoren eines systematischen CRM-Konzepts

Damit ein CRM-Konzept erfolgreich sein kann, bedarf es der Berücksichtigung bestimmter Elemente. Wesentliche Erfolgsfaktoren werden in diesem Kapitel erläutert.

3.1 CRM-Strategie und CRM-Kultur

CRM muss im Unternehmen ganzheitlich aufgestellt und gelebt werden, um zum Erfolg führen zu können. Dabei darf bei den Mitarbeitern nicht der Eindruck erzeugt werden, dass es sich nur um die Einführung eines neuen Software-Konzepts handelt, das ihnen aufgezwungen wird. Sie dürfen sich nicht als Betroffene fühlen, sondern sollten zu Beteiligten werden. Es ist die Aufgabe des Unternehmensmanagements, Kundenorientierung vorzuleben. Dabei ist es sinnvoll, gemeinsam mit den Mitarbeitern Kundenleitbilder zu entwickeln. Dabei wird festgelegt, welche Zielgruppen angestrebt werden, wie werthaltige Kundengruppen definiert sind und in welchem Maße in diese zur Bildung einer langfristigen Beziehung investiert werden soll.

Zuvor sollte sich die Geschäftsleitung über Marktziele verständigen, die durch ein CRM-Konzept erreicht werden sollen. So wird sich eine Kundenkultur leichter entwickeln können, die sowohl von sämtlichen Mitarbeitern akzeptiert und gelebt wird als auch die Kunden überzeugt. Eine kundenorientierte Marktstrategie darf nicht als eine nur für den Vertrieb geltende Vorgabe verstanden werden. Für ein erfolgreiches CRM-Konzept wird die Einbindung aller Unternehmensbereiche und –mitarbeiter vorausgesetzt.

Ziel eines CRM-Ansatzes ist die Einhaltung der Balance zwischen Kunden- und Kostenorientierung. Konkret bedeutet dies, dass das Streben nach interner Effizienz und Kostensenkungen stets im Einklang mit dem Grundsatz der Produktion von Mehrwerten für die Kunden stehen muss.[26]

Im nächsten Abschnitt werden das Kundenwertmanagement und seine Aufgaben erläutert.

3.2 Kundenwertmanagement

Ein Kernelement eines CRM-Konzepts ist das Schaffen von Mehrwerten für den Kunden. Dies wird erreicht durch das Angebot von bedürfnisgerechten Produkten und Dienstleistungen sowie qualitativ hochwertiger Kundenberatung. Ein Unternehmen kann sich dadurch von Wettbewerbern abheben und eine langfristige Kundenbeziehung wird ermöglicht. Es entwickelt sich also eine Wertschöpfungspartnerschaft.[27]


[...]

[1] Vgl. Holland, H., [CRM – neuer Marketing-Ansatz, 2001], S. 20.

[2] Buck-Emden, R., [my SAP CRM, 2002], S. 21.

[3] Holland, H., [CRM – neuer Marketing-Ansatz, 2001], S. 20.

[4] Holland, H. [CRM – neuer Marketing-Ansatz, 2001], S. 20.

[5] Vgl. Holland, H., [CRM – neuer Marketing-Ansatz, 2001], S. 14.

[6] Vgl. Hippner, H., [(R)Evolution des CRM, 2005], S. 117, zit. nach Berry, L., [Relationship Marketing, 1983], S. 25.

[7] Vgl. Hippner., H., [(R)Evolution des CRM, 2005], S. 117.

[8] Vgl. Winkelmann, P., [Vertriebskonzeption, 2005], S. 203.

[9] Vgl. Hippner, H., [(R)Evolution des CRM, 2005], S. 115-118.

[10] Vgl. Holland, H., [CRM – neuer Marketing-Ansatz, 2001], S. 14-16.

[11] Vgl. Hippner, H.; Wilde, K., [CRM – Ein Überblick, 2003], S. 5.

[12] Vgl. Holland, H., [CRM – neuer Marketing-Ansatz, 2001], S. 16-19.

[13] Vgl. Hippner, H., [(R)Evolution des CRM, 2005], S. 118.

[14] Vgl. Hippner, H., [(R)Evolution des CRM, 2005], S. 118-120.

[15] Vgl. Hippner, H., [(R)Evolution des CRM, 2005], S. 120 zit. nach Pine, B.; Peppers, D.; Rogers, M., [Keeping Customers, 1995], S. 105.

[16] Vgl. Hippner, H., [(R)Evolution des CRM, 2005], S. 120-121.

[17] Vgl. Hippner, H., [(R)Evolution des CRM, 2005], S. 122 zit. nach Berry, L., [Relationship Marketing, 1983], S. 25.

[18] Vgl. Hippner, H., [(R)Evolution des CRM, 2005], S. 121-123; vgl. dazu auch Winkelmann, P., [Vertriebskonzeption], S. 158-160.

[19] Vgl. Hippner, H; Wilde, K., [CRM – Ein Überblick, 2003], S. 7-8.

[20] Vgl. Hippner, H.; Wilde, K., [CRM – Ein Überblick, 2003], S. 9-10.

[21] Vgl. Holland, H., [CRM – neuer Marketing-Ansatz, 2001], S. 32.

[22] Vgl. Hippner, H.; Wilde, K. [CRM – Ein Überblick, 2003], S. 11-12.

[23] Vgl. Schwetz, W., [CRM-System, 2001], S. 226.

[24] Vgl. Schwetz, W., [CRM-System, 2001], S. 225.

[25] Vgl. Winkelmann, P., [Vertriebskonzeption, 2005], S. 215.

[26] Vgl. Borchardt, F. et al., [Jahresgutachten 2005, 2004], S. 17-20; vgl. dazu auch Huldi, C. et al., [Jahresgutachten 2006, 2005], S. 17-18; dito, S. 21.

[27] Vgl. Winkelmann, P., [Vertriebsmanagement, 2004], S. 12.

Ende der Leseprobe aus 61 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten und Grenzen des Interessentenmanagements beim Einsatz von Verkaufsinformationssystemen
Untertitel
Am Beispiel der Firma Schenker-Seino in Japan
Hochschule
Hochschule Bremen
Note
2,8
Autor
Jahr
2006
Seiten
61
Katalognummer
V58129
ISBN (eBook)
9783638524087
ISBN (Buch)
9783656374046
Dateigröße
731 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Möglichkeiten, Grenzen, Interessentenmanagements, Hilfe, Einsatzes, Verkaufsinformationssystemen, Beispiel, Firma, Schenker-Seino, Japan, Logistik)
Arbeit zitieren
Marco Tobias (Autor:in), 2006, Möglichkeiten und Grenzen des Interessentenmanagements beim Einsatz von Verkaufsinformationssystemen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58129

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