Netzwerkartige Organisationsformen; eine ökonomische Austauschform jenseits von Märkten und Hierarchien


Essay, 2004

14 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Gliederung:

1. Zentrale Fragestellungen der Arbeit

2. Unangemessenheit des Markt-Hierarchie-Kontinuums

3. Hauptmerkmale von Netzwerken

4. Gründe für Netzwerkformen

5. Grenzen von Unternehmen

6. Stärken und Schwächen des Ansatzes

1. Zentrale Fragestellung der Arbeit

Wie allgemein bekannt ist, zählt die Koordination neben Spezialisierung (Arbeitsteilung), Konfiguration (Leitungssystem), Entscheidungsdelegation (Kompetenzverteilung) und Formalisierung (Form und Medien der innerorganisatorischen Kommunikation) zu den fünf Dimensionen organisatorischer Strukturen. Unter der Koordinierung oder den Koordinierungsmechanismen verstehen zum Beispiel Kieser und Kubicek „...Regelungen, die der Abstimmung arbeitsteiliger Prozesse und der Ausrichtung von Aktivitäten auf die Organisationsziele ...“ dienen. (Kieser/Kubicek 1992, S. 95f) Zu den innerorganisatorischen Koordinierungsformen zählen laut Mintzberg die gegenseitige Abstimmung, persönliche Weisung, Programme, Pläne und die Standardisierung von Qualifikationen (vgl. Mintzberg 1992) Es gibt aber nicht nur die innerbetrieblichen, das heisst die hierarchischen, sondern auch die zwischenbetrieblichen Koordinierungsformen. Hier lassen sich vor allem Märkte zuordnen. Neben diesen beiden klassischen Koordinierungsformen Hierarchien und Märkten fügt nun Powell eine dritte Kategorie, nämlich die netzwerkartigen Organisationsformen, ein. Ziel dieser Arbeit ist es anhand Powells Aufsatz: „Neither Market nor Hierarchy: Network Forms of Organisations“ festzustellen, wie diese Zuordnung vorgenommen wird. Genauer gesagt, warum das „Markt-Hierarchie-Kontinuum“ nicht angemessen ist, welche Hauptmerkmale bestimmt werden können und was die Gründe für netzwerkartige Organisationen sind. Anschließend werde ich darstellen wie man die Grenzen von Unternehmen definieren kann, indem ich sowohl auf die Grenzen des einzelnen im Netzwerk verankerten Unternehmen, als auch auf das gesamte Netzwerk an sich eingehen werde. Schließlich versuche ich, sofern dies noch nicht im Verlauf des Essays geschehen ist, auf der einen Seite die Stärken und auf der anderen Seite die Schwächen dieses Ansatzes systematisch herauszuarbeiten und mich bei den Schwächen vor allem auf die Begriffe Macht und Vertrauen beziehen.

2. Unangemessenheit des Markt-Hierarchie-Kontinuums

Powells Grundaussage lautet, „ … that relational and network forms of organisations are a clearly identifiable and viable form of economic exchange under certain specifiable circumstances“ (Powell 1990, S. 296) Bisher war die Transaktionskostentheorie das zentrale Kriterium für die Wahl von Organisationen oder Märkten. Transaktionskosten sind etwa Kosten für Planung, Überwachung und Absicherung einer Vereinbarung. Treten solche Transaktionen öfter auf und hat sich transaktionsspezifisches Wissen aufgebaut, so ist es effizienter wirtschaftliche Leistungen durch Organisationen zu koordinieren. Finden dagegen einfache Austauschprozesse statt, werden diese in der Regel auf dem Markt koordiniert. „Exchanges that are straightforward, non-repetetive and require no transaction-specific investments will take place across a market interface.” (Powell 1990, S. 297) Laut Powell gibt es zwei Gründe, warum Organisationen den Märkten vorgezogen werden. (Powell 1990, S. 297) Zum einen die beschränkte Rationalität, das heisst Akteure sind nicht in der Lage bei Vertragsabschluss alle Umstände und Fälle zu berücksichtigen und zum anderen der Opportunismus. Opportunismus meint das listige Streben nach seinem eigenen Vorteil. Das Markt-Hierarchie-Kontinuum besagt nun, dass alle ökonomischen Austauschbeziehungen entweder an den Endpunkten, oder dazwischen als Mischformen zu lokalisieren sind. Powell fügt drei Gründe an, warum seiner Meinung nach dieses Kontinuum nicht zweckmäßig für die Erfassung aller Austauschprozesse ist. Zum einen impliziert die Vorstellung eines Kontinuums, dass Märkte als Anfangspunkt in der evolutionären Entwicklung des Austausches gesehen werden. (Powell 1990, S. 298) Diese Ansicht teilt Powell nicht. Er macht dies deutlich, indem er sich auf Moses Finley bezieht, der berichtet, dass „... there was no market in the modern sense of the term in the classical world.“ (vgl. Finley 1973, zit. nach Powell 1990, S. 298) Denn erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Begriff Markt vom physischen und sozialen Raum getrennt. Zum zweiten stellen auch Hierarchien nicht den Endpunkt der evolutionären Entwicklung dar. „ A long view of business history would suggest that firms with strictly defined boundaries and highly centralized operations are quite atypical.” (Powell 1990, S. 298) Schließlich verschleiert dieses Konzept die Rolle der Reziprozität und Kooperation als alternative Regelungsmechanismen. (vgl. Powell 1990, S. 299) Um diese Gründe zu beweisen stütz sich Powell auf einige Experten, die darlegen, dass wirtschaftliche Beziehungen nicht isoliert betrachtet werden können, dass Märkte zum einen im Kontext lokaler, ethnischer und ökonomischer Kulturen und zum anderen als kulturelle und soziale Konstruktionen betrachtet werden müssen und dass viele ineinander vermischte unterschiedliche Austauschformen existieren. (vgl. Powell 1990, S. 299f.) Powell geht davon aus, dass bestimmte Formen des ökonomischen Austausches sozialer Natur und weniger von formalen Autoritätsstrukturen gekennzeichnet sind. „ ... that is, more dependent on relationships, mutual interests, and reputation …” (Powell 1990, S. 300) Nachdem ich jetzt dargestellt habe, warum für Powell das Konzept des Markt-Hierarchie-Kontinuums nicht angemessen und ausreichend ist, werde ich im folgenden Kapitel näher auf die Kontrastierung der drei Typen des Austausches eingehen, um im vierten Kapitel dann die Merkmale systematisch darzustellen und die Gründe für die Wahl der Netzwerkform wiedergeben.

3. Hauptmerkmale von Netzwerken

Powell geht davon aus, dass Netzwerke eine eigene innere Logik besitzen und damit von den anderen zwei Formen unterschieden werden können. Um diese Unterscheidung deutlich zu machen entwirft er eine Kontrastierung, indem er die stilisierten Modelle von Markt, Hierarchie und Netzwerk beschreibt. (vgl. Powell 1990, S. 301ff) Die stilisierten Modelle sind keine empirische Beschreibung der Realität, sondern nur Idealtypen, die analytisch verglichen werden können. (vgl. Powell 1990, S. 301) Ich werde hier nur die wichtigsten Ansatzpunkte seiner Darstellung anfügen und darüber hinaus versuchen seine Gedanken weiterzuführen, die daraus möglichen resultierenden Konsequenzen aufzudecken und kritisch zu einzelnen Punkten Stellung zu nehmen.

Powell beginnt seine Unterscheidung mit der normativen Basis, auf der die Transaktionen beruhen. Bei Märkten besteht diese Basis vor allem aus vertraglichen Verpflichtungen und Eigentumsrechten und ergibt sich nicht oder nur selten aus persönlichen Beziehungen. Daraus ergeben sich Vorteile, da zum Beispiel auf der einen Seite Vertauen zwischen Organisationen keine notwendige Voraussetzung ist und zum anderen Verstöße gegen diese Verträge mit staatlichen Sanktionen belegt sind. Vertrauensbrüche treten meiner Meinung nach häufiger auf, als er verlauten lässt. Auf die möglichen Probleme ungleicher Machtverteilung werde ich aber noch im letzten Kapitel näher eingehen. In Hierarchien dagegen beruht die normative Basis seiner Meinung nach auf den jeweiligen Arbeitsverhältnissen, die die Arbeitnehmer – und Arbeitgeberbeziehungen charakterisieren. Darüber hinaus spielt auch Vertrauen hier keine bedeutende Rolle, aber dennoch muss in diesem Zusammenhang auf mögliche Interpretationsnotwendigkeiten bezüglich der Inhalte solcher Arbeitsverträge hingewiesen werden, da nur die „Rahmenbedingungen“, wie zum Beispiel die groben Arbeitsinhalte, rechtlich festgelegt sind. (vgl. Müller-Jentsch 1997, S. 31) Sanktionen können in diesem Fall von persönlichen Ansprechen über Abmahnungen bis hin zum Ausschluss von der Organisation reichen. Powell begnügt sich bei der dritten Austauschform mit folgender Aussage: Netzwerkartigen Austauschformen dagegen, „... entail indefinite, sequential transactions within the context of a general pattern of interaction.“ (Powell 1990, S. 301) und beschreibt die normative Basis mit „ complementary strengths“ (Powell 1990, S. 300 Table1) Er macht keine Angaben, was dieses allgemeine Interaktionsmuster charakterisiert und welchen Inhalt der Begriff komplementäre Stärken besitzt. Zur Erklärung der normativen Basis in Netzwerken müssen also andere, sich mit Interaktion beschäftigende Theorieansätze, die meist nur Interaktion zwischen Individuen berücksichtigen, herangezogen und ihre Aussagekraft für Organisationen untersucht werden. (zum Beispiel: Berger/Luckmann 1969[1] ) Sanktionen sind laut Powell im Gegensatz zu Märkten, mit rechtlichen Sanktionen eher normativer Natur, wie zum Beispiel die Wiedergutmachung eines Fehlers oder die Wiederherstellung des Ausgangszustandes sein.

Das zweite Hauptmerkmal, auf das Powell hinweist, ist die Kommunikation oder die Kommunikationswege. Kommunikation auf Märkten sollte ausschließlich durch Preise erfolgen. Allerdings gibt uns die Realität Anlass, worauf in diesem Artikel nicht hingewiesen wird, daran zu zweifeln. Immer wieder werden Fälle von illegalen Preisabsprachen, zum Beispiel bei Infineon, aufgedeckt. (vgl. FAZ.net) Das bedeutet, dass Kommunikation nicht ausschließlich durch Preise erfolgt, sondern auch Beziehungen eine Rolle spielen. In Hierarchien und Netzwerken sind vor allem Beziehungen wichtig. In Hierarchien wird die Kommunikation im Kontext von Beschäftigungsverhältnissen, durch gegenseitige Abhängigkeit und Routine bestimmt, das heisst sie erfolgt durch Orientierung an früheren Interaktionen. Ausschlaggebend sind hierbei vor allem Motive des persönlichen vertikalen Aufstiegs, das die innerbetriebliche Kommunikation prägt. Allerdings wird hier nicht auf die informellen Beziehungen eingegangen, die eine wichtige Rolle in organisatorischen Strukturen einnehmen und auch die Verhältnisse zwischen den Organisationsmitgliedern bestimmen. (vgl. Mikl-Horke 1997, S.127f) In Netzwerken dagegen wird die Kommunikation hauptsächlich von strategischen Überlegungen beeinflusst, die Optionen vorsehen, langfristige Verpflichtungen und Vertrauen zu schaffen. Auf welche Art und Weise diese Überlegungen die Kommunikation beeinflussen und welche Auswirkungen dies hat, wird in dem Artikel nicht näher erläutert.

Weitere wichtige Merkmale sind einerseits die Stärke der Verpflichtungen zwischen den Parteien und andererseits der damit eng in Verbindung stehende Flexibilitätsgrad. Der ideale Markt impliziert die individuelle, auf den eigenen Vorteil bedachte und unkooperative soziale Interaktion. Da der Markt prinzipiell offen für alle ist und nur eine beschränkte persönliche Einbeziehung der Parteien fordert, existiert nur eine sehr schwache Verpflichtung gegenüber Anderen. Zwar müssen eingegangene Verträge erfüllt werden, aber es gibt keine Verpflichtungen bezüglich künftiger Austauschprozesse. Daraus ergibt sich auch der hohe Flexibilitätsgrad von Märkten. Jede Partei und jeder Akteur hat nämlich die freie Auswahl, mit welchen Verhandlungspartnern sie oder er eine Austauschbeziehung eingeht. Dies ermöglicht eine schnelle und effiziente Reaktion auf eventuell auftretende Veränderungen oder Bedingungen. In Hierarchien ist der Grad der Verpflichtungen höher als auf Märkten. Da in der tabellarischen Übersicht nur eine mittel bis hoch starke Verpflichtung angegeben ist, versuche ich die Art der Verpflichtung mit Inhalt zu füllen. Die gegenseitigen Verpflichtungen sind vor allem durch die Arbeitsverträge, die Arbeitsorganisation und die Organisationsstruktur bestimmt. In den Arbeitsverträgen werden unter anderem die Verpflichtungen des Arbeitnehmers definiert. Weiterhin wird ihm dadurch ein bestimmter Platz in der Hierarchieebene des Unternehmens zugewiesen und die Entscheidungsdelegation festgesetzt und legitimiert. Konkret bedeutet das, dass die Verpflichtungen gegenüber den Mitarbeitern beziehungsweise den Vorgesetzten von vornherein festgelegt und definiert ist. Bezüglich der Arbeitsorganisation und Organisationsstruktur lässt sich folgendes sagen: Alle Mitglieder einer Organisation besitzen die grundsätzliche Verpflichtung sich den Organisationszielen zu widmen. Je nach Art der Arbeitsorganisation und Position im Unternehmen variiert die Stärke. Existieren zum Beispiel innerorganisatorische Märkt, wie Profit-Center ist die Verpflichtung gegenüber anderen Organisationsmitgliedern geringer als in stark funktional arbeitsteiligen Abteilungen, bei denen zum Beispiel sequenzielle Interdependenzen vorliegen. Diese Abhängigkeiten bewirken auch einen relativ niedrigen Flexibilitätsgrad, da etwaige Veränderungen und Innovationen in bürokratischen Organisationen durch formelle Strukturen gebremst und verhindert werden. In Netzwerken dagegen liegen andere Arten der Verpflichtungen und damit unterschiedliche Stärken vor. Eine bei Netzwerken grundlegende Annahme ist die Abhängigkeit von Ressourcen anderer, vor allem spezifisches Wissen und die Notwendigkeit aus der Kombination von Ressourcen entstehenden Vorteile zu nutzen. Dies zwingt die verschiedenen Partnern zu Kooperation. Sie sind also, „ ... engaged in reciprocal, preferential, mutually supportive actions.” (Powell 1990, S. 303) Das dazu notwendige Vertrauen zwingt sie also auf ihr Recht den eigenen Vorteil auf Kosten anderer zu nutzen. Powell lehnt sich zur Stützung dieser Aussage an Macneil an, der vorschlug, dass „... the ‚ entangling strings’ of reputation, friendship, interdependence, and altruism become integral parts of the relationship.“ (vgl. Macneil 1985, zit. nach Powell 1990, S. 304) Durch gegenseitige Verpflichtungen und Kooperation, können wie bereits oben angemerkt Vorteile entstehen, die sich auch auf die Flexibilität auswirken können. So ist es zum Beispiel möglich neue Märkte durch neu eingeführte Produkte zu erschließen, deren Entwicklung nur durch Kooperation und Wissensaustausch mit anderen Netzwerkpartnern möglich war. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Flexibilität in Netzwerken höher als in Hierarchien, aber niedriger als in Märkten ist. Powell beschreibt noch weitere sich unterscheidende Merkmale von Märkten, Hierarchien und Netzwerken, wie die Atmosphäre oder Methoden der Konfliktbewältigung, die miteinander in Beziehung stehen. Eine tabellarische Zusammenstellung des Vergleiches findet sich im Anhang. Nachdem ich dargestellt habe, wie sich netzwerkartige Organisationsformen von Märkten und Hierarchien unterscheiden, werde ich die Gründe für die Wahl von Netzwerken, die Powell beschreibt, anführen.

[...]


[1] Die Theorie von Berger und Luckmann ist ein phänomenologischer Ansatz, der versucht die Gesellschaft als ein menschliches Produkt, also sozial konstruiert, zu beschreiben. Dies erklären die Autoren durch Bezugnahme auf Interaktion von Individuen.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Netzwerkartige Organisationsformen; eine ökonomische Austauschform jenseits von Märkten und Hierarchien
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Note
2,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
14
Katalognummer
V57544
ISBN (eBook)
9783638519885
ISBN (Buch)
9783638836876
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Netzwerkartige, Organisationsformen, Austauschform, Märkten, Hierarchien
Arbeit zitieren
Carlo Cerbone (Autor:in), 2004, Netzwerkartige Organisationsformen; eine ökonomische Austauschform jenseits von Märkten und Hierarchien , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57544

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