Der Supreme Court der Vereinigten Staaten im Wechselspiel der politischen Gewalten. Die demokratische Legitimität des höchsten Gerichtes der USA


Hausarbeit, 2005

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) Fakten zum Supreme Court
2.1 Geschichte / Entwicklung
2.2 Gerichtsbarkeit und Kompetenzen des Supreme Courts sowie Befugnisse des Kongresses und des Präsidenten
2.3 Verfahren

3) Strategische Einflussnahme auf den Supreme Court
3.1 „The Nomination Game“ – Berücksichtigung politischer Konstellationen
3.2 Verzögerung als Strategie
3.3 Kurzzeit- und Langzeiterfolge des Präsidenten
3.4 Erfolg durch einstimmige Richterblöcke
3.5 Die Rolle des Solicitor General

4) Supreme Court Urteile in regierungsbezogenen Fällen

5) Die öffentliche Meinung und der Supreme Court

6) Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

1) Einleitung

“Scarcely any political question arises in the United States that is not resolved sooner or later,

into a judicial question.”[1]

Diese Aussage von Alexis de Tocqueville betont die hohe Stellung der Judikative und deren Verknüpfung mit politischen Entwicklungen in den Vereinigten Staaten. Den Aufbau des Gerichtssystems legt die Verfassung hierbei wie folgt fest:

“The judicial Power of the United States, shall be vested in one supreme Court, and in such inferior Courts as the Congress may from time to time ordain and establish.”[2]

Demnach stellt der Supreme Court die höchste Instanz der US-amerikanischen Judikative dar, während die anderen nationalen Gerichte erst im Judiciary Act von 1789 durch den Kongress geschaffen wurden.[3] Aufgrund seiner bedeutenden Stellung im politischen Machtgefüge der USA stand und steht der Supreme Court im Zentrum zahlreicher Studien, die unter anderem die demokratische Legitimität des Gerichtes hinterfragen. Während Exekutive und Legislative ihre demokratische Berechtigung aus der direkten Wahl durch das Volk schöpfen können, scheint das oberste Gericht zunächst ungebunden und somit potentiell der mehrheitlichen Meinung entgegen wirkend. Angesichts seines starken Einflusses auf grundlegende politische Entwicklungen, wurde dem Supreme Court daher oft eine anti-mehrheitliche Tendenz vorgeworfen, die die Demokratie in ihren Grundwerten unterwandert.[4] Dahl brachte 1957 jedoch eine Hypothese auf, die die soeben nachgezeichnete Argumentation entkräften sollte: Seine Analyse des Supreme Court ergab, dass dieser nur in sehr wenigen Fällen die Gesetze der legislativen Mehrheit für ungültig erklärt hatte, obwohl ihm dieses Recht aufgrund des Prinzips des judicial review zusteht (siehe Kapitel 2.2). Dies führt Dahl darauf zurück, dass der Präsident durch seine Kompetenz, die Richter des obersten Gerichtes zu ernennen, die ideologische Haltung des Supreme Court der seinigen anpassen kann. Des weiteren ging Dahl davon aus, dass Präsident und Senat, welcher die Nominierungen des Präsidenten mit einfacher Mehrheit bestätigen muss, einer gemeinsamen dominanten politischen Koalition angehörten und dass das Gericht meistens ideologisch sehr ausgewogen sei. Bedenke man ferner, dass jeder Präsident im Durchschnitt die Gelegenheit zu zwei Richterernennungen erhält (durchschnittlich wird alle 22 Monate ein Richterposten frei), reiche diese Zahl aus um die Urteile des geteilten Gerichtes im Sinne des Präsidenten zu kippen. Demnach könne die öffentliche Meinung über die Wahl der Exekutive und Legislative auch die Judikative an den Kurs der Mehrheit binden.[5]

Es wird unter anderem das Ziel dieser Arbeit sein, Dahls Hypothese zu hinterfragen und eventuelle Modifikationen vorzuschlagen. Weist der Supreme Court tatsächlich eine anti-mehrheitliche Tendenz auf? Gelingt es dem Präsidenten, potentielle Kandidaten einzuschätzen und gleichgesinnte Richter in das oberste Gericht zu befördern? Wie entwickelt sich das tatsächliche Abstimmungsverhalten der ernannten Richter auf Dauer? Und welche Verbindung besteht zwischen der öffentlichen Meinung und dem ideologischen Tenor der Supreme Court Urteile? Schlägt sich die ideologische Haltung der Öffentlichkeit überhaupt in der ideologischen Zusammensetzung des Kongresses und den Einstellungen des Präsident nieder?

Um diesen Fragen nachzugehen, wird zunächst der institutionelle Rahmen der Interaktion zwischen den Staatsgewalten abgesteckt, um eine faktenbezogene Basis für die spätere Argumentation zu legen. Hierzu werden einige Fakten zu Entwicklung, Kompetenzen und Verfahren des Gerichts sowie zu Befugnissen der anderen beiden Gewalten in Bezug auf den Supreme Court erläutert. Das dritte Kapitel wendet sich dann den verschiedenen Möglichkeiten von Exekutive und Legislative, strategischen Einfluss auf das oberste Gericht auszuüben, zu. Primär wird es um den Machtbereich des Präsidenten gehen, da dessen Ernennungskompetenz in Dahls Hypothese die Ursache für die Konformität des Gerichts darstellt. Jedoch werden auch die taktischen Überlegungen der Senatoren im Rahmen der Bestätigung von Nominierten angesprochen, um die Limits des präsidentiellen Handlungsspielraum besser zu erkennen. Insgesamt dient dieses Kapitel dazu, die tatsächliche Übereinstimmung zwischen den policy-Positionen von Präsidenten und ihren Richtern sowie deren Auswirkung auf die ideologische Tendenz der Urteile. Vertieft wird diese Analyse in Kapitel 4, in welchem das Abstimmungsverhalten einzelner Richter in jenen Prozessen, die Machtbefugnisse des Präsidenten oder seiner exekutiven Behörden betreffen, diskutiert wird. Hierbei soll Dahls Annahme, dass Richter in ihren Urteilen Treue zu ihren ernennenden Präsidenten beweisen, geprüft werden. Schließlich wird in Kapitel 5 noch die Wechselwirkung zwischen öffentlicher Meinung und ideologischer Haltung des Supreme Court genauer beleuchtet, da der Zusammenhang zwischen beiden im Zentrum von Dahls Hypothese steht, auch wenn bei ihm häufiger von der dominanten politischen Koalition als Abbild der mehrheitlichen Stimmung in der Bevölkerung die Rede ist.

Die Arbeit ist insgesamt auf einer generalisierenden und systematischen Ebene angesiedelt und behandelt konkrete historische Beispiele und Präsidenten nur im Kontext der verschiedenen diskutierten Studien. Daher wird auch auf herausragende Ereignisse in der Geschichte des Gerichts, wie z.B. der „Court-packing“-Versuch von Franklin D. Roosevelt[6] nicht eingegangen.

2) Fakten zum Supreme Court

2.1 Geschichte / Entwicklung

Zum ersten Mal trat der Supreme Court am 1. Februar 1790 in New York zusammen, wechselte jedoch später seinen Sitz nach Philadelphia und schließlich nach Washington D.C. Seine bedeutende Stellung im politischen Machtgefüge der USA gewann das Gericht jedoch erst unter Chief Justice John Marshall, der die Befugnisse der nationalen Regierung zu Kosten der Einzelstaaten erweiterte und in Marbury vs. Madison (1903) das Prinzip des judicial review einführte. Diese rechtliche Neuerung erlaubt es dem Supreme Court vom Kongress erlassene Gesetze für ungültig zu erklären, wenn er diese für unvereinbar mit der Verfassung befindet. Während der Judiciary Act von 1789 die Zahl der Richter noch auf sechs festlegte, veränderte der Kongress diese Bestimmung im Laufe der nächsten 80 Jahre mehrmals, bis die heutige Zahl von neun Richtern im Circuit Judges Act von 1869 festgeschrieben wurde. Diese setzten sich aus einem Vorsitzenden (Chief Justice) und acht beigeordneten Richtern (Associate Justices) zusammen.[7]

2.2 Gerichtsbarkeit und Kompetenzen des Supreme Courts sowie Befugnisse des Kongresses und des Präsidenten

Artikel III, Section 2 der US-Verfassung legt den Zuständigkeitsbereich des Supreme Court wie folgt fest:

“Clause 1: The judicial Power shall extend to all Cases, in Law and Equity, arising under this Constitution, the Laws of the United States, and Treaties made, or which shall be made, under their Authority;--to all Cases affecting Ambassadors, other public Ministers and Consuls;--to all Cases of admiralty and maritime Jurisdiction;--to Controversies to which the United States shall be a Party;--to Controversies between two or more States;--between a State and Citizens of another State; --between Citizens of different States, --between Citizens of the same State claiming Lands under Grants of different States, and between a State, or the Citizens thereof, and foreign States, Citizens or Subjects.”[8]

In Clause 2 wird jedoch die ursprüngliche Gerichtsbarkeit auf jene Fälle, in denen Botschafter, Minister, Konsule oder Staaten als Partei auftauchen, begrenzt während in allen anderen Fällen nur Berufungsgerichtsbarkeit besteht. Ferner kann letztere laut Verfassung durch den Kongress geregelt und beschnitten werden. Auf der anderen Seite hat der Supreme Court, wie oben beschrieben, sich das Recht des judicial review erkämpft und seine Richter können laut Verfassung nur durch ein Impeachment - Verfahren aufgrund von Landesverrat, Bestechung oder anderer schwerer Verbrechen ihres Amtes enthoben werden. Auch die Bezahlung ist vor äußeren Eingriffen geschützt.[9]

Neben der Befugnis, die Richter des Supreme Court zu ernennen, hat die Verfassung dem Präsidenten zudem das Recht der Begnadigung einzelner Personen oder Gruppen sowie des Strafaufschubs eingeräumt. Fords Straferlass für Nixon ist wohl das berühmteste Beispiel für die Umsetzung dieser Befugnis.

Über diese verfassungsrechtlichen Kompetenzen hinaus hat sich aus dem System der Gewaltenteilung außerdem das Konzept der exekutiven Immunität entwickelt, das es dem Supreme Court nicht ermöglicht, den Präsidenten von politischen Handlungen abzuhalten.[10]

Letztendlich hat das Gericht die Möglichkeit die „political question doctrine“ geltend zu machen, und sich somit bei Prozessen, die es für zu politisch hält, selbst die Zuständigkeit zu entziehen und ein Urteil zu verweigern.[11]

2.3 Verfahren

Ist ein Kläger bestrebt, eine Berufung vor dem Supreme Court einzulegen, muss er zunächst ein writ of certioari einreichen. Ist ein certioari durch vier Richterstimmen erlangt, so kommt es nach einigen schriftlichen Vorbereitungsverfahren zur Anhörung, in der jeder Partei 30 Minuten Redezeit gewährt wird. Anschließend ziehen sich die Richter zur internen Beratung zurück und verkünden schließlich in der „majority opinion“, der mindestens fünf Richter anhängen müssen, ihr Urteil. Wer den Vorzug erhält, diese zu verfassen, entscheidet der Chief Justice (wenn er der Mehrheit anhängt), während alle anderen Richter in concurring und dissenting opinions ebenfalls ihre Meinung erläutern können.[12]

[...]


[1] Tocqueville, Alexis de, Democracy in America, New York 1956, S. 74.

[2] Article III, Section 1 of the Constitution of the United States of America, Philadelphia, 1787. http://www.house.gov/Constitution/Constitution.html

[3] Die anderen nationalen Gerichte bestehen aus dreizehn Federal District Courts, drei Federal Circuit Courts und einigen nationalen Berufungsgerichte, vgl. The Judiciary Act of 1789, http://usinfo.state.gov/usa/infousa/facts/democrac/8.htm

[4] Vgl. Segal, Jeffrey A. / Timpone, Richard J. / Howard, Robert M., Buyer Beware? Presidential Success through Supreme Court Appointments, in: Political Research Quarterly, Band 53, Nr. 3, 2000, S.568 ff.

Vgl. Hodder-Williams, Richard, The Politics of the US Supreme Court, London 1980, S. 19 ff.

[5] Vgl. Dahl, Robert, Decision-Making in a Democracy. The Supreme Court as a National Policy-Maker, in: Journal of Public Law, Band 6, 1957, S. 179-295.

Vgl. Abraham, Henry J., Justices and Presidents. A Political History of Appointments to the Supreme Court, 2te Ausgabe, New York / Oxford 1985, S. 24 f.

[6] Vgl. Witt, Elder, Congressional Quarterly’s Guide to the U.S. Supreme Court, 2te Ausgabe, Washington 1990, S. 688 f.

[7] Vgl. Sheldon, Charles, A Century of Judging. A Political History of the Washington Supreme Court, Washington 1988, S.14-27.

Vgl. Offizielle Website des Supreme Court: http://www.supremecourtus.gov/about/institution.pdf

[8] Article III, Section 2 of the Constitution of the United States of America.

[9] Artikel III, Constitution of the United States of America, Philadelphia, 1787.

[10] Vgl. Witt, S. 209 ff, S. 222-30.

[11] Hodder-Williams, S.68 f.

[12] Vgl. Witt, S.735-53.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Supreme Court der Vereinigten Staaten im Wechselspiel der politischen Gewalten. Die demokratische Legitimität des höchsten Gerichtes der USA
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V57443
ISBN (eBook)
9783638518987
ISBN (Buch)
9783640859757
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Supreme, Court, Vereinigten, Staaten, Wechselspiel, Gewalten, Legitimität, Gerichtes
Arbeit zitieren
Niklas Amani Schäfer (Autor:in), 2005, Der Supreme Court der Vereinigten Staaten im Wechselspiel der politischen Gewalten. Die demokratische Legitimität des höchsten Gerichtes der USA , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57443

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Supreme Court der Vereinigten Staaten im Wechselspiel der politischen Gewalten. Die demokratische Legitimität des höchsten Gerichtes der USA



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden