Das Leben der Juden in Königsberg-Preußen zur Zeit der Weimarer Republik auf wirtschaftlicher, politischer und rechtlicher Ebene


Seminararbeit, 2003

25 Seiten, Note: 2,4


Leseprobe


1. Einleitung

„Begegnungen durchleben, Schicksale erfahren, Geschichte haben, heißt nichts anderes als dergestalt bis auf den Grund in Anspruch genommen und in Bewegung ergriffen sein. Von der Begegnung, die sich so beglaubigt, wird es heißen dürfen, daß in ihr sich selbst gewinnt, wer sich an ihr zu verlieren bereit ist.“[1]

Der jüdische Mensch hat auf politischer, rechtlicher, kultureller und wirtschaftlicher Ebene im Laufe der Geschichte diese Begegnung erfahren und wurde in seiner Entwicklung durch seine Umwelt bewegt und geprägt. Diesen Weg der Entwicklung und Begegnung will diese Arbeit am Beispiel des Lebens der Juden in Königsberg-Preußen[2] zur Zeit der Weimarer Republik gehen. Es soll also die Beziehung zwischen dem Staat und dem Judentum aufgezeigt werden. Um zu verstehen wie es zu dieser engen Verbindung beider kam, welche Auswirkungen dies auf die Entwicklung der jüdischen Mitbürger hatte und wie bedeutsam diese Begegnung für beide Seiten war, kann man nicht sofort das Augenmerk auf die Zeit der Weimarer Republik richten, sondern muß den Ursprung dieser Begegnung suchen. Nur auf diesem Wege kann man die allmähliche politische, rechtliche und wirtschaftliche Einbeziehung der Juden in den Staatskörper Preußens verstehen und die einhergehende Abhängigkeit der beiden voneinander. Nur auf diese Weise kann man den Prozeß der Emanzipation der Juden, und ihre Akkulturation, das heißt ihre Anpassung an das deutsche Kulturleben, an Sprache und Religion verstehen. Und nur mit diesem Wissen kann man die Sonderstellung der Stadt Königsberg historisch richtig einordnen, die ja zur damaligen Zeit als sehr liberal eingestellt galt. Zuerst will die Arbeit einen kurzen Einblick in die Gründung der jüdischen Gemeinde in Königsberg geben. Sodann soll ein Überblick über den Emanzipationsprozeß an historisch bedeutsamen Ereignissen gegeben werden wie zum Beispiel an dem Jahr 1781, in dem das Werk: „Über die bürgerliche Verbesserung der Juden“ vom preußischen Staatsrat Wilhelm von Dohm herausgegeben wurde.

Besonders entscheidend war auch das Judenedikt von 1812 und die rechtliche, politische, und wirtschaftliche Stellung der Juden am Ende des Deutschen Kaiserreiches. Nachdem diese Arbeit einen Überblick über diesen beschriebenen Sachverhalt gegeben hat, wird die Bearbeitung der Schwerpunktsetzung, nämlich das Leben der Juden in Königsberg in der Weimarer Republik auf wirtschaftlicher, politischer und rechtlicher Ebene folgen. Hierbei liegt die Konzentration auf der Untersuchung der Bevölkerungs-und Berufsstruktur der jüdischen Bürger, der Parteienlandschaft, dem Antisemitismus und den Veränderungen in der Gemeinde auf politischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Ebene, um hieran den schleichenden Zusammenbruch der Emanzipation der Juden in Königsberg zu erläutern.

Die Arbeit wird sich nicht mit den Ursachen des Scheiterns der Weimarer Republik und dem darauffolgenden Dritten Reich beschäftigen, sondern mit dem Jahr 1933 in ihrer Bearbeitung enden.

Den Forschungsstand zur jüdischen Minderheit in Königsberg kann man als äußerst gering einstufen. Sehr hilfreich bei der Recherche war die dreibändige Stadtgeschichte von Fritz Gause, sowie das Werk von Stefanie Schüler-Springorum, die eine umfangreiche Studie zur jüdischen Minderheit in Königsberg/Preußen von 1871 bis 1945 veröffentlicht hat. Im Zusammenhang mit der Frage, ob und warum die Juden dem Linksliberalismus nahestanden, war das Werk von Hans-Helmut Knütter unerläßlich. Äußerst entscheidend für die Bearbeitung dieses Themas war auch das Gesamtwerk von Selma Stern: „Der Preussische Staat und die Juden“.

II. Hauptteil

1. Die Stadt Königsberg – eine jüdische Gemeinde entsteht

Bevor man den Ursprung der Begegnung zwischen dem Deutschtum und dem Judentum in Königsberg ergründet, sollte man die historischen Hintergründe kennen, unter denen die Stadt entstand, um die politische, rechtliche und wirtschaftliche Situation zu verstehen, in der sich die ersten Juden befanden, als sie sich dort ansiedelten. Denn „jegliche Gemeinschaft lebt nicht nur in sich selbst, wächst aus sich selbst, wirkt aus sich selbst, sondern ist genötigt, in und mit dem zu existieren, was wir die ,Welt ´nennen.“[3]

Königsberg wurde 1255[4] im Zuge der Kreuzzüge gegründet. Ausschlaggebend für ihre Entstehung war die günstige Lage am Kreuzungspunkt wichtiger Land-und Wasserstraßen.[5] Die Stadt sollte also als wichtiger Handelsplatz fungieren, da sie sich am schiffbaren Südostufer des Baltikums befand.[6] Die Hauptintension dieser Stadtgründung lag demnach im Außenhandel mit benachbarten Völkern. Königsberg wurde zu einer Hafen-und Handelsstadt. Zudem sollte auch die Ausbreitung des christlichen Glaubens vorangetrieben und eine Erweiterung des Reiches erreicht werden.[7]

Im Jahre 1330 war Königsberg in die Hanse eingetreten und hatte sich zu einem wichtigen Umschlagplatz zwischen Ost- und Westeuropa etabliert.[8] Ihre Bevölkerung war kulturell vielschichtig, bestand nicht nur aus Einheimischen, sondern auch Menschen aus England, Schottland und den Niederlanden ließen sich hier nieder.[9]

Man kann also sagen, dass Königsberg eine Stadt des Handels war, in der viele Menschen mit unterschiedlichen Nationen und Glaubensrichtungen aufeinander trafen, somit dieser Zustand den Einheimischen nicht fremd war. Dieser besonders von Seiten der Landesherren gezeigten Toleranz standen aber die einheimischen Kaufmänner gegenüber, die in den erfolgreicheren und moderneren Handelsmethoden der Fremden eine große Konkurrenz sahen.[10] In der gleichen feindlichen Weise standen die Kaufmänner natürlich auch den Juden gegenüber, die sie mal als „rechte Blutegel“ betitelten, mal der „jüdischen Wucherey“ bezichtigten.[11]

Dies war also die „Welt“, in der die erste Begegnung des Deutschtums mit dem Judentum in Königsberg stattfand.

Juden durften sich vorübergehend in der Stadt aufhalten. Das Wort „aufhalten“ muß man an dieser Stelle sehr wörtlich nehmen, denn in Ostpreußen war seit der Verordnung des Hochmeisters Siegfried von Feuchtwangen aus dem Jahre 1309 eine Ansiedlung der Juden verboten.[12] Das vorübergehende Aufhalten der jüdischen Menschen wurde von der Stadt nur wegen des von ihnen vermittelten Handels mit Polen toleriert.[13] Erst um die Jahrhundertwende konnte sich das jüdische Gemeindeleben in ihren ersten Ansätzen entfalten und so wurde ihnen 1680 erlaubt, eine Betstube[14] und im Jahre 1701 einen Friedhof zu errichten.[15] Als Beginn des organisierten jüdischen Lebens in Königsberg wird die Gründung der Chewra Kaddischa[16] im Jahre 1704 angesehen.[17] Zu diesem Zeitpunkt lebten ungefähr dreißig Juden mit ihren Familien in der Stadt, und von denen im Jahre 1712 aktenkundigen sechsunddreißig jüdischen Familien, waren nur vier von ihnen im Besitz eines zeitlich begrenzten Schutzbriefes, der ihnen das Wohnen in der Stadt garantierte, während die anderen nur geduldet wurden.[18] Einige von ihnen erlangten wie der aus einer wohlhabenden Halberstädter Familie Jude Bendix Jeremias den Status „Hof-und Schutzjude“, welcher 1704 die Erlaubnis erhielt, sich in Königsberg anzusiedeln.[19] Dieser erwarb 1712 die alleinige Geleitpacht, konnte also nunmehr bestimmen, welcher Jude sich für welche Zeit und für welchen Preis in Königsberg aufhalten durfte.[20] Der Bau einer eigenen Synagoge in der Vorstadt am Schnürlingsdamm wurde ihnen im Jahre 1753 erlaubt.[21] Außerdem beschäftigte die jüdische Gemeinde seit 1744 einen festangestellten Rabbiner, mit Namen Levin Epstein aus Grodno und verschiedene Gemeindeangestellte wie Schächter, Lehrer und Synagogendiener.[22] Die Chewra Kaddischa gründete 1745 ein eigenes Krankenhaus, in dem jüdische Ärzte und Pfleger tätig waren.[23] Viele durchreisende jüdische Händler ließen sich dort medizinisch behandeln, was zu einem Platz-und Geldmangel führte und seitens der Chewra Kaddischa immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Gemeinde führte.[24] Dies führte dann im Laufe der Jahre zur Übernahme der Kompetenzen durch die Gemeinde.[25]

[...]


[1] Selma Stern: Der Preussische Staat und die Juden. Erster Teil/ Die Zeit des Großen Kurfürsten und Friedrich

I, Tübingen 1962, S. IX

[2] Königsberg-Preußen wird im folgendem nur noch Königsberg genannt

[3] Selma Stern: Der Preussische Staat und die Juden. Dritter Teil/ Die Zeit Friedrichs des Großen, Tübingen 1971,

S. XII

[4] Stefanie Schüler-Springorum: Die jüdische Minderheit in Königsberg/Preußen 1871-1945, Göttingen 1996,

S. 23

[5] Fritz Gause: Die Geschichte der Stadt Königsberg in Preußen. I. Band. Von der Gründung der Stadt bis zum

letzten Kurfürsten, Böhlau 1996, S. 7

[6] Stefanie Schüler-Springorum, S. 24

[7] Fritz Gause, S. 7

[8] Stefanie Schüler-Springorum, S. 24

[9] ebenda

[10] ebenda

[11] Stefanie Schüler-Springorum, S. 24

[12] Selma Stern: Der preussische Staat und die Juden. Erster Teil, S. 6

[13] Stefanie Schüler-Springorum, S. 24

[14] Stefanie Schüler-Springorum, S. 25 Angemerkt sei, dass bei Fritz Gause und Stefanie Schüler-Springorum ein unterschiedlicher Zeitpunkt der Ansiedlung und Zahl von Juden in Königsberg benannt wird. Fritz Gause berichtet, dass der erste Jude 1743 ein Wohnrecht in der Vorstadt erhielt.(Band II, S. 199) Stefanie Schüler-Springorum benennt dagegen das Jahr 1704, in dem ungefähr 30 Juden mit ihren Familien in Königsberg angesiedelt waren. 1712 waren laut Fr. Schüler-Springorum 36 Familien in Königsberg aktenkundig.(S. 25/26) Außerdem ist Stefanie Schüler-Springorum der Ansicht, dass Fritz Gause in seiner Darstellung über das Leben der Juden in einen rassistischen Sprachgebrauch verfällt, und sein Werk von zahlreichen Verzerrungen und z.T. falschen Angaben durchtränkt ist. Sie rät daher zu einem äußerst vorsichtigem Gebrauch seines Werkes. Auch die z.B. im Band II auf den Seiten 199-205 dargestellten Ereignisse seien sprachlich entgleist und verzerrt. Daher bemüht sich die Autorin dieser Arbeit im möglichen Vergleich mit anderer Literatur geschilderte Ereignisse im Werk von Fritz Gause besonders kritisch zu betrachten. Sie wird sich also im folgenden an die aufgeführten Daten der Stefanie Schüler-Springorum und Selma Stern halten und nur bei Übereinstimmung mit anderen Werken Fritz Gause zitieren. Dies erscheint der Autorin bei der wissenschaftlichen Erarbeitung dieses empfindlichen Themas am geeignetsten.

[15] Herbert Meinhard Mühlpfordt: Königsberg von A bis Z. Ein Stadtlexikon, München 1972, S. 150

[16] Chewra Kaddischa heißt Beerdigungsbruderschaft

[17] Stefanie Schüler-Springorum, S. 25

[18] Hans-Jürgen Krüger: Die Judenschaft von Königsberg in Preußen 1700 bis 1812, Marburg 1966, S. 12

[19] Stefanie Schüler-Springorum, S. 26

[20] ebenda

[21] Fritz Gause: Die Geschichte der Stadt Königsberg in Preussen. II. Band, S. 199

[22] Stefanie Schüler-Springorum, S. 27

[23] Fritz Gause: Die Geschichte der Stadt Königsberg in Preussen. II. Band, S. 199 unter Fußnote 41

[24] Stefanie Schüler-Springorum, S. 27

Anmerkung: Fr. Schüler-Springorum datiert die Errichtung des Krankenhauses auf das Jahr 1744

[25] ebenda

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das Leben der Juden in Königsberg-Preußen zur Zeit der Weimarer Republik auf wirtschaftlicher, politischer und rechtlicher Ebene
Hochschule
Universität Potsdam
Veranstaltung
Proseminar: Nutzung historischer Quellen für die Erforschung der Geschichte ausgewählter jüdischer Gemeinden in Brandenburg-Preußen nach 1671
Note
2,4
Autor
Jahr
2003
Seiten
25
Katalognummer
V56836
ISBN (eBook)
9783638514217
ISBN (Buch)
9783656794608
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sehr informative Arbeit
Schlagworte
Leben, Juden, Königsberg-Preußen, Zeit, Weimarer, Republik, Ebene, Proseminar, Nutzung, Quellen, Erforschung, Geschichte, Gemeinden, Brandenburg-Preußen
Arbeit zitieren
Maren Letze (Autor:in), 2003, Das Leben der Juden in Königsberg-Preußen zur Zeit der Weimarer Republik auf wirtschaftlicher, politischer und rechtlicher Ebene, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56836

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