Eine Betrachtung der Figur des Meisterfaun im "Wundertäter III" von Erwin Strittmatter


Seminararbeit, 2006

32 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung[1]

1. Die Figur des Meisterfaun
1.1. Reale Hintergründe des Faun
1.2. Erscheinen des Meisterfaun im Werk
1.2.1. Im 2.Band des „Wundertäters“
1.2.2. Im 3.Band des „Wundertäters“

2 Die Beziehung zwischen Meisterfaun und Büdner
2.1 Das Über-Ich und/oder das Fantasieprodukt Meisterfaun
2.2 Das Verschwinden des Faun und/oder die Transformation des Ichs

3 Konklusion

4 Anmerkungen

5 Literaturverzeichnis[2]

Wortzahl: 7471

0 Einleitung

Nach fünf Jahren der intensiven Arbeit am dritten Band des Wundertäters und einem zwei Jahre währenden „Ringen“ um dessen Veröffentlichung erscheint dieser schließlich im Jahr 1980. Dieser Zeitraum spiegelt sich in authentischer Weise in Strittmatters erst 1990 veröffentlichtem Werk „Die Lage in den Lüften“ wider. In ähnlicher Tradition steht auch das 1981 veröffentlichte, jedoch bereits in den 1960-er Jahren verfasste Werk „Selbstermunterungen“, das in ähnlicher Weise Auskunft gibt über Strittmatters Selbstverständnis und die neue poetische Konzeption.[3] So ist für den 21.Mai 1976[4] vermerkt: „Der Entschluß, den WUNDERTÄTER III ohne Rücksicht auf parteipolitische Konventionen und so zu schreiben, daß er einzig der Wahrheit dient (oder dem, was ich für die Wahrheit halte), leitete einen neuen Abschnitt in meinem Leben und in meiner Arbeit ein.“[5] Dieser „neue Abschnitt“ seines Lebens sei geprägt durch die „Befreiung“[6], vor allem von der parteilichen „Sektiererei“[7], welche er „im dritten WUNDERTÄTER künstlerisch abhandeln“ wird[8]. Je weiter die Arbeit an eben jenem Roman voranschreitet, je sicherer scheint sich Strittmatter zu sein, wie er am 24.Januar 1977 äußert, er „schreibe ... gar zum ersten Mal von der Position aus, daß nicht veröffentlicht werden wird, was ich schreibe, und auch, was ich dann schreiben werde, wird aus politischen Gründen nicht veröffentlicht werden.“[9] Dies bezeichnet er als „das große Abenteuer“ seiner „letzten Lebensjahre“.[10]

In „Kindlers Neuem Literatur Lexikon“ wird Strittmatters poetisches Hauptanliegen mit der poetischen Behandlung des „ ‚Anderswerden[s] de[s] Menschen’ “ beschrieben. Maßgeblich würden hierbei der Interaktion und (Selbst-)Reflexion der Figuren, insbesondere deren Konflikten und ihrer Bewältigung, Ausdruck verliehen. Der „autobiographische Bezug, die Gestaltung naiver Helden, eine bildhafte Sprache, die auch Dialektformen einbezieht, und die Verwendung satirischer und ironischer Mittel [zählen] zu den wichtigsten Elementen seiner Schreibweise“[11]. Dabei ist diesen Werken immanent, den Prozess des Anderswerdens des menschlichen Individuums in vielfältiger Hinsicht darzustellen.[12] Ausdruck dieser Persönlichkeitsentwicklung sind sowohl die autobiographischen Schriften „Selbstermunterungen“[13] und „Die Lage in den Lüften“ wie auch die autobiographische Züge tragende „Wundertäter“- und „Laden“-Trilogie.

Hans Richter beschreibt, die Eigenart Strittmatters liege darin, als ein „trotzig-selbstbewußter Autodidakt und ‚Selbstdenker’“ darauf zu pochen, „die eigene Begegnung mit dem Leben“ zu suchen und daraus Erfahrung zu gewinnen.[14] Dieser Prozess der Sinnsuche, der Sinnbildung, der Sinnverfolgung, der Sinnfindung, der Sinnerfüllung sowie der Sinnbewahrung ist prägendes Kennzeichen der Entwicklung des in der Wundertätertrilogie auftretenden Helden Stanislaus Büdner.[15]

Günter Drommer markiert den „plebejisch-kleinbürgerliche[n] Stanislaus Büdner“[16] als das Alter ego Strittmatters und den Wundertäter III als die „lange vorgedacht[e] literarisch[e] Generalrevision der politischen Zustände im Lande“[17]. Diese Aussage ist durchaus zutreffend, jedoch ist sie zu allgemein und verleitet dazu, in diesem Werk nur die persönliche, und auf das Politische reduzierte, Abrechnung des Autors mit dem DDR-Regime zu sehen.[18] Der Roman ist mehr als dieses, er ist u.a. die Literatur gewordene Umsetzung des neuen poetischen Konzeptes Strittmatters.[19] Darin ist als wesentlicher Bestandteil enthalten, die poetische und dies bedeutet fantasievolle und damit höchst subjektive Durchdringung der Realität. Ein(!) Ausdruck dieser Auseinandersetzung mit Realität ist die Figur des Meisterfaun, die im zweiten und dritten Band der Wundertätertrilogie zu einem sporadisch spontan aber in steter Regelmäßigkeit auftretenden Begleiter des Protagonisten Stanislaus Büdner wird.

Anspruch dieser Arbeit ist es, das Wesen dieser Figur, ihre Beziehung „zu“ Büdner bzw. das Verhältnis zwischen diesen beiden Persönlichkeitsteilen zu ergründen. In diesem Sinne wird in Abschnitt 1 zunächst ergründet, auf welcher realen Grundlage Strittmatter den Faun entwarf.[20] Daran schließt sich die nähere – eher deskriptiv zusammenfassende – Betrachtung der Figur im zweiten und dritten Teil der „Wundertäter“-Trilogie an.[21] Eine tiefgehende Analyse der Figur des Meisterfaun nehme ich in Abschnitt 2 vor. Dieser Abschnitt dient zum einen der näheren Analyse des Faun selbst und zum anderen der Hervorhebung kennzeichnender Wesensmerkmale der Beziehung zwischen Faun und Büdner. Schließlich soll hier der Aspekt der Persönlichkeitsspaltung auf ihren Charakter und ihre Bedeutung für die Romanfigur Büdner hin entschlüsselt werden. Es soll auch analysiert werden, mit welchen Problemsituationen der Faun in Zusammenhang gebracht werden kann und welchen Part er in der Bewältigung dieser Situationen einnimmt. Hierfür werde ich die unmittelbare Handlungsebene des Romans verlassen und sowohl Arbeiten der Psychologie als auch Auszüge aus autobiographischen Schriften Strittmatters einbeziehen. Abschnitt 2.2 befasst sich mit dem finalen Ende des Beziehungsverhältnisses zwischen „Meisterfaun“ und dessen „Schüler“ Stanislaus. Hierbei ist zu klären, inwieweit die Frage des Faun, nach dem Sinn der Existenz Büdners, im Verlauf seiner Entwicklung beantwortet werden konnte und die Existenz des Faun nicht länger notwendig erscheint, er sich hierbei jedoch keineswegs auflöst, sondern wenig später in einen anderen Zustand transformiert wird. Im letzten Abschnitt dieser Arbeit werden die Erkenntnisse schließlich zusammengeführt und weitergehend interpretiert.

1 Die Figur des Meisterfaun

1.1 Reale Hintergründe des Faun?

„Zu manchen Erfindungen haben wir noch ein Verhältnis

wie jener Zauberlehrling im Goethe-Gedicht;

nur daß wir nicht auf den Meister hoffen dürfen,

der uns da hilfreich beispringt.

Wir müssen sie selber meistern.“

Erwin Strittmatter [22]

„Das hölzerne Männchen, [...] Es war ein kleiner Meisterfaun, eine Figur, die durch einen meiner Romane geht.“[23] Der Meisterfaun, in der Realität, nicht mehr als „ein fingerhutgroßes Männchen aus dunkelbraunem Holz“.[24] Und hier scheint bereits die Beschreibung des realen Hintergrundes dieser Figur an ihre Grenze zu stoßen.[25] Anhand der Äußerungen Strittmatters über den Schreibprozess des Wundertäters lassen sich jedoch weitergehende Aussagen herausfiltern. So klein die physische Vorlage[26] des Meisterfauns erscheinen mag, umso größer ist ihre über die physische Erscheinung hinaus gehende Bedeutung. Mithilfe der „Selbstermunterungen“ lässt sich der Faun – mit Strittmatters Worten – als ein Teil der „Apparaturen“ beschreiben, mit denen die „Mystiker ... schon vor Jahrtausenden von der ‚Einheitlichkeit aller Lebewesen’“ sprachen, „ohne die Hilfe von Mikroskopen und Isotopen in Anspruch genommen zu haben. Heutzutag allerdings mißtraut man [vor allem die Wissenschaft ist gemeint] den ‚Apparaturen’, mit denen sie ihre Erkenntnisse gewannen.“[27] Dem Faun mutet etwas Mystisches, Metaphysisches an und somit wächst ihm eben jener Charakter des Meisters des Zauberlehrlings zu. Er ist neben der Schmetterlingskönigin und dem Neck aus der Jugend eine Figur gewordene Projektion aus der Innenwelt, dem Unterbewusstsein des Stanislaus Büdner heraus. Durch diese werden Stanislaus unterbewusste Wesenszüge sichtbar gemacht und bieten eine Ebene zur (Selbst-)Reflexion. Es kann angenommen werden, dass Strittmatter selbst in einem Prozess der Meditation[28] einen Grad[29] der „Kommunikation“ zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein erreichte. So spricht er im Falle Büdners bezüglich einer Änderung im Roman (WIII) davon, dass Friede Zaroba diesem eine Schreibempfehlung für die Zukunft zutragen soll, die wiederum lediglich bestätigen soll, was Stanislaus bereits in einem Zustand der Meditation wahrgenommen hat.[30] Sowohl Büdner als auch Strittmatter scheinen demnach dazu fähig „Unhörbares hörbar und Unsichtbares sichtbar [zu] machen“ und zu jenen Menschen zu gehören, die dieses „ohne Apparate“[31], d.h. in einem Zustand der geistigen Vertiefung können.

1.2 Erscheinen des Meisterfaun im Werk

1.2.1 Im 2.Band des „Wundertäters“

„‚Wozu lebst du?’“

Mit dieser Frage konfrontiert der Meisterfaun, ein von Düften von Erde und Gras begleitetes Wesen, Stanislaus bei seinem ersten Erscheinen.[32] „Er erschien Stanislaus als ein mahnendes oder überredendes, auch ironisierendes Geschöpf.“ Dabei ähnelte der Meisterfaun „manchmal dem geistlichen Würdenträger Simos von der Ägäerinsel, häufiger einem russischen Bauern mit struppigem Haupthaar und einem Bart, der vom Rande der Augenhöhlen bis zum Gürtelstrick reichte, mit Augen, die hinter zerzausten Brauen lagen und wie Scherben hinter Schlehdorngesträuch blitzten.“[33] Hier offenbart sich ein „unbeweisbare[s] Wesen“, dass „ein Wesen aus Ahnungen und Verstand“[34] zu sein scheint. Büdners erste Antwort auf die oben gestellte Sinnfrage nach dem Sein beschränkt sich inhaltlich auf seine biologische Funktion als arterhaltender Faktor, worauf der Meisterfaun mit Entschiedenheit antwortet: „‚Ein Mensch muß ausforschen, wozu er überdies hier ist.’“[35] In ihrer zweiten Unterredung fragt der Faun erneut, wozu Büdner existiere, woraufhin dieser antwortet, „‚[z]um Dichten leb ich vielleicht!’“[36] Büdner fügt hinzu: „‚Manchmal glaub ich zu wissen, daß ich ein Dichter bin.’“[37] Der Faun entgegnet, er solle sich weiter belauern, woraufhin Büdner ihm wegen der plump anmutenden Belehrung vorwirft mit seiner Weisheit zu langweilen. Der Faun belehrt ihn, „‚ du begnügst dich mit Halbgewißheiten. Das Leben ist kein Kaufhaus mit Billigen Wochen.’“ Seinen dritten „Auftritt“ zelebriert der Faun am Morgen nach Büdners „erste[m] Spaziergang mit Rosa [Lupin]“. Der Meisterfaun animiert Büdner diese Verbindung zu Rosa einzugehen – Büdner ist in höchstem Maße interessiert an dieser Frau, trotz der noch bestehenden Ehe zwischen Stanislaus und Lilian. Büdner solle diese Chance nutzen und sich aus der „Vernunftehe“ mit Lilian herauslösen. Der Faun nimmt seinen Abschied mit den Worten, „‚[w]as sein soll, wird sein’“.[38] Das Aufsteigen von unterbewussten Inhalten und deren Konzentration in der Vorstellung oder Fantasie als Faun ist ein von Büdner nicht kontrollierbares Phänomen. Über den erfolglosen Versuch der Erweckung des in ihm ruhenden Meisterwesens enttäuscht, findet Büdner in der Ersatzhandlung des Schreibens „Zuflucht“.[39] Mit dem vierten Erscheinen des Fauns scheint sich abzuzeichnen, dass Büdners Psyche insbesondere in Konfliktsituationen jenes zwischen mahnenden und animierenden Worten pendelnde Wesen begegnet. In der entsprechenden Situation interagiert Büdner aus triebbezogenem Verlangen mit Fräulein Mück, einer Freundin Rosa Lupins, wobei der Faun als mahnende Instanz hinzutritt und ihn anregt, das Verhältnis zu beiden Damen zu überdenken.[40] Nicht nur die zwischenmenschlichen Beziehungen Büdners betreffend, sondern auch bezüglich der beruflichen Entwicklung und somit auf die Entwicklung des Dichter-Ichs hinwirkend, erweist sich der Faun als überwachende Instanz, die ihn auf übergeordnete Zusammenhänge aufmerksam macht. „‚Es gibt Gesetze in der Kunst, die seit Altägypten und länger bekannt und so unumstößlich sind wie die Gesetze, nach denen die Gestirne umeinander kreisen’“, erklärt der Meisterfaun dozierend. Büdner solle sich als Journalist und als „‚ein erfolgssüchtiger Mitteleuropäer’“, als „‚ein betriebsamer Deutscher’“ in acht nehmen vor „‚Neunmalklugen’“ in den Zeitungsredaktionen, denn diese „‚redigieren und intrigieren, bestimmen, was Wahrheit ist, machen die Literaturmoden und versuchen zu diktieren, wer ein guter und wer ein schlechter Dichter ist, und loben vor allem die, die des Königs neue Kleider anfertigen.’“[41] Ein Dichter dürfe sich nicht erweichen lassen, jemandem „‚gefallen zu wollen’“, denn „‚[e]in Dichter, der zählt, zählt nicht!’“[42] Büdner verhält sich in diesen und ähnlichen Situationen aufbrausend ablehnend, wie jemand der sich nicht geneigt zeigt Lehren anzunehmen und das größere Ganze zu erkennen. Mit weiterem Handlungsverlauf nimmt der Faun die Rolle des Lehrmeisters wahr und rät ihm das Leben zu „‚[b]eobachten’“[43]. Doch Stanislaus zeigt sich noch nicht geneigt die weisen und lebensphilosophischen Lehrsätze seines „Über-Ichs“ anzunehmen. Rebellierend und mit Spott begehrt er gegen die Auffassungen des Meisters über Poesie und die Frage des Glücks auf. Doch „[s]tets, wenn er Stanislaus einen kräftigen Erdfloh unters Hemd gesetzt hatte, verschwand er.“ Konkret hatte der Faun das Glück eines Dichters als den Zustand beschrieben, wenn „‚Leben gleich Schreiben und Schreiben gleich Leben, was immer aus dem Geschriebenen wird, das ist das Glück des Dichters!’“[44] Es dauert seine Zeit bis Büdner aus der kleinbürgerlichen Haut herauswächst, die ihn stets zu trotzig kleingeistig anmutenden Äußerungen verleitet, wenn der Faun die Freizügigkeit des Lebens hervorhebt.[45] Doch Büdner erweist sich als lernfähiges Wesen und versteckt hinter der Fassade der Ablehnung seine Bewunderung für den Faun.[46] Der ihn jedoch ermahnt, wenn er nicht von sich aus handelt, würden andere über sein Leben bestimmen.[47] „‚Du schreibst immer noch nicht, was du schreiben mußt. Bring endlich zu Papier, was dich quält!’“ Büdner zweifelt an der Publikumswirksamkeit seiner Schriftstücke. Der Faun bestärkt ihn darin über die „‚Unbeschwertheit’“ zu schreiben, welche Büdner als Kind empfunden hat und beide trennen sich „einmütig“.[48] Trotzdem ist Büdner noch zu sehr von äußeren Einflüssen abhängig und abgelenkt. Der Faun vermag nur darauf hinzuweisen: „‚Nirgendwo stehen Arbeit und Lohn in einem so gerechten Verhältnis zueinander wie in der Welt des Geistes’“.[49] Im Zuge der anschwellenden Vereinnahmung durch sein parteipolitisches Engagement, rückt das Romanprojekt in den Hintergrund und der Büdnersche Romanheld landet „in der Schublade.“[50] Büdners (Partei)Lehrmeister Anton Wacker beginnt das vom Faun aufgebaute Gerüst an Leitsätzen zu erschüttern und ideologisch zu durchdringen. Der interne philosophische Geist wird durch einen realen Chefideologen kontrastiert, der Büdner als bewusstseinsloses Element bezeichnet, worüber Büdner nur „[z]erknirscht“ nachzudenken versteht.[51]

[...]


[1] Diese Arbeit folgt den Regeln der neuen Rechtschreibung.

[2] Um eine leichtere Identifizierung von Zitaten zu ermöglichen und den Fußnotenapparat übersichtlich zu gestalten, werde ich in diesem mit verkürzten Literaturangaben arbeiten. Textbelege aus verwendeter Primärliteratur werden mit Autorinitialen, abgekürztem Titel [vollständiger Titel siehe Abkürzungsverzeichnis] und der Seitenangabe versehen. Die Belege aus der Sekundärliteratur werden durch Autor, Jahreszahl und Seitenangabe nachgewiesen. Die vollständigen Angaben zur verwendeten Literatur befinden sich im Literaturverzeichnis.

[3] Allgemeiner Trend Ende der 1960-er, der sich in den 1970-er Jahren zu einem neuen Anspruch der DDR-Literaten katalysiert, in ihren Werken subjektiver Authentizität und einer individuellen Wahrnehmung sowie künstlerischen Reflexion von Realität Ausdruck zu verleihen. Vgl. Kändler, Klaus, 1984. Wie Eckhard Thiele schildert, emanzipierten sich hierbei auch linientreue bzw. nicht dem System entgegenstehende Literaten. Eine allgemeine Befreiungstendenz von vorgegebenen Parteiansprüchen ist zweifelsohne zu verzeichnen. Vgl. Thiele, Eckhard, 1995, S.24 In den 1970er Jahren begann Strittmatter bewusst damit, sich einen „endgültigen literarischen Kosmos aus biographischen Erinnerungen und den Erfahrungen vieler Jahre zu schaffen, eine neue Ordnung, bei der eins sich aufs andere bezieht“, wie Drommer hervorhebt. Drommer, Günther, 2002 [2000], S.176

[4] Die Strittmatters verweilen zur Kur im slowakischen Kurort Piešt’any im Flusstal des Waag.

[5] E.S., DLidL, S.118

[6] Insbesondere die Arbeit am WIII empfindet er als solche. E.S., DLidL, S.118

[7] Wobei Strittmatter einschränkend hinzufügt: „Von der Eingleisigkeit, die Marxismus und Partei für mich waren, kam ich innerlich zwar auch rasch, aber äußerlich sehr mühsam los.“ 4.April 1977, Ebd., S.149

[8] Ebd., S.118

[9] Im Eintrag für den 22. bis 24.April 1978 heißt es hierzu: „Erprobt habe ich mich noch nicht darin, etwas zu schreiben, was wahrscheinlich erst nach meinem Tode veröffentlicht werden kann. Aber das will und muß ich jetzt lernen.“ Dies bedeutet auch jede von außen motivierte, vor allem jede politisch motivierte, Veränderung als „Selbstverrat“ abzulehnen. Ebd., S.161

[10] Ebd., S.141. Seit Strittmatter sich dem neuen Selbstverständnis verschrieben hat, fühlt er sich auch zunehmend beschattet und verfolgt. Auskunft hierüber geben u.a. die Einträge vom 17.4.1973, 29.9.1975, 22.1.1977, 24.1. 1977, 18.3.1977, 8.4.1979, 2.5.1979, 13,9.1980. Im Verlauf des sich zeitlich hinziehenden Prozesses der Veröffentlichung des „WIII“, schreibt Strittmatter vier Tage nachdem er das Manuskript abholen ließ, „ich gehe umher wie ein Mörder, der bangt, daß man seine Tat bald entdecken wird.“ Er fügt hinzu: „Ob Rechts-, ob Links-Diktatur, in beiden wird der Geist vergewaltigt. In der einen wird der anderen vorgeworfen, daß sie den Menschengeist knechtet, und umgekehrt.“ Jeder der sich diesem Missstand reflektierend zuwende, sei von einem an Stärke zunehmenden Gefühl bestimmt, „ein Ketzer, ein Verbrecher zu sein. Er ist allein, und derer, die der Diktaturen lobsingen, sind viele.“ 8.April, Ebd., S.155

[11] Walter, Jens, 1988, 129f.

[12] Auskunft hierüber geben die „Selbstermunterungen“ und „Die Lage in den Lüften“, inwieweit sich die autobiographischen Schriften auf die Werke, insbesondere die Wundertäter- und Ladentrilogie übertragen lassen, ist eine nicht leicht zu beantwortende Frage. Zumindest dienen die autobiographischen Schriften dazu ein hilfreiches Instrument, die Beziehung zwischen Werk und Autor und den Einfluss autobiographischer Komponenten transparenter zu gestalten, ohne dabei jedoch einen Generalschlüssel der Interpretation darzustellen.

[13] Siegfried Rönisch hebt die „Selbstermunterungen“ hervor, „als ein Dokument, das Einblick gewährt in die komplizierte Arbeitswelt eines Künstlers.“ Dabei liege „[d]ie Besonderheit der Aufzeichnungen [...] darin, daß Beobachtungen, Einfälle, Meditationen, Stimmungen wie auch spontane Reaktionen in eine Form gebracht wurden, die das Spruchhafte, Sentenzartige akzentuiert.“ In: Rönisch, Siegfried, in: Geerdts, Hans Jürgen, 1982, S.27.

[14] Vgl. Richter, Hans, in: Geerdts, Hans Jürgen, 1982, S.25

[15] Wie Klaus Jarmatz herausstellt, „bewegt den Schriftsteller jetzt immer stärker die Frage, was der einzelne aus seinem Leben macht, wie der einzelne in diesen Kämpfen zurechtkommt“ und hierbei „[d]ie Forderung, den Sinn des eigenen Lebens herauszufinden“, appellierend zu formulieren. Jarmatz, Klaus, 1982, S.14

[16] Walter, Jens, 1988, S.130

[17] Drommer, Günther, 2002 [2000], S.185; Vgl. Ders., Ebd., S.90

[18] Drommers Strittmater-Biographie beschränkt sich stark auf den gesellschaftskritischen Charakter des Buches, ist deshalb jedoch nicht weniger informativ, reduziert das Werk Strittmatters jedoch allzu sehr auf das politisch-kritische und mindert hierdurch den Ausdruck (lebens-)philosophischer Aspekte in Strittmatters Werken.

[19] Bereits in Bezug auf die „Selbstermunterungen“ betont Dieter Schiller, diese seien „„tagebuchartige Meditationen des Autors“. Die Selbstermunterungen stellten den spät veröffentlichten Ausdruck Strittmatters dar, sich einem neuen poetischen Konzept verschrieben zu haben, d.h. eine neue Art der poetischen Auseinandersetzung mit Realität vollzogen zu haben. Schiller, Dieter, in: Geerdts, Jürgen, 1982, S.30

[20] Auch wenn vorwegzunehmen ist, dass die diesbezüglichen Informationen trotz des sehr umfassenden Fundus von autobiographischen Schriften eher spärlich gesät sind.

[21] Diese erhebt nicht den Anspruch umfassend zu sein und dient lediglich als Einführung in das Werk, wobei ich gewisse Akzente setze, mithilfe derer ich für die Arbeit wichtige Aspekte hervorhebe.

[22] E.S., Se, S.42

[23] Drommer, Günther, 2002 [2000], S.209

[24] Ebd.. Die Figur wird hier im Zusammenhang mit einer Grenzkontrolle während der alljährlichen Kurreise in die Slowakei erwähnt.

[25] Im Rahmen dieser Arbeit kann ich nicht auf den mythologischen Hintergrund der Figur eingehen. Jedoch wird in den nachfolgenden Abschnitten zum Teil der mythologische Gehalt angedeutet und zum Teil näher beschrieben.

[26] Oder sofern nicht Vorlage, dann zumindest das Abbild des Meisterfaun.

[27] E.S., Se, S.17

[28] Ein Zustand den er in DLidL sehr häufig erwähnt und der sich als ein Zustand der tiefgehenden Kontemplation darstellt, in welchem es möglich ist, wesentliche Gedanken seiner Werke zu entwickeln. „Man muß sie [die Meditation] nötig haben wie Brot“. E.S., 2.September 1975, DLidL, S.104 Meditierend versuchte Strittmatter auch „die ungeklärte Lage um den Roman [WIII] zu verdrängen.“ Ebd., 3.März 1979, S.184f.

[29] Der in dieser Arbeit nur unzureichend näher ergründet werden kann.

[30] E.S., 30.April 1978, DLiDL, S.167

[31] Ders., Se, S.43

[32] „Seine Einbildungskraft war stark, und eines Tages erschien ihm die Schmetterlingskönigin, und sie besuchte ihn hinfort, und [...] beflügelten ihn, bis ihm die Eifersucht auf eine gewisse Lilian Pöschel das Blut vergiftete. Da erschien ihm die Schmetterlingskönigin nicht mehr. War sie seine verkleidete Jugend gewesen? Möglich! Aber Stanislaus trauerte der Schmetterlingskönigin nicht nach. (...) In einer solchen ‚Sendepause’ erschien Stanislaus zum ersten Mal jenes Wesen, das er später den ‚Meisterfaun’ nannte.“ E.S., WII, S.52

[33] Ebd., S.53

[34] Ebd.

[35] Ebd.

[36] Der Fabrikantensohn und Weggefährte Johannes Weißblatt, hatte einst in einer Hafenschänke in Piräus „Stanislaus’ Talent“ hervorgehoben. Vgl. ebd.

[37] Ebd., S.54

[38] Ebd., S.56

[39] Vgl. ebd., S.70. Da der Faun nicht erscheint, gerät Stanislaus in Unruhe und bedenkt: „Sollte er herumsitzen und sein Glück von Rosa, vom Meisterfaun oder einem Betonstampfgerät abhängig sein lassen?“ Da er das Schreiben als Ausgleichshandlung anerkennt, scheint sich hier eine Option zur (Los)Lösung von Abhängigkeiten aufzuzeigen.

[40] Sowohl bei Fräulein Mück als auch bei Rosa spricht Büdner von „frühreifen Birnen“, „‚in die man nicht beißen soll[te]!’“ Ebd., S.122

[41] Ebd., S.130

[42] Ebd., S.150. Im Kontext dieser Äußerung ähnelt der Faun in seiner Gestalt dem irischen Literaten und Nobelpreisträger George Bernhard Shaw (zur Person: http://nobelprize.org/literature/laureates/1925/shaw-bio.html, 22.01.06), der einen ähnlich unkonventionellen Lebensweg beschritten hatte wie Stanislaus Büdner oder sofern man dies auf die Realität zu übertragen geneigt ist, Erwin Strittmatter.

[43] Ebd., S.157

[44] Ebd., S.180 Und mit zunehmendem Maße drängen sich mit diesen lebensphilosophischen Verlautbarungen Bezüge zu Strittmatters Alter ego auf.

[45] In diesem Zusammenhang eine Unterredung zwischen dem Faun und Büdner über die Liebe als beschreibenswerten Gegenstand, die darin ausartet, dass Büdner den Meisterfaun als jemanden beschimpft, der so freizügig wäre „nackt auf der [Theater]Bühne zu erscheinen“. Ebd., S.211f.

[46] Ebd., S.247

[47] Ebd., S.286

[48] Ebd., S.324f.

[49] Ebd., S359

[50] Ebd., S.391

[51] Ebd., S.395

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Eine Betrachtung der Figur des Meisterfaun im "Wundertäter III" von Erwin Strittmatter
Hochschule
Universität Potsdam  (Germanistik)
Veranstaltung
Grundkurs B Erwin Strittmatter II
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
32
Katalognummer
V57971
ISBN (eBook)
9783638522762
ISBN (Buch)
9783656815754
Dateigröße
599 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eine, Betrachtung, Figur, Meisterfaun, Wundertäter, Erwin, Strittmatter, Grundkurs, Erwin, Strittmatter
Arbeit zitieren
Stephan Altmann (Autor:in), 2006, Eine Betrachtung der Figur des Meisterfaun im "Wundertäter III" von Erwin Strittmatter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57971

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