Die Stellung des Adjektivs im Französischen


Seminararbeit, 2002

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Stellung des Adjektivs im Französischen
2.1 Allgemeines zum Adjektiv und seinen Funktionen
2.2 Die Voranstellung des Adjektivs in normativen Grammatiken
2.3 Harald Weinrichs Darstellung zur Adjektivstellung

3. Normative Grammatiken vs. Deskriptive Grammatiken

4. Fazit

5. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„Un brave homme“ – „un homme brave“? Wird das Adjektiv voran- oder nachgestellt oder beides? Die Stellung des attributiven Adjektivs im Französischen erlaubt sowohl eine Voran- als auch eine Nachstellung. Die meisten Adjektive stehen nach dem Nomen, eine kleine Anzahl steht davor und einige Adjektive stehen, je nach ihrer Bedeutung, vor oder nach dem Nomen.[1]

„En français contemporain courant, on observe généralement environ 1/3 de cas d’antéposition et 2/3 de cas de postposition. Mais cette proportion varie assez considérablement selon le type de discours : des textes techniques donnent jusqu’à 90 % de cas de postposition, et certains textes littéraires font apparaître plus de 50 % de cas d’antéposition.“[2]

Die Faktoren, die die Stellung des Adjektivs regeln, sind verschiedener Natur. Deren Kombination ist besonders vielfältig, so dass Sprachwissenschaftler und Grammatiker aus diesem Phänomen ein bevorzugtes wissenschaftliches Thema machen.

Zu diesen Wissenschaftlern gehört auch Harald Weinrich, dessen Darstellung zur Adjektivstellung im Französischen ich im zweiten Teil meiner Arbeit vorstellen werde. Dabei beziehe ich mich auf seinen Aufsatz „Die Stellung des Adjektivs im Französischen“ (In: Satz und Wort im heutigen Deutsch) und auf die Beschreibung in seiner „Textgrammatik der französischen Sprache“. Der erste Teil meiner Arbeit wird einleitend einen kurzen allgemeinen Überblick über die Wortart „Adjektiv“ und dessen Funktionen geben. Neben der Darstellung Weinrichs beinhaltet der zweite bzw. der Hauptteil die Voranstellung des Adjektivs und deren Erläuterung in den normativen Grammatiken. Als Grundlage für die Betrachtung und den Vergleich dienen die Grammatiken von Reu­muth/Winkelmann, Klein/Kleineidam, Confais und von Haas/Tanc. Abschließend werden im letz­ten Abschnitt diese normativen Grammatiken und die „Textgrammatik der französischen Sprache“ Weinrichs und „Le bon usage“ von Grevisse gegenübergestellt. Der Vergleich der beiden Gramma­tiktypen soll grundlegende Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten, ihre Form und Funktion be­schreiben und erläutern.

2. Die Stellung des Adjektivs im Französischen

2.1 Allgemeines zum Adjektiv und seinen Funktionen

Das Adjektiv, auch „Eigenschaftswort“, „Wiewort“ oder „Beiwort“ genannt, bildet neben dem No­men und dem Verb die 3. Wortart-Klasse. Der Form nach unterscheidet man einfache, abgeleitete und zusammengesetzte Adjektive wie z. B. grand, inutile (von utile) und franco-canadien.[3]

Auf semantischer Ebene bezeichnet es Eigenschaften, Beschaffenheiten, Kennzeichen und Merk­male von Personen und Sachen, „von Geschehnissen und Seinsformen wie von Eigenschaften und Umständen.“[4] Auf funktionaler Ebene ist das Adjektiv (wie auch das Verb) ein sekundärer Term und kann im Gegensatz zum Substantiv weder Subjekt noch Objekt oder Agens sein.

Wie seine etymologische Bedeutung erkennen lässt (frz. qui s’ajoute = „das, was ergänzt, hinzu­fügt“, lat. nomen adiectivum = „hinzufügbares Wort“), bestimmt das Adjektiv das Substantiv näher, wobei es mit ihm in Kasus, Numerus und Genus übereinstimmt. „Die Determination geschieht in der Weise, daß dem Nomen die Bedeutung des Adjektivs als (mindestens ein) spezifizierendes Merkmal […] hinzugefügt wird.“[5] Das Substantiv und das Adjektiv bilden zusammen eine Attribu­tion, die sich aus einem bestimmungsbedürftigen und einem bestimmungskräftigen Glied zusam­mengesetzt. Da das Nomen bestimmbar ist („determinandum“), bildet es die Basis der Attribution. Das Adjektiv dagegen, ist der bestimmende Bestandteil („determinans“) und wird deshalb auch Attribut genannt.[6]

Neben der Beifügung zu einem Substantiv gehört die Prädikation zu den Gebrauchsweisen des Ad­jektivs im Satz.

„Alle Adjektive, die überhaupt zum Kode der Sprache gehören, eigenen sich auch dafür, in Attributionen ge­braucht zu werden. Einige Adjektive, die eine klassifizierende Bedeutung haben, eignen sich jedoch nicht für den Gebrauch in Prädikationen.“[7]

Das Adjektiv hat attributive Funktion, wenn es eine Nominalgruppe erweitert, indem es zusammen mit dem Nomen ein komplexes Nomen bildet, und wird daher im Französischen „l’adjectif épithète“ genannt. Die prädikative Funktion eines Adjektivs ergibt sich aus der Bildung einer Ver­balgruppe mit den Kopula-Verben être, sembler, devenir, paraître, rester u.a. wobei das Adjektiv ein Merkmal, das für ein Subjekt gilt, angibt. „Das prädikative Adjektiv gehört also zur Valenz be­stimmter Verben, wohingegen die Erweiterung eines Nomens durch ein attributives Adjektiv fa­kultativ ist.“[8] Bestimmte Verben wie croire, estimer, rendre, trouver verlangen prädikative Ergän­zung zum direkten Objekt. „Führt man die Weglaßprobe für das attributive Adjektiv durch, so wird [ein] Satz […] nicht ungrammatisch, das Weglassen eines prädikativen Adjektivs ist dagegen syn­taktisch und/oder semantisch nicht möglich.“[9]

„L’épithète peut être supprimée sans que la phrase cesse d’être une phrase française. Supprimer l’attribut a pour résultat, soit de rendre la phrase impossible […], soit donner au verbe un tout autre sens […]“.[10]

In der französischen Terminologie wird es „adjectif attribut“ genannt, was im Deutschen zu Ver­wechslungen in Bezug auf die jeweiligen Bezeichnungen führen kann. „Abweichend vom Deut­schen richtet sich das Adjektiv nicht nur bei attributiven, sondern auch bei prädikativem Gebrauch nach seinem Bezugswort.“[11] Im Gegensatz zur deutschen Sprache, in der das attributive Adjektiv dem Substantiv nur vorangestellt ist, kann es im Französischen vor und nach dem Nomen stehen.

In der französischen Literatur werden sehr häufig das „l’adjectif qualificatif“ und das „l’adjectif déterminatif“ bzw. „l’adjectif non qualificatif“ ein und derselben Kategorie der Adjektive zugeord­net, wobei deren jeweilige syntaktische Rolle sie wiederum voneinander unterscheidet.[12] Oft wird nicht klar zwischen Adjektiven und den verschiedenen Begleitern des Substantivs wie z. B. den Indefi­nita, Demonstrativa, Possessiva usw. differenziert und deshalb werden auch deren Bezeich­nungen „adjectifs“ und „déterminants“ nicht einheitlich zugeordnet und gebraucht. Andererseits unterscheidet man auch in der Klasse der Adjektive, gemäß semantischen und syntaktischen Krite­rien, zwischen den „qualificatifs“, die Eigenschaften eines Nomens ausdrücken, und den „relation­nels“ (auch „Pseudo-Adjektive“ genannt), die die Beziehungen zwischen einem Nomen und ande­ren Elementen beschreiben (z. B. le discours présidentiel = le discours du président).[13] Dabei ist deren Abgrenzung von einander fließend und unterliegt nicht einer absoluten Vorschrift. „L’adjectif relationnel peut en effet se charger des qualités de l’objets désigné : il est alors reversé à la classe des qualificatifs.“[14]

2.2 Die Voranstellung des Adjektivs in normativen Grammatiken

Im Gegensatz zur deutschen Sprache, kann das attributiv gebrauchte Adjektiv (l’adjectif épithète) im Französischen dem Substantiv voran- und/oder nachgestellt werden. Obwohl die normativen Grammatiken der französischen Sprache bestimmte Normen und Richtlinien zur Adjektivstellung mit Hilfe von Beispielen geben und erklären, weisen sei darauf hin, dass keine absolut gültigen Re­geln für die Adjektivstellung gibt, „denn je nach der kommunikativen Absicht des Sprechers kann eine Regel durchbrochen werden.“[15]

Um die Stellung das Adjektivs und deren Darstellung in den normativen Grammatiken konkreter beschreiben zu können, werde ich nur einen Teil aus dem grammatischen Komplex „La place de l’adjectif épithète“, nämlich die Voranstellung, näher erläutern. Als Grundlage für die Ausführung dienen folgende normative Grammatiken der französischen Sprache: Reumuth/Winkelmann, Klein/Kleineidam, Confais und Haas/Tanc.

Grundsätzlich stellen die Grammatiken fest, dass attributive Adjektive vor und nach dem Nomen stehen. Klein/Kleineidam stellt für diese unterschiedliche Verteilung drei Grundregeln auf: „Die meisten Adjektive stehen nach dem Nomen […] Eine kleine Anzahl von Adjektiven steht in der Regel vor dem Nomen […] Einige Adjektive stehen, je nach ihrer Bedeutung, vor oder nach dem Nomen […]“[16] Auch Confais teilt die Adjektive in Bezug auf ihre Stellungseigenschaften in drei Gruppen stehen können und nachgestellte Adjektive.[17] Reumuth/Winkelmann erläutert dagegen in einem einführenden Absatz den Unterschied zur deutschen Sprache und die verschiedenen Stel­lungsmöglichkeiten der Adjektive. „Die weit überwiegende Mehrzahl der Adjektive steht nach dem Substantiv […]. Einige kurze und oft verwendete Adjektive, die eine Bewertung oder ein Angabe zur Größe ausdrücken, stehen vor dem Substantiv […]. Eine Reihe von Adjektiven kann sowohl vor, als auch nach dem Substantiv stehen, wobei sich ihre Bedeutung ändert. […] Unter bestimmten Bedingungen können meist vorangestellte Adjektive nachgestellt […] und üblicherweise nachge­stellte Adjektive voran­gestellt werden […].“[18]

Kurz und knapp wird bei Haas/Tanc unter dem Thema „Die Stellung des attributiven Adjektivs“ er­klärt, dass das attributive Adjektiv in der Regel nach dem Substantiv steht, das es bestimmt.[19] Ei­nige häufig gebrauchte und kurze Adjektive stehen laut Klein/Kleineidam regelmäßig vor dem No­men wie z. B. grand, gros, petit, jeune, vieux, bon, mauvais, vilain, beau, joli. Die Adjektive court, bref und long gehören auch zu dieser Gruppe, wenn sie in zeitlicher Bedeutung gebraucht werden. Jedoch in räumlicher Bedeutung stehen court und long meist nach dem Nomen (z. B. une jupe courte). Wenn das Adjektiv „haut“ zur Bezeichnung des Ranges oder Wertes (z. B. la haute cou­ture), zur Bezeichnung der Intensität oder des Grades (z. B. de hauts salaires) und im räumlichen Sinn (z. B. une haute tour) gebraucht wird, steht es vor dem Nomen.[20] Reumuth/Winkelmann nennt man auch diese kleinen Gruppen von vorangestellten Adjektiven und ergänzt sie durch „vaste“ und „moindre“ (z. B. le moindre doute, une vaste culture). Die Komparativ- bzw. Superlativformen „meilleur“ und „pire“ werden im Normalfall auch vorangestellt (z. B. une meilleure offre, mon pire défaut). Mehrere Adjektive dieser Gruppe bilden feste Begriffe bzw. Wendungen wie z. B. des petits pains = Brötchen; des jeunes gens = Jugendliche oder une petite maison = ein Häuschen).[21] Auch Confais führt die genannten Adjektive an und fügt lediglich alle Zahladjektive (z. B. le pre­mier jour, la deuxième fois) dieser Gruppe hinzu.[22]

[...]


[1] Vgl. Klein/Kleineidam (1994), S. 61.

[2] Arrivé et al. (1986), S. 37.

[3] Vgl. Klein/Kleineidam (1994), S. 53.

[4] Fleischer/Hartung et al. (1983), S. 159.

[5] Weinrich (1985), S. 352.

[6] Vgl. Ebd.

[7] Ebd., S. 354.

[8] Langer (1998), S. 6.

[9] Ebd., S. 7.

[10] Grevisse In: Langer (1998), S. 7.

[11] Klein/Kleineidam (1994), S. 53.

[12] Vgl. Grevisse/Goosse (1981), § 187.

[13] Vgl. Arrivé et. al. (1986), S. 33.

[14] Ebd.

[15] Reumuth/Winkelmann (1994), S. 243.

[16] Klein/Kleineidam (1994), S. 61.

[17] Vgl. Confais (1978), S. 215.

[18] Reumuth/Winkelmann (1994), S. 243.

[19] Vgl. Haas/Tanc (1987), S. 70.

[20] Vgl. Klein/Kleineidam (1994), S. 62.

[21] Vgl. Reumuth/Winkelmann (1994), S. 244.

[22] Vgl. Confais (1978), S. 216.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Stellung des Adjektivs im Französischen
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Romanistik )
Veranstaltung
Seminar
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V56687
ISBN (eBook)
9783638513135
ISBN (Buch)
9783656730842
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stellung, Adjektivs, Französischen, Seminar
Arbeit zitieren
Magister Katrin Polter (Autor:in), 2002, Die Stellung des Adjektivs im Französischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56687

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