Béla Bartóks "Viola concerto" op. Posth. - Entstehung und Einflüsse


Hausarbeit, 2006

22 Seiten, Note: 1


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Die Entstehungsgeschichte

2. Das Manuskript

3. Werkeinflüsse

4. Die Rekonstruktion

5. Tibor Serlys Bearbeitung

6. Andere Versionen

7. Aufbau und Besonderheiten

8. Zusammenfassung

9. Anhang (mit bibliographischen Hinweisen)

Das Violakonzert Béla Bartóks, welches zu Lebzeiten des Komponisten nicht vollendet wurde, gehört wohl zu den meistdiskutierten Werken Bartóks. Er selbst schrieb dazu an den Auftraggeber William Primrose:

„Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Ihr Violakonzert im Entwurf fertig ist und dassbloßnoch die Partitur geschrieben zu werden braucht, was gewissermaßen nur eine mechanischeArbeit ist. Wenn nichts dazwischen kommt, kann ich es in 5 oder 6 Wochen geschaffen habe, dasheißt, ich kann Ihnen in der zweiten Oktoberhälfte ein Exemplar der Partitur und wenige Wochenspäter ein oder mehrere Exemplare (wenn Sie es wünschen) des Klavierauszuges schicken.“„Viele interessante Probleme entstanden bei der Komposition dieses Werkes. Die Instrumentation wird sehr durchsichtig sein, durchsichtiger als beim Violinkonzert. Auch hat der dunklere,männlichere Charakter Ihres Instruments den Gesamtcharakter des Werkes mitbestimmt. Derhöchste Ton, den ich benütze, ist a'', aber ich mache vom tieferen Register häufig Gebrauch. Der Stil ist recht virtuos. Wahrscheinlich werden einige Stellen unbequem oder unspielbar sein. Wirwerden später darüber reden, wenn Sie Ihre Bemerkungen dazu gemacht haben werden.“ 1

1. Die Entstehungsgeschichte

Am 30. 10. 1940 erreichen Béla und seine Frau Ditta New York, wo sie bis 1945 als Emigranten leben sollten. Der Komponist, der nach eigenen Aussagen seine glücklichsten Tage unter Bauern auf dem Land, in unberührter Natur verbracht hat, hatte große Anpassungsschwierigkeiten an einen städtischen amerikanischen Lebensstil. Sprachliche und finanzielle Probleme kamen hinzu und dies alles stürzte ihn in eine Schaffenskrise. Im Juli 1942 sollte er dann auch die angetretenen Forschungen an der Columbia University aufgeben, was wiederum immense Geldprobleme zur Folge hatte. Obwohl Bartók eigentlich entweder als Forscher oder Pianist arbeiten wollte, musste er gezwungenermaßen wieder Kompositionsaufträge annehmen, wobei das „Konzert für Orchester“, das „Violinkonzert“ und das „Konzert für Viola“ die Hauptwerke dieser Phase darstellen.

Ende 1944 schließlich erhielt Bartók von dem außergewöhnlichen Bratscher William Primrose den Auftrag, ein Werk für Viola zu schaffen, den Bartók zunächst mit der Begründung ablehnte, dass er zu wenig Erfahrung mit dem Instrument habe, was zu argen technischen Schwierigkeiten führen könne, nimmt dann allerdings, wohl vor allem des finanziellen Aspektes wegen, doch an. Primrose begründet seinen Auftrag später damit, vorher an Hindemith herangetreten zu sein, der allerdings ablehnte, weil er bereits vier Violakonzerte verfasst hatte und sich generell vor direkten Auftragswerken sträubte und dass auch Strawinsky ablehnte, weil er zu jener Zeit gerade sehr viele andere Werke zu bearbeiten hatte; so kam die Wahl auf den damals in den USA noch unbekannten Béla Bartók.

Als Vorbereitung zu dieser Arbeit informierte er sich zunächst über die technischen Möglichkeiten des Instrumentes, lässt sich diverse Noten, unter anderem „Herold in Italien“ zuschicken und sucht Inspiration in der 4-sätzigen Struktur Berlioz.

Im August 1945 verfasst er einen Brief an seinen Auftraggeber, den er allerdings nie absendet, in welchem er über seine formalen Pläne des Werkes spricht. Das Concerto sollte 4-sätzig sein, beginnend mit einem ernsten Allegro, dicht gefolgt von einem Scherzo, einem kurzen langsamen Teil und schließlich in einem Finale, bestehend aus einem Allegretto-Teil, der sich dann zu einem Allegro molto entwickelt, enden. Alle oder zumindest drei der Sätze sollten mit einer kurzen Einleitung durch die Solo Viola beginnen.

Fünf Wochen später schrieb Bartók einen weiteren, im vorangegangenen Text bereits zitierten, Brief an Primrose, dass das Gesamtkonzept ausgearbeitet sei und im folgenden nur noch die „rein technische Arbeit“2 der Harmonisierung und des Instrumentierens vollendet zu werden brauche; der Gedanke an eine Viersätzigkeit scheint also am 08. September bereits aufgegeben wurden zu sein. Im Moment kämpfe er mit verschiedenen Problemen: dem Abbruch eines Urlaubs am Saranac Lake, da eine Lungenentzündung auskuriert werden müsse, seine Frau erkrankt sei, sowie der wenig inspirierenden Atmosphäre in seinem New Yorker Appartement. Im Oktober wolle er jedoch zurück an den Saranac Lake fahren, wo er ja bis jetzt den Großteil der Komposition ausgearbeitet hatte. Den erwähnten Urlaub hatte er Ende Juni, Ratschläge seiner Ärzte befolgend, genommen und dort, endlich wieder in der Natur, in einer einfachen Hütte lebend, arbeitete er simultan, was absolut untypisch für Bartók war, am Violakonzert sowie am dritten Klavierkonzert, die jedoch im Endeffekt musikalisch-thematisch absolut unabhängig voneinander sind.

Obwohl Bartók sich schonte, viele Spaziergänge mit seiner Familie unternahm, verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zusehends, auch wenn er selbst dieses so gut es ging zu verbergen suchte. Das steigende Fieber, das er unter Umständen auf den letzten Blättern des Violakonzertmanuskriptes notierte, war wohl der wahre Grund für seine verfrühte Rückkehr nach New York. Dort widmete er, insofern sein Zustand dies gewährte, sich fast ausschließlich dem dritten Pianokonzert, das seiner Frau Ditta gewidmet war. Erschwerend zur Gesamtsituation kam noch dazu, dass der Mietvertrag des New Yorker Appartements auslief und ein weiterer Umzug in der verhassten Stadt bevorstand. Am 21. 09. 1945 fand ein letztes Gespräch zwischen Béla Bartók und Tibor Serly statt. Serly beobachtete, dass der Komponist sich fieberhaft der Fertigstellung seines Klavierkonzertes widmete, als hätte er eine Vorahnung, dass dies seine letzten Tage werden würden. Es war ihm scheinbar wichtiger, seiner Frau Ditta, die gleichfalls Pianistin war, ein Stück zu hinterlassen, dass ihr Talent ausschöpft und seine Tradition fortführt. Auf den letzten Blättern dieses Manuskriptes schrieb der Komponist das ungarische Wort „vége“ - Ende, was er in keinem seiner vorherigen Werke je getan hatte. Das Manuskript des Violakonzertes befand sich gleichfalls neben seinem Bett, jedoch verschlossen auf einem Nachtschrank. Dass es zu Vermischungen der Notenblätter gekommen sein könnte, ist relativ unwahrscheinlich.

Einige Tage später hatte sich Bélas Zustand derart verschlechtert, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, wo er schließlich im September 1945 verstarb, ohne seine beiden Werke zu Ende geführt haben zu können.

2. Das Manuskript

Das original Manuskript bestand ursprünglich aus 4 sogenannten Biofolia. Biofolia sind großformatige Doppelseiten, die vorn und hinten beschrieben wurden, bestehen also aus 16 einfachen Seiten. Allerdings wurde festgestellt, dass zwei unbeschriebene Seiten unter den anderen des Manuskripts waren.

Die Noten wurden nach dem Ableben Béla Bartóks von seinem Sohn Péter Bartók auf dem Nachtschrank mit dem Titel „Viola Concerto and Song“ in einem Umschlag gefunden, was mit „Song“ gemeint war, ist bis heute unklar. Die Familie Bartók beauftragte im folgenden Tibor Serly mit der Fertigstellung des Werkes, auf welche auch der Auftraggeber William Primrose drängte, weshalb das Manuskript für längere Zeit im stetigen Austausch zwischen Serly und Péter Bartók stand. Im Jahre 1950, nach der Uraufführung wurde eine Aufnahme des Konzertes mit Primrose als Solist und dem New Symphony Orchestra erstellt, auf deren Cover ein Foto des Originalmanuskriptes gedruckt wurde. Auf diesem Foto enthält das Manuskript 14 Seiten, einschließlich einer Skizze des Eröffnungsteils des ersten Satzes, als Serly jedoch im Jahre 1963 dem Budapester Bartók Archiv eine Kopie des Manuskripts übergab, enthielt diese nur 13 Seiten.

Des weiteren ist der Verbleib der Originalhandschrift in den Jahren von 1953-1972 ungeklärt, sie wurde später allerdings im Nachlass Serlys entdeckt.

1990 begann Péter Bartók in Zusammenarbeit mit Nelson Dellamaggiore und dem Bratscher Paul Neubauer eine überarbeitete Notenedition des Violakonzertes mit einem Faksimileteil, nach diversen Kopien rekonstruiert, herauszugeben, die dann im Jahre 1995 erschien. Es nicht undenkbar, dass Serly bewusst das Geheimnis um das Manuskript aufrechterhielt, um sich selbst und seine rekonstruierte Version zu schützen und nicht der Kritik ausgesetzt zu werden, nicht im Sinne Bartóks gearbeitet zu haben.

Bei näherer Untersuchung der Faksimile-Ausgabe wird deutlich, dass zum einen die Schrift des Komponisten äußerst schwer lesbar ist, vor allem auch, weil er viele ominöse Abkürzungen verwendete und Anmerkungen und Korrekturen immer direkt in die Noten schrieb. Zum anderen wird ersichtlich, dass die Skizzen tatsächlich nur einer ersten Schaffensphase zugeordnet werden können und von Bartók selbst vermutlich noch mehrmals tiefgründig überarbeitet worden wären. Die formale Struktur ist bereits komplett und größtenteils auch nachzuvollziehen, eine Dreiteiligkeit erkennbar. Problematischer sind hingegen Stellen, in denen Takte oder ganze Teile auftauchen, die nicht direkt ins Gesamtstück eingeordnet werden können oder die Uneindeutigkeit über die einzelnen Anfänge der Sätze.

Láslo Somfai beschäftigt sich intensiv in seinen Bartókforschungen mit der typischen Kompositionsweise Bartóks und untersucht hierzu viele Originalmanuskripte, um mittlerweile eine Phaseneinteilung in der Kompositionsweise aufstellen zu können. Demnach schuf Béla ca. 3 Entwürfe, vom ersten kreativen Prozess über Probieren hin zu einer

Fixierung, rechnet man diverse kleinere Korrekturen noch mit ein, bis es zu einer Edition kam, sind es teilweise noch mehr. In der Editionsphase wurde das Ganze dann mindestens noch zweimal überarbeitet, um dann schließlich noch zwei mal korrigiert zu werden. Betrachtet man nun das Violakonzertmanuskript lässt sich sagen, dass es ca. in Phase 2 endet.

3. Werkeinflüsse

In seinen Forschungen entdeckte Péter Bartók diverse schottische Einflüsse im Violakonzert. Dies scheint gar nicht so abwegig zu sein, da man bei Béla Noten zum schottischen Lied „Gin a body, meet a body, comin' throu the rye“3 gefunden hat; außerdem erwähnt der Komponist in zwei Aufsätzen schottische Musik, in welchen er sie mit ungarischer Musik vergleicht, hierbei speziell auf rhythmischer Ebene, wobei er, begründet durch sprachliche Akzente, in beiden Musiken den „ungarischen Rhythmus“ findet, einer Kombination aus kurz - langen Notenwerten, in der schottischen Musik speziell aber auch den „anti-ungarischen“ Rhythmus nachweist, eine Kombination aus betonter punktierter Achtelnote mit anschließender unbetonter angehangener Sechzehntelnote. Dieser „anti-ungarische“ Rhythmus findet sich vor allem im ersten Teil des

[...]


1 Béla Bartok, Viola Concerto Op. Posth., hrsg. von Boosey & Hawkes, London o. J., S. iii.

2 Béla Bartok, Viola Concerto Op. Posth., hrsg. von Boosey & Hawkes, London o. J., S. iii. 4

3 Siehe Anhang S. 15: “„Gin a body, meet a body, comin' throu the rye“ - traditionell”

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Béla Bartóks "Viola concerto" op. Posth. - Entstehung und Einflüsse
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Musikwissenschaft)
Veranstaltung
Béla Bartók, der Komponist als Musikethnologe
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V56746
ISBN (eBook)
9783638513548
ISBN (Buch)
9783638664677
Dateigröße
1807 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Béla, Bartóks, Viola, Entstehung, Einflüsse, Béla, Bartók, Komponist, Musikethnologe, Musikethnologie;, Rekonstruktion;, Violakonzert;, Bratschenkonzert;, Tibor;, Serly;
Arbeit zitieren
Sina Schmidt (Autor:in), 2006, Béla Bartóks "Viola concerto" op. Posth. - Entstehung und Einflüsse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56746

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