Ursachen und Motive des 1. Indochinakrieges


Seminararbeit, 2004

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Situation Indochinas bis zum 9. März 1945

3. Die Beschlüsse von Potsdam

4. Ho Chi Minh und die Demokratische Republik Vietnam

5. Die französische Reaktion

6. Am Verhandlungstisch

7. Die kolonialistische Lobby

8. Fontainebleau

9. La course à l’abîme

10. Schlussbetrachtung

11. Bibliographie

Anhang - Die innenpolitische Situation Frankreichs

1. Einleitung

Durch die Geschichte Frankreichs zieht sich, wie ein roter Faden, die unglückliche Angewohnheit, aus Katastrophen entweder gar nicht zu lernen, oder, wenn doch, die falschen Schlüsse daraus zu ziehen, und neue - historische - Fehler zu begehen.

Vom Hundertjährigen Krieg bis zu den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts werden die französischen Erfolge von demütigenden Rückschlägen begleitet, die man leicht hätte verhindern können. Im August 1914 etwa, zogen französische Truppen vollkommen unzulänglich vorbereitet in den Krieg; anstelle von Tarnuniformen bestand man weiterhin auf den auf Meilen erkennbaren pantalons rouges, anstelle von Stahlhelmen trugen die Soldaten kepis aus Stoff auf ihren Köpfen. Nach 1918 zog man wiederum die falschen Schlüsse aus den vorangegangenen Erfahrungen: anstelle von Panzern baute man Festungen, die sich dann im Mai 1940 als vollkommen nutzlos herausstellten.

In einem allerdings hatte man sich scheinbar nicht geirrt: in den Kolonien. Von 1914 bis 1918 waren die Kolonien Frankreich von unschätzbarer Hilfe. An allen Fronten des Ersten Weltkrieges standen koloniale Truppen, auf Postkarten wurden schwarzafrikanische Infanteristen abgebildet, Nahrungsmittel und Rohstoffe flossen weiterhin aus den Kolonien in das Mutterland. 22 Jahre später, nach der Kapitulation und Besetzung Frankreichs, dienten die Kolonien als Auffangbecken für de Gaulles France Libre und als Ausgangspunkt für die spätere Rückeroberung. Die Kolonien, so meinte man, waren unverzichtbar für das Wohlergehen Frankreichs, und so hielt sich der alte Mythos der puissance par l’empire nach dem Zweiten Weltkrieg in den Köpfen der meisten Franzosen.

Allerdings sollte sich zeigen, dass das Kolonialreich nicht mehr so einfach zu halten war. Die kolonialisierten Völker wurden zunehmend unzufriedener mit der französischen Übermacht: Das französische Indochina hatte sich im letzten Kriegsjahr schon für unabhängig erklärt und auch in Afrika breitete sich die Unzufriedenheit mit der französischen Administration immer weiter aus.

Frankreich war jedoch – durch die Zerstörungen des Krieges und den Aufstieg der neuen Weltmächte U.S.A. und Sowjetunion auf den Status einer europäischen Großmacht beschränkt – nicht gewillt den Unabhängigkeitsbestreben Indochinas nachzugeben und wollte mit aller Kraft am letzten Überrest ihrer einstigen Weltmacht festhalten. Der durch die Konstitution der Union française entstandene Status der ehemaligen Kolonien als département outre-mer - und somit integraler Bestandteil Frankreichs - die nationalistische Stimmung der Nachkriegszeit, die zunehmende Angst vor dem sich abzeichnenden Kalten Krieg und die Entschlossenheit, nicht auf Gedeih und Verderb einer fremden Macht ausgeliefert zu sein, all dies waren Faktoren, die die konservative Politik Frankreichs unterstützten. Dabei übersah man jene fundamentalen Veränderungen in den Kolonien selbst, die das Festhalten an ihnen gefährlich machten: eine zunehmende Unzufriedenheit mit der Fremdherrschaft und ein rasch wachsendes, patriotisches Zugehörigkeitsgefühl.

Auf die einsichtigere Politik des großen Kolonialpartners Großbritannien, der Indien zum Beispiel schon 1947 in die Unabhängigkeit entließ, achtete man nicht und Frankreich versuchte, die Kolonien angesichts zunehmender Opposition gewaltsam zu halten.

Die vielfältigen Gründe, weshalb man sich für diesen Kurs entschied, zu untersuchen, der Frage, weshalb jede französische Regierung der turbulenten Nachkriegszeit am Diktat der puissance par l’empire festhielt, nachzugehen, und schließlich die Konsequenzen dieser Politik zu skizzieren – das ist das Ziel dieser Arbeit.

Die eigentlichen Kriegshandlungen des ersten Indochinesischen Krieges sind dafür nur von untergeordneter Bedeutung. Diese Arbeit wird sich daher auf die entscheidende Zeit vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis Ende 1946 konzentrieren, auf die Zeit also, in der viele Entscheidungen getroffen und Fehler gemacht wurden, die den Krieg schließlich unausweichlich machen sollten. Die Zeit, in der die sich ständig abwechselnden und widersprechenden Regierungen und Kabinette der französischen Nachkriegszeit und der späteren IV. Republik das Land in einen Krieg führten, den es weder gewinnen noch ertragen konnte.

2. Die Situation Indochinas bis zum 9. März 1945

Die Geschichte der Verwicklung Frankreichs in die Geschicke Süd-Ost-Asiens begann im 19. Jahrhundert. Nachdem Kaiser Gia Long im Jahre 1802 endlich die endgültige Einigung der verschiedenen Ethnien Süd-Ost-Asien im neugeschaffenen Königreich der Viêt („Viêt Nam“) gelungen war, begann Frankreich sich für diesen entlegenen Zweig der Welt zu interessieren. Aus den anfänglich freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Second Empire unter Napoleon III. und der vietnamesischen Kaiserdynastie der Nguyen entwickelte sich schließlich offene Feindschaft; wie alle europäischen Großmächte dieser Zeit, suchte Frankreich seine kolonialen Besitzungen zu erweitern. 1858 entsandte Frankreich zum ersten Mal Truppen nach Indochina, und erklärte das ky (Provinz) Cochinchina zur französischen Kolonie. Im Laufe der 1860er Jahre folgte die endgültige Besetzung Cochinchinas und die Neudefinierung Kambodschas als französisches Protektorat.

Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 setzte die III. Republik das Eroberungswerk fort und okkupierte alle späteren Provinzen Indochinas. 1907 erhielt das französische Indochina schließlich seine endgültige Gestalt: die eigentliche Kolonie Cochinchina im Mekongdelta wurde mit den Protektoraten Annam (Zentralvietnam), Tonking (Nordvietnam), Kambodscha und Laos in der „Union indochinoise“ zusammengefasst.

Seit der offiziellen ‚Befriedung’ Indochinas im Jahre 1900 war es immer wieder zu Aufständen gekommen, die die französische Fremdherrschaft allerdings nicht ernsthaft bedrohen konnten. Ab 1925 entstanden schließlich unter sowjetischem und chinesischem Einfluß die ersten Volksparteien, die 1930 in der Kommunistischen Partei Vietnams vereinigt wurden und sich die Befreiung Indochinas von der westlichen Vormacht zum Ziel machten.

Bis zum Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges hatte sich die Lage nicht verändert - danach allerdings sah sich die französische Verwaltung in Indochina mit einer grundlegend neuen Lage konfrontiert. Die japanischen Truppen in Süd-Ost-Asien und China waren eine ständige Bedrohung, die französische Truppenstärke in Indochina geradezu lächerlich gering. Abhilfe brachte erst die französische Kapitulation und die ‚Inthronisierung’ des Marschalls Pétain als Führer des Kollaborateur-Regimes von Vichy. Als neue quasi-Verbündete Japans arrangierten sich französische Zivilverwaltung und japanische Truppen.

Nach der Befreiung Frankreichs durch de Gaulles „France Libre“ sah Japan dann keinen Grund mehr, die französische Administration in ihren Stellen zu belassen. Am 9. März 1945 kam es zum sogenannten „Dolchstoß[1] “: Japanische Truppen inhaftierten die europäischen Verwaltungsbeamten und Truppen und erklärten sich selbst zu Herren der Indochinesischen Union. Die inzwischen sehr prekäre Kriegslage machte es Japan allerdings unmöglich, die Neuerwerbung Indochina angemessen zu besetzen. Die Kapitulation Japans im August/September 1945 führte schließlich zu einer absurden Situation: Da die französischen Truppen noch immer in Kriegsgefangenschaft waren, und die japanischen unter dem Kapitulationsvertrag keine Authorität mehr besaßen, entstand in Indochina ein Machtvakuum. Verwaltung und Administration lagen brach.

[...]


[1] Der französische Hang zur Theatralik machte, gemäß den Leitlinien gaullistischer Propaganda, allerdings aus einem indischen einen afrikanischen Elefanten – beziehungsweise aus einem Dolch einen Säbel. In französischen Tageszeitungen sprach man vom „coup de sabre dans le dos“.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Ursachen und Motive des 1. Indochinakrieges
Hochschule
Universität Trier  (Fachbereich III - Neuere und Neueste Geschichte)
Veranstaltung
Europa nach 1945
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V58017
ISBN (eBook)
9783638523202
ISBN (Buch)
9783656812418
Dateigröße
553 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Gründen des Ausbruches des ersten Indochinakrieges 1946-54. Der Verlauf des Krieges wird nicht behandelt.
Schlagworte
Ursachen, Motive, Indochinakrieges, Europa
Arbeit zitieren
Christian Rollinger (Autor:in), 2004, Ursachen und Motive des 1. Indochinakrieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58017

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