Ausbildung von Volksschullehrern im Nationalsozialismus unter besonderer Berücksichtigung von Überfüllung und Mangel


Examensarbeit, 2004

156 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Lehrerbildung unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie
2.1 Der nationalsozialistische Ideologiebegriff
2.2 Die nationalsozialistisch-ideologischen Elemente und ihre Projek- tion auf die Lehrerbildung
2.3 Bildung und Erziehung im Nationalsozialismus

3 Die Ausbildung von Volksschullehrern in der Weimarer Republik
3.1 Bildungspolitische Inhalte der Weimarer Verfassung und ihre Aus- wirkung auf die Ausbildung von Volksschullehrern
3.2 Heterogenität der Volksschullehrerausbildung
3.3 Die Pädagogischen Akademien in Preußen
3.4 Überfüllungssituation im Lehramt für Volksschulen

4 Die bildungspolitische Situation im Nationalsozialismus
4.1 Schul- und Bildungspolitik im Dritten Reich
4.1.1 Bildungsbeschränkung und Zentralisation in der Schul- verwaltung
4.1.2 „Gleichschaltung“
4.2 Diskussion zur Frage der Lehrerbildung nach 1933

5 Die Hochschule für Lehrerbildung
5.1 Übergang von der Pädagogischen Akademie zur Hochschule für Lehrerbildung in Preußen
5.2 Vereinheitlichung der Volksschullehrerausbildung nach preußischem Vorbild
5.3 Studium an der Hochschule für Lehrerbildung
5.3.1 Studium für das Volksschullehramt
5.3.2 Weitere Ausbildungsmöglichkeiten
5.4 Organisation und Entwicklung der Hochschule für Lehrerbildung
5.4.1 Nationalsozialistische Organisationsformen
5.4.2 Richtlinien und Studienordnung
5.5 Zum Anspruch der Wissenschaftlichkeit
5.6 Überblick zur weiteren Entwicklung der Hochschulen für Lehrer- bildung

6 Der Weg zur Reseminarisierung der Volksschullehrerbildung
6.1 Weichenstellung zum Umbruch in der Volksschullehrerbildung
6.2 Bedeutung des Lehrermangels für das Ende der Hochschule für Lehrerbildung
6.3 Erneute Diskussion über die Ausbildung von Volksschullehrern ab 1938
6.3.1 Positionen für die Hochschule für Lehrerbildung
6.3.2 Positionen der Gegner der Hochschule für Lehrerbildung
6.4 Staatliche Aufbaulehrgänge in Preußen ab 1939
6.4.1 Einrichtung der Staatlichen Aufbaulehrgänge
6.4.2 Auswahl der Schüler und „Auslese“ in Musterungslagern
6.4.3 Lehrkörper, Schülerschaft und Ausbildung
6.5 Ausbildung von Schulhelfern als letzter Versuch zur Abwendung eines Umbruchs

7 Die Lehrerbildungsanstalt
7.1 Entscheidung und Umbruch für die Lehrerbildungsanstalt
7.2 Die Einführung der Lehrerbildungsanstalt
7.2.1 Aufbau und Einrichtung der Lehrerbildungsanstalten . .
7.2.2 „Vorläufige Bestimmungen für den Unterricht an Lehrer- bildungsanstalten“
7.2.3 Ausbildungswege an der Lehrerbildungsanstalt
7.2.4 Abschluss an der Lehrerbildungsanstalt
7.3 Organisation der Lehrerbildungsanstalt
7.3.1 Lehrkräfte
7.3.2 Schülerschaft
7.3.3 Organisationsformen
7.4 Auswirkungen des Krieges auf die Volksschullehrerausbildung . .
7.4.1 Verlegungen der Lehrerbildungsanstalten
7.4.2 Einschränkungen der Ausbildung
7.5 Weitere Verschärfung des Volksschullehrermangels

8 Schlussbetrachtungen

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Personenregister

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit stellt die Entwicklung der Ausbildung von Volksschul- lehrern1 im Nationalsozialismus dar. Die Wahl des Themas ist aus dem Interesse entstanden, Einsichten in diese Entwicklung und die dafür ursächlichen Fakto- ren zu erhalten.

Bei der Betrachtung des Zeitraums von 1933 bis 1945 ist auffällig, dass ein Übergang einer Überfüllung des Volksschullehramtes zu einem eklatanten Man- gel zeitgleich zu tiefgreifenden Veränderungen in der Lehrerbildung verlief. Vor diesem Hintergrund stellte sich uns die Frage, ob sich die Wechsellagen von Überfüllung und Mangel ursächlich auf die Entwicklung der Volksschullehrer- bildung im Nationalsozialismus auswirkten oder ob andere Faktoren diese be- dingten. Dieser Fragestellung soll neben der Darstellung der Ausbildung von Volksschullehrern bis zur Ersten Prüfung in dieser Arbeit nachgegangen werden.

Untersucht man die historische Entwicklung von Lehrern oder deren Aus- bildung, ist eine Differenzierung nach den einzelnen Lehrämtern erforderlich. Um zu aussagekräftigen Erkenntnissen im Rahmen dieser Arbeit zu gelangen, ist die Beschränkung auf ein Lehramt notwendig. Zu unterschiedlich verlaufen z. B. die Entwicklungen vom höheren und niederen Lehramt.2 In dieser Arbeit bleiben ferner die zweite Ausbildungsphase sowie die Lehrerfortbildung unberücksichtigt, da die für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen relevanten Erkenntnisse in der ersten Ausbildungsphase zu erwarten waren.

Mit dem Nationalsozialismus verbindet man heute meist den Zweiten Welt- krieg und den Holocaust. So erscheint eine Thematisierung der Volksschulleh- rerausbildung eher unverfänglich, zumal es in der Natur der Sache zu liegen scheint, dass das Berufsfeld des Volksschullehrers weit weg von den bekannten Verbrechen angesiedelt war. Jedoch eröffnet eine nähere Betrachtung ein ande- res Bild. Volksschullehrer unterrichteten über 90% der Schüler eines Jahrgangs und waren somit ideale Multiplikatoren politischer und weltanschaulicher Vor- stellungen. Dieses Potential erkannten nach 1933 auch die neuen Machthaber. Der Ausbildung von Volksschullehrern kam deshalb im Nationalsozialismus eine Schlüsselrolle zu.

Zu beachten ist auch die Tatsache, dass viele der im Dritten Reich an den Lehrerbildungsanstalten ausgebildeten jungen Menschen bis in die 1980er Jahre als Lehrer oder in Positionen der Schulverwaltung tätig waren. So können auch die nach dem Zweiten Weltkrieg zum Zwecke der Vorbereitung auf die Lehrtä- tigkeit in einer parlamentarischen Demokratie durchgeführten Kurse für Lehrer nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Einfluss der nationalsozialistischen Leh- rerbildung weit in unsere bundesrepublikanische Gesellschaft hineinreicht. Vor diesem Hintergrund ist eine genauere Auseinandersetzung mit dem Thema loh- nenswert.

Grundlage der Arbeit war ein Literaturstudium von Büchern, Sammelbänden und Artikeln. Über den Nationalsozialismus wurden zahlreiche Werke verfasst, selbst der Sektor der nationalsozialistischen Schul- und Bildungspolitik ist kaum überschaubar. Besonders in den letzten 35 Jahren wurden verstärkt Beiträge hierzu verfasst. Jedoch stehen den zahlreichen Untersuchungen zur Pädagogik und Schule des Nationalsozialismus vergleichsweise wenige zur Ausbildung von Lehrern gegenüber.

In einer ausführlichen Untersuchung setzt sich Axel Nath3 mit dem höheren Lehramt im Nationalsozialismus auseinander. Ottwilm Ottweiler4 untersuchte bereits früh die Volksschule im Nationalsozialismus insgesamt. Obwohl diese Un- tersuchung vor allem auf die Entwicklung im Reich abzielt, greift Ottweiler darin auch Aspekte der Ausbildung von Volksschullehrern auf. Einen guten Einstieg in das Thema „Ausbildung von Volksschullehrern im Nationalsozialismus“ bietet der Beitrag „Lehrer“5 von Sebastian Müller-Rolli aus dem 5. Band des Hand- buchs der deutschen Bildungsgeschichte in Kombination mit dem Beitrag „Bil- dungsbegrenzung und Indoktrination als Prinzipien der nationalsozialistischen Schulpolitik“6 aus einem gemeinsamen Werk von Hans-Georg Herrlitz, Wulf Hopf und Hartmut Titze aus dem Jahr 1998. Besonders der zweitgenannte Bei- trag repräsentiert den aktuellen Forschungstand, der den Nationalsozialismus in einen Bezugsrahmen der Bildungsgeschichte setzt. Nationalsozialismus wird in der aktuellen Forschung als prinzipielle Möglichkeit zur autoritären Krisenbe- wältigung verstanden. Demzufolge war die nationalsozialistische Schulpolitik ein Teil einer umfassenden Krisenstrategie. Mit Krisen sind sogenannte „Bildungs- krisen“ (Phasen geistiger Überproduktion) bzw. Verwertungskrisen (Arbeitslo- sigkeit) gemeint.7 Der Ideologie kommt im Nationalsozialismus besonders die Aufgabe zu, die systembedingte Bildungsbegrenzung zu rechtfertigen.8

Bemerkenswert ist ein mehr als 600 Seiten umfassender Beitrag zur Aus- bildung von Volksschullehrern von Ulrike Gutzmann9 aus dem Jahr 2000. In ihrer Monographie hat sie zahlreiche Quellen und umfangreiche Aktenbestän- de ausgewertet. Unter anderem auch die Bestände des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung im Bundesarchiv, die erst nach 1990 der Öffentlichkeit zugänglich wurden. Somit liegt ein sehr aktuelles Werk vor. Leider hat die Untersuchung in unserer Vorarbeit einen ambivalenten Eindruck hinterlassen. Zum Einen konnten wir auf einen großen Fundus an Material zu- greifen, da die Verfasserin sehr ausführlich die von ihr bearbeiteten Sachverhalte beschreibt, auf der anderen Seite beachtet sie nur zum Teil den aktuellen For- schungsstand. Insofern konnten wir ihre Schlüsse nicht immer in unsere Arbeit einbeziehen.

Um die Entwicklung der Ausbildung von Volksschullehrern im Nationalsozia- lismus darzustellen, unterteilen wir in der vorliegenden Arbeit die Entwicklung der Volksschullehrerbildung in drei Kapitel (Kapitel 5, 6 und 7). Verbunden werden die beiden den Ausbildungsformen Hochschule für Lehrerbildung und Lehrerbildungsanstalt entsprechenden Kapitel durch ein integratives, welches den Übergang der einen Ausbildungsform in die andere erörtert.

Um die Überprüfung der Kausalität der Überfüllungs- und Mangelsituatio- nen im Dritten Reich bezüglich der Entwicklung der Volksschullehrerbildung zu ermöglichen, stellen wir den o. g. Kapiteln drei Kapitel voran. In ihnen erfolgt eine Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Ideologie, ein Überblick über die bildungspolitischen Veränderungen in der Weimarer Zeit bezogen auf die Volksschullehrerbildung sowie ein Überblick über die bildungspolitische Situ- ation im Dritten Reich. Ob die Überfüllungs- und Mangelphasen ursächlich für die einschneidenden Veränderungen in der Volksschullehrerbildung im National- sozialismus waren, soll sich mit Hilfe der Erkenntnisse aus den ersten Kapiteln anhand der für die Volksschullehrerbildung relevanten Entscheidungsprozesse und Maßnahmen überprüfen lassen.

2 Die Lehrerbildung unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie

Bei der Untersuchung der Volksschullehrerbildung des Dritten Reiches bedarf es eines näheren Blickes auf die NS-Ideologie1 und ihrer Wirkung für die Erziehung. Erst dieser ermöglicht eine Beurteilung der Entwicklung der Ausbildung von Volksschullehrern im Hinblick auf die Ziele des Nationalsozialismus. Genauso unverzichtbar ist dieser Einblick für das Erkennen von Zusammenhängen zwischen dem Nationalsozialismus und den bereits vorhandenen gesellschaftlichen Strömungen und Denkmustern.

Im Folgenden soll ein Überblick über den nationalsozialistischen Ideologiebegriff gegeben werden. Anschließend werden weltanschauliche Elemente und zentrale Schlagwörter, die in Rechtfertigungen bildungspolitischer Maßnahmen im Nationalsozialismus häufig anzufinden waren, erläutert und ihre Bedeutung für die Volksschullehrerbildung aufgezeigt.

2.1 Der nationalsozialistische Ideologiebegriff

Das Gedankengut des Nationalsozialismus ist kein geschlossenes System, es ist vielmehr ein Zusammenschluss von verschiedenen Wertvorstellungen, Ansprü- chen und Ressentiments, die von unterschiedlichen Strömungen beeinflusst wa- ren. Wurzeln dieses „Ideenkonglomerates“2 sind in dem deutschen nationalen Bürgertum der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu suchen. Dessen Vor- stellungen und Leitbilder sowie dessen Ressentiments konkretisierten und ra- dikalisierten sich nach dem verlorenen ersten Weltkrieg in den sich aus der bürgerlich-patriotischen Bewegung gründenden völkischen Gruppierungen und antisemitischen Organisationen. Neben Rassenmystik, nordisch-germanischen Geschichtslegenden und Biologismus bildeten z. B. neuheidnisches Religionsss- tiftertum und Heimatkunstbestrebungen das ideologische Halbdunkel, das den Nährboden für die Ideologie der NSDAP darstellte. Der vage Charakter der NS- Ideologie hatte im Sinne der nach Macht strebenden NSDAP den maßgeblichen Vorteil, dass mit dieser Weltanschauung, gepaart mit effektvoll eingesetzten Schlagwörtern, jedem das versprochen werdenkonnte, was er gerade hören woll- te. Es schien damit keine Notwendigkeit zu bestehen, ein konkretes Zukunfts- programm festzulegen.

Der Umstand, dass alle Elemente der nationalsozialistischen Weltanschauung bereits vor 1933 in der deutschen Gesellschaft Fuß gefasst hatten und die von Hitler z. B. in „Mein Kampf“ formulierten Grundsätze und Zielvorstellungen nicht nur dürftig, sondern auch wenig fundiert ausfielen, führte nach dem Zweiten Weltkrieg zeitweise zur Diskussion der Frage, ob der Nationalsozialismus überhaupt eine Ideologie besitze.

Nach dem heutigen Forschungsstand ist man der Ansicht, dass es eine, wenn auch vage formulierte, Ideologie gab. Als Begründung werden die von Hitler 1925 formulierten rassistischen Grundannahmen angeführt, aus denen sich die folgenden zentralen Elemente der NS-Ideologie ableiten lassen:

„Erstens die sozial-biologische Unterscheidung von Menschen nach ih- rer angeblichen rassischen Herkunft und Wertigkeit in wertvolle und in minderwertige mit unterschiedlichem Anspruch auf Lebensrecht; zweitens die Fiktion einer reinrassigen und erbbiologisch gesunden Volksgemein- schaft als oberster Wert und zugleich Staatszweck, die es herzustellen galt auf dem Weg von Züchtung und Auslese; drittens die Vorstellung ei- ner auf dem Führer-Gefolgschafts-Prinzip basierenden Volksordnung mit hierarchisch-elitären und zugleich patriarchalen Strukturen und schließ- lich viertens der Anspruch des Herrenvolkes auf Lebensraum, der notfalls gegenüber den als minderwertig deklarierten Völkern mit militärischer Gewalt durchzusetzen war.“3

Der antiliberale, antisozialistische und vor allem antisemitische Charakter der nationalsozialistischen Weltanschauung lässt sich zum Teil mit Hitlers Biogra- fie erklären, der noch im 19. Jahrhundert im Zeitalter des Imperialismus und nationaler Gegensätze in Österreich4 und in Europa sozialisiert wurde. Den Antisemitismus lernte er in Wien kennen, von den Aufmärschen der Sozialde- mokraten schaute er sich viele Organisationsprinzipien für seine „Bewegung“ ab.

2.2 Die nationalsozialistisch-ideologischen Elemente und ihre Projektion auf die Lehrerbildung

Angesichts des hohen Stellenwertes der Volksschullehrer als Multiplikatoren na- tionalsozialistischer Weltanschauung ist es nahe liegend, dass Hitlers o. g. Grun- dannahmen auch für die Konzeption der Erziehung einen stark beeinflussenden Charakter besaßen und alle wichtigen Elemente der nationalsozialistischen Ideo- logie mehr oder weniger Eingang in die Ausbildung der Volksschullehrer finden sollten. Im Folgenden sollen zunächst die wichtigsten ideologischen Schlagwörter und Elemente, anschließend deren Bedeutung für die Volksschullehrerbildung des Dritten Reiches beleuchtet werden.

„Rasse“ und „Auslese“

Der zentrale Begriff der NS-Ideologie ist der der „Rasse“. Die ihm zu Grun- de liegenden pseudobiologischen Ansichten, dass sich Menschen in verschiedene Rassen einteilen lassen und auf Grund unterschiedlicher genetischer Anlagen eine qualitative Unterscheidung möglich sei, war im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts weit verbreitet. Neben anderem wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Biologismus zur einflußreichen Strömung, die wesent- lich zur Herausbildung einer faschistischen Ideologie beitrug. Die Vertreter des Biologismus leugneten eine nichtbiologische Entwicklungsfähigkeit der Gesell- schaft und die gesellschaftliche Bestimmtheit des Menschen. Der Nationalsozia- lismus radikalisierte diese Strömungen unter Berufung auf abstruse geschichts- philosophische Theorien und den Biologismus derart, dass er der arischen Rasse eine Vormachtstellung zuschrieb; der „Arier“ wurde als „Kulturbringer“ stilisiert. Das deutsche Volk sollte in dieser „Herrenrasse“ eine exponierte Stellung einneh- men, welche nur sie befähigte, zukünftig Hochkulturen zu begründen.5 Während vom Arier angeblich alles Gute käme, so käme vom „Juden“ angeblich alles Böse, insbesondere Liberalismus, Sozialismus, Kommunismus. Im Anschluss an die Entwicklung des Biologismus im 19. Jahrhundert und an die rassistischen Theorien des Briten H. S. Chamberlains und des Franzosen Gobineau wurden Juden nicht mehr als Angehörige einer Religionsgemeinschaft gesehen, sondern als eine rassische, angeblich „minderwertige“ Gruppe.

Neben der Abgrenzung zu anderen Völkern oder Rassen lag der Fokus im Nationalsozialismus auch auf dem deutschen Volk. Auf dem „Fundament“ der Eugenik, deren Ziel es ist, durch „gute Zucht“ erbschädigende Einflüsse aus- zuschalten, begründet sich das Ziel Hitlers und dessen „Wissenschaftlern“, das „deutsche Blut“ rein zu halten bzw. genetisch zu verbessern. Im Nationalsozia- lismus eng mit dem Begriff der Rasse verknüpft war die „Auslese“. Sie sollte sicherstellen, dass der „nordische Kern“, angeblich neben dem Äußeren an den charakterlichen Tugenden erkennbar, aus der „breiten Masse“ extrahiert wird. Das Kriterium dafür war nach Hitler die unveränderliche „angeborene Bega- bung“.6

Betrachtet man diese Ansicht genauer, muss man zu dem Schluss kommen, dass eine Formung oder Entwicklung der „Rasse“ nicht durch Erziehung, sondern nur durch „Züchtung“ möglich ist. Dies würde allerdings jegliches nationalsozialistisches Erziehungsbemühen ad absurdum führen. Damit ist sicherlich einer der vielen Schwachpunkte der NS-Ideologie offengelegt.

So verwundert es auch nicht, wenn der Begriff der Rasse und der Auslese im Nationalsozialismus von den führenden Pädagogen wie Krieck7 und Baeumler etwas anders ausgelegt wurde. Krieck sieht den Rassebegriff nicht in dem Maße biologisch festgelegt wie Hitler, sondern als „Typus des Seins und Verhaltens". Mit dieser Definition konnten die Maßstäbe für die Auslese vor allem um die Werte politischer, sozialer, kultureller, gesellschaftlicher und geschichtlicher Art erweitert werden. Ausgehend von der Einheit des Menschen aus Körper, Geist und Seele, ließ Krieck nicht den Naturwissenschaften bei der Formung der Rasse die Hauptaufgabe zukommen, sondern den Methoden der „seelisch-geistigen Beeinflussung“. Auch diese sollte Züchtungscharakter haben.8

Welches Ausmaß dieser Aspekt der Ideologie annahm, lässt sich u.a. an einer Reihe von erlassenen Gesetzen frühzeitig aufzeigen. Neben den bekanntesten, den Nürnberger Rassegesetzen von 1935, war bereits 1933 der Bildungsbereich durch das „Gesetz zu Wiederherstellung des Berufsbeamtentum“ betroffen, wel- ches die Entlassung jüdischer und sozialdemokratischer Lehrer zur Folge hatte. Welche Rolle in diesem antisemitisch-rassistischen Konstrukt der Bildungspoli- tik und damit auch speziell der Lehrerschaft zukam, formulierte Hitler in seinem in der Landsberger Festungshaft verfassten Buch „Mein Kampf“ drastisch:

„Die gesamte Bildungs- und Erziehungsarbeit des völkischen Staates muß ihre Krönung darin finden, dass sie Rassesinn und Rassegefühl instinktiv- und verstandesmäßig in Herz und Gehirn der ihr anvertrauten Jugend hineinbrennt. Es soll kein Knabe und kein Mädel die Schule verlassen, ohne zur letzten Erkenntnis über die Notwendigkeit und das Wesen der Blutreinheit geführt worden zu sein“.9

„Volksgemeinschaft“

„Volksgemeinschaft“ ist ebenfalls ein zentraler Begriff der NS-Ideologie. Er steht programmatisch für die Idee des nationalen Sozialismus. Das Volk als Rasse- und Weltanschauungsgemeinschaft soll sich geschlossen, nach Hitlers Ansicht „ohne Ansehen des Standes und der Herkunft“, hinter seinem Führer versammeln. Tatsächlich sollten mit der Volksgemeinschaft aber nicht die Standesgrenzen verwischt oder gar aufgerhoben werden. Goebbels sagte dazu 1928: „Wir sind keine Gleichmacher und Menschheitsanbeter. Wir wollen Schichtung des Volkes, hoch und niedrig, oben und unten.“10 Die Volksgemeinschaft war verschieden in- terpretierbar: Neben Rasse- und Weltanschauungsgemeinschaft wurde sie auch als „Opfergemeinschaft“, in der jeder seinen Teil, bis hin zum eigenen Leben, für die nationalsozialistischen Ziele hingeben sollte11 und als „Wehrgemeinschaft“, die auf die Ausgrenzung „Artfremder“ abzielte, begriffen. Nach nationalsozia- listischer Weltanschauung kann nur ein „Volksgenosse“12 der Volksgemeinschaft angehören.

Durch Gleichschaltung der öffentlichen Meinung in der NS-Propaganda und durch ein konsequent nationalsozialistisches Erziehungssystem sollte die Volks- gemeinschaft verwirklicht werden. Der massive propagandistische Einsatz der Phrase „Volksgemeinschaft“ führte aber oftmals dazu, dass die Volksgemein- schaft als „verordnet“ empfunden wurde und inszeniert wirkte. Ein Beispiel für die propagandistische Inszenierung der Volksgemeinschaft war der so genannte „Eintopfsonntag“, der mehrfach im Jahr veranstaltet wurde und an dem jedes Mitglied der Volksgemeinschaft verpflichtet war, Eintopf zu essen. Ein anderes Beispiel war das im September 1933 als „Winterkampf gegen Kälte und Hun- ger“ gegründete Winterhilfswerk (WHW), mit dessen Hilfe notleidende Volks- genossen unterstützt werden sollten. Nachdem der deutsche Überfall auf die Sowjetunion im Dezember 1941 im russischen Winter feststeckte, machte das Winterhilfswerk mit einer groß angelegten Sammlungsaktion von Winterklei- dung in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam. Die Parteiführung wählte für die Finanzierung den öffentlichkeitswirksamen, aber umständlichen Weg über die Sammelbüchse, obwohl Zwangsabgabe mit Sicherheit einfach durchzuset- zen gewesen wäre. Bei ihren Inszenierungen wollte das Propagandaministerium nicht auf die Unterstützung von Prominenz verzichten und verpflichtete z. B. Heinz Rühmann oder Zarah Leander.13

Die tatsächliche Struktur der NS-Volksgemeinschaft unterschied sich aller- dings von der inszenierten erheblich. Die Phrase der Volksgemeinschaft diente im Nationalsozialismus dazu, ein ganz anderes Konzept zu realisieren. Sie war war in Wahrheit ein Verhältnis von Führer zur Masse. Diese bestand nach Willen der Machthaber nicht mehr aus freien Individuen, sondern aus willenlosen Teil- chen, die vom „Führer“ zu beliebigen Formationen organisiert werden konnten. Goebbels sprach davon, das Volk zu einem „Stahlblock“ zusammenzuschwei- ßen.14 Das Ideal der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft war daher nicht die Gemeinschaft von Individuen, sondern das einer gut zu lenkenden Masse. Ihre eigentliche Bestimmung sollte die nationalsozialistische Volksgemeinschaft in der Umwandlung des Volkes zu einer Heimat und Front verbindenden „Mili- tärmaschine“ finden.

Doch die Nationalsozialisten hatten den Begriff nicht erfunden. „Volksgemein- schaft“ war bereits um 1900 ein häufig gebrauchter Begriff, erfuhr aber im Ersten Weltkrieg durch die erfahrene und empfundene „Frontgemeinschaft“15 eine neue Blütezeit. In der Euphorie des Kriegsbeginns vom August 1914 und der an- schließenden Kameradschaft im Feld, sahen viele konservative, aber auch linke Kräfte geradezu das Modell der verwirklichten Volksgemeinschaft, in der alle Klassen- und Standesschranken gefallen waren. Dieser „Geist von 1914“ wurde in der politischen Diskussion der Weimarer Zeit vor allem von der aufstrebenden Jugend immer wieder beschworen. Der Begriff der „Volksgemeinschaft“ vermit- telte der Jugendbewegung der 1920er Jahre die Illusion, dass sich persönliche enge Verbindungen auf den Status einer gesamten modernen - und vor allem konfliktfreien - Gesellschaft übertragen ließen. Damit war „Volksgemeinschaft“ ein idealer Begriff für die politische Propaganda und bildete für die Nationalso- zialisten einen Schlüssel zu der zur „neuen Macht“ aufsteigenden jungen Gene- ration.16

„Blut und Boden“

Der nationalsozialistische Kult von „Blut und Boden“ stellte ein romantisch- rassisches Ideologieelement dar, welches die „große“ germanische Vergangenheit des deutschen Volkes verklärte. In diesem „Erdkult“, in dessen Terminologie der Begriff „Blut“ das nationalsozialistische Element der „Rasse“ repräsentiert, kam der Landbevölkerung eine herausragende Stellung zu. Sie wurde zum einzig „na- turverwachsenen“ Stand hochstilisiert, der die geforderten „rassischen Anlagen“ bewahrt habe.17 Das Bauerntum stellte „eine Art Sammel- und Quellbecken der völkischen Kraft“18 dar. Auch der schlicht als „Bauern“ titulierten Landbevölkerung hatte Hitler in „Mein Kampf“ bezüglich seiner Agessions- und Expansionspläne eine spezielle Rolle zugewiesen: „Was in der Geschichte nutzbringend germanisiert wurde, war der Boden, den unsere Vorfahren mit dem Schwert erwarben und mit deutschen Bauern besiedelten“.19

Auch bei diesem Element griffen die Nationalsozialisten bereits bestehende Strömungen auf und formulierten sie in ihrem Sinn um. Denn bei näherer Be- trachtung dieses Kultes stößt man unweigerlich häufig auf Begriffe wie „völkisch“ oder „Volk“. Letzteres wird oft in einer über den eigentliche Wortsinn hinausge- henden Bedeutung verwendet: Diese Termini wurzeln weit vor 1933. Nach Mosse definierten bereits seit der Romantik im späten 18. Jahrhundert die völkischen Denker das „Volk“ als „eine Gruppe von Menschen, denen eine metaphysische ‚Wesenheit‘ eigen ist“. „Die Beziehung der menschlichen Seele zur natürlichen Umgebung, zum ‚Wesen‘ der Natur“20, war bei ihnen ein wesentliches Element. Völkische Theoretiker gingen ferner davon aus, dass die Natur der Seele eines Volkes von der Natur des Mutterlandes - dem Boden - bestimmt würde. Fol- ge solcher völkischen Theorien war ein umfassender Antisemitismus, bei dem die Juden, im völkischen Sinn als „Wüstenvolk“ klassifiziert, ein oberflächliches, nüchternes und „verdorrtes“ Volk waren. Das Deutsche Volk dagegen, welches nach völkischer Anschauung in düsteren nebelverschleierten Wäldern lebte, wur- de dagegen mit positiven Attributen belegt. „Die Deutschen“ waren demnach mysteriös, gründlich und tiefsinnig. Sie strebten, stets in verschleierter Dunkel- heit lebend, dem Licht entgegen und waren somit „Lichtgestalten“.21

„Volk ohne Raum“ und „Lebensraum im Osten“

Schließlich verbindet die Phrase des „Lebensraum im Osten“22 alle vorher ge- nannten Elemente. Der im nationalsozialistischen Sinn gebrauchte Begriff „Le- bensraum“ geht maßgeblich auf den im Jahre 1901 erschienenen Aufsatz „Der Lebensraum“ des Friedrich Ratzel zurück. Darin beschrieb er die Menschheits- geschichte als einen „permanenten Kampf ums Überleben“, ohne jedoch einen Bezug auf die deutsche Politik herzustellen. Die politische Komponente dieses Begriffs entwickelte der Geopolitiker Haushofer, bevor er in dem zweibändigen Roman „Volk ohne Raum“ von Hans Grimm von 1926 literarisch populär wur- de. Der Roman wurde eines der meistgelesenen Bücher des Dritten Reiches und schulische Pflichtlektüre.23 Sein Titel wurde ein bestimmendes Schlagwort für Hitlers Expansionspolitik, die neben der ursprünglichen kolonialen nun vor al- lem eine kontinentaleuropäische Ausrichtung erhielt. Diese Ausrichtung begrün- dete er in seinem Politischen Testament damit, dass es sich auszubreiten nur dort Sinn mache, „wo der geographische Zusammenhang mit dem Mutterland gesichert ist.“ Alle genannten Elemente der nationalsozialistischen Ideologie und der mit ihnen eng verwobene Militarismus lassen sich besonders in Hitlers Blick auf den „Lebensraum im Osten“ und in dem später gegen die Sowjetunion ge- richteten Vernichtungskrieg nachweisen.

Auswirkung auf die Volksschullehrerbildung

Um Hitlers rassenpolitischen Ziele sowie seine Expansionspläne zu verwirkli- chen, bedurfte es einer Militarisierung und ideologischen Konditionierung der zivilen Gesellschaft. Um dies zu bewerkstelligen, eignete sich neben vielen an- deren Institutionen besonders auch die Schule und damit die in ihr arbeitende Lehrerschaft als Multiplikatoren nationalsozialistischer Weltanschauung.

Die Militarisierung wurde frühzeitig im öffentlichen Leben spürbar. Schon 1933 forderte der spätere Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volks- bildung Bernhard Rust die künftige Erziehung in Deutschland „habe sich aus- zurichten nach dem Geiste unseres großen feldgrauen Heeres und hat dafür zu sorgen, dass ein ganzes Volk in seiner Totalität auf diesen Gedanken hin erzogen wird“.24 Dieser Haltung folgend, nannten sich an den Hochschulen für Lehrer- bildung die Studenten bald „Kameraden“. In den Staatliche Aufbalehrgängen und in den ab 1941 geschaffenen Lehrerbildungsanstalten25 beeinflusste dieser Geist dann alle Bereiche der Lehrerbildung, sowohl die Aufnahmekriterien, die Lehrpläne und den Unterricht, als auch das von der HJ militärisch organisierte Internatsleben, bei dem der Kontakt zu aktiven Soldaten gesucht wurde. Vor allem an den Einrichtungen für Jungen traten die soldatischen Gepflogenheiten als äußerliche Zeichen im Tragen von Uniformen und im offiziellen Sprachgebrauch zum Vorschein. So redete man sich offiziell mit Rang an, Schüler hießen nun „Jungmannen“, aus Lehrern wurden „Zugführer“ und aus Schulleitern „Schulführer“. Übernommen wurden diese Bezeichnungen von den 1933 gegründeten Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (NAPOLA).26

Die rasseideologischen Gesichtspunkte lassen sich kaum isoliert betrachten. Sie bildeten die Rechtfertigungsbasis für die nationalsozialistische Bildungspo- litik und Lehrerbildung. Wie bedingend Hitlers Rassetheorien für andere Ele- mente seiner Weltanschauung sind, lässt sich am Beispiel der Vernetzung mit dem Militarismus in „Mein Kampf“ belegen: „Übrigens hat auch diese Erziehung unter dem Gesichtspunkt der Rasse ihre letzte Vollendung im Heeresdienste zu erhalten. Wie denn überhaupt die Militärzeit als Abschluß der normalen Er- ziehung des durchschnittlichen Deutschen gelten soll.“27 Die Ausbildung von Volksschullehrern war bezüglich des Aspekts der „Rasse“ und der damit ver- bundenen „Auslese“ in vielerlei Hinsicht betroffen. Es wurde z. B. die Zulassung zur Ausbildung an „rassehygienische“ Kriterien wie „Gesundheit und Stärke als unabdingbare Voraussetzung“28 gebunden und die inhaltliche Ebene, wozu Lehr- pläne und Unterricht gehören, im Sinne der Typenbildung verändert. Daneben gab es aber auch auf der infrastrukturellen Ebene Veränderungen: Es fand eine Verlegung der Ausbildungsstätten von Volksschullehrern in ländliche Regionen statt. Diese wurde hauptsächlich mit den viel beschworenen „rassischen Anla- gen“ der Landbevölkerung begründet, die auf diese Weise besser erreicht werden könnten.

Hier zeigt sich insbesondere der Übergang zum Element des „Blut und Boden“- Kults. Dieser schlug sich neben dem Antisemitismus vor allem in der Heroisie- rung des Bauernstandes nieder. Unter diesem Aspekt lässt sich auch die o. g. Verlegung der weitestgehend kostenlosen Volksschullehrerausbildung an die Leh- rerbildungsanstalten in ländliche Regionen ab 1941 betrachten, denn sie besei- tigte für die Landbevölkerung das Ausschlussargument der räumlichen Entfer- nung zu den Ausbildungsstätten. Als zweites war es durch die Abschaffung des Abiturs als Zulassungsvoraussetzung möglich, auch die bildungsfernere Land- bevölkerung für den Beruf des Volksschullehrers zu gewinnen.29 Betrachtet man die Verlegung der Ausbildungsstätten als Bemühung zur Schaffung von Land- verbundenheit der Volksschullehrerschaft, so stellt man fest, dass dieser Aspekt nicht neu in der Lehrerbildung war, sondern bereits vor 1933 in die Lehrpläne der Pädagogischen Akademien einfloss. An ihnen wurde durch ein großes An- gebot an heimatkundlichen Veranstaltungen versucht, den Volksschullehrer auf seine Arbeit in ländlicher Umgebung vorzubereiten und seine Verbundenheit mit dem Land zu erreichen.30

Die Eroberungsabsichten mit der „Hinwendung zum Osten“, die mit den ideo- logischen Begriffen „Volk ohne Raum“ und „Lebensraum im Osten“ einhergingen, wirkten sich ebenfalls frühzeitig auf die Volksschullehrerbildung aus. Die grenz- nahen Ansiedlungen der Ausbildungsstandorte für Volksschullehrer ist diesen Absichten zuzuschreiben. Bei der Eröffnung der Hochschule für Lehrerbildung in Lauenburg (Pommern) 1933 sagte Rust diesen folgend, er habe „voll bewußt hierher eine Festung gelegt, nicht mit Beton und Geschützen, sondern [...] eine Festung deutschen Zukunftwillens in der deutschen Kulturbildung“.31 Beson- ders nach dem Überfall auf Polen sollten junge Frauen durch die Propaganda zum Beruf der Volksschullehrerin in den neu „erworbenen“ Gebieten animiert werden. Durch dort durchgeführte Praktika sollten sie einerseits für den Beruf der Lehrerin praktisch vorbereitet werden, andererseits diente diese Maßnahme auch der Bekämpfung des Lehrermangels.32

Inwieweit der Gesichtspunkt der „Volksgemeinschaft“ in die Ausbildung von Volksschullehrern eingeflossen ist, ist nicht einheitlich zu beantworten. Grün- de hierfür liegen zum einen in der Ungenauigkeit des Begriffs und zum anderen darin, dass die Volksgemeinschaft oftmals „inszeniert“ wurde. Dennoch ist nach- weisbar, dass sie wenigstens „formal“ Eingang in die Volksschullehrerbildung ge- funden hat, wenn man den emotionalen Aspekt, und damit die gefühlte Volks- gemeinschaft nicht zu sehr betont. So wurde nur ein „Volksgenosse“, der einen „Ariernachweis“ zu erbringen hatte, zum Studium für das Lehramt an Volks- schulen zugelassen.33 Betrachtet man aber die Einrichtung der seminaristischen Lehrerbildungsanstalten als vollzogene Abspaltung der Volksschullehrerbildung von der übrigen Lehrerbildung, die auch nach 1941 noch an Hochschulen ange- siedelt blieb, so lässt sich ein Bezug zum Gedanken der Volksgemeinschaft kaum noch finden - vielmehr widerspricht sie diesem. Bezieht man zudem die Erkennt- nis, dass die Begriffe „Volksgemeinschaft“ und „Volksgenosse“ durch übermäßi- gen propagandistischen Gebrauch allmählich an politisch-ideologischer Bedeu- tung verloren und zu einer typischen Leerformel des Dritten Reiches verkamen34 sowie die Problematik des sich zuspitzenden Lehrermangels in die Betrachtung mit ein, so drängt sich die Frage auf, welche Ziele - wenn nicht ideologische - mit der Errichtung der Lehrerbildungsanstalten verfolgt wurden. Diese Frage soll später beantwortet werden.

Interessant ist dieser Aspekt insofern, weil zu Beginn der nationalsozialisti- schen Herrschaft die Ausbildung von Volksschullehrern in Bezug auf die „Volks- gemeinschaft“ auch anderen Ansätzen zu folgen schien. Nach 1933 sah es zu- nächst so aus, als würde sich das Volksschullehramt den übrigen Lehrämtern ausbildungsmäßig annähern. Zwar war auch an den Hochschulen für Lehrerbil- dung die Zugehörigkeit zur „deutschen Volksgemeinschaft“ Aufnahmekriterium, doch wurde bei ihr die Gemeinschaft der gesamten Lehrerschaft betont. In einer Rede anlässlich der Eröffnung der Hochschule für Lehrerbildung in Lauenburg (Pommern) sprach sich Rust für eine Vereinheitlichung der Lehrerbildung aus, womit auch eine Verbindung zwischen höherem Lehramt und Volksschullehramt gemeint war. Dies wurde auch teilweise umgesetzt. Neben einer administrativen Zentralisierung des Hochschulwesens, verfügte Rust im Sommer 1936, dass Stu- dierende, die das höhere Lehramt anstrebten, zwei Semester an einer Hochschule für Lehrerbildung absolvieren mussten.35 Mit dieser Absichtserklärung zu Ver- ringerung der Standesunterschiede zwischen Volksschullehrerschaft und Philolo- genstand wurde einem alten Wunsch der Volksschullehrerschaft entsprochen36.

Hieran wird ebenfalls die Schwierigkeit einer Beurteilung, ob sie ideologischen oder propagandistischen Zielen diente, deutlich.

Betrachtet man diese beiden sehr unterschiedlichen Konzeptionen der Volks- schullehrerbildung, wird folgende Frage aufgeworfen: Gab es innerhalb der na- tionalsozialistischen Führung bezüglich der Lehrerbildung unterschiedliche Auf- fassungen über die „Volksgemeinschaft“ oder folgte die Konzeption der Lehrer- bildung nicht immer ideologischen Grundsätzen? Auch diese Frage soll später beantwortet werden.

2.3 Bildung und Erziehung im Nationalsozialismus

Die vagen Erziehungsziele wurden von den Nationalsozialisten den Elementen ihrer Weltanschauung entsprechend definiert. Hitler selbst tat dies in „Mein Kampf“, aus dem sich folgendes Zitat zur Darstellung seines Bildungsverständnisses besonders gut eignet:

„Der völkische Staat hat [...] seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf das Einpumpen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten. Hier aber wieder an der Spitze die Entwicklung des Charakters, besonders die Förderung der Willens- und Entschlußkraft, verbunden mit der Erziehung zur Verantwortungs- freudigkeit, und erst als Letztes die wissenschaftliche Schulung.“37

Dabei tritt die Umkehrung der traditionellen Rangskala von Erziehungswerten offen zu Tage, welche dem Antiintellektualismus und der Ablehnung der Wis- senschaft Hitlers Ausdruck verlieh. Das Primat des „Heranzüchten kerngesunder Körper“ spiegelte sich folglich auch in der Volksschullehrerbildung wider. In den Hochschulen für Lehrerbildung und vor allem an den Lehrerbildungsanstalten wurde besonderen Wert auf die sportliche Leistungsfähigkeit gelegt. Von den Na- turwissenschaften erachtete man lediglich das Fach Biologie als wichtig, in dem die rassistische Weltanschauung wissenschaftlich zu untermauert werden sollte. Eine derartige Rangabstufung führte dazu, dass schlechte sportlichen Leistun- gen eher ein Grund zum Verweis von der Anstalt waren als z. B. das Versagen in Mathematik.38 Die Stundenpläne der Lehrerbildungsanstalten bestätigten dies.39 Auch hier war der körperlichen Ertüchtigung der größte Stundenanteil zugemessen worden.

Daneben zeigt sich noch ein für Diktaturen typisches Merkmal. Die Bildung war im Dritten Reich weitestgehend instrumentalisiert um ein übersteigertes National- und Rassebewusstsein zu erzeugen. Gleichzeitig sollte Bildung im na- tionalsozialistischen Sinn effektiv auf den Beruf vorbereiten. Ersteres zeigt sich in Hitlers Sicht der Wissenschaft als „Hilfsmittel [...] zur Förderung des Natio- nalstolzes“. Der berufsvorbereitende Charakter der Wissenschaft zeigt sich in Zitaten wie diesem: „Es genügt, wenn der einzelne Mensch ein allgemeines, in großen Zügen gehaltenes Wissen als Grundlage erhält, und nur auf dem Gebiet, welches dasjenige seines späteren Lebens wird, gründlichste Fach- und Einzel- ausbildung genießt.“40 In einem solchen Bildungsverständnis liegt der Fokus bei weitem nicht mehr auf dem Individuum. Es hat sich der Volksgemeinschaft ein- zufügen und wird so zum „Bildungsempfänger“. Der größtmögliche Nutzen für die Gemeinschaft steht also hier im Mittelpunkt, wobei Bildung der Machtaus- weitung und -sicherung dient und den „gebildeten“ Menschen zum Instrument - oder wie Hitler es zynisch ausdrückt - zum „Material“ verkommen lässt.41

Welches „Material“ von der nationalsozialistischen Pädagogik „gebildet“ wer- den sollte, sprach Hitler kurz nach der Machtübernahme in einem vertraulichen Gespräch aus:

„In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene Jugend will ich. Schmerzen muss sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und nichts zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier muss erst wieder aus ihren Augen blitzen. Stark und schön will ich meine Jugend. Ich werde sie in allen Leibesübungen ausbilden lassen. Ich will eine athle- tische Jugend. Das ist das erste und wichtigste. So merze ich die tausende von Jahren der menschlichen Domestikation aus. So habe ich das reine, edle Material der Natur vor mir. So kann ich das Neue schaffen. Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend.“42

Andere Äußerungen zu Bildung und Erziehung folgen Hitlers Grundsätzen weitgehend, wobei die Akzente teilweise unterschiedlich gelegt werden. So definiert Krieck, völkischen Theorien folgend, Bildung als den Anteil eines Individuums in einer Gemeinschaft an der Kultur, also an „geistigen Stand und Besitz“ dieser Gemeinschaft. Er sah Bildung stets im Zusammenhang mit „Blut und Boden“ sowie „Rasse und Volkstum“. Auch bei ihm war die Bildung instrumentalisiert und diente der Typenbildung.43

Der nationalsozialistische Gesamterziehungsanspruch verlegte den Bildungsschwerpunkt auf den außerschulischen Bereich. Hier sollte die „Bildung“ durch Schulung und Propaganda in Formation erfolgen.44 Dennoch mussten auch die Lehrer, die in den Schulen als Multiplikatoren nationalsozialistischen Gedankenguts galten, entsprechend politisch-weltanschaulich durchdrungen werden. Diese Aufgabe kam der Lehrerbildung zu.

Die Ideologie im Dritten Reich war weder geschlossen, noch ohne Widersprüche. Vielmehr stellte sie ein Ideenkonglomerat aus politischen und gesellschaftlichen Strömungen dar, deren Wurzeln bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ragten. Kein Element wurde neu „entwickelt“; vielmehr verstanden es die Natio- nalsozialisten, die in national-konservativen Kreisen vorherrschenden Ansichten und Ressentiments massenwirksam mit emotional belegten Reizwörtern zu ver- binden. So entstand eine rassistische, antijüdische und militaristische Ideologie, die das Ziel der Errichtung eines totalitären Führerstaates verfolgte.

Direkt nach der Machtübernahme begannen die neuen Machthaber, Bildung für ihre Ziele zu instrumentalisieren. Nicht Autonomie der einzelnen Person, nicht Erziehung zur Selbständigkeit und Selbstverantwortung in der Tradition der europäischen Aufklärung, sondern Instrumentalisierung und Formierung des Einzelnen mit dem Ziel der Machtausübung und -sicherung wurde damit zum Ziel der NS-Pädagogik.

3 Die Ausbildung von Volksschullehrern in der Weimarer Republik

Mit der Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung im August 1919 schienen auch die Weichen für die lange geforderten Reformen in der Schul- und Bildungspolitik gestellt zu sein.1 Durch die Verfassung wurde gefordert, die Lehrerbildung einheitlich zu ordnen. Diese Forderung löste einen Reformimpuls aus, der jedoch durch die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation des Reiches zusehends behindert wurde.

Hinzu kam eine für das Volksschullehramt ungewohnte Überfüllung, die durch die Aufwertung des Volksschullehramtes zu Beginn der Weimarer Republik be- günstigt wurde, sich bis zum Ende der Weimarer Zeit aber zu einer hohen Leh- rerarbeitslosigkeit entwickelte. Die sich stark verschlechternde wirtschaftliche Situation der Volksschullehrer löste schon vor der Machtübernahme eine Annä- herung der Volksschullehrerschaft an die nationalsozialistischen Vorstellungen.

Im Folgenden wird die bildungspolitische Entwicklung und die territorial nicht einheitliche Situation der Volksschullehrerbildung in der Weimarer Republik umrissen. Im Besonderen wird dabei auf die Neugründung von Pädagogischen Akademien in Preußen eingegangen, welche nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Hochschulen für Lehrerbildung umgewandelt wurden und nach deren Vorbild die Nationalsozialisten eine reichseinheitliche Ausbildung für Volksschullehrer aufbauten. Ein Überblick über die Überfüllung des Volksschullehramtes soll anschließend gegeben werden.

3.1 Bildungspolitische Inhalte der Weimarer Verfassung und ihre Auswirkung auf die Ausbildung von Volksschullehrern

Die Forderung der Volksschullehrerschaft nach einer Vereinheitlichung der Leh- rerbildung und einer Akademisierung ihres Berufsstandes reichte weit bis in das Kaiserreich zurück.2 Vor dem Ersten Weltkrieg hatte es bereits Reformansätze der Lehrerbildung gegeben, welche jedoch nicht zu einer Umsetzung gekommen waren. Nach dessen Ende bot die Weimarer Verfassung die Grundlage für eine umfassende Umgestaltung und Neuordnung der Lehrerbildung. Von ihr geht der „entscheidende Reformimpuls“3 für die Volksschullehrerbildung aus. Nach Art. 143, Abs. 2 der Weimarer Verfassung ist die Lehrerbildung „nach den Grundsät- zen, wie sie für die höhere Bildung allgemein gelten, einheitlich zu regeln“. Diese Formulierung führte aufgrund ihrer Ungenauigkeit zwar zu Diskussionen über die Auslegung und Umsetzung des Artikels, jedoch stellte dieser auch die Erfül- lung der Forderung der Volksschullehrer nach einer Gleichstellung ihrer Ausbil- dung mit der von Lehrern an höheren Schulen in Aussicht.4 Hinzu kam die neue Verteilung der Kompetenzen und Zuständigkeiten von Reich und Ländern im Bereich der Bildungspolitik. Lag die Zuständigkeit für Schul- und Bildungspoli- tik bisher bei den Ländern, so konnte das Reich nach Art. 10, Abs. 2 „im Wege der Gesetzgebung Grundsätze aufstellen für [...] das Schulwesen einschließlich des Hochschulwesens und das wissenschaftliche Büchereiwesen “.5

Die Kultusminister der Länder nahmen die schul- und bildungsspezifischen Artikel der Weimarer Verfassung nicht ohne Vorbehalte zur Kenntnis. Eine feste Verbindung zwischen den Unterrichtsverwaltungen der Länder und dem Reichs- ministerium des Innern konnte dennoch mit der Gründung des Reichsschulaus- schusses6 hergestellt werden. Einigkeit unter den Ländern bestand darüber, die seminaristische Ausbildung abzuschaffen. Die konfessionelle Bindung der Leh- rerbildung war für die überwiegend katholischen Länder oder die Zentrums- Partei eine Bedingung, die mit den Positionen zur Einheitsschule oder der vollakademischen Lehrerbildung, wie sie Teile der SPD forderten, kollidierten.7 Grundsätzliche Bestimmungen wurden daher bis zur Reichsschulkonferenz8 im Juni 1920 verschoben.

Zur Ausbildung von Volksschullehrern zeichneten sich drei Positionen ab. Eduard Spranger9 forderte eine „Bildnerhochschule“, denn, wie er darstellte, nur wer selbst gebildet sei, könne auch andere Menschen bilden. In seinem Kon- zept standen die geistes- und naturwissenschaftlichen Fächer im Vordergrund und wurden von der Pädagogik unterstützt. Seine Position lief auf die Einrich- tung von Sonderhochschulen für die Ausbildung von Volksschullehrern hinaus. Im Gegenzug dazu forderten Richard Seyfert und A. Riekel das Studium der Pädagogik und ihrer „Grenzgebiete“, ein fachwissenschaftliches Studium sollte in Form eines Neigungs- oder Wahlfaches erfolgen. Seyfert maß der Berufspra- xis einen hohen Stellenwert zu, der auf wissenschaftlicher Grundlage mit in die Ausbildung integriert werden sollte. Anders als Spranger forderte Riekel eine Verlegung der Ausbildung an die Universitäten. Die Auffassung des Preußischen Lehrervereins, welche ein Studium der Pädagogik vorsah, glich der Seyferts und Riekels. Auch plädierte der Preußische Lehrerverein für eine universitäre Aus- bildung, die wissenschaftliche Einführung in die Berufspraxis sollte jedoch von Pädagogischen Instituten übernommen werden.10

Der Reichsschulkonferenz gelang es nicht, eine fundierte Grundlage für ei- ne Schulerneuerung und -vereinheitlichung zu schaffen.11 Für die Ausbildung von Volksschullehrern konnten während der Konferenz erste Leitlinien erarbei- tet werden. So wurden Vorschläge zur Lehrerbildung in Form von Leitsätzen verabschiedet, die eine dreijährige fachwissenschaftliche Ausbildung an einer Hochschule vorsahen. Zusätzlich sollten der Hochschule angeschlossene Pädagogische Institute errichtet werden, die die Erteilung der pädagogischen Ausbildung übernehmen sollten.12 Nach Führ gab diese Regelung den Weg frei „für eine Universitätslösung wie für eine mit der Universität in Verbindung stehende Pädagogische Hochschule“.13

Die Aufgabe des Reichsministeriums des Innern war es nun ein Gesetz zur Lehrerbildung vorzulegen, welches aufgrund der schwierigen finanziellen Lage des Reiches verschoben wurde und schließlich mit einem Lehrerbildungsgesetz gewartet werden sollte, bis das Reichsschulgesetz erlassen worden war.14 Die Vorbereitungen von Reich und Ländern für dieses waren bis zum Herbst 1920 weitestgehend abgeschlossen, jedoch konnte im Reichstag keine Einigung er- zielt werden. Ein Grund dafür war vor allem die bis dahin unberücksichtigte und von daher ungeklärte Frage der Zuständigkeit der Finanzierung einer Um- setzung des Gesetzes.15 Darüberhinaus gab es Entwürfe einer Neuordnung der Lehrerbildung, über die zwischen 1920 und 1923 im Kabinett beraten wurde und an deren Finanzierung das Reich verpflichtet gewesen wäre. Da sich die finanzielle Situation des Reichs durch die Inflation ständig verschlechterte, war es stets der Reichsfinanzminister, der Einspruch gegen die Gesetzesentwürfe er- hob und sich so gegen den Reichsminister des Innern durchsetzen konnte. Die schlechte finanzielle Situation ließen umfassende Reformen immer aussichtsloser werden und schließlich erklärte sich das Reich im Rahmen der dritten Steuer- notverordnung vom Februar 1924 grundsätzlich bereit, das Bildungswesen den Ländern zu überlassen.16 Damit einher geht auch Art. 12 der Weimarer Verfas- sung mit folgendem Inhalt: „Solange das Reich von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht, behalten die Länder das Recht der Gesetzgebung“17.

Während der Konferenz der Kultusminister im Oktober 1924 stellte der Reichs- minister des Innern dar, dass „das Reich von seinem Recht zur kulturpolitischen Grundsatzgebung keinen willkürlichen Gebrauch machen [werde]. Solange die Länder selber die notwendige Einheitlichkeit wahrten, [...]“18. Eine Verbindung der schulpolitischen Länderarbeit sollte durch den neu gegründeten Ausschuss für das Unterrichtswesen19 hergestellt werden. Für Einheitlichkeit im Schulwesen sollten nun Vereinbarungen der Schulverwaltungen, unter Mitwirkung des Reichsministeriums des Innern, sorgen.

Der Ausschuss konnte, in seiner Funktion als Bindeglied der Zusammenarbeit zwischen Reich und Ländern, durch Vereinbarungen eine Annäherung der Länder auf Teilgebieten des Schulwesens erwirken. Jedoch konnte er nicht als Ersatz einer zielstrebigen Reichsschulpolitik angesehen werden.20 Bis zum Ende der Weimarer Republik konnte keine Neuordnung des Schulwesens oder die Vereinheitlichung der Lehrerbildung erreicht werden.

3.2 Heterogenität der Volksschullehrerausbildung

Die Schulpolitik lag vor der Weimarer Verfassung in der Zuständigkeit der Länder und auch die Lehrerbildung war uneinheitlich geregelt. Entgegen dem Wunsch der Volksschullehrerschaft nach Vereinheitlichung und Akademisierung der Volksschullehrerausbildung, bestand auf Länderseite immer die Angst vor Kompetenzverlusten, so dass sie nur schwer Zugeständnisse in der Schul- und Bildungspolitik gewährten.

Die Vorgabe der Weimarer Verfassung, die Lehrerbildung einheitlich zu re- geln, erfolgte zu einem Zeitpunkt, als das Volksschullehramt ungewöhnlich stark überfüllt war. Beispielsweise widmete sich Preußen nach dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung nicht der Reform des Bildungswesens, sondern leitete Maßnahmen ein, die der Überfüllung des Volksschullehramtes entgegenwirken sollten, indem es die Schließung von Präparandenanstalten veranlasste.21

Nachdem sich das Reich im Rahmen der dritten Steuernotverordnung vom Februar 1924 grundsätzlich bereit erklärte, das Bildungswesen den Ländern zu überlassen, mussten die Länder dringend eine Regelung der Ausbildung von Volksschullehrern auf Landesebene finden, denn neben Preußen hatten noch weitere Länder mit der Schließung der Seminare begonnen. Ab 1922 hatten einige Länder bereits reformierte Entwürfe einer Volksschullehrerbildung eingeführt, die sich z. T. stark voneinander unterschieden.

Die Ausbildung der Volksschullehrer zum Ende der Weimarer Republik kann in drei Kategorien eingeteilt werden. Es gab Länder, die keine Neuordnung vorgenommen hatten: Bayern und Württemburg behielten die seminaristische Ausbildung bei. In anderen Ländern wurde die Reifeprüfung zur Zugangsvor- aussetzung für die Berufsausbildung, jedoch konnte sich der Ausbildungsweg un- terscheiden: Thüringen, Sachsen, Hessen, Hamburg und Braunschweig verlegten die Ausbildung an bestehende Universitäten und Technische Hochschulen. Preu- ßen, Baden, Oldenburg und Mecklenburg-Schwerin richteten die Ausbildung an von den Universitäten getrennten Einrichtungen ein. Eine dritte Kategorie der Volksschullehrerbildung bildeten die Länder, die ihre Volksschullehrer in ande- ren Ländern mit reformierter Lehrerbildung ausbilden ließen: Bremen, Lübeck und Schaumburg-Lippe hatten ihre Seminare bis 1928 geschlossen, ohne dass an ihre Stelle eine neue Form der Volksschullehrerbildung trat. Lippe-Detmold, Mecklenburg-Strelitz und Waldeck ließen schon früher ihre Volksschullehrer in anderen Ländern ausbilden. Anhalt betrieb zwischen 1928 und 1933 einen Aus- bildungsgang für Volksschullehrer an der Deutschen Oberschule in Köthen.22

Ein großer Unterschied zeichnet sich bei dieser Entwicklung in der Vorbildung der künftigen Volksschullehrer ab. Die Länder mit reformierter Lehrerbildung führten im Vergleich zu den Ländern, die die seminaristische Ausbildung bei- behielten, die Reifeprüfung als Zulassung ein. Damit wurde in diesen Ländern die Vorbildung der Volksschullehrer nach Grundsätzen der höheren Bildung, wie es in der Verfassung gefordert wurde, geregelt. Die Vorbildung wurde auf das Niveau der höheren Bildung angehoben und gegenüber den Ländern mit seminaristischer Volksschullehrerbildung wurde die Verbindung von Schul- und Berufsausbildung getrennt.

Zwischen den reformierten Ausbildungswegen der einzelnen Länder gab es dennoch große Unterschiede in der inhaltlichen Gestaltung und der Institutiona- lisierung der Volksschullehrerbildung. Die Ausbildung der Volksschullehrer de- ren Länder die Ausbildung an die Universitäten oder Technischen Hochschulen verlegt hatten, erfolgte in Thüringen, Hamburg und Braunschweig vollständig an der entsprechenden Institution. In Sachsen und Hessen erfolgte die wissen- schaftliche Ausbildung an der Universität oder Technischen Hochschule und die praktisch-pädagogische Ausbildung an dafür vorgesehenen Instituten. Das Stu- dium betrug vier bis sechs Semester und sah in der Regel, neben dem Studium der Pädagogik, das eines Wahlpflichtfaches vor. Die Länder mit gesonderten Instituten für die Ausbildung von Volksschullehrern richteten sich in der Ein- richtung ihrer Institute nach dem preußischen Vorbild und seinen für die Volks- schullehrerbildung errichteten Pädagogischen Akademien. Die Einrichtungen in den anderen Ländern hatten lediglich andere Namen: Lehrerbildungsanstalt in Baden, Pädagogische Institute in Mecklenburg-Schwerin und Pädagogische Lehrgänge in Oldenburg.23 Eine reichsweite Vereinheitlichung der Ausbildung von Volksschullehrern war bis zum Ende der Weimarer Republik folglich nicht zustande gekommen.

Der preußische Weg für die Volksschullehrerbildung soll im folgenden be- trachtet werden. Die Pädagogischen Akademien in Preußen bestanden bis zum Ende der Weimarer Republik und wurden bereits ab 1933 unter den National- sozialisten zu den Hochschulen für Lehrerbildung umfunktioniert. Sie dienten als Vorbild für eine Vereinheitlichung der Volksschullehrerbildung im Dritten Reich.

3.3 Die Pädagogischen Akademien in Preußen

Preußen entschied sich mit der Einrichtung der konfessionell gebundenen Päda- gogischen Akademie für eine Form der Volksschullehrerbildung, die zwischen der ehemaligen Lehrerbildung an Seminaren und der modernen Form der Hochschul- bildung stand. Diese Lösung war trotz zahlreicher Befürworter stark umstrit- ten, dies machte der Streit um den Hochschulcharakter der Akademien, die als „Sonderhochschulen“ bezeichnet wurden, deutlich. Preußen hatte sich für eine Form der Volksschullehrerbildung entschlossen, die insgesamt den Ansprüchen der Verfassung nicht entsprach.24 Die Zugangsvoraussetzung zu den Pädagogi- schen Akademien war das Abitur, wobei die Vorbildung, die die Studenten auf den höheren Schulen erhalten haben, bereits als die allgemeine wissenschaftliche Ausbildung für den Volksschullehrerberuf angesehen wurde. Lediglich die Fachausbildung sollte in vier Semestern auf der Akademie erfolgen.

Für die Standorte der Pädagogischen Akademien wurden Großstädte mit Hochschultradition und vornehmlich in grenznahen Bereichen ausgewählt. Die ersten Pädagogischen Akademien wurden 1926 in Bonn, Elbing und Kiel gegrün- det, eine weitere folgte 1927 in Frankfurt/ M.. Insgesamt war die Errichtung von 26 Pädagogischen Akademien geplant.

Die Denkschrift zur „Neuordnung der Volksschullehrerbildung in Preußen“ for- mulierte als Aufgabe des Volksschullehrers, dass dieser sowohl Lehrer als auch Volkserzieher sein müsse. Das Ziel der Lehrerbildung konnte demnach nur durch „die Bedürfnisse der Volksschule und der im Wirkungskreis der Volksschullehrer zu leistenden Volksbildungsarbeit bestimmt werden“.25 Dies wirkte sich auch auf die inhaltliche Gestaltung der Fächer an der Akademie aus, die sich durch den starken Bezug zur Schulpraxis auszeichneten. Die Aufgaben des Lehrers waren somit im Bereich der Pädagogik angesiedelt, folglich sollte die „Pädago- gik mit ihren Hilfswissenschaften“ das „Kernstück“ der Berufsausbildung sein.26 Durch die Ausbildung sollte der künftige Volksschullehrer nicht zum Forscher oder Fachgelehrten werden, sondern „ein Bildner, der in unmittelbarer Berüh- rung mit dem Volke geistiges Leben zu wecken und zu gestalten vermag“.27 Die Ausbildung sollte sich durch „Lebensnähe“ auszeichnen. Dies umfasste „Ver- ständnis für das geistige, religiöse, sittliche, soziale und wirtschaftliche Leben des Volkes, Befähigung, dem Volke die Bildungsgüter zu vermitteln, deren es bedarf, und die geistigen, ethischen, und künstlerischen Werte zu pflegen, die in der Natur, Kultur und Volkstum der Heimat liegen“.28 Neben der „Eigen- art“ der Verbindung von Theorie und Praxis, wurde als Aufgabe der Akademie die volksbildnerische Arbeit genannt. Die Pädagogischen Akademien sollten zu „Pflegestätten heimatlicher Natur und Kultur werden“ und „zur Pflege boden- ständiger Kultur und gesunden deutschen Volkstums beitragen“.29 Ferner sollten an der Akademie Lehrer herangebildet werden, denen ein bestimmtes Berufs- ethos vermittelt wurde und „Lehrerpersönlichkeiten“ ausgebildet werden, „die zum Dienst an der Gemeinschaft geeignet und bereit sind“.30 In diesen Aus- schnitten aus dem grundsätzlichen Teil der Denkschrift zur Lehrerbildung wird deutlich, dass bereits in der Weimarer Republik heimatliche und volkskundliche Schwerpunkte in der Lehrerbildung verfolgt wurden und dass der Lehrer selbst „bodenständig“ und in einer Gemeinschaft verwurzelt sein soll. Die Setzung die- ser Schwerpunkte in der Lehrerbildung mag eine Vorlage für die kommende Phase der Lehrerbildung unter den Nationalsozialisten geboten haben.31 Aller- dings waren die Pädagogischen Akademien und die Lehrerausbildung an dieser beeinflusst von der reformpädagogischen Bewegung der Weimarer Zeit, so dass nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten die Auswechslung von zwei Dritteln der Dozenten an Pädagogischen Akademien als Indiz für den „Repu- blikhass“ der Nationalsozialisten gedeutet werden kann.32

In der Denkschrift fand sich der Grundgedanke Eduard Sprangers einer „Bild- nerhochschule“ wieder. Jedoch nahm der Verfasser der Denkschrift, Johannes van den Driesch, eine Verlagerung der Bildungsarbeit vor, die in einer haupt- sächlich historisch und philosophisch bestimmten Pädagogik erfolgen sollte.33

Die Wissenschaftlichkeit der Lehrerbildung an Pädagogischen Akademien wur- de immer wieder hinterfragt und es gab Diskussionen über deren Hochschulcha- rakter. Die kurze Dauer der Ausbildung von vier Semestern auf eine verschulte Art und ein hoher Anteil an Pflichtstunden ließen eine wissenschaftliche Vertie- fung der Fächer kaum zu. Es gab Faktoren, die auf einen Hochschulcharakter hinwiesen. Dazu zählten, dass die Zugangsvoraussetzung das Abitur war, die Studierenden als „Studenten“ und „Studentinnen“ bezeichnet wurden und auch die Amtsbezeichnung und Besoldung der Dozenten denen anderer Hochschu- len angepasst waren. Auch wurden die Pädagogischen Akademien in Preußens Hochschulstatistik geführt, waren jedoch abweichend vom traditionellen Hoch- schulrecht Körperschaften des öffentlichen Rechts, die dem preußischen Minis- terium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung unmittelbar unterstellt wa- ren.34 Gegen einen Hochschulcharakter, auch gegen den einer „Sonderhochschu- le“, sprachen, dass die Studierenden keine akademische Freizügigkeit besaßen, es kein Promotionsrecht gab, dass ein Mangel an Nachwuchs für den Lehrkörper herrschte und dieser in den Akademien nicht selbst herangebildet wurde sowie die bereits erwähnte und als zu kurz erachtete Dauer des Studiums. Die di- rektoriale Leitung der Akademien wurde als undemokratisch und als gegen die innere Einheit der Akademien wirkend empfunden. Vor allem aber zeigte die konfessionelle Bindung der Akademien eine nicht wissenschaftliche Grundhal- tung, die sehr im Gegensatz zur universitären Bildung stand. Auch fand kaum ein Austausch zwischen Universität und Akademie statt, wenn ein Standort beide Einrichtungen vorwies.35

Von den insgesamt 26 geplanten Pädagogischen Akademien wurden 15 bis 1930 errichtet, die jedoch nicht alle voll besetzt arbeiteten. Aufgrund der Wirt- schaftskrise und der 1930 einsetzenden Notverordnungspolitik des Reiches er- folgte keine Konsolidierung der Pädagogischen Akademien. Vielmehr fiel die von vornherein umstrittene Konzeption der Pädagogischen Akademien der finanzi- ellen Situation zum Opfer. Die Notverordnungen des Reichs, die ab September 1931 auch Preußen trafen, führten 1932 zur Schließung von acht der bis dahin 15 errichteten Akademien. Dies gilt allgemein als das Ende der Pädagogischen Akademien.36 Die noch bestehenden mussten daraufhin die Studenten der ge- schlossenen Akademien übernehmen, woraus im Jahr 1932 ein Aufnahmestopp resultierte.

Im Winter 1932/33 wurde die Ausbildung von Volksschullehrern erneut Thema parteipolitischer Diskussionen, wobei sich die NSDAP als einzige Partei für eine hochschulmäßige Ausbildung der Volksschullehrer aussprach. Diese Stellungnahme verfehlte ihre Wirkung nicht. Die Volksschullehrer hatten im Zuge der Notverordnungspolitik bis zu 43% ihrer Gehälter eingebüßt und waren von der uneinheitlichen Entwicklung der Volksschullehrerbildung enttäuscht. So versprachen sie sich von der durch die NSDAP in Aussicht gestellten neuen „Volksordnung“ eine Verbesserung ihrer Lage.37

3.4 Überfüllungssituation im Lehramt für Volksschulen

Das Volksschullehramt ist zu Beginn der Weimarer Republik durch eine bis da- hin unbekannt starke Überfüllung gekennzeichnet. Dies konnte auf die allgemei- ne Aufwertung des Volksschullehrerberufs zurückgeführt werden, die dieser seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts erfuhr. Ferner waren kriegsbedingte Folgen Ursache für eine hohe Lehrerarbeitslosigkeit während der Weimarer Republik.

Im 19. Jahrhundert herrschte ein permanenter Mangel an Volksschullehrern, der auf die schlechten „Prestige- und Einkommenschancen“, besonders im Ver- gleich zu den Philologen, zurückzuführen war.38 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Anzahl der Ausbildungsseminare erhöht und es erfolgte im Jahr 1909 eine Besoldungsreform, die den Volksschullehrerberuf attraktiver machte. In der Tat zeichnete sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine Überfüllung des Volksschullehramtes ab, jedoch wurde diesem Prozess durch die Einziehung von 56.000 Volksschullehrern zum Kriegsdienst stark entgegengewirkt.39 Dies hatte einen verstärkten Einsatz von Frauen als Volksschullehrerinnen zur Folge, so dass der Anteil von Frauen im Volksschullehramt auf 26% anstieg.

Nach Kriegsende hatte die Rückkehr der vormals verbeamteten Lehrer in ihre Stellen zur Folge, dass viele Junglehrer sowie Seminaristen, die ihre Ausbildung wegen des Krieges unterbrochen hatten, arbeitslos wurden.40 Das „Unterbrin- gungsgesetz“ von 1920 stellte bevorzugt Flüchtlingslehrer aus den abgetretenen Gebieten wieder ein und auch die geburtenschwache Jahrgänge des Ersten Welt- krieges führten zu einem Rückgang von einem Viertel der Schülerzahl.

Dem gegenüber stand die große Aufwertung des Volksschullehramtes, welches mit der Weimarer Verfassungsvorgabe, die Lehrerbildung „nach den Grundsät- zen, wie sie für die höhere Bildung allgemein gelten, einheitlich zu regeln“, einher ging. Die Besoldung der Volksschullehrer erfuhr gleich zu Beginn der Weima- rer Republik eine deutliche Verbesserung. Die Volksschullehrer wurden in die allgemeine Beamtenbesoldung einbezogen und erhielten durch das reformier- te Reichsbesoldungsgesetz von 1920 74% des Grundgehalts eines Philologen. Das preußische Volksschullehrer-Diensteinkommensgesetz, welches auch für die anderen Länder wegweisend war, sah nach einigen Jahren im Beruf einen Auf- stieg in eine höhere Besoldungsgruppe vor. Somit erhielten die Volksschullehrer ein um 178% erhöhtes Gehalt im Vergleich zu ihrer Besoldung vor dem Krieg, wodurch der besoldungsmäßige Abstand zu den Philologen kleiner war als je zu- vor. Darüber hinaus erfolgte eine beamtenrechtliche Gleichstellung von Lehrern und Lehrerinnen, trotzdem erhielten die Lehrerinnen ein um 10% niedrigeres Gehalt.41 Ferner hatte zum Statusgewinn der Volksschullehrer auch die Ein- richtung der vierjährigen Grundschule im Jahr 1920 als einheitlicher Unterbau für die weiterführenden Schulen beigetragen. Die Zugangsbedingungen für die Ausbildung wurden in den meisten Ländern angehoben, in einigen wurde die Volksschullehrerbildung an die Universitäten und Technischen Hochschulen ver- legt.42

Diese Besserstellung war jedoch nur von kurzer Dauer. Bereits 1924 war wie- der ein Statusverlust der Volksschullehrer zu verzeichnen. Bedingt wurde dies durch eine besoldungsmäßige Schlechterstellung gegenüber vergleichbaren Ein- kommensgruppen in Industrie und Wirtschaft sowie gegenüber den Philologen als auch durch den im Reich einsetzenden Personalabbau, welchem zahlreiche Planstellen zum Opfer fielen.43 Bölling nennt für den „Höhepunkt der Arbeits- losigkeit“ im Mai 1926 für Preußen eine Arbeitslosenquote von 27%.44

Die seit 1922 eingeleitete Auflösung der Seminare führte zwar, so Bölling, zu einem geringer werdenden Zustrom ausgebildeter Lehrer und auch an den seit 1926 eingerichteten Pädagogischen Akademien wurden für den jährlichen Ersatzbedarf von 2500 Lehrern zu wenig Lehrer ausgebildet, so dass ein Teil der stellungslosen Junglehrer nun eine Anstellung fand. Auch die Schaffung von außerplanmäßigen Stellen für Hilfslehrer im Jahr 1927 führte zu einer statistischen „Bereinigung“ der Arbeitslosenquote.45 Dennoch waren 1930/ 31 immer noch 8.000 Junglehrer ohne Anstellung.

[...]


1 Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden in dieser Arbeit die Termini wie z. B. „Lehrer“ und „Schüler“ als generalisierende Bezeichnung für beide Geschlechter verwendet werden. Nur wenn es sich speziell um Angelegenheiten der Lehrerinnen oder Schülerinnen handelt, werden diese auch entsprechend verwendet.

2 Vgl. Nath (1988), S. 173 f.

3 Nath, Axel: Die Studienratskarriere im Dritten Reich. Frankfurt am Main : Dipa, 1988 (Sozialhistorische Untersuchungen zur Reformpädagogik und Erwachsenenbildung; 8)

4 Ottweiler, Ottwilm: Die Volksschule im Nationalsozialismus. Weinheim, Basel : Beltz, 1979.

5 Müller-Rolli, Sebastian: Lehrer. In: Langewiesche, Dieter (Hrsg.) ; Tenorth, Heinz-Elmar (Hrsg.): 1918-1945: Die Weimarer Republik und die nationalsozialistische Diktatur Bd. 5. Handbuch der Deutschen Bildungsgeschichte. München : Beck, 1989, Kap. 4.3, S. 240-257.

6 Herrlitz, Hans-Georg ; Hopf, Wulf ; Titze Hartmut: Deutsche Schulgeschichte von 1800 bis zur Gegenwart: Eine Einführung. 3. Aufl. Weinheim, München : Juventa, 1998.

7 Vgl. Herrlitz u. a. (1998), S. 146.

8 Vgl. Herrlitz u. a. (1998), S. 146.

9 Gutzmann, Ulrike: Von der Hochschule für Lehrerbildung zur Lehrerbildungsanstalt - Die Neuregelung der Volksschullehrerausbildung in der Zeit des Nationalsozialismus und ihre Umsetzung in Schleswig-Holstein und Hamburg. Düsseldorf : Droste, 2000 (Schriften des Bundesarchivs; 55).

1 Auf eine Erörterung des Begriffes „Ideologie“ im Sinne einer verbindlichen Definition wird in dieser Arbeit verzichtet. Er soll neutral als allgemeine weltanschauliche Konzeption verstanden werden.

2 Gutzmann (2000), S. 8 f.

3 Keim (1997), S. 15.

4 Hitler hatte bis kurz vor seine Reichskanzlerschaft die österreichische Staatsangehörigkeit besessen.

5 Vgl. Gutzmann (2000), S. 11.

6 Vgl. Gutzmann (2000), S. 12.

7 Krieck, Ernst (1882-1947) war einer der maßgebliche Pädagogen des Dritten Reiches. Noch als Lehrer und Pädagogikprofessor entwickelte er in der Weimarer Republik die Grund- lagen der „Nationalsozialistischen Erziehungslehre“ und forderte eine auf Ein- und Unter- ordnung des Individuums zielende Pädagogik. Sein 1932 erschienenes Buch „Nationalpolitische Erziehung“ galt als Standardwerk für die Pädagogik des Dritten Reiches. Krieck wurde zum ersten nationalsozialistischen Rektor einer deutschen Universität in Frankfurt am Main. In seinem Hauptwerk „Völkisch-politische Anthropologie“ (1936/ 38) forderte er eine Erziehung „in Dreiheit von Leibeserziehung, Seelenführung und Geistesbildung“. Nach dem Krieg aus dem Hochschuldienst entlassen, starb Krieck im Internierungslager. Vgl. Zentner und Bedürftig (1985), S. 330.

8 Vgl. Gutzmann (2000), S. 12 f.

9 Gutzmann (2000), S. 11.

10 Vgl. Bedürftig (2002), S. 516 f.

11 Vgl. Bedürftig (2002), S. 517.

12 Unter Punkt 4 des Parteiprogramms der NSDAP vom 24.02.1920 wurde „Volksgenosse“ wie folgt definiert: „Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksicht auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein“

13 Vgl. Kleinhans (2001).

14 Vgl. Kleinhans (2001).

15 Vgl. Zentner und Bedürftig (1985), S. 611.

16 Vgl. Titze (2001), S. 426.

17 Vgl. Gutzmann (2000), S.13, 18.

18 Vgl. Gutzmann (2000), S. 18.

19 nach Gutzmann (2000), S. 18.

20 Mosse (1979), S. 10.

21 Vgl. Mosse (1979), S. 10 f.

22 „Lebensraum im Osten“ wurde das erstmals in einer Rede Hitlers am 3.2.1933 vor Reichs- wehrgeneralen verwendet. Vgl. Zentner und Bedürftig (1985), S. 346.

23 Vgl. Zentner und Bedürftig (1985), S. 226. Zit. nach Gutzmann (2000), S. 17. Siehe dazu auch Kap. 7.

26 Vgl. Owczarski (1998), S. 46 f.

27 Zit. nach Gutzmann (2000), S. 16.

28 Gutzmann (2000), S. 15.

29 Vgl. Gutzmann (2000), S. 13.

30 Vgl. Gutzmann (2000), S. 18.

31 Zit. nach Gutzmann (2000), S. 16.

32 Vgl. Gutzmann (2000), S. 16.

33 Vgl. Ottweiler (1979), S. 215.

34 Vgl. Zentner und Bedürftig (1985), S. 611.

35 Vgl. Gutzmann (2000), S. 38.

36 Vgl. Herrlitz u. a. (1998), S. 152.

37 Zit. nach Gutzmann (2000), S. 27.

38 Vgl. Gutzmann (2000), S. 29.

39 Vgl. Owczarski (1998), S. 41.

40 Zit. nach Gutzmann (2000), S. 28.

41 Vgl. Gutzmann (2000), S. 28.

42 Zit. nach Blankertz (1982), S. 274.

43 Vgl. Gutzmann (2000), S. 29 f.

44 Vgl. Eilers (1963), S. 3 und 105.

1 Vgl. Müller-Rolli (1989), S. 241.

2 Vgl. Gutzmann (2000), S. 70.

3 Müller-Rolli (1989), S. 241.

4 Vgl. Sandfuchs (1978), S. 50.

5 Zit. nach Gutzmann (2000), S. 72.

6 Zwischen November 1919 und Februar 1923 wichtigstes Organ der zur Zusammenarbeit von Reich und Ländern im Bereich des Schulwesens. Der Ausschuss hatte die Aufgabe, Schul- und Bildungsfragen zu zu erörtern und sowohl gesetzgebende Maßnahmen des Reiches als auch Erlasse der Länder im Sinne der Einheitlichkeit in Bildungsfragen vorzubereiten. Insgesamt kam der Reichsschulausschussbis zum Ende seines Bestehens im Jahre 1923 zu sechs Sitzungen zusammen.Gutzmann (2000), S. 75.

7 Vgl. Gutzmann (2000), S. 73.

8 Die Konferenz sollte in der Anfangsphase der Reichsschulpolitik die Funktion haben, in einer Generaldiskussion aller führender deutscher Pädagogen Klarheit über die Weiterent- wicklung des gesamten Bildungswesens zu gewinnen. Mit über 600 pädagogischen Sach- verständigen war die Reichsschulkonferenz eine der bis dahin größten Konferenzen auf deutschem Boden. Vgl. Führ (1970), S. 21.

9 Spranger gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der geisteswissenschaftlichen Pädagogik der 20er Jahre. Gutzmann (2000), S. 71.

10 Vgl. Gutzmann (2000), S. 71 f.

11 Vgl. Führ (1970), S. 23.

12 Vgl. Gutzmann (2000), S. 74.

13 Zit. nach Gutzmann (2000), S. 74.

14 Vgl. Gutzmann (2000), S. 74.

15 Vgl. Führ (1970), S. 24.

16 Vgl. Führ (1970), S. 24 f.

17 Zit. nach Gutzmann (2000), S. 72.

18 Zit.nach Führ (1970), S. 26.

19 Der Ausschuss für das Unterrichtswesen wurde zur Verständigung zwischen Reich und Unterrichtsverwaltungen der Länder eingesetzt. Die Länder Preußen, Bayern und Sachsen erhielten einen ständigen Sitz, die mittleren und kleinen Länder wurden kollektiv und wechselnd vertreten. Der Ausschuss war in neun Sitzungen bis zum Ende der Weimarer Republik auf zahlreichen Gebieten des Schulwesens koordinierend tätig. Daneben fanden noch eine Reihe von Sondertagungen statt. Mehr als 20 Vereinbarungen, unterschiedlichen Gewichts, konnten abgeschlossen werden. Vgl. Führ (1970), S. 27.

20 Vgl. Führ (1970), S. 29.

21 Vgl. Müller-Rolli (1989), S. 241.

22 Vgl. Weber (1984), S. 113.

23 Vgl. Weber (1984), S. 113 f.

24 Vgl. Gutzmann (2000), S. 77 f.

25 Zit. nach Beckmann (1968), S. 108.

26 Beckmann (1968), S. 108.

27 Zit. nach Beckmann (1968), S. 108.

28 Gutzmann (2000), S. 78.

29 Zit. nach Gutzmann (2000), S. 78.

30 Zit. nach Gutzmann (2000), S. 78. Die Vermittlung eines Berufstehos ist nach Beckmann typisch für die 1920er, da diese Zeit vom „Geist der Reformpädagogik“ stark beeinflusst war. Vgl. Beckmann (1968), S. 108.

31 Vgl. Gutzmann (2000), S. 78.

32 Vgl. Blankertz (1982), S. 241.

33 Vgl. Gutzmann (2000), S. 79.

34 Vgl. Weber (1984), S. 114 f.

35 Vgl. Gutzmann (2000), S. 85.

36 Vgl. Gutzmann (2000), S. 83.

37 Vgl. Herrlitz u. a. (1998), S. 151.

38 Vgl. Bölling (1987), S. 236.

39 Vgl. Bölling (1987), S. 236 f.

40 Vgl. Bölling (1987), S. 238.

41 Vgl. Müller-Rolli (1989), S. 246 f.

42 Vgl. Müller-Rolli (1989), S. 251.

43 Vgl. Müller-Rolli (1989), S. 247.

44 Vgl. Bölling (1987), S. 238.

45 Vgl. Bölling (1987), S. 239.

Ende der Leseprobe aus 156 Seiten

Details

Titel
Ausbildung von Volksschullehrern im Nationalsozialismus unter besonderer Berücksichtigung von Überfüllung und Mangel
Hochschule
Universität Lüneburg  (Pädagogisches Institut)
Note
1,0
Autoren
Jahr
2004
Seiten
156
Katalognummer
V56624
ISBN (eBook)
9783638512626
ISBN (Buch)
9783656619963
Dateigröße
1292 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Examensarbeit untersucht die Ausbildung deutscher Volksschullehrer im Nationalsozialismus. Berücksichtigt wird die Überfüllungs- und Mangelphasen bezüglich der freien Lehrerstellen ab der Weimarer Repuplik bis 1945. Inwieweit dies Auswirkungen auf die Organisation und Inhalte der Volksschullehrerausbildung hatte wird in dieser Arbeit geklärt.
Schlagworte
Ausbildung, Volksschullehrern, Nationalsozialismus, Berücksichtigung, Mangel
Arbeit zitieren
Tobias Dittrich (Autor:in)Maren Thiemer (Autor:in), 2004, Ausbildung von Volksschullehrern im Nationalsozialismus unter besonderer Berücksichtigung von Überfüllung und Mangel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56624

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