Gottfried Feder – Programmatiker der NS-Bewegung in den 20er und 30er Jahren


Hausarbeit, 2005

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung der Arbeit

1. Einleitung: Zur Person Gottfried Feder

2. Ideologie und Selbstbild
2.1. „Die Brechung der Zinsknechtschaft“ – Eine starre und eingeschränkte Programmatik
2.2. Der Antisemitismus als ideologische Komponente

3. Politische Agitation: Außenseiter und Mitläufer
3.1. Vor Eintritt in die DAP
3.2. Als Mitglied der NSDAP
3.2.1. Von der frühen „Kampfzeit“ bis zur Bamberger Tagung
3.2.2. Vom politischen Höhepunkt zur politischen Bedeutungslosigkeit

4. Der Ideengeber des Führers? – Das Verhältnis zwischen Hitler und Feder

5. Fazit: Gottfried Feder – Der gescheiterte Programmatiker

Quellen und Literatur

1. Einleitung: Zur Person Gottfried Feder

Beschäftigt man sich mit den bisherigen Studien zur politischen Entwicklung der NSDAP, ihrer ideologisch-programmatischen Organisation und Ausrichtung, vor allem während der sogenannten „Kampfzeit“ der Zwanziger Jahre, so bleibt die Person Gottfried Feder erstaunlich unklar.[1] Bis heute existiert keine Biographie zu Leben und Werk des selbsternannten „Programmatikers der Bewegung“, und auch die wenigen Studien, die sich mit ihm befassen, haben bislang noch kein in sich geschlossenes, detailliertes Bild des NS-Ideologen Feder liefern können. Somit liegen wichtige Fakten zu seiner Rolle, die er hauptsächlich während der Etablierung der NSDAP in den Jahren der Weimarer Republik spielte, weiterhin im Dunkeln. An ihre Stelle treten dagegen offensichtliche Widersprüchlichkeiten, die ihrerseits verhindern, der Person Gottfried Feder eine klare Kontur zu verleihen.[2]

Aufgabe der vorliegenden Arbeit kann und soll es nicht sein, diese Lücke zu schließen oder eine plausible, dezidierte Erklärung für den fragmentarischen Charakter des aktuellen Forschungsstandes bezüglich Gottfried Feder und seinem Beitrag zum Aufstieg des Nationalsozialismus zu liefern. Stattdessen sollen auf den folgenden n die ideologischen Eckpunkte Feders Programmatik dargestellt und kritisch beleuchtet werden. Davon ausgehend soll des weiteren die Frage beantwortet werden, in welchem Verhältnis er zur Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und deren Führer Adolf Hitler stand, und zu welchem innerparteilichen Einfluss er darüber gelangte, um somit letztlich der Frage nachgehen zu können, warum der Ideologe Feder das Ziel, seine politischen Gedanken und Anschauungen zu verwirklichen, verfehlt hat. Zunächst jedoch sollen einführend einige biographische Daten bis zum Eintritt Feders in die Politik Erwähnung finden.

Die Stationen im Leben des Gottfried Feder tragen bis zu seinem Einstieg in die Politik während der Nachkriegsphase Ende 1918 keine herausragenden Merkmale. Im Jahr 1883 im fränkischen Würzburg geboren, besuchte er nach seinem Abitur die

Technischen Hochschulen in München, Charlottenburg und Zürich, wo er das Studium des Bauwesens absolvierte. Nach dem erfolgreichen Abschluss als Diplom- Ingenieur trat er 1908 als Teilhaber und Leiter der Münchener Niederlassung der Hoch- und Tiefbau-Firma Ackermann & Co bei.[3] Nach diversen Großbauaufträgen im In- und Ausland, für die er beträchtliche Kredite benötigte[4], da er selbst nur über geringe finanzielle Eigenmittel verfügte, brachten ihm mit Beginn des Ersten Weltkrieges umfangreiche Aufträge von staatlicher einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung. Da selbst aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Kriegsdienst eingezogen, widmete er sich in dieser Zeit neben seinen beruflichen Verpflichtungen sozialpolitischen und finanztheoretischen Gedanken, ohne jedoch dabei auf ein studiertes Fachwissen zurückgreifen zu können. Dagegen zeigt sich hier, was sich nach Feders Eintritt in die Politik wie ein roter Faden durch seine politische Karriere zieht: er sah sich selbst als hochtalentierten Autodidakt.

So wie die deutsche Niederlage für viele Reichsbürger lange nicht klar absehbar erschien, so dachte auch Feder noch 1918, dass die rapide zunehmende Verschuldung des Deutschen Reiches infolge der Kriegsanleihen nach einem erkämpften Siegfrieden auf die Verlierer abgewälzt werden könne. Umso größer, wenn nicht sogar entscheidend für sein nun beginnendes politisches Engagement, dürfte das demoralisierende Erlebnis des Kriegsendes mit all seinen innen- wie außenpolitischen Konsequenzen gewesen sein, die ihn kaum weniger tief in seinen nationalen Überzeugungen erschütterten, wie dies innerhalb aller gesellschaftlicher Schichten Deutschlands der Fall war. In dieser Situation gebar Feder einen Gedanken, der seine weitere berufliche als nun auch politische Laufbahn prägte. Er glaubte zu erkennen, dass es Deutschland der Macht und Schädlichkeit des Zinses zu verdanken habe, dass es am Boden lag und in chaotische Zustände zu versinken drohte.[5]

2. Ideologie und Selbstbild

Diese Erkenntnis verlieh Feder den entscheidenden Impuls, seine Gedanken nach außen zu tragen. Von starkem Selbstbewusstsein geprägt[6] und sich der bahnbrechenden Wirkung seiner Konzeption sicher, überreichte er am 20. November 1918, wenige Tage nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands und der Proklamation der Republik durch Philipp Scheidemann, der neuen Regierung des „Volksstaates Bayern“ unter Kurt Eisner eine spontan entworfene Denkschrift zur „Brechung der Zinsknechtschaft“[7], welche jedoch unbeantwortet blieb.

2.1. „Die Brechung der Zinsknechtschaft“ – Eine starre und eingeschränkte Programmatik

In seinem 1930 veröffentlichten Buch „Das Programm der NSDAP und seine weltanschaulichen Grundgedanken“ beschreibt Feder den Begriff der Zinsknechtschaft als „Zustand der Völker, die unter der Geld- und Zinsherrschaft der alljüdischen Hochfinanz stehen. […] In Zinsknechtschaft befinden sich alle, die durch ihre geistige oder körperliche Arbeit ihr Brot verdienen müssen, während ihnen gegenüber eine zahlenmäßig kleine Schicht – arbeits- und mühelos – aus ihren Zinsen, Bank- und Börsengewinnen, Finanztransaktionen usw. riesige Einnahmen beziehen.“[8]

Schuld an Inflation und wirtschaftlicher Depression hatte Feder zufolge die Hochfinanz, also in erster Linie Großunternehmer wie Industrielle und Bankiers.[9] Der Staat, so sein Urteil, befinde sich in umfassender Abhängigkeit vom Leihkapital der Zinsen. Folglich hielten die Banken die wahre finanzielle Macht in Deutschland inne, seien jedoch in verantwortungsloser Weise nicht an der Bedarfsdeckung des

deutschen Volkes interessiert, sondern verträten rein egoistische und das Volk ausbeutende Interessen.[10]

In seinem Ende 1918 verfassten und 1919 als Broschüre herausgegebenen „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“ forderte er daher die Abschaffung aller Zinszahlungen sowie die Verstaatlichung des Banken- und Börsenwesens. Sein ideologisches Ziel war es dagegen nicht, Kapital und Privatbesitz abzuschaffen, sondern dies an soziale Verpflichtungen und individuelle Leistung zu koppeln, was seiner allgemeinen Definition von Eigentum über den Begriff der Leistung entsprach.[11] Staatlicher Eingriff war somit zum Schutz und zur Kontrolle des Eigentums geboten, um sozialen Ungleichheiten entgegenzutreten. Dadurch sollte der Staat in die Lage versetzt werden, seine Unabhängigkeit nach innen wie außen aufzubauen und zu behaupten, um so Deutschland wieder zu stärken und die innere Spaltung der Nation zu überwinden. Für Feder galt es dabei, dem Prinzip „Gemeinnutz vor Eigennutz“ unbedingten Vorrang zu verschaffen, um eine so verwirklichte Volksgemeinschaft vor jeglichem Einfluss „egoistischer, zersetzender Elemente“ zu bewahren. In diesem Sinne müsse, so Feder, das Geldwesen durch Verstaatlichung weg von seinem reinen Selbstzweck zu einem steuerbaren Instrument der Wirtschaftspolitik gemacht werden. Staatsanleihen seien dabei aus Gründen der wirtschaftspolitischen Abhängigkeit vollends zu vermeiden.

Zwar erkannte Feder die Notwendigkeit der Ableistung der Reparationszahlungen, die Deutschland von den Alliierten auferlegt worden waren, als unumgänglich an.[12] Doch parallel zu deren Ableistung müsse man Deutschland aus der international angelegten Zinsknechtschaft lösen, indem es den Staatsbankrott erkläre.[13] In seiner Argumentation wurde er nicht müde zu erläutern, dass jener Staatsbankrott tatsächlich bereits gegeben sei, jedoch werde dieser kontinuierlich verschleiert. Der Grund hierfür sei im sittlichen Verfall der Gesellschaft zu sehen, der Hand in Hand mit der zunehmenden Verschuldung des Staates und seiner Bürger gehe, was nach außen hin zu wirtschaftlicher und letztendlich politischer Abhängigkeit gegenüber dem international angelegten Kapitalismus führe, im Inneren damit verbunden zu

massenhafter Verarmung weiter Volksteile gegenüber einiger Weniger, die ihren Profit aus jener Situation zögen.[14]

Nicht nur die staatliche Verfügungsgewalt über das Finanzwesen, sondern auch die zentralstaatliche Konzentration des politischen Systems sollten Deutschland aufrichten. Zu diesem Zweck sei die Ablösung der ohnehin längerfristig nicht lebensfähigen Weimarer Regierung durch ein Zweikammersystem vonnöten. Dieses solle aus einem „Haus des Volkes“, zuständig für alle politischen Belange, und einem „Zentralrat“ für rein wirtschaftliche Fragen zusammengesetzt sein. Letzterer sei als Ständevertretung zu konstituieren, wobei Feder innerhalb jedes vertretenen Standes jeweils einen Vertreter seitens der Arbeitnehmer und Arbeitgeber forderte.[15] Grundvoraussetzung eines dergestalten politischen Systems sei die Abkehr von jeglichen demokratischen Prinzipien, stattdessen die Konzentration von politischer Gewalt. Anstelle der vorherrschenden „parlamentarischen Kompromisswirtschaft“, die nicht den Mut habe, dem Großkapital den Kampf anzusagen[16], könne so der Weg beschritten werden, Deutschland zu erneuern.

Auffällig ist bei all diesem das Gewicht, das Feder dem Primat der Wirtschaftspolitik zuspricht. Denn keine ministerielle Ein- und Unterordnung, sondern die Etablierung einer Zweiten Regierungskammer sollte die Wirtschaftspolitik kennzeichnen und in den politischen Mittelpunkt stellen. Diese Forderungen spiegeln seine ideologische Ausrichtung, aber auch die Eingeschränktheit seines politischen Verständnisses wider, was sich durch seine gesamte Programmatik hindurch beobachten lässt.

Feder war überzeugt, dass ein radikaler Neubeginn nicht nur das Land von allen schädlichen Elementen befreien würde, die vor allem unter dem Deckmantel des internationalen Finanzkapitals das deutsche Volk auszubeuten suchten, sondern den Weg ebnen würde hin zum Ziel eines „Deutschen Sozialismus“ als Sonderweg zwischen Kapitalismus und Marxismus, der anderen Ländern als Vorbild in ihrem Kampf gegen den von Feder ausgemachten Feind, der Hochfinanz, dienen sollte.[17]

So entschieden Feder seinen antikapitalistischen wie antimarxistischen Kurs betrieb und den Überlegenheitsanspruch seiner wirtschafts- und finanzpolitischen Doktrin

[...]


[1] A. Tyrell, Gottfried Feder and the NSDAP, in: P. D. Stachura, The Shaping of the Nazi State, London 1978, S. 48.

[2] A. Tyrell, Gottfried Feder – Der gescheiterte Programmatiker, in: Smelser/Zitelmann, Die braune Elite, Darmstadt 1989, S. 28.

[3] Ebd., S. 29.

[4] Eigenen Angaben zufolge sollen diverse negative Erfahrungen bei Kreditaufnahmeversuchen einen nicht unbeträchtlichen Beitrag zu Feders später hervor getretener Sichtweise bzgl. des Kredit- und Finanzwesens geliefert haben. Vgl. dazu Stachura, S. 49.

[5] Smelser/Zitelmann, S. 28.

[6] Hinweise bzgl. Feders Persönlichkeitsmerkmalen, seinem stark ausgeprägten Individualismus und seiner Egozentrik, lassen sich in weiten Teilen der Forschungsliteratur finden.

[7] Ebd., S. 32.

[8] Zit. nach G. Feder, Das Programm der NSDAP und seine weltanschaulichen Grundgedanken, in: H.-G. Richardi, Hitler und seine Hintermänner, München 1991, S. 106.

[9] R. Wistrich, Wer war wer im Dritten Reich? Ein biographisches Lexikon, Frankfurt a.M. 1993, S. 88.

[10] G. Feder, Der Deutsche Staat auf nationaler und sozialer Grundlage², München 1923, S. 69f.

[11] G. Feder, Kampf gegen die Hochfinanz, München 1933, S. 277.

[12] Ebd., S. 134.

[13] Smelser/Zitelmann, S. 30f.

[14] Richardi, S. 108f.

[15] Feder, Kampf gegen die Hochfinanz, S. 42ff.

[16] Ebd., S. 41.

[17] Smelser/Zitelmann, S. 30f.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Gottfried Feder – Programmatiker der NS-Bewegung in den 20er und 30er Jahren
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Hauptseminar: Völkische Bewegung, Konservative Revolution
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V57850
ISBN (eBook)
9783638521772
ISBN (Buch)
9783638724807
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Bis heute existiert keine Biographie zu einem der Chefideologen der NS-Bewgung der 20er und frühen 30er Jahren. Hier eine Einordnung und eine Annäherung an seine Person.
Schlagworte
Gottfried, Feder, Programmatiker, NS-Bewegung, Jahren, Hauptseminar, Völkische, Bewegung, Konservative, Revolution
Arbeit zitieren
Christian Körber (Autor:in), 2005, Gottfried Feder – Programmatiker der NS-Bewegung in den 20er und 30er Jahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57850

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