Die Rechtsstellung des Aktionärs im deutschen Aktienrecht


Seminararbeit, 2006

44 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

1. Die Rechtsstellung der Aktionäre im Überblick
1.1 Die Rechtsnatur der Aktiengesellschaft
1.2 Regelungsquellen für Aktiengesellschaften
1.3 Aktionär und Aktie
1.4 Minderheits- und Mehrheitsaktionär
1.5 Die Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs im Überblick
1.6 Abspaltungsverbot bei Mitgliedschaftsrechten
1.7 Gläubigerrechte
1.8 Sonderrechte
1.9 Die Pflichten des Aktionärs im Überblick
1.10 Gleichbehandlungsgebot

2. Die Rechte der Aktionäre im Einzelnen
2.1 Die Rechte der Hauptversammlung
2.2 Das Teilnahmerecht des Aktionärs an der Hauptversammlung
2.3 Das Rederecht des Aktionärs auf der Hauptversammlung
2.4 Das Auskunftsrecht des Aktionärs auf der Hauptversammlung
2.5 Das Antragsrecht des Aktionärs auf der Hauptversammlung
2.6 Das Stimmrecht des Aktionärs auf der Hauptversammlung
2.7 Das Anfechtungsrecht und Nichtigkeitsrecht bei Beschlüssen der HV
2.8 Allgemeine Klagerechte des Aktionärs (Aktionärsklage)
2.9 Zusammenfassung

3. Die Pflichten der Aktionäre im Einzelnen
3.1 Die mitgliedschaftliche Treuepflicht des Aktionärs
3.2 Minderheitenschutz

4. Interessenskonflikte von Minderheits- und Mehrheitsaktionären anhand des Falles T-Online
4.1 Ausgangssituation
4.2 Regelungen zum Minderheitenschutz im UmwG
4.3 Vorgaben zur Aktionärsabfindung und zum Umtauschverhältnis bei Verschmelzungen
4.4 Inhaltliche Rügen gegen den Verschmelzungsbeschluss
4.5 Einwände gegen den Verschmelzungsbericht
4.6 Vorläufiges Fazit

5. Aktionärsforum nach § 127a AktG

6. Überblick über die Aktionärsstellung im russischen Recht

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Unternehmensbeteiligungen in Form von Aktien haben in den letzten Jahren immer mehr an Beliebtheit gewonnen und sind nunmehr auch bei einem Großteil der „normalen Bürger“ entweder unmittelbar (durch Aktien direkt) oder mittelbar (durch Fonds und andere Finanzprodukte) fester Bestandteil der Vermögensanlage. Der Staat mit seinen finanzschwachen Sozialsystemen, insbesondere den instabilen Rentenkassen, erhofft sich dadurch einerseits eine Streuung der Altersversorgung hin zu anderen Sparformen und andererseits auch ein verbessertes Investitionsklima für Unternehmen.

Doch Aktien sind kein risikoloses Anlageprodukt. Zahlreiche Enttäuschungen und Ernüchterung gingen mit dem Einbruch des Börsenbooms im Jahre 2001 einher. Aktien sind Risikokapital und Aktionäre entsprechend Risikokapitalgeber, immer der Gefahr ausgesetzt, am Ende alles zu verlieren. Aus diesem Grunde dürfen sie der Gesellschaft und den Mitaktionären nicht schutzlos gegenüberstehen.

Unter dem Leitbild einer guten Corporate Governance (Unternehmensführung), bemüht sich der deutsche Gesetzgeber, die Interessen der Anteilseigner, ausgehend von einem „Stakeholder-Value-Ansatz“, mit den Interessen der übrigen Bezugsgruppen, wie Management, Belegschaft, Banken, Lieferanten und Kunden, in Einklang zu bringen.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Rechtsstellung des Aktionärs im deutschen Aktienrecht, stets auch mit Blick auf die Grundsätze einer guten Corporate Governance. Einleitend erfolgt ein kurzer Überblick, der die Rechtsnatur der Aktiengesellschaft, die Regelungsquellen des Aktienrechts sowie die wichtigsten Begriffsabgrenzungen aufzeigt.

Im zweiten und dritten Abschnitt erfolgt eine ausführliche Darstellung der Rechte und Pflichten des Aktionärs im deutschen Recht. Im vierten Kapitel werden Interessenkonflikte zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären am Fall T-Online beschrieben. Mit Umsetzung des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) ins Aktiengesetz wurden zudem zahlreiche neue Elemente implementiert, die den Aktionären bzw. bestimmten Aktionärsgruppen zugute kommen sollen. Das fünfte Kapitel beschreibt daher kurz das neu geschaffene Aktionärsforum.

In Bezug auf das deutsche Recht erfolgt im sechsten Abschnitt eine vergleichende Betrachtung der Aktionärsstellung im russischen Aktienrecht, um entsprechend Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Abschließend soll ein kurzes Fazit gezogen werden.

1. Die Rechtsstellung der Aktionäre im Überblick

1.1 Die Rechtsnatur der Aktiengesellschaft

Um auf die Rechte der Aktionäre näher eingehen zu können, bedarf es zunächst einer Begriffserklärung und der Unterscheidung verschiedener Typen von Aktiengesellschaften.

Die AG ist eine auf Dauer angelegte, privatrechtliche Organisationsform, die, ähnlich wie bei anderen wirtschaftlichen Rechtsformen, zur Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes gegründet wird. Gemäß § 3 AktG gilt die AG stets als Handelsgesellschaft, auch wenn der gesellschaftsvertraglich geregelte Gegenstand ein anderer ist. Sie ist als Handelsgesellschaft Kaufmann kraft Rechtsform (§ 3 Abs. 1 AktG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB).

Als juristische Person unterscheidet sie sich aufgrund der im § 1 Abs. 1 AktG verankerten Begrenzung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen wesentlich von Personengesellschaften, deren Gesellschafter überwiegend persönlich, gesamtschuldnerisch, unbeschränkt und unbeschränkbar für die (Personen-) Gesellschaftsverbindlichkeiten haften (vgl. § 128 HGB). Des Weiteren ist die AG eigenständige Trägerin von Rechten und Pflichten und besteht als solche erst mit Eintragung in das Handelsregister (vgl. § 41 Abs. 1 AktG).

Die AG hat gem. § 1 Abs. 2 AktG ein in Aktien zerlegtes Grundkapital. Die Gesellschafter der Aktiengesellschaften werden als Aktionäre bezeichnet und sind Inhaber der Aktien. Die Mitgliedschaftsrechte eines Aktionärs ergeben sich aus ihren Anteilen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital.

Nach dem gesetzlichen Grundgedanken ist die Aktiengesellschaft als eine Publikumsgesellschaft konzipiert, die einem breiten Anlegerkreis zugänglich sein soll.1 Dies lässt sich beispielsweise aus der Handelbarkeit der Gesellschaftsanteile auf einem überaus organisierten staatlich überwachten Wertpapiermarkt (Börse) ableiten. Aufgrund der Fungibilität der Aktien wird deutlich, dass sich die Mitgliedschaft in einer Aktiengesellschaft (zumindest bei der Publikumsgesellschaft) wesentlich von Beteiligungen an anderen Rechtsformen unterscheidet. Im Regelfall kennen sich die Gesellschafter untereinander nicht und sie sind überwiegend mit ihren eigenen Vermögensinteressen, als mit den Interessen der Gesellschaft verbunden.2

Diese, eher die börsennotierte Aktiengesellschaft charakterisierenden Merkmale, sind jedoch keineswegs zwingend. So ist eine AG beispielsweise nicht verpflichtet, ihre Gesellschaftsanteile auf dem Wertpapiermarkt dem freien Handel zu unterziehen. Es ist festzustellen, dass von den ca. 15.000 Aktiengesellschaften in Deutschland gerade einmal knapp 1.000 an der Börse notiert sind.3

Besteht eine AG aus einem kleinen überschaubaren Aktionärskreis, so spricht man von einer personalistischen Aktiengesellschaft. Für diese hat der Gesetzgeber eigens zugeschnittene Regelungen ins Aktiengesetz übernommen, da die der Satzungsstrenge unterliegenden gesetzlichen Vorgaben einer kapitalistischen Aktiengesellschaft oft sehr kostspielig und unverhältnismäßig für kleine AGen sind.4

Auch börsennotierte Aktiengesellschaften können aus einem kleinen (und durchaus überschaubaren) Aktionärskreis bestehen, und zwar dann, wenn die Mehrheit der Aktien von einer kleinen Zahl von Personen gehalten wird. Man spricht hier auch von majorisierten Gesellschaften, da sie durch einen oder wenige Aktionäre beherrscht werden.5

Wie bereits angedeutet, ergeben sich nach Größe, Börsennotiertheit und Aktionärskreis der AG unterschiedliche Interessenslagen für die Gesellschafter. In der vorliegenden Arbeit wird auch mit Bezug auf die Corporate Governance überwiegend auf die börsennotierte Aktiengesellschaft abgestellt.

Grund für die Wahl einer Aktiengesellschaft als Rechtsform ist in vielen Fällen eine beabsichtigte oder für später geplante Beschaffung größerer Kapitalmengen. Dies lässt sich aufgrund der Börsentauglichkeit der Gesellschaftsanteile auch optimal realisieren, wobei der oft erwähnte „Börsengang“ sich gar nicht an der Börse selbst vollzieht, sondern im Vorfeld über Banken oder Bankenkonsortien umgesetzt wird. Hierbei wird das sich im Besitz von Alt- oder Gründungsaktionären befindliche und in Aktien zerlegte Grundkapital einer breiten Öffentlichkeit zu einem im Regelfall höheren Preis angeboten, um der Aktiengesellschaft Eigenkapital zuzuführen.6 Man spricht bei der AG auch von einem Kapitalsammelbecken.

Der eigentliche Aktienhandel an den Börsen wirkt sich nicht auf die Vermögenslage der Aktiengesellschaft aus. Ausnahme stellt lediglich der (grundsätzlich verbotene) Besitz eigener Aktien durch die AG dar. Sieht man hiervon einmal ab, so betreffen Wertverluste und Wertsteigerungen des Aktien- bzw. Börsenhandels im Wesentlichen nur die Aktionäre selbst, der Gesellschaft hingegen fließt hierbei kein neues Kapital zu bzw. ab. Möchte die AG neue Finanzmittel über Eigenkapital generieren, so ist sie auf eine Erhöhung des Grundkapitals (Kapitalerhöhung) angewiesen.

Geprägt ist die Aktiengesellschaft vom Grundsatz der Trennung von Herrschaft und Eigentum. Diesem wird durch die obligatorische Einrichtung diverser Organe Rechnung getragen. So obliegt die Geschäftsführung und Vertretung grundsätzlich dem Vorstand. Gemäß § 76 AktG hat er die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten, d.h. er ist grundsätzlich nicht weisungsgebunden. Bestellungs-, Abberufungs- und Kontrollgremium des Vorstandes ist der Aufsichtsrat, welcher sich je nach Höhe des Grundkapitals aus einer Zahl von 3 bis 21 Mitgliedern zusammensetzt (vgl. § 95 AktG). Die Struktur des Aufsichtsrates hängt davon ab, ob die Aktiengesellschaft der Mitbestimmung unterliegt. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften wird abhängig von der Arbeitnehmerzahl im Regelfall eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrates aus Arbeitnehmer- und Aktionärsvertretern erfolgen.7 Um einer rechtlich bedenklichen und enteignend wirkenden Patt-Situation entgegen zu wirken, sind im Mitbestimmungsgesetz Mechanismen enthalten, die im Endeffekt zu einer Entscheidungsgewalt der Anteilseigner führen.8 Bei kleineren Aktiengesellschaften mit einer Arbeitnehmerzahl zwischen 500 und 2000 kommt das Drittelbeteiligungsrecht zur Anwendung, wonach die Anteilseigner den Aufsichtsrat zu 2/3 und die Arbeitnehmerseite entsprechend zu 1/3 besetzen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Aufsichtsrat im Regelfall durch Anteilseigner dominiert wird. Auf die Mitbestimmung wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen. Neben der anteiligen Einflussnahme der Anteilseigner im Aufsichtsrat üben Aktionäre ihre Rechte primär in der Hauptversammlung aus. Dort können sie u.a. über die Verwendung des Bilanzgewinns, Satzungsänderungen und die Besetzung des Aufsichtsrates mit Aktionärsvertretern entscheiden. Mit den Rechten der Aktionäre in der Hauptversammlung beschäftigt sich der Abschnitt 2.1 ausführlich.

1.2 Regelungsquellen für Aktiengesellschaften

a) Regelungsquellen auf nationaler Ebene

Wesentliche Regelungsquelle für die Aktiengesellschaft und somit auch für die Rechte und Pflichten der Aktionäre ist das Aktiengesetz. Ergänzend kommen auch Vereinsrecht und das Bürgerliche Gesetzbuch zur Anwendung. Entscheidende Besonderheit des Aktienrechts ist die in § 23 AktG festgeschriebene Satzungsstrenge, d.h. die Satzung der AG darf nur dann vom Gesetz abweichende Regelungen enthalten, wenn dies ausdrücklich erlaubt ist. Hier besteht einer der wesentlichsten Unterschiede zur GmbH, bei der die „Satzung“ (bezeichnet als Gesellschaftsvertrag) grundsätzlich abweichend zum Gesetz verfahren kann, es sei denn, es besteht ein ausdrückliches Verbot. Daneben spielen auch die Vorschriften des Handelsgesetzbuches, insbesondere über die Rechnungslegung (§§ 238 ff. HGB) eine wichtige Rolle9.

Bedeutend für die börsennotierte Aktiengesellschaft sind natürlich auch die zahlreichen Regelungen des Kapitalmarktrechtes, die sich nicht zuletzt auch auf die Aktionäre auswirken. Zwar soll das Kapitalmarktrecht in erster Linie die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes aufrechterhalten, doch dient es nicht zuletzt auch aufgrund der immer größer werdenden Bedeutung der Aktie als Anlageform und Mittel zur Alterssicherung auch dem Schutz der Anleger. Die steigende Beliebtheit der Aktie als Sparform für Privatanleger in den vergangenen Jahren einerseits und die zahlreich enttäuschten Erwartungen andererseits verstärkten den Bedarf an umfassenden gesetzlichen Regelungen, die das Vertrauen der Menschen in den Kapitalmarkt sichern. Das reine Gesellschaftsrecht konnte diesem Bedürfnis nicht Rechnung tragen. Daher brachten diverse Finanzmarktförderungsgesetze seit 1994 u.a. das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), das Wertpapierprospektgesetz (WpPG), das Depotgesetz (DepotG) oder auch das Investmentgesetz (InvG) hervor. All diese das Börsengesetz und Aktiengesetz ergänzenden Vorschriften sollen einerseits den erwähnten Funktionsschutz eines funktionierenden Kapitalmarktes und auch den notwendigen Anlegerschutz realisieren. Auf diese Regelungen wird im Rahmen dieser Arbeit nicht vertiefend eingegangen.

Eine ebenfalls große Bedeutung bei börsennotierten Aktiengesellschaften kommt dem Deutschen Corporate Governance Kodex zu, der zwischen dem Aktien- und Kapitalmarktrecht anzusiedeln ist.10 In § 161 AktG werden börsennotierte Aktiengesellschaften verpflichtet, jährlich zu erklären und den Aktionären zugänglich zu machen, ob sie die Vorgaben dieser Regierungsempfehlung einhalten. Der Kodex stellt wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften dar und enthält international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung. Er verdeutlicht die Rechte der Aktionäre, die der Gesellschaft das erforderliche Eigenkapital zur Verfügung stellen und das unternehmerische Risiko tragen.11 Der Kodex formuliert ca. 60 Verhaltensregeln (Soll- Vorschriften) und ca. 15 Anregungen (Kann-Regelungen), welche sich als Selbstverpflichtung an die Organe börsennotierter Gesellschaften richten und Standards guter Unternehmensführung im Sinne eines „Code of Best Practice“ darstellen. Soweit der Kodex lediglich geltendes Gesetzesrecht wiedergibt, handelt es sich um reine Informationen ohne Rechtsetzungscharakter. Verhaltensregelungen und Anregungen kommt keine Rechtsverbindlichkeit zu, da es sich ausdrücklich um unverbindliche Verhaltensempfehlungen handelt. Man spricht in diesem Zusammenhang beim CG-Kodex auch von „Soft-Law“, wobei hiermit auch keine Zuschreibung einer abgeschwächten Rechtsverbindlichkeit verstanden werden darf.12

Die Bedeutung des DCGK für Aktionäre ist dennoch groß, da er deren Rechte verdeutlichen soll und nationalen und internationalen Anlegern das deutsche Corporate Governance System transparent und nachvollziehbar machen will. Letztendlich handelt es sich bei der Aktiengesellschaft um eine „Veranstaltung der Gesellschafter“, so dass den Interessen der Anteilseigner als Risikokapitalgeber eine besondere Bedeutung beigemessen werden muss.

b) Regelungsquellen auf europäischer Ebene

Hier sind die Grundfreiheiten des EU-Vertrages von zentraler Bedeutung, z.B. die Niederlassungsfreiheit (Art.43, Art.48 EG) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art.56 EG). Des Weiteren prägen verstärkt die EG-Richtlinien die nationale Gesetzgebung, u.a. die Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.04 „zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einen geregelten Markt zugelassen sind“, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, die sog. Transparenzrichtlinie13. Mit einer durchaus positiven Grundeinstellung hinsichtlich der Kleinanlegerinteressen treten dabei die EU-Regelungsinstanzen auf. Die Kommission zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union zählt z.B. zu den Prioritäten die Stärkung der Aktienrechte in börsennotierten Gesellschaften auf EU-Ebene14.

c) Die Satzung einer Aktiengesellschaft

Die Satzung ist als Summe jener rechtsgeschäftlich aufgestellten Normen zu sehen, welche in Ergänzung oder Abänderung des Gesetzes die körperschaftlichen Rechtsverhältnisse der Gesellschaft regelt15. Den Grundsatz Satzungsautonomie hat der Gesetzgeber mit Einschränkungen in § 23 Abs.5 AktG fest verankert. Der notwendige Inhalt der Satzung, wie die Höhe des Grundkapitals, die Gattung der Aktien, die Firma, der Sitz und der Gegenstand des Unternehmens und die Zahl der Mitglieder des Vorstandes bzw. die Regeln zur Festlegung dieser Zahl ist in § 23 Abs.2,3 und 4 AktG bestimmt.

1.3 Aktionär und Aktie

Die Anteilseigner einer Aktiengesellschaft werden als Aktionäre bezeichnet. Die Aktionärsstellung kann bei der Teilnahme an der Gründung einer AG entstehen, sowie durch Übernahme von Aktien bei einer Kapitalerhöhung oder indem man die Mitgliedschaft von einem Dritten erwirbt16. Die Aktie wird als Mitgliedschaftspapier bezeichnet. Sie ist Eigentum des Aktionärs und stellt die verbrieften Rechte und Pflichten des Aktionärs bzw. Mitglieds der Gesellschaft dar. Die Aktie kann gemäß §10 Abs.1 AktG auf den Namen des Aktionärs ausgestellt sein (Namensaktie mit Registrierung im Aktienregister der Gesellschaft) oder als Inhaberaktie den jeweiligen Inhaber legitimieren. Die mit der Aktie verbundenen Vermögensrechte beziehen sich auf den etwas unklaren Begriff des wirtschaftlichen Eigentums an der Gesellschaft seitens der Aktionäre. Die Gesellschaft als juristische Person ist eigentliche rechtliche Eigentümerin des Vermögens17. Gemäß §12 Abs.1 Satz1 AktG gewährt jede Aktie das Stimmrecht (Stammaktie), doch ist in Satz 2 als Alternative die stimmrechtslose Vorzugsaktie genannt. Diese Vorzugsaktien, die maximal die Hälfte des Grundkapitals betragen dürfen, sind ausgestattet mit Vorrechten bei der Verteilung des Gewinns (siehe §§ 139, 140 AktG). Mehrstimmrechte sind nach §12 Abs.2 AktG unzulässig, d.h. jede Aktie im gleichen Nennbetrag bzw. bei Stückaktien nach deren Zahl gewährt eine Stimme (§ 134 Abs.1 S.1). Das Stimmrecht soll damit dem jeweiligen Kapitaleinsatz bei einer Aktiengesellschaft entsprechen. Die Generalklausel des Gleichbehandlungsgebotes (§53a AktG) findet sich in dieser Regelung wieder.

1.4 Minderheits- und Mehrheitsaktionär

Der Minderheitsaktionär hat im Gegensatz zum Mehrheitsaktionär nur einen geringen Anteil an der Gesellschaft und dementsprechend auch weniger Möglichkeiten der Einflussnahme. Der Schwellenwert von 95% ist dem §327a AktG zu entnehmen und gilt im deutschen Aktienrecht als anerkannte Größenordnung zur Festlegung einer Minderheit18. Der Mehrheitsaktionär kann nach §327a AktG durch das sog. Squeeze-out-Verfahren den Ausschluss einer Restminderheit herbeiführen. Die Ausübung dieses Rechts ist bei Gericht geltend zu machen. Der Bieter hat den übrigen Aktionären als Ausgleich für den Verlust ihrer Mitgliedschaft an der Gesellschaft eine angemessene Abfindung zu gewähren.

Im Gegensatz dazu gestaltet es sich für Minderheitsaktionäre äußerst schwierig, ihre Rechte wirkungsvoll wahrnehmen zu können. So ist nach § 122 Abs.1 AktG das Einberufen einer außerordentlichen Hauptversammlung nur möglich, wenn dies von Aktionären gefordert wird, die über mindestens 5% des Grundkapitals verfügen. Wollen Aktionäre eine Haftungsklage gegen Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates der Gesellschaft anstrengen, müssen sie gemäß des neu eingefügten § 148 AktG über mindestens 1% des Grundkapitals oder einen Anteil von 100.000 Euro am Grundkapital der Gesellschaft verfügen.

1.5 Die Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs im Überblick

Wie die Ableitung des Begriffs der Aktie aus dem Lateinischen „Actio“ bereits nahe legt, handelt es sich hierbei um einen „klagbaren Anspruch“. In Bezug auf die Bedeutung der Aktie als Wertpapier ist originär der Anspruch auf Dividende zu verstehen. Die Mitgliedschaft eines Gesellschafters in einer AG wird durch die Aktie bzw. dem Anteil an dem in Aktien zerlegten Grundkapital repräsentiert. Kraft ihrer Mitgliedschaft stehen Aktionäre lediglich mit der Aktiengesellschaft in Rechtsbeziehung. Nach der Organisation der AG bestehen zwischen den einzelnen Gesellschaftern untereinander keine rechtlichen Beziehungen persönlicher Art.19

Unter der Mitgliedschaft versteht man im Aktienrecht die Gesamtheit aller Rechte und Pflichten eines Aktionärs, die sich aus der Gesellschafterstellung in der AG ergeben. Die Mitgliedschaft hat dann die Rechtsnatur eines subjektiven Rechts, dass dem Aktionär eine absolute Rechtsposition verleiht und deshalb nicht nur Gegenstand rechtsgeschäftlicher Verfügungen sein kann, sondern auch deliktsrechtlichen Schutz genießt. Der Inhalt und die Reichweite dieser Rechte und Pflichten sind im Wesentlichen im Gesetz festgeschrieben, wobei es sich aufgrund der erwähnten Satzungsstrenge überwiegend um zwingende Vorschriften handelt.

Die Mitgliedschaftsrechte lassen sich zunächst allgemein in Vermögensrechte und (Mit-) Verwaltungsrechte einteilen. Unter Vermögensrechte fallen im Wesentlichen das Dividendenrecht (Recht an einem Anteil am Bilanzgewinn - vgl. §§ 58 Abs. 4, 60 AktG), das Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen (Wahrung des Anteils am Grundkapital - vgl. §§ 186, 212 AktG), das Rückgewährungsrecht bei Kapitalherabsetzungen (vgl. § 225 Abs. 2 AktG ), Ausgleichs- und Abfindungsansprüche bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen in verbundenen Unternehmen (vgl. §§ 304, 305 AktG) bzw. bei Ausschluss von Minderheitsaktionären (vgl. § 327a AktG) sowie auch das Recht auf Beteiligung am Liquidationserlös (vgl. § 271 AktG).

Unter Mitverwaltungsrechten sind vor allem das Recht auf Einflussnahme in der Entscheidungsfindung oder auch die Verhinderung von negativen Einflüssen auf die Gesellschaft von Außen zu verstehen. Wie bereits erwähnt, nehmen Aktionäre ihre Rechte grundsätzlich in der Hauptversammlung (HV) wahr (vgl. § 118 Abs. 1 AktG). Die Mitverwaltungsrechte beinhalten insbesondere das Teilnahmerecht an der HV, das Stimmrecht (§ 133 ff. AktG) und Rederecht auf der HV, das Auskunftsrecht (§ 131 AktG), die Anfechtungsbefugnis und die Nichtigkeitsklage bei Verdacht auf nicht satzungsgemäße Beschlussfassung auf der Hauptversammlung (§§ 245, 249 AktG), sowie das Einberufungsrecht der HV bei einem Anteil von 5% am Grundkapital (vgl. § 122 AktG).

1.6 Abspaltungsverbot bei Mitgliedschaftsrechten

Die mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte und Pflichten können von dieser nicht abgetrennt und einzeln übertragen werden. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Abspaltungsverbot, welches für Vermögensrechte und Mitverwaltungsrechte gleichermaßen gilt. Dennoch können schuldrechtliche Dividendenansprüche unabhängig von der Mitgliedschaft abgetreten werden, allerdings erst dann, wenn der Aktionär gegen die Gesellschaft einen schuldrechtlichen Gläubigeranspruch auf Auszahlung der Gewinnbeteiligung hat. Das reine Vermögensrecht auf Beteiligung am Gewinn, bzw. genauer gesagt auf Herbeiführung des Gewinnverwendungsbeschlusses gem. § 58 Abs. 4 AktG ist daher strikt vom konkreten Zahlungsanspruch nach Wirksamwerden des Beschlusses zu trennen. Gleichermaßen ist der Aktionär trotz des Abspaltungsverbots nicht dazu verpflichtet, sein Stimmrecht tatsächlich persönlich auszuüben. Er kann, wie in der Praxis häufig der Fall, seine Bank mit der Ausübung des Stimmrechts bevollmächtigen (vgl. § 135 AktG). Führt solch eine schuldrechtliche Überlassung des Stimmrechts an einen Dritten allerdings zur Umgehung des Abspaltungsverbotes, so begründet dies ihre Nichtigkeit gem. § 134 BGB.20

1.7 Gläubigerrechte

Wie bereits angedeutet, können dem Aktionär gegenüber der Gesellschaft auch schuldrechtliche Ansprüche zustehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich das Mitgliedschaftsrecht auf Beteiligung am Bilanzgewinn nach Wirksamwerden des Beschlusses in einen konkreten schuldrechtlichen Zahlungsanspruch umwandelt. Dieser kann dann unabhängig von der Mitgliedschaft abgetreten werden. Gleiches gilt auch für Ansprüche auf Ausgleichszahlungen bei Gewinnabführungsverträgen in verbundenen Unternehmen gem. § 304 AktG. Gläubigerrechte sind demnach ab ihrer Entstehung von der Mitgliedschaft losgelöst und unterliegen ab dann nicht mehr dem Abspaltungsverbot.21 Weiterhin können dem Aktionär auch Drittgläubigerrechte aus anderen Rechtsverhältnissen mit der AG zustehen, die nicht in Verbindung mit dem Mitgliedschaftsrecht selbst stehen. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Gesellschafter Ansprüche aus einem zivilrechtlichen Mietvertrag über ein Grundstück mit der Gesellschaft hat. Sind diese dem allgemeinen Zivilrecht unterliegenden Verträge allerdings auf die Aktionärsstellung angepasst, können sich Besonderheiten hinsichtlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. § 53a AktG oder auch aus dem Verbot der Einlagenrückgewähr gem. § 57 AktG ergeben.

1.8 Sonderrechte

Zu den bestehenden Mitgliedschaftsrechten können weitere, in der Satzung gewährte, besondere Rechte hinzukommen. Diese können einzelnen Aktionären oder Aktionärsgruppen gewährt werden und sind im Regelfall durch unterschiedliche Aktienarten gekennzeichnet. Besteht das Grundkapital zum Teil aus stimmrechtslosen Vorzugsaktien, so verzichtet der Inhaber auf sein mitgliedschaftliches Stimmrecht und hat im Ausgleich einen höheren Anspruch auf Dividende. So besteht beispielsweise das Aktienkapital der Firma Porsche AG zur einen Hälfte aus Stammaktien, die von Mitgliedern der Familie Porsche und Piech gehalten werden und zur anderen Hälfte aus börsennotierten (stimmrechtslosen) Vorzugsaktien. Um ein sog. Sonderrecht handelt es sich aber auch beim Recht zur Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat (vgl. § 101 Abs. 2 AktG).22

[...]


1 Grunewald, Gesellschaftsrecht, S. 229.

2 Für die Anonymität der Gesellschafter spricht bspw. die französische Bezeichnung der AG „société anonyme“.

3 So zumindest im Jahre 2003 lt. Factbook des Deutschen Aktieninstituts (Zählung inkl. KGaA).

4 Bspw. die einfachere Einberufung der HV gem. § 121 Abs. 4 AktG bei sich namentlich bekannten Aktionären

5 Marsch-Barner, Handbuch Börsennotierte AG, Rn. 483.

6 Zu unterscheiden von der öffentlichen Platzierung ist die Privatplatzierung, wo nur ein kleiner Kreis institutioneller Anleger angesprochen wird.

7 Das MitbestG von 1976 kommt u.a. bei Aktiengesellschaften mit mehr als 2000 AN zur Anwendung.

8 Vgl. §29 Abs. 2 + §27 MitbestG: doppeltes Stimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden bei Stimmengleichheit.

9 Hirte, Beck-Texte, Aktiengesetz, 38.Auflage, 2005, Einführung S.8

10 Grunewald, Gesellschaftsrecht, S. 231.

11 Präambel des deutschen Corporate Governance Kodex vom 02.06.2005, abgerufen am 06.05.2006 unter: http://www.corporate-governance-code.de/ger/kodex/1.html

12 Zur Rechtsnatur: Pfitzer / Oser, Deutscher Corporate Governance Kodex, Handbuch Ernest & Young, S. 29.

13 ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, 38.

14 Siehe Konsultationspapier der Generaldirektion Binnenmarkt vom 16.09.2004.

15 Würdinger, Aktienrecht, S.39.

16 Grunewald, Gesellschaftsrecht, 6.Auflage, 2005, S.309, Rdz.195.

17 Henn, Handbuch des Aktienrechts, Rdz.1535.

18 Siehe auch Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034.

19 Marsch-Barner, Handbuch Börsennotierte AG, Rn. 482.

20 Mimberg, Handbuch börsennotierte AG, S. 1186, Rn. 18.

21 Mimberg, Handbuch börsennotierte AG, S. 1183, Rn. 9.

22 Mimberg, Handbuch börsennotierte AG, S. 1183, Rn. 10.

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Die Rechtsstellung des Aktionärs im deutschen Aktienrecht
Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Veranstaltung
AWE Corporate Governance und Unternehmenskultur
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
44
Katalognummer
V57320
ISBN (eBook)
9783638518192
ISBN (Buch)
9783638688512
Dateigröße
690 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit wurde im Rahmen eines Seminars zum Thema "Interkulturelle Aspekte im deutsch / russischen Wirtschaftsverkehr" erstellt und beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Darstellung der Aktionärsstellung im deutschen Aktienrecht. Es erfolgt ein kurzer Vergleich zum Aktienrecht in Russland.
Schlagworte
Rechtsstellung, Aktionärs, Aktienrecht, Corporate, Governance, Unternehmenskultur
Arbeit zitieren
Christian Quellmalz (Autor:in), 2006, Die Rechtsstellung des Aktionärs im deutschen Aktienrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57320

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