Kann direkte Demokratie zur Demokratisierung der Demokratie beitragen?


Studienarbeit, 2003

31 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Was heißt „direkte Demokratie“ – eine Definition
2.2 Historische Entwicklung der direkten Demokratie
2.2.1 Ursprünge der direkten Demokratie
2.2.2 Die Weimarer Republik – direkte Demokratie in Theorie und Praxis
2.2.3 Weimar, Hitlers Plebiszite und ihre Folgen für die Entstehung des Grundgesetzes
2.3 Direkte Demokratie in der Schweiz, den USA und Italien
2.3.1 Die Schweiz
2.3.2 Volksgesetzgebung in den USA
2.3.3 Direkte Demokratie in Italien
2.4 Direkte Demokratie in Deutschland
2.4.1 Gesetzliche Regelungen und Voraussetzungen für direkte Demokratie auf Bundesebene
2.4.2 Direkte Demokratie auf Länderebene
2.4.2.1 Bayern als Beispiel für einen hohen Stellenwert direkter Demokratie
2.4.3 Direkte Demokratie auf Kommunalebene
2.4.4 Erfahrungen mit Volksgesetzgebung auf Länder- und Kommunalebene
2.5 Argumente für und wider der Einführung von plebiszitären Elementen in das Grundgesetz
2.5.1 Contra mehr direkte Demokratie
2.5.2 Pro mehr direkte Demokratie
2.6 Direkte Demokratie als Weg zu einer Demokratisierung der Demokratie?
2.6.1 Demokratisierung – eine Definition
2.6.2 Politische Demokratisierung oder gesellschaftliche Demokratisierung?

3. Schlussbetrachtung

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Direkte Demokratie steht als vielschichtiges Thema schon immer im Focus der Diskussionen der Vor- und Nachteile und wirft die Frage nach dem möglichen Beitrag zur Demokratisierung der Demokratie im 20. und auch 21. Jahrhundert auf. Das Ausmaß der theoretischen und empirischen Ansätze verhindert ein vorschnelles Beurteilen der möglichen Chancen und Risiken, die durch Verfahren der direkten Demokratie entstehen könnten.

Gegenstand dieser Arbeit soll eine möglichst umfangreiche Beschäftigung mit verschiedenen Teilaspekten der unmittelbaren Demokratie sein. So steht zunächst die historische Entwicklung und Rechtfertigung der Mittel direkter Demokratie im Blickwinkel der Betrachtung, welche besonders die Einstellung zur unmittelbaren Demokratie in Deutschland geprägt haben. Daher ist es wichtig, das Ansehen der Volksentscheide und Volksabstimmungen in Deutschland in Bezug auf die Erfahrungen der Weimarer Republik und die Folgen der Plebiszite Hitlers zu erläutern und zu beurteilen. Zusätzlich müssen aber auch die positiven Erfahrungen anderer Länder, wie der Schweiz, der USA und Italien, für eine vollständige Betrachtung mithinzugezogen werden. Ergänzend dazu sollen die verwendeten Verfahren in den genannten Ländern erläutert und ihre Wirksamkeit oder Risiken beurteilt werden.

Gleichzeitig stehen auch die bisherigen Volksentscheide in Deutschland im Mittelpunkt der Betrachtung. Hierzu ist gleichzeitig eine Skizzierung der rechtlichen und gesetzlichen Grundlagen nötig, um die Frage nach der Vereinbarkeit von direkter Demokratie mit dem Grundgesetz zu klären. Die gesetzliche Ausgangssituation ist somit ein wichtiger Aspekt bei der Erläuterung der Argumente für und wider der Verwendung von politischen Mitteln der unmittelbaren Demokratie. Hierbei ist es wichtig zwischen Bundes-, Länder- und Kommunalebene zu unterscheiden und die gesetzlichen Voraussetzungen und Erfahrungen einzeln abzuhandeln.

Eine Auflistung der Argumente der Befürworter soll Aufschluss geben über die Gründe für den Wunsch nach mehr direkter Beteiligung des Volkes am politischen Geschehen. Eine Darstellung der gegensätzlichen Position hingegen soll mögliche Gefahren und Probleme durch mehr unmittelbare Demokratie aufzeigen.

Außerdem soll herausgearbeitet werden, welche Möglichkeiten die direkte Demokratie zur Demokratisierung der Demokratie bietet, aber auch welche Risiken die zunehmende Demokratisierung der gesellschaftlichen und politischen Bereiche birgt.

Abschließend soll versucht werden, unter Berücksichtigung aller herausgearbeiteten Aspekte, die Vorzüge und Mängel direkter Demokratie herauszustellen und ihre möglichen positiven Folgen und negativen Auswirkungen für die Demokratisierung der Demokratie benannt werden.

2. Hauptteil

2.1 Was heißt „direkte Demokratie“ – eine Definition

Direkte Demokratie bezeichnet die unmittelbare Herrschaft des Volkes, im Gegensatz zur repräsentativen Demokratie, in der die Herrschaft durch vom Volk gewählte Repräsentanten ausgeübt wird. „In der Verfassungswirklichkeit sind Konzeptionen der direkten Demokratie bisher nicht verwirklicht worden“. Dennoch enthalten alle Verfassungen mehr oder weniger Elemente der direkten Demokratie.[1]

Unter „direktdemokratischen Einrichtungen“ werden Volksentscheide und –rechte, die Sachfragen betreffen, d.h. Referendum, Plebiszit und Initiative, verstanden.[2] Dabei ist es wichtig, vor allem zwischen Volksbegehren (oder Volksinitiative) und Volksentscheid (oder Referendum) zu unterscheiden. Der Volksentscheid entstammt den demokratischen Verfassungen amerikanischer Einzelstaaten und der Schweiz. Die ursprüngliche Bedeutung des „Referendums“ bezieht sich auf „eine Berichterstattung an das Volk und einen Bestätigungsbeschluss des Volkes gegenüber der Volksvertretung“.[3]

Wichtiger für die unmittelbare Demokratie ist allerdings das Mittel der Volksinitiative oder das Volksbegehren. In diesem Fall wird das Volk als Gesetzgeber aktiv. Das Volk ist somit „Subjekt“ und „Träger“ der Initiative und bestätigt nicht wie bei einem Referendum nur den Beschluss der Gesetzgeber. Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid sind dennoch eng miteinanderverknüpft. Zum Beispiel wäre den Bürgern mit der Volksinitiative die Möglichkeit gegeben, den deutschen Bundestag zur Behandlung bestimmter Gesetzesentwürfe zu veranlassen. Geschieht dies nicht innerhalb einer Frist, so könnte ein Volksbegehren eingeleitet werden, und wenn die hierfür nötige Unterschriftenzahl erreicht wurde, könnte durch einen Volksentscheid der entsprechende Gesetzesentwurf angenommen werden.[4]

2.2 Historische Entwicklung der direkten Demokratie

2.2.1 Ursprünge der direkten Demokratie

Mit der Revolutionsverfassung von 1793 gewannen die Verfechter der direkten Demokratie nur in der Theorie, denn in Frankreich konnte die direkte Demokratie als Partizipationsmöglichkeit von „unten“ nach der Französischen Revolution nicht realisiert werden. Auch in den USA gab es vor der Bundesverfassung von 1776 die Diskussion über die Aufnahme direktdemokratischer Elemente in die Verfassung. Gegner befürchteten jedoch eine „Tyrannei der Mehrheit“, außerdem wurde die direkte politische Partizipation des Bürgers nicht als Möglichkeit betrachtet, die Interessen verschiedener Gruppen eines Staates in Einklang zu bringen.[5]

Ideengeschichtlich war die direkte Demokratie zuerst in der Schweiz mit den bereits bestehenden Einrichtungen kompatibel. Die demokratischen Ideen haben sich in der Schweiz vom Spätmittelalter bis in die Neuzeit fortentwickelt, deshalb galten Rousseaus´ Ideen nicht als etwas Neues, sondern als Legitimierung dessen, was man seit Jahrhunderten als demokratische Tradition gelebt hatte. In der Schweiz trafen sich autochthone Einrichtungen wie Landgemeinde, Kriegsgemeinde, föderative Referenden, etc., mit den modernen naturrechtlichen Ideen aus Frankreich.

Ab 1830 entwickelte sich in der Schweiz eine ausschlaggebende Demokratiebewegung, welche in den 1860er Jahren in den Kantonen ihren Höhepunkt fand. Anfang des 20. Jahrhundert gehörte der Ausbau der direkten Demokratie zum Programm der schweizerischen Arbeiterbewegung und auch in den 1970er und 80er Jahren setzte man in der Schweiz bei ökologischen Fragen zunehmend auf die direkte Demokratie. Bis heute gibt es keinen Staat, der eine so große Anzahl von direktdemokratischen Institutionen auf allen Staatsebenen hat, wie die Schweiz.[6]

2.2.2 Die Weimarer Republik - direkte Demokratie in Theorie und Praxis

In der Weimarer Republik gab es Volksbegehren und Volksentscheid nicht nur auf den Ebenen der Gemeinden und Ländern, sondern sie wurden auch auf Reichsebene praktiziert. Nach dem Zusammenbruch der Weimarer Republik stand im Focus der Diskussionen die Frage, ob die Verfassung allein Schuld am Scheitern der Republik gewesen sei, oder ob nicht auch andere Komponenten wie unter anderem das Verhalten der politischen Parteien, der gesellschaftlichen Eliten und der Wahl- und Stimmbürger, wie auch die Ausgestaltung des Wahl- und Abstimmungsverfahren, als Ursache des Scheiterns gesehen werden müssen. Die Weimarer Erfahrungen waren mitentscheidend bei der Entscheidung darüber, ob im Grundgesetz von 1945 direktdemokratische Verfahren auf Bundesebene wiederaufgenommen werden sollten, und wenn ja, in welcher Weise und unter welchen Voraussetzungen. Es bleibt jedoch zu beachten, dass die Weimarer Erfahrungen bis heute nicht klar zu definieren sind, und dass vielmehr ein „Ursachengeflecht“ für die Negierung der Wiederaufnahme verantwortlich war.

Sicherlich war die Neuheit der Volksabstimmung in der Weimarer Republik einer der Gründe, die zu einer starken Unsicherheit bei den Parteien führten. Die Volksabstimmungen waren ursprünglich als „Korrekturmechanismus“ in Artikel 73 bis 76 der Verfassung eingebaut. Dazu kamen weitere Aufgaben der direktdemokratischen Elemente, nämlich Stärkung der Exekutive, die erzieherische Komponente im Hinblick auf das Volk und eine Möglichkeit dem Rätegedanken entgegenzuwirken, wie auch „radikaldemokratische“ Strömungen zu unterbinden.

In der Praxis wurden schnell die Unterschiede zwischen der von der Exekutive verabschiedeten Gesetze und den Versuchen der Volksgesetzgebung deutlich. Ottmar Jung spricht in diesem Zusammenhang von einem „Verfahren zweiter Wahl“ mit unverkennbarem „Protestcharakter“.[7]

2.2.3 Weimar, Hitlers Plebiszite und ihre Folgen für die Entstehung des Grundgesetzes

In Deutschland haben die Erfahrungen der Weimarer Republik und Hitlers Plebiszite dem Ansehen der direkten Demokratie stark geschadet. Der Missbrauch Hitlers der Volksentscheide belastete auch die Ausgestaltung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschlands. Man scheute sich vor der Wiederaufnahme der plebiszitären Elemente, um die künftige Demokratie nicht zu belasten. Mit Ausnahme von Hamburg, finden sich direktdemokratische Elemente nur in den Länderverfassungen wieder. Sie wurden allerdings bisher nur sehr selten genutzt.[8] Die direkte Demokratie auf Landes- und Kommunalebene behandle ich in späteren Kapiteln genauer.

Politikwissenschaftler Otmar Jung sieht allerdings die Plebiszite der NS-Diktatur nicht als Grund für das Verzichten auf Elemente direkter Demokratie im Grundgesetz. Seiner Auffassung nach hatten die Volksabstimmungen der Nationalsozialisten nichts mit dem heutigen Wunsch nach mehr direkter Demokratie zu tun. Er begründet seinen Standpunkt damit, dass bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland die parlamentarische Demokratie, obwohl sie durch Hitler missbraucht, dennoch als geeignete Staatsform gewählt wurde. Es lässt sich also festhalten, dass sowohl die „Weimarer Erfahrungen“ wie auch Hitlers Missbrauch der Volksabstimmungen keine ausreichende Rechtfertigung für das Verzichten auf direktdemokratische Elemente im Grundgesetz darstellen.[9]

2.3 Direkte Demokratie in der Schweiz, den USA und Italien

2.3.1 Die Schweiz

In der Schweiz wird die direkte Demokratie seit 130 Jahren auf allen drei Ebenen des föderalistischen Staates praktiziert: Gemeinden, Kantone, Bund. Damit ergibt sich pro Jahr etwa eine Zahl von über 200 eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Volksabstimmungen. Auf Bundesebene unterscheidet man in der Schweiz zwischen drei Abstimmungsverfahren. Das Obligatorische Verfassungsreferendum, das seit 1848 besteht, bezeichnet die Bestätigung jeder Verfassungsänderung, auch völkerrechtlicher Verträge, durch das Volk. Das seit 1874 existierende Fakultative Gesetzesreferendum bietet die Möglichkeit, dass 50.000 Bürger, das sind etwa 1,1% der Stimmberechtigten, einen Volksentscheid über ein vom Parlament beschlossenes Gesetz beantragen können. Für die Volksinitiative, bestehend seit 1891, sind 100.000 Bürger (etwa 2,2% der Stimmberechtigten) nötig, um die Änderung oder Aufhebung eines bestimmten Artikels der Bundesverfassung zu beantragen.

Auf kantonaler und kommunaler Ebene sind die Volksrechte noch weiter ausgebaut. So gibt es auf kantonaler Ebene z. B. die Möglichkeit eines allgemeinen Finanzreferendum, bei dem über bestimmte Ausgaben abgestimmt wird.

In der Schweiz wird an drei bis vier Abstimmungstagen im Jahr jeweils über die Abstimmungsvorlagen aller drei politischen Ebenen entschieden.

Die Erfahrungen mit der direkten Demokratie in der Schweiz sind recht vielfältig. Was sich bei Untersuchungen stets zeigt, ist der starke Zusammenhang zwischen den sozialen, ökonomischen, sozial- und wirtschaftspolitischen Krisen und den jeweiligen Volksabstimmungen. Dank der Volksabstimmungen ist es in der Schweiz bisher möglich gewesen, manche Themen besser zu diskutieren als in rein parlamentarischen Systemen. Es lässt sich festhalten, dass die Schweiz ihre ökologischen, verkehrspolitischen, landwirtschaftlichen und drogenpolitischen Leistungen eindeutig den Volksentscheiden zu verdanken hat.

[...]


[1] Dieter Nohlen, Hrsg.: Lexikon der Politik. Band 7. Politische Begriffe. München 1998, S. 129-131

[2] Silvano Möckli: Direkte Demokratie. Ein Vergleich der Einrichtungen und Verfahren in der Schweiz und Kalifornien unter Berücksichtigung von Frankreich, Italien, Dänemark, Irland, Österreich, Liechtenstein und Australien. Bern, Stuttgart, Wien 1994, S. 17

[3] Carl Schmitt: Volksentscheid und Volksbegehren. Ein Beitrag zur Auslegung der Weimarer Verfassung und zur Lehre von der unmittelbaren Demokratie. Berlin, Leipzig 1927, S. 7

[4] Gebhard Kirchgässner, Lars P. Feld, Marcel R. Savioz, Hrsg.: Die direkte Demokratie. Modern, erfolgreich, entwicklungs- und exportfähig. Basel, Genf, München 1999, S. 7

[5] Möckli, Direkte Demokratie, S. 36

[6] Möckli, Direkte Demokratie, S. 38-39

[7] Reinhard Schiffers: Schlechte Weimarer Erfahrungen?, in: ders: Mehr direkte Demokratie wagen. Volksbegehren und Volksentscheid: Geschichte-Praxis-Vorschläge. München 1999, S. 44

[8] Möckli, Direkte Demokratie, S. 75-79

[9] Otmar Jung: Die Volksabstimmungen der Nationalsozialisten, in: ders: Mehr direkte Demokratie wagen. Volksbegehren und Volksentscheid: Geschichte-Praxis-Vorschläge. München 1999, S. 61-73

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Kann direkte Demokratie zur Demokratisierung der Demokratie beitragen?
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für Politische Wissenschaft)
Note
1,2
Autor
Jahr
2003
Seiten
31
Katalognummer
V56991
ISBN (eBook)
9783638515429
ISBN (Buch)
9783638709378
Dateigröße
564 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kann, Demokratie, Demokratisierung, Demokratie
Arbeit zitieren
Alke Eilers (Autor:in), 2003, Kann direkte Demokratie zur Demokratisierung der Demokratie beitragen? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56991

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