Der Zusammenhang von Maximalkraft und Schnellkraft bei der Übung Hanteltiefkniebeuge und verschiedenen Sprungtests


Examensarbeit, 2006

113 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


0 Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Muskuläre Aktionsformen
2.1 Konzentrische Muskelaktion
2.2 Exzentrische Muskelaktion
2.3 Statische Muskelaktion
2.4 Kombinierte Muskelaktion im Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus
2.5 Zusammenfassung

3 Die Kraft
3.1 Definition von Kraft
3.2 Arten von Kraft
3.2.1 Innere und äußere Kraft
3.2.2 Allgemeine und spezielle Kraft
3.2.3 Absolute und relative Kraft
3.3 Struktur der motorischen Kraft
3.3.1 Die Maximalkraft
3.3.2 Die Schnellkraft
3.3.3 Die Kraftausdauer

4 Leistungsbestimmende Faktoren der Kraftfähigkeiten
4.1 Einflussgrößen
4.1.1 Der morphologisch-physiologische Aspekt
4.1.2 Der neuronale Aspekt
4.1.3 Der motivationale Aspekt

5 Adaptationen an ein Krafttraining
5.1 Neuronale Adaptationen
5.1.1 Die intramuskuläre Koordination
5.1.2 Die intermuskuläre Koordination
5.2 Morphologische Adaptationen
5.2.1 Die Hypertrophie
5.2.1.1 Auslöser einer Hypertrophie
5.2.1.2 Der Adaptationsvorgang
5.2.1.3 Proteinsynthese
5.2.1.4 Die Satellitenzellen
5.2.1.5 Der Muskelkater
5.2.2 Hyperplasie
5.2.3 Adaptation im Bereich von Knochen
5.2.3.1 Auslösender Stimulus
5.2.3.2 Adaptiver Vorgang
5.3 Enzymatische Adaptationen
5.3.1 Mitochondriendichte
5.3.2 Enzymatische Adaptationen

6 Arten und Organisationsformen des Krafttrainings
6.1 Arten des Krafttrainings
6.1.1 Dynamisches Krafttraining
6.1.1.1 Positiv dynamisches Krafttraining
6.1.1.2 Negativ dynamisches Krafttraining
6.1.2 Mischformen des dynamischen Krafttrainings
6.1.2.1 Plyometrisches Krafttraining
6.1.2.2 Isokinetisches Krafttraining
6.1.2.3 Desmodromisches Krafttraining
6.1.3 Statisches Krafttraining
6.2 Organisationsformen im Krafttraining
6.2.1 Stationstraining
6.2.2 Pyramidentraining
6.2.3 Kreistraining

7 Maximalkrafttraining
7.1 Methode der wiederholten submaximalen Kontraktionen
7.1.1 Standardmethode I
7.1.2 Standardmethode II
7.1.3 Bodybuildingmethode I
7.1.4 Bodybuildingmethode II
7.1.5 Isokinetische Methode
7.1.6 Isometrische Methode
7.1.7 Varianten der Bodybuildingmethoden
7.1.7.1 Negative Wiederholungen
7.1.7.2 Erzwungene Wiederholungen
7.1.7.3 Superserien
7.1.7.4 Brennende Wiederholungen
7.1.7.5 Prinzip der Vorermüdung
7.1.7.6 Mogelnde Wiederholungen
7.2 Schnellkrafttraining
7.2.1 Methoden der maximalen explosiven Kontraktion
7.2.1.1 Quasimaximale konzentrische Kontraktion
7.2.1.2 Maximale konzentrische Kontraktion
7.2.1.3 Maximale isometrische Kontraktion
7.2.1.4 Maximale exzentrische Kontraktion
7.2.1.5 Konzentrisch-exzentrische Maximalkontraktionen
7.2.2 Methode der nicht maximalen explosiven Kontraktion
7.2.3 Methoden zur Entwicklung der Reaktivkraft

8 Fragestellung und Hypothesen

9 Methodik
9.1 Personenstichprobe
9.2 Untersuchungsdesign- und –ablauf
9.2.1 Testtermin
9.2.2 Feststellung der Maximalkraft
9.2.3 Durchführung der Standardsprungkrafttests
9.2.4 Datenverarbeitung und Statistik

10 Ergebnisse

11 Diskussion
11.1 Parameter Körpergewicht
11.2 Parameter Squat Jump
11.3 Parameter Counter Movement Jump
11.3.1 Vergleich SJ mit CMJ
11.4 Parameter DJ aus 24 cm Höhe
11.5 Parameter DJ aus 32 cm Höhe
11.6 Parameter DJ aus 40 cm Höhe
11.7 Parameter DJ aus 48 cm Höhe

12 Zusammenfassung

13 Literaturverzeichnis

14 Anhang
14.1 Abkürzungsverzeichnis
14.2 Abbildungsverzeichnis
14.3 Tabellenverzeichnis
14.4 Diagrammverzeichnis

1 Einleitung

Das Krafttraining hat mit einer Vielzahl von Vorurteilen zu kämpfen. Häufig geäußerte Aussagen sind, dass starke Personen langsam sind, Krafttraining schlecht für die Knochen ist und sich oft Verletzungen durch das Krafttraining ergeben. Diese Arbeit befasst sich mit dem Krafttraining und dessen Auswirkungen auf die Schnellkraft. Es wird in dieser Arbeit der Zusammenhang von Maximalkraft und Schnellkraft bei der Übung Hanteltiefkniebeuge und verschiedenen Sprungtests untersucht.

Wie wirkt sich eine ausgeprägte Maximalkraft auf die Sprungkraftleistungen bei verschiedenen Sprungvarianten aus? Welche Bedeutung hat die Maximalkraft in Bezug auf die Schnellkraft? Sind schwere Sportler automatisch „langsamer“ als leichte Sportler? Dies sind exemplarisch einige Fragen, mit denen sich die Studie auseinandersetzt.

Diese Arbeit besteht aus zwei Teilen, einem theoretischen und einem empirischen Teil. In Kapitel zwei werden kurz die muskulären Aktionsformen erläutert. Kapitel drei beschreibt den Begriff „Kraft“ und erschließt dessen Struktur. Das vierte Kapitel befasst sich mit den leistungsbestimmenden Faktoren der Kraft. Durch Kapitel 2 – 4 wird die Basis geschaffen, die Adaptationen, die durch ein Krafttraining hervorgerufen werden, in Kapitel fünf zu beschreiben. In Kapitel 6 werden die Arten und Organisationsformen, die die Durchführung eines Krafttrainings beschreiben, dargestellt. Das siebte Kapitel befasst sich schließlich mit dem Training der Maximalkraft. Eine Reihe von Methoden und deren Varianten, durch die die Maximalkraft entwickelt werden kann, zeigt die Komplexität dieser Thematik auf. Das Training der Schnellkraft ist ebenfalls in Kapitel 7 beschrieben, weil die Abhängigkeit von der Maximalkraft evident ist.

Mit Kapitel 8 beginnt der empirische Teil meiner Arbeit. Die Fragestellungen und Hypothesen, die die nachfolgenden Kapitel prägen, werden hier entwickelt. Das neunte Kapitel beschreibt die Methodik, mit der in dieser Arbeit vorgegangen wurde. In Kapitel 10 werden die Ergebnisse dargestellt, ehe sie in Kapitel 11 diskutiert und bewertet werden.

Das zwölfte Kapitel fasst die Studie sowie deren wichtigste Erkenntnisse zusammen. Die Untersuchung des Zusammenhangs von Maximalkraft und Schnellkraft in der Übung Hanteltiefkniebeuge und verschiedener Sprungkrafttests ist meiner Meinung nach eine wichtige Aufgabe gewesen, denn Anhand dieser Studie lassen sich Rückschlüsse auf die Sinnhaftigkeit eines gezielten Einsatzes von Krafttraining schließen. Des Weiteren werden gängige Vorurteile gegenüber dem Krafttraining widerlegt und die Notwendigkeit bzw. die positiven Auswirkungen eines Krafttrainings werden zunehmend deutlicher.

2 Muskuläre Aktionsformen

Muskuläre Aktionsformen werden in vier Arten unterschieden, obwohl sie in der realen Sportpraxis nur äußerst selten in ihrer jeweiligen Reinform vorkommen.

Unterschieden wird in die:

1. überwindende Muskelarbeit, konzentrische Aktion oder miometrische Ak- tion
2. nachgebende Muskelarbeit, exzentrische Aktion oder pliometrische Aktion
3. verharrende Muskelarbeit, statische bzw. isometrische Aktion,
4. kombinierte Muskelarbeit im Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus

(vgl. ADAM & WERSCHOSHANSKIJ 1972; LETZELTER 1983; WEINECK 72000; HARTMANN & TÜNNEMANN 1990; HARTMANN & TÜNNEMANN 1984; ZATSIORSKY 22000; GROSSER & MÜLLER 21993; EHLENZ / GROSSER & ZIMMERMANN 2003; MURRAY 61980)

2.1 Konzentrische Muskelaktion

Von einer konzentrischen Muskelaktion wird gesprochen, wenn diese Aktion zu einer Muskelverkürzung führt. Es handelt sich hierbei um eine positiv dynamische Arbeitsweise des Nerv-Muskel-Systems, wobei nach HEMMLING (1994): „bis zur Höhe der äußeren Last eine isometrische Kontraktion“ erfolgt. Diese Phase wird als isometrische Phase bezeichnet. Das kontraktile Element verkürzt sich über diese Phase hinaus weiter, bis die äußere Last überwunden wurde. Die Last setzt sich in Bewegung (vgl. HEMMLING, 1994, S. 3).

Die innere sowie die äußere Kraft liegen nicht im Gleichgewicht (WEINECK 72000; KOMI 1994; LETZELTER 1983; SCHMIDTBLEICHER 72000b).

2.2 Exzentrische Muskelaktion

Von einer exzentrischen Muskelaktion wird gesprochen, wenn es trotz einer Muskelaktion zu einer Muskellängenzunahme kommt, die wiederum durch von außen einwirkenden Kräfte hervorgerufen wird (KOMI 1994). Nach HEMMLING (1994). Das geschieht dadurch, dass die elastischen Elemente des tendomuskulären Systems gedehnt werden, und dies wiederum bewirkt eine: „zusätzliche Verkürzung des kontraktilen Elements“ (HEMMLING, 1994, S. 5). Bei der exzentrischen Muskelaktion handelt es sich um eine negative dynamische Arbeitsweise des Nerv-Muskel-Systems. Innere und äußere Kraft befinden sich nicht im Gleichgewicht (LETZELTER 1983).

2.3 Statische Muskelaktion

Als verharrende Muskelarbeit wird diejenige Muskelaktion tituliert, bei welcher es zu keiner Muskellängenveränderung kommt. Bei dieser Arbeitsweise verkürzt sich das kontraktile Element (Myofilamente) und dehnt dadurch die serien-elastischen Elemente, die Sehne (HEMMLING 1994). Die innere und äußere Kraft liegen im Gleichgewicht, und es wird laut KOMI (1994) „keine äußere Arbeit geleistet, da keine Verkürzung stattfindet“. Diese Muskelaktion zeichnet sich also durch eine reine Spannungszunahme aus. Der Abstand zwischen Muskelansatz und Muskelursprung bleibt unverändert (vgl. KOMI, 1994, S. 15).

2.4 Kombinierte Muskelaktion im Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus

Die kombinierte Muskelarbeit stellt eine Kombination aus den vorangegangenen Arbeitsformen des Nerv-Muskel-Systems dar (WEINECK 72000). Diese kombinierten Muskelaktionen lassen die in der Natur vorkommenden Bewegungen besser beschreiben, weil natürliche Bewegungen sehr selten isoliert nach dem Schema einer isometrischen, konzentrischen oder exzentrischen Muskelaktion ablaufen (vgl. KOMI, P.V., 1985, S. 254-255; KOMI, P.V., 1994, S. 173).

Bei alltäglichen Bewegungsabläufen, wie z. B. dem Laufen, kommt eine bestimmte kombinierte Muskelaktion zum Einsatz. Dieser Bewegungsablauf ist eine Kombination aus einer exzentrischen Aktion gefolgt von einer konzentrischen Aktion. Im Englischen wird diese Kombination als Stretch-Shortening-Cycle (SSC) bezeichnet. Im Deutschen definiert man diesen Bewegungsablauf als Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) (vgl. KOMI, P.V., 1985, S. 255; KOMI, P.V., 1994, S. 173). Um die Wirkungsweise des DVZ zu beschreiben, wird hier der Ablauf der Alltagsbewegung „Laufen“ genauer betrachtet (vgl. KOMI, 1994, S. 173-174). Bei allen Bewegungen wirken Kräfte auf den Körper des Menschen ein. Aus Gründen der Vereinfachung wird lediglich der musculus gastrocnemius betrachtet. Besonders hervorzuheben ist die Schwerkraft, denn diese Kraft ist bemüht, den Muskel (m. gastrocnemius) entgegen seiner Verkürzungsrichtung aufzudehnen (vgl. KOMI, 1994, S. 174). Daher arbeitet der Muskel (m. gastrocnemius) zunächst exzentrisch, was eine Längenzunahme zur Folge hat. Der Muskel (m. gastrocnemius) wird also regelrecht vorgespannt. In dieser Phase hat der Fuß keinen Kontakt zum Boden. Wird der Fuß nun aufgesetzt, kommt es zu einer weiteren passiven Dehnung des Muskels (m. gastrocnemius) (vgl. KOMI, 1994, S. 174).

Diesem auch als Dehnungsphase bezeichneten Abschnitt folgt beim Abdrücken des Fußes eine konzentrische Muskelaktion, die eine Muskelverkürzung bewirkt. Durch Vordehnung und der weiteren passiven Dehnung in der Dehnungsphase ist die Kraft der Aktion in der konzentrischen Phase über das ohne Vordehnung mögliche Maß hinaus verstärkt (vgl. KOMI, P.V., 1985, S.260; KOMI, P.V., 1994, S. 173-174). In weiteren Versuchen konnte u.a. von GREGOR et al. (1987, 1991) festgestellt werden, dass sich auch bei anderen Bewegungsabläufen der DVZ abspielt (vgl. KOMI, 1994, S. 175).

2.5 Zusammenfassung

Nachfolgende Tabelle visualisiert die vorangegangenen Punkte 1-4 auf einen Blick und verdeutlicht das Wesentliche.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Darstellung der muskulären Aktionsformen verändert nach (KOMI, 1994, S. 16).

3 Die Kraft

3.1 Definition von Kraft

Bei dem Versuch, eine Definition zu finden, die den Begriff „Kraft“ und alle seine Aspekte erfasst, stößt man auf erhebliche Schwierigkeiten.

Diese Schwierigkeiten entstehen dadurch, dass „Kraft“ auf unterschiedliche Art und Weise betrachtet werden kann. Um eine Brauchbarkeit für die Trainingswissenschaft zu generieren, trennt man Kraft in

- eine physikalische Größe und
- als motorische Eigenschaft des Menschen (vgl. LETZELTER, 1983, S. 56).

Definiert man „Kraft“ lediglich als physikalische Eigenschaft, wird die allgemeine Formulierung der Physik benutzt:

Kraft (F) = Masse (m) · Beschleunigung (a)

Die medizinische Kommission des IOC gibt folgende Definition für physikalische Kraft:

Kraft ist die Eigenschaft, die zu einer Änderung des Ruhe- und/oder Bewegungszustandes eines Gegenstandes führt. Der Muskel produziert bei seiner Kontraktion Kraft (Standardeinheit: Newton“ (KOMI (Hrsg.) 1994, S. 11).

Diese Definition der medizinischen Kommission (1994) zeigt, dass eine physikalische Betrachtungsweise auch für sportliche Bewegungen (Änderung des Ruhe- bzw. Bewegungszustandes) adäquat ist, da im Sport ebenfalls eine Masse (Gegenstand bzw. Körper) bewegt wird.

Interessanter Weise lässt die physikalische Definition von „Kraft“ keine Möglichkeiten zur Abgrenzung gegenüber der Ausdauer und Schnelligkeit zu (vgl. LETZELTER, 1983, S. 55), obwohl nach LETZELTER auch Schnelligkeit und Ausdauer Varianten der Kraft sind.

Aus diesen Gründen erwägt man eine Trennung des Kraftbegriffes, ohne mit der physikalischen Definition der „Kraft“ in Widerspruch zu treten (vgl. LETZELTER, 1983, S.55).

Da „Kraft“ ein Konstrukt aus physischen, psychischen und physikalischen Aspekten ist, ist eine trainingsmethodisch akzeptable Begriffsbestimmung nur sehr schwierig zu definieren.

Eine Definition, die auch die motorischen Eigenschaften des Menschen berücksichtigt, gibt MEUSEL (1969, S. 191): „Kraft im Sinne der motorischen Grundeigenschaft ist diejenige Eigenschaft des Menschen, mit deren Hilfe er eine Masse (seinen eigenen Körper oder ein Sportgerät) bewegt, seine Fähigkeit, einen äußeren Widerstand zu überwinden oder ihm durch Muskeleinsatz entgegenzuwirken.“

Abschließend bleibt zur motorischen Eigenschaft „Kraft“ des Menschen zu sagen, dass die „Kraft“ sportartspezifisch ist und durch viele Erscheinungsformen und deren Mischungsverhältnis geprägt wird.

3.2 Arten von Kraft

3.2.1 Innere und äußere Kraft

Führt ein Mensch eine Bewegung aus, wirken differierende Kräfte auf dessen Körper ein.

Laut ZACIORSKIJ (22000), BÜHRLE & SCHMIDTBLEICHER (1981) trennt die Biomechanik diese Kräfte in zwei Gruppen:

- in die innere Kraft und
- in die äußere Kraft.

Die innere Kraft bezeichnet man als diejenige Kraft, die von einem Teil des Körpers auf einen anderen Teil des Körpers wirkt (vgl. ZACIORSKIJ, 22000, S. 39; HARTMANN/TÜNNEMANN, 1990, S. 8).

Nach ZACIORSKIJ (22000), gehören Kräfte zwischen Knochen und Sehne-Knochen-Kräfte zu der inneren Kraft.

Die äußere Kraft wird als diejenige Kraft charakterisiert, die zwischen dem eigenen Körper des Sportlers und der Umwelt wirkt. Äußere Kräfte sind zum Beispiel die Schwerkraft und die Trägheitskraft (vgl. ZACIORSKIJ, 22000, S. 39; HARTMANN & TÜNNEMANN, 1990, S. 8; BÜHRLE & SCHMIDTBLEICHER 1981).

Diese Kraftdefinition ist dafür verantwortlich, dass lediglich die äußere Kraft als Maßstab zur Messung der Kraft eines Sportlers genutzt wird (vgl. ZACIORSKIJ, 22000, S. 39).

3.2.2 Allgemeine und spezielle Kraft

Bevor hier auf die unterschiedlichen Arten der Kraft eingegangen wird, sei angemerkt, dass man Kraft unter einem allgemeinen und speziellen Aspekt betrachten kann.

Der Begriff der allgemeinen Kraft beschreibt eine sportartunabhängige Kraft aller Muskelgruppen eines Menschen. Die spezielle Kraft charakterisiert hingegen eine sportartabhängige Kraft bestimmter Muskelgruppen, die an einer exakt definierten sportlichen Bewegung beteiligt sind (vgl. WEINECK, 112000, S. 236).

3.2.3 Absolute und relative Kraft

Die Absolutkraft kann nicht „willkürlich“ entwickelt werden im Gegensatz zur Maximalkraft. Um die Absolutkraft freizusetzen, müssen sämtliche motorischen Einheiten des Menschen im gleichen Augenblick innerviert werden (LETZELTER 1983; WEINECK 112000; HEMMLING 1994; HARTMANN & TÜNNEMANN 1984; HARTMANN & TÜNNEMANN 1990; SCHMIDTBLEICHER 72000b).

Die Differenz zwischen der Absolutkraft und der Maximalkraft nennt man auch „Kraftdefizit“ oder „autonom geschützte Reserven“. Dieses „Kraftdefizit“ kann bei Untrainierten 30 % und bei Trainierten 10 % betragen (vgl. WEINECK, 112000, S. 237; LETZELTER, 1983, S. 60).

Setzt man die Absolutkraft in Relation zum Körpergewicht eines Sportlers, erhält man die Relativkraft.

3.3 Struktur der motorischen Kraft

Die motorische Eigenschaft Kraft des Menschen lässt sich in drei Kraftfähigkeiten differenzieren:

- Maximalkraft
- Schnellkraft
- Kraftausdauer

(vgl. LETZELTER 1983, S. 58; WEINECK 112000; HARTMANN & TÜNNEMANN 1984; HEMMLING 1994; HARTMANN & TÜNNEMANN 1990; SCHMIDTBLEICHER 72000b; GROSSER & MÜLLER 21993)

Die nachfolgende Abbildung bietet einen Überblick über die motorische Eigenschaft Kraft und deren Kraftfähigkeiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Die motorische Eigenschaft Kraft des Menschen, differenziert in ihre drei Kraftfähigkeiten (frei nach WEINECK 112000, S. 237).

Die Maximalkraft, wie in Abb. 1 zu erkennen ist, steht keineswegs mit der Schnellkraft und der Kraftausdauer auf einer gleichen hierarchischen Stufe. Auch sind die Subkategorien keine voneinander unabhängigen motorischen Erscheinungsformen (SCHMIDTBLEICHER 1987).

3.3.1 Die Maximalkraft

Die Maximalkraft ermöglicht den Menschen, maximale Kräfte zu entwickeln und dadurch maximale Lasten zu bewältigen. Der Gewichtheber ist hierfür ein gutes Beispiel, denn dessen Erfolg hängt in eklatantem Maße von seiner Maximalkraft ab.

Eine Definition, die die Kraftfähigkeit „Maximalkraft“ allgemeinverständlich darstellt, gibt WEINECK (112000, S. 237): „Die Maximalkraft stellt die höchstmögliche Kraft dar, die das Nerv-Muskel-System bei maximaler willkürlicher Kontraktion auszuüben vermag.“

SCHMIDTBLEICHER (2005) fügt dem noch hinzu, dass eine „(...) maximale Willkürkontraktion nur gegen einen unüberwindlichen Widerstand erreicht wird“.

In beiden Definitionen wird die Maximalkraft durch „willkürlich“ beschrieben. Diese vorgenommene Charakterisierung unterscheidet die Maximalkraft von der Absolutkraft.

Die Maximalkraft wird zuweilen in der Literatur in eine statische und eine dynamische Maximalkraft unterschieden.

Die statische Maximalkraft stellt die höchstmögliche Kraft dar, die das Nerv-Muskel-System (NMS) bei einer Willkürkontraktion gegen einen unüberwindbaren Widerstand fähig ist zu mobilisieren.

Die dynamische Maximalkraft stellt hingegen die höchstmögliche Kraft des NMS dar, die das NMS durch eine Willkürkontraktion während einer Bewegung zu mobilisieren im Stande ist (vgl. FREY, 1977, S. 341; LETZELTER 1983). Eine solche Bewegung ist die Hanteltiefkniebeuge (1er Maximum) bei den Gewichthebern oder Kraftdreikämpfern (GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER 1999).

3.3.2 Die Schnellkraft

Ob Olympische Spiele oder Leichtathletik-Weltmeisterschaften, die dort erzielten sportlichen Leistungen hängen zu einem erheblichen Teil mit dem jeweiligen Ausbildungsgrad der Schnellkraft zusammen (vgl. LETZELTER, 1983, S. 88).

Formulierungen, die den Begriff „Schnellkraft“ definieren, finden sich in einschlägiger Literatur zur Genüge. Nachfolgend nun eine Definition, die den Begriff „Schnellkraft“ definiert: „Mit Schnellkraft wird die Fähigkeit des neuromuskulären Systems bezeichnet, einen möglichst großen Kraftstoß (Impuls) in der zur Verfügung stehenden Zeit zu produzieren“ (SCHMIDTBLEICHER 72000a).

Diese Definition verdeutlicht, dass eine schnelle Bewegung maximal willkürliche Krafteinsätze in einer möglichst kurzen Zeit bedingt.

Anhand der Definition lässt sich auch erkennen, dass es gewisse Unklarheiten über die Größe und die Art der jeweilig zu überwindenden Widerstände gibt. Daher ist der Begriff „Schnellkraft“ sehr offen formuliert (LETZELTER 1983).

Der Begriff der „Schnellkraft“ ist ein Konstrukt aus vier Komponenten. LETZELTER (1983) spricht hierbei von der „Struktur der Schnellkraft“:

1. die Startkraft,
2. die Explosivkraft,
3. die Reaktivkraft (Fähigkeit der dynamischen Realisation),
4. und die Maximalkraft

(vgl. LETZELTER, 1983, S. 93; BÜHRLE, M & SCHMIDTBLEICHER D., 1981, S. 25).

Im Folgenden werden diese vier Komponenten beschrieben.

Zu 1:

Unter dem Begriff der „Startkraft“ verbirgt sich die Fähigkeit, einen größtmöglichen Kraftanstieg zu Beginn der jeweiligen muskulären Aktion realisieren zu können. Ziel ist es, einen möglichst großen Kraftanstieg zu entwickeln, hohe Kraftwerte werden dabei nicht erzielt. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass der Bereich, der durch die Startkraft bestimmt wird, in einem zeitlichen Rahmen von 20 ms bis zu 50 ms nach Beginn der Aktion definiert werden kann (vgl. WEINECK, 112000, S. 241-242; BÜHRLE, M & SCHMIDTBLEICHER D., 1981, 24).

Zu 2:

Hinter dem Begriff der „Explosivkraft“ steht die Fähigkeit, möglichst schnell einen steilen Kraftanstiegsverlauf und dadurch hohe Kraftwerte zu entwickeln. Die Explosivkraft beschreibt einen Kraftanstieg, der in den Zeitbereich bis » 150 ms nach Beginn der Aktion einzuordnen ist. Gewissermaßen kann vereinfacht formuliert werden, dass die Explosivkraft den von der Startkraft realisierten Impuls aufnimmt und weiterführt. Im Vordergrund steht bei der Explosivkraft der Kraftzuwachs pro Zeiteinheit (WEINECK 112000; GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER 1999). Rein wissenschaftlich gesehen, gibt es zwischen der Startkraft und der Explosivkraft keinen Unterschied. Differenziert werden Start- und Explosivkraft jedoch aus messtechnischen Gründen (EHLENZ / GROSSER & ZIMMERMANN 72003).

Zu 3:

Der Begriff „dynamische Realisation“ bezeichnet die Fähigkeit, einen möglichst hohen prozentualen dynamischen Kraftwert, relativ zur Maximalkraft gesehen, für die Überwindung bzw. Beschleunigung eines äußeren Widerstandes realisieren zu können. Bei Untersuchungen von BÜHRLE & SCHMIDTBLEICHER (1981) fiel anhand von Kraft-Zeit-Kurven auf, dass die erreichten Maximalkraftwerte bei der Überwindung leichter Widerstände trotz maximal schneller Bewegungsausführung, unter den erreichten Maximalkraftwerten bei der Überwindung schwerer Widerstände lagen. BÜHRLE & SCHMIDTBLEICHER (1981) erklären dieses Phänomen anhand von drei Faktoren. Zur besseren Verständlichkeit des Phänomens „dynamische Realisation“ wird folgender Aspekt herangezogen und erläutert.

Bei jeder Muskelaktion setzt sich dem Muskel eine Art „inneren Widerstand“ entgegen, der mit der Aktionsgeschwindigkeit anwächst. Das heißt:

- Je schneller die Muskelaktion (geringer Widerstand), desto höher der in- nere Widerstand (geringeres dynamisch realisiertes Kraftmaximum).
- Je langsamer die Muskelaktion (größerer Widerstand), desto niedriger der innere Widerstand (größeres dynamisch realisiertes Kraftmaximum)

(vgl. BÜHRLE, M & SCHMIDTBLEICHER D., 1981, S. 21-22; GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER 1999; LETZELTER 1983).

Abschließend formulieren BÜHRLE & SCHMIDTBLEICHER (1981, S. 23) die dynamische Realisation der Maximalkraft als diejenige Fähigkeit des Menschen, ein möglichst hohes dynamisch realisiertes Kraftmaxima erreichen zu können. Das Ganze ist relativ zur jeweiligen individuellen Maximalkraft zu sehen.

Zu 4:

Die Maximalkraft besitzt einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Ausprägungsniveau der Schnellkraft. Die Fachliteratur weist darauf hin, dass die Schnellkraft durch das jeweilige Niveau der Maximalkraft abhängig ist (GÜLLICH. & SCHMIDTBLEICHER 1999; LETZELTER 1983). Die Schnellkraft ist nicht nur durch die Fähigkeit einer hohen Kontraktionsgeschwindigkeit begrenzt, sondern auch durch die Kontraktionskraft. Durch diesen Aspekt ergibt sich für die Schnellkraft, wie oben schon erwähnt, ein direkter Zusammenhang von Muskelquerschnitt und jeweiligem Maximalkraftvermögen (vgl. BÜHRLE, M & SCHMIDTBLEICHER D., 1981, S. 24).

3.3.3 Die Kraftausdauer

Bei dem Begriff der „Kraftausdauer“ treten, wie auch schon bei dem Begriff „Schnellkraft“, Probleme hinsichtlich der Abgrenzung auf. Die Kraftausdauer ist wie die Schnellkraft eine kombinierte Erscheinungsform, die von dem individuellen Maximalkraftniveau eines Sportlers abhängig ist. Bei der Kraftausdauer werden die konditionellen Grundeigenschaften, Kraft und Ausdauer, zu einer spezifischen Fähigkeit zusammengeführt.

Eine geeignete Definition des Begriffs „Kraftausdauer“ macht SCHMIDTBLEICHER (2005), indem er sagt: „Kraftausdauer bezeichnet die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, eine möglichst große Kraftstoßsumme (Impulssumme) in einer gegebenen Zeit gegen höhere Lasten zu produzieren.“

Diese Definition besagt, dass die Fähigkeit „Kraftausdauer“ eine bestimmte Kraftleistung des Menschen darstellt, die der Mensch über einen bestimmten Zeitraum aufrechterhalten kann, ohne dass das Kraftniveau ermüdungsbedingt stark abfällt. Bei stetiger Annäherung der zu überwindenden Widerstände bzw. Kraftstöße an das individuelle Maximalkraftniveau des neuromuskulären Systems gewinnt die Maximalkraft zunehmend an Bedeutung (GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER 1999).

Die Kraftausdauer lässt sich in drei so genannte Subkategorien untergliedern:

1. die dynamische bzw. statische Maximalkraftausdauer,
2. die submaximale Kraftausdauer
3. und die aerobe bzw. anaerobe Kraftausdauer

(EHLENZ / GROSSER & ZIMMERMANN 72003; LETZELTER 1983; Weineck 112000).

Unter der dynamischen bzw. der statischen Maximalkraftausdauer ist diejenige Fähigkeit des neuromuskulären Systems definiert, die gegen Widerstände über 75% der individuellen Maximalkraft, einen Leistungsabfall über einen bestimmten Zeitraum möglichst gering hält (vgl. EHLENZ, H. / GROSSER, M. & ZIMMERMANN, E., 72003, S. 72). Die Begriffe dynamisch bzw. statisch beschreiben lediglich die Arbeitsweise der Muskulatur.

Der Begriff der „submaximalen Kraftausdauer“ beschreibt hingegen die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, gegen Widerstände von 50-75% (bei dynamischer Aktionsweise) und 30% bei statischer Aktionsweise, über eine festgelegten Zeitraum einen Leistungsabfall möglichst gering zu halten (vgl. EHLENZ, H. / GROSSER, M. & ZIMMERMANN, E., 72003, S. 72).

Mit aerober Kraftausdauer wird die Fähigkeit des neuromuskulären Systems bezeichnet, die es dem Sportler ermöglicht, Widerstände im Bereich von 30-50% seines individuellen Maximalkraftniveaus über einen genau definierten Zeitrahmen, möglichst ohne Leistungsabfall, zu bewältigen (vgl. EHLENZ, H. / GROSSER, M. & ZIMMERMANN, E., 72003, S. 72). Die Energiebereitstellung läuft oxidativ. Unter der anaeroben Kraftausdauer wird die Widerstandsfähigkeit des neuromuskulären Systems verstanden, über einen genau definierten Zeitraum, möglichst ohne Leistungsabfall, Widerstände über 70% des individuellen Maximalkraftniveaus zu bewältigen. Dabei verläuft die Energiebereitstellung nicht oxidativ (vgl. FREY, G., 1977, S. 345-346).

4 Leistungsbestimmende Faktoren der Kraftfähigkeiten

Die oben beschriebenen Kraftfähigkeiten unterliegen gewissen Einflussgrößen bzw. leistungsbestimmenden Faktoren. In diesem Kapitel werden zu Beginn die leistungsbestimmenden Faktoren allgemein aufgeführt, um dann im zweiten Teil speziell deren Einfluss auf die einzelnen Kraftfähigkeiten zu untersuchen.

4.1 Einflussgrößen

Die Einflussgrößen werden nach BÜHRLE & SCHMIDTBLEICHER (1981) von Faktoren bestimmt, die sich Aspekten zuordnen lassen:

1. den morphologisch-physiologischen,
2. den koordinativen bzw. neuronalen
3. und den motivationalen.

4.1.1 Der morphologisch-physiologische Aspekt

Zu dem morphologisch-physiologischen Aspekt zählt man u.a.:

- anthropometrische und biometrische Merkmale wie z. B. die Körpergröße, die Beinlänge, Körpergewicht, Gelenkbeschaffenheit, Hebelverhältnisse und die externen Bedingungen (Bodenbeschaffenheit, Schuhwerk),
- den Muskelquerschnitt,
- die tendomuskulären Einflussgrößen (Muskelmasse, Muskelfaserzusamensetzung, Muskelfaserausprägung, enzymatische Kapazität, Kapillarisierung, Muskelelastizität, Sehnenelastizität),
- die Kontraktionszeit der einzelnen Muskelfasern,
- den Phosphor-, Kreatin- und Glykogengehalt in den Muskelfasern.

(vgl. BÜHRLE, M & SCHMIDTBLEICHER D., 1981, S. 12-13; EHLENZ / GROSSER & ZIMMERMANN 72003; GROSSER & MÜLLER 21999; HARTMANN & TÜNNEMANN 1984; LETZELTER, 1983, S. 52; SCHMIDTBLEICHER 2005; WEINECK 112000; ZATSIORSKY 22000)

4.1.2 Der neuronale Aspekt

Zu den neuronalen Einflussgrößen zählen ZATSIORSKY (22000), BÜHRLE & SCHMIDTBLEICHER (1981) die:

- intramuskuläre Koordination
- und die intermuskuläre Koordination

Zu der intramuskulären Koordination gehören im Detail: die Rekrutierung (die Möglichkeit, Muskelfasern zu aktivieren), die Frequenzierung (die Möglichkeit, Muskelfasern mit hoher Frequenz zu aktivieren), die Synchronisation (die Möglichkeit, Muskelfasern zeitgleich zu aktivieren).

Zu der intermuskulären Koordination werden der Inhibitionsabbau (Erregungs- und Hemmungswechsel im Zentral-Nerven-System (ZNS) Hemmungswechsel) und die Reflexförderung (Reflex zeitlich abgestimmt und stärker ausgeprägt) gezählt (vgl. SCHMIDTBLEICHER 2005; WEINECK 72000).

Zusammenfassend sei deutlich gemacht, dass die koordinativen Aspekte (neuronale Einflussgrößen) das effektive Zusammenwirken der morphologisch-physiologischen Aspekte/Faktoren bewirken (vgl. BÜHRLE & SCHMIDTBLEICHER 1981).

4.1.3 Der motivationale Aspekt

Die dritte Gruppe der Einflussfaktoren wird durch den motivationalen Faktor bestimmt. Dieser Faktor schließt die sensorisch-kognitiven und die psychischen Einflussgrößen ein. Im Einzelnen gehören z. B. die mentale Stärke, die Willenskraft, die Anstrengungsbereitschaft und die Lernfähigkeit eines Sportlers zu diesen Aspekten. Der motivationale Faktor spielt dahingehend eine eklatant wichtige Rolle, als ein Sportler durch entsprechende Motivation bzw. Anstrengungsbereitschaft näher an die Ausschöpfung seiner absoluten Kraft herankommt. Der Sportler hat dadurch die Möglichkeit, in die autonom geschützten Reserven einzudringen, um somit seine Maximalkraft zu erhöhen (vgl. LETZELTER 1983; WEINECK 72000).

5 Adaptationen an ein Krafttraining

In Folge eines Krafttrainings reagiert der menschliche Körper mit diversen Adaptationen. Nachfolgend werden die verschiedenen Adaptationsvorgänge kurz genannt und anschließend in den jeweiligen Unterkapiteln deren Ursachen und Mechanismen erklärt.

Auf folgende Adaptationsvorgänge wird in diesem Kapitel eingegangen:

- neuronale Adaptationen
- morphologische Adaptationen
- histochemische und biochemische Adaptationen

Weitere Adaptationserscheinungen wie z. B. die kardiovaskulären Adaptationen oder die Dickenzunahme der Gelenkknorpel werden hier nicht angesprochen. Es wird jedoch auf entsprechende Fachliteratur verwiesen (HOLLMANN & HETTINGER 1976).

5.1 Neuronale Adaptationen

In der Sportpraxis und in diversen Studien hat es sich gezeigt, dass der schnelle Kraftzuwachs zu Beginn eines Krafttrainings nicht auf Hypertrophieeffekte zurückzuführen ist (vgl. WEINECK 112000; SALE 1994). SALE (1994) formuliert, dass der Trainingserfolg in Abhängigkeit zum Bewegungsmuster steht, d. h. koordinative Vorgänge bzw. das motorische Erlernen von Bewegungen einen entscheidenden Einfluss auf die willkürlich realisierbare Maximalkraft haben. Daher ist der Kraftzuwachs zu Beginn einer neuartigen Bewegung auf neuronale Adaptationsvorgänge zurückzuführen, da die Effekte einer Hypertrophie (Dickenzunahme der Muskulatur) bzw. einer Hyperplasie (Muskelfaservermehrung) sich erst nach mehreren Wochen des Trainings einstellen (SALE 1994; WEINECK 112000; WIRTH 2004). Es gilt zu beachten, dass es unerheblich ist, ob das Trainingsziel in einer Verbesserung der Schnellkraft oder der Maximalkraft liegt, denn auf jeden Fall wird die Art und Weise, wie die Muskulatur über das ZNS innerviert wird, von entscheidender Bedeutung sein (vgl. SALE, 1994, S. 262).

Die Verbesserung der intramuskulären Koordination sowie intermuskulären Koordination sollen nun im Folgenden näher erläutert werden.

5.1.1 Die intramuskuläre Koordination

Wird die Leistungssteigerung auf die verbesserte intramuskuläre Koordination zurückgeführt, liegt dies an einer verbesserten Innervation der Arbeitsmuskulatur. Für eine verbesserte Innervation der Arbeitsmuskulatur sind drei Aspekte hervorzuheben (vgl. WIRTH, 2004, S. 63): Rekrutierung, Frequenzierung und Synchronisation (vgl. Kapitel 4.1.2).

Unter dem Aspekt der Rekrutierung wird die Fähigkeit verstanden, eine möglichst große Anzahl motorischer Einheiten (basale Funktionseinheit) willkürlich zu aktivieren, damit ein Muskel seinen optimalen Kraftwert entwickeln kann (vgl. SALE, 1994, S. 249).

Interessanterweise ist die Fähigkeit zur Rekrutierung motorischer Einheiten bei Untrainierten nicht so stark ausgeprägt, wie dies etwa bei Kraftsportlern der Fall ist. Diese Hypothese wurde durch IKAI & STEINHAUS (1961) bestätigt. Demnach konnten die Untrainierten lediglich 70 % ihres absoluten Kraftpotenzials willkürlich einsetzten, während die Trainierten 90 % ihres absoluten Kraftpotenzials willkürlich einsetzen konnten. Den Untrainierten fehlt nach SALE (1994) das nötige Koordinationsvermögen, um motorische Einheiten mit einer hohen Reizschwelle zu rekrutieren.

In einer Untersuchung von KOMI (1986) wurde durch elektromyographische Messungen parallel zum Kraftanstieg eine Zunahme der EMG-Aktivität festgestellt. Die Steigerung der EMG-Aktivität ist ein Zeichen dafür, dass sich die Rekrutierung und/oder die Frequenzierung verbessert hat (vgl. WEINECK, 112000, S. 250).

Die Frequenzierung beschreibt die Fähigkeit, motorische Einheiten durch unterschiedliche Entladungsfrequenzen zu stimulieren. Unter dem Begriff der Entladungsfrequenz wird die Anzahl der nervalen Impulse verstanden, „(...) die die Muskelfasern einer motorischen Einheit über die Motoneuronen erreicht“ (SALE, 1994, S. 249). Wird ein Einzelimpuls über ein Motoneuron auf die entsprechenden Muskelfasern geleitet, so reagieren diese Muskelfasern mit einer Einzelzuckung. Diese Einzelzuckung ermöglicht jedoch nur eine geringe Kraftentfaltung (vgl. SALE, 1994, S. 251).

Übermittelt die Nervenzelle jedoch eine ganze Impulsserie, und dies mit hoher Frequenz, so reagieren die Muskelfasern mit einer kräftigeren und länger anhaltenden Kontraktion (vgl. SALE, 1994, S. 251). Es steht also fest, dass eine höhere Entladungsfrequenz zu einer größeren Kraftentwicklung führt. Nach SALE (1994) besteht allerdings kein linearer Zusammenhang zwischen der Entladungsfrequenz und der Kraftentwicklung.

Die optimale Entladungsfrequenz wird als die so genannte Arbeitsfrequenz beschrieben. Die Arbeitsfrequenz motorischer Einheiten liegt bei 10 - 60 Hz. Höhere Entladungsfrequenzen sind unphysiologisch, da sie kaum noch eine Erhöhung der entwickelten Spannung bewirken. So wird die Maximalkraft schon bei einer Frequenz erreicht, die bei etwa 55 Hz liegt (SALE, 1994, S. 255).

Sehr hohe Entladungsfrequenzen führen nicht zu einer weiteren Steigerung der isome- trischen Maximalkraft, sondern bewirken einen steileren Kraftanstieg, welcher wiederum die Explosivkraft begünstigt bzw. verbessert. Um eine Vorstellung über mögliche Entladungsfrequenzen zu bekommen, sei darauf hingewiesen, dass während Schnellkraftbewegungen Entladungsfrequenzen von bis zu 120 Hz gemessen werden konnten (vgl. SALE, 1994, S. 255).

Diese bisher aufgeführten Adaptationen bewirken folglich eine verbesserte Rekrutierung motorischer Einheiten mit hoher Reizschwelle und eine Verlängerung der Zeit, in der die basalen Funktionseinheiten aktiviert werden können (vgl. SALE, 1994, S. 251 u. S. 254).

SALE (1994) konnte in Untersuchungen ein weiteres EMG-Phänomen feststellen, welches sich während des Krafttrainings aufzeigen ließ. Dieses Phänomen wird als Reflexpotenzierung definiert, was jedoch nichts anderes darstellt als die Fähigkeit zur Synchronisation. Die Synchronisation beschreibt die Fähigkeit der motorischen Einheiten, synchron aktiv zu werden (SALE et al. 1983). Bei Gewichthebern konnte eine verbesserte synchrone Aktivierung der Muskelfasern demonstriert werden (vgl. SALE, 1994, S. 252).

Für die willkürlich realisierbare Maximalkraft ist dabei nicht von Bedeutung, ob die Muskelfasern synchron oder asynchron aktiviert werden (RACK & WESTBURY 1969). Eine verbesserte Synchronisation hat somit keinen Einfluss auf die willkürlich realisierbare Maximalkraft eines Sportlers, jedoch führt nach SALE (1994) eine verbesserte Synchronisation zu einer schnelleren Kraftentwicklung, nicht aber zu einem höheren Kraftwert.

5.1.2 Die intermuskuläre Koordination

Im vorangegangenen Kapitel 5.1.1 wurden die Einflüsse eines Krafttrainings auf die einzelnen Muskelfasern betrachtet. In diesem Kapitel werden die Einflüsse des Krafttrainings auf ganze Muskelgruppen beschrieben.

Zunächst sei der Begriff „intermuskuläre Koordination“ erklärt. Die intermuskuläre Koordination bezeichnet die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, sich auf sportliche Bewegungen einzustellen. Eine Steigerung der intermuskulären Koordinationsleistung beruht insofern auf einem effizienteren und ökonomischeren Zusammenspiel der an einer Bewegung innervierten Muskelgruppen (vgl. WEINECK, 72000, S. 254).

SALE (1994) schreibt, dass durch ein andauerndes Wiederholen bestimmter Bewegungsabläufe, wie z. B. der Kniebeuge, über einen längeren Zeitraum von einigen Wochen, sich eine verbesserte Interaktion der Muskelgruppen einstellt, die wiederum eine Leistungssteigerung bewirkt.

Die zu Beginn eines Krafttrainings erfolgten Steigerungen der isometrischen und/oder dynamischen Maximalkraft gehen folglich auf ein Bewegungslernen der Muskulatur zurück. Sollen auch im späteren Verlauf des Krafttrainings Verbesserungen im Bereich der intermuskulären Koordination erreicht werden, so müssen koordinativ anspruchsvolle Kraftübungen in das Training eingebaut werden (vgl. SALE, 1988, S. 142; WIRTH, 2004, S. 63).

Im Zusammenhang eines verbesserten Bewegungslernens sei darauf hingewiesen, dass sich ein vermehrtes Zusammenspiel der Synergisten und Antagonisten, die an einer Bewegung beteiligt sind, einstellt.

Die Frage nach dem Sinn einer gleichzeitigen Aktivierung zweier entgegenwirkender Muskelaktionen ist allerdings verständlich, da eine solche Aktivierung kontraproduktiv erscheint (vgl. SALE, 1994, S. 261).

Der Sinn einer gleichzeitigen Aktivierung der Antagonisten liegt darin begründet, dass die antagonistische Kontraktion den Bandapparat in dessen Funktion als Gelenkstabilisierung unterstützt. Die Aktivierung der Antagonisten ist eine Art Schutzmechanismus, für die wiederum eine optimale Ansteuerung gewährleistet sein muss (vgl. SALE, 1994, S. 262).

BARETTA et al. (1988) stellte bei einer Untersuchung an Sportlern mit ausgeprägter Quadrizepsmuskulatur eine geringere Aktivierung der antagonistischen arbeitenden Beuger fest, als dies bei Nichtsportlern der Fall war. Möglicherweise lässt sich die verminderte Aktivierung darauf zurückführen, dass sich neuronale Adaptationen einstellen. Dieser Unterschied konnte allerdings, nachdem sich die Sportler einem speziellen Training der Beinbeuger unterzogen, nicht mehr diagnostiziert werden (vgl. SALE, 1994, S. 262).

Abschließend bleibt allerdings festzuhalten, dass eine verbesserte intermuskuläre Koordination vor allem immer dann von großer Bedeutung für eine Kraftsteigerung ist, wenn neuartige Übungen in ein Training eingebaut werden, wodurch das Bewegungslernen in den ersten Wochen im Vordergrund steht, bevor überhaupt an eine effektive Ausführung zu denken ist (SALE, 1994, S. 262).

5.2 Morphologische Adaptationen

Für eine Muskelmassezunahme und der damit einhergehenden Steigerung der muskulären Kraft führt MACDOUGALL (1994) drei Aspekte an, anhand derer eine Muskelmassezunahme erläutert werden kann.

MACDOUGALL (1994) nennt in diesem Zusammenhang die Hypertrophie (Zunahme der Muskelfasergröße), die Hyperplasie (Zunahme der Muskelfaserzahl) sowie die Vermehrung des interstitiellen Bindegewebes als Grundlage der muskulären Massezunahme.

In den nachfolgenden Kapiteln werden die Hypertrophie, die Hyperplasie und die enzymatischen Adaptationen an ein Krafttraining genauer dargestellt und die Adaptation des interstitiellen Bindegewebes knapp beschrieben. Zum Aspekt der Hyperplasie sei vorweggenommen, dass dieser sehr kontrovers diskutiert wird, weil jener Mechanismus nach wie vor ein Konfliktthema der Muskelphysiologie darstellt (vgl. MACDOUGALL 1994).

5.2.1 Die Hypertrophie

Der Begriff der „Hypertrophie“ deklariert einen Adaptationsvorgang des menschlichen Körpers an ein Krafttraining. Dieser Mechanismus beschreibt die Zunahme der Muskelfasergröße bei gleich bleibender Anzahl der Muskelfasern.

Diese Adaptation wird jedoch nur dann hervorgerufen, wenn die Belastung des Skelettmuskels mindestens im Bereich von 60-70% der individuellen Maximalkraft liegt. Im Zuge eines belastenden Krafttrainings kommt es infolgedessen zu einer Querschnittszunahme der Typ I- wie auch der Typ II-Fasern (MACDOUGALL, 1994, S. 232).

GOLDSPINK (1994) fand in diesem Zusammenhang heraus, dass die erste morphologische Adaptation in der Stabilisierung des Muskelfaseranteils besteht, was sich zu Lasten der extrazellulären Räume auswirkt. Hieraus ergibt sich die Konsequenz, dass zu Beginn eines Krafttrainings der Muskelfaserquerschnitt vergrößert wird, der Gesamtquerschnitt jedoch unverändert bleibt und rein optisch keinerlei Veränderungen festgestellt werden können.

Des Weiteren macht GOLDSPINK (1994) deutlich, dass es im Zuge von Adaptationen an ein Krafttraining zu einer Myofibrillenzunahme und einer Zunahme des Myofibrillenquerschnitts kommt. Dies wiederum hat zur Konsequenz, dass das Potenzial an Muskelkraft steigt (vgl. GOLDSPINK, 1994, S. 218).

In den folgenden Ausführungen werden die Ursache, die den Mechanismus der Hypertrophie auslöst, sowie der Adaptationsvorgang selbst beschrieben. Daran anschließen werden sich die Darstellungen der Proteinsynthese, der Satellitenzellen und des so genannten Muskelkaters, welcher als womöglich entscheidender Auslösungsfaktor der Hypertrophie gesehen wird.

5.2.1.1 Auslöser einer Hypertrophie

In diesem Unterkapitel soll geklärt werden, welcher Reiz den Mechanismus der Hypertrophie in Gang setzt.

Nach MACDOUGALL (1994) hängt das Ausmaß der Trainingsreaktion von Intensität und Dauer des Trainingsprogramms ab. Daraus kann gefolgert werden, dass eine hohe Spannung auf die jeweilige Muskelfaser einwirken muss, damit es zu einer Adaptation im Sinne von Muskelwachstum (Hypertrophie) kommt.

So konnte z. B. nach einem 10-wöchigen Training mit höheren Intensitäten eine signifikant stärker ausgeprägte Hypertrophie der beanspruchten Muskulatur festgestellt werden, als dies mit weniger intensiven Belastungen der Fall war (FLECK & KRAEMER 32004).

Die obige Aussage ist somit belegt, und es kann angenommen werden, dass eine intensive Spannung auf eine Muskelfaser einwirken muss, damit der Mechanismus der Hypertrophie induziert wird. Die hohe Spannung wiederum verursacht eine Traumatisierung der Muskelfasern (führt zu Muskelkater), was als auslösender Reiz der Hypertrophie angesehen wird (WIRTH 2004).

GOLDSPINK (1994) fand zudem heraus, dass es in Folge einer muskulären Dehnung ebenfalls zu Mikrotraumata in den jeweiligen Muskelfasern kommt, was ebenfalls zu Muskelkater führt. Im Zuge der Muskeldehnung kommt es laut GOLDSPINK (1994) zu einer Progression des Eiweißumsatzes bzw. der Proteinsynthese.

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Muskelspannung nicht der einzige Auslöser für eine Hypertrophie ist, auch wenn dies anhand der obigen Ausführungen angenommen werden könnte.

Wie MACDOUGALL (1994) schon feststellte, hat die Dauer des Trainingsreizes einen entscheidenden Einfluss auf die Trainingsreaktion. Diese Aussage deckt sich mit der von BÜHRLE (1985), denn auch er macht deutlich, dass ein Spannungsreiz über eine gewisse Zeit andauern muss, damit sich eine Hypertrophie der entsprechenden Muskelfaser einstellt.

So konnten ANTONIO & GONYEA (1994) im Tierversuch an Vögeln aufzeigen, dass ein gedehnter Muskel hypertrophieren kann, wenn der Spannungsreiz, in diesem Versuch 28 Tage, über einen längeren Zeitraum einwirkt.

LETZELTER (1983) stellte zudem noch fest, dass während der Übungsausführung ermüdete bzw. beschädigte Muskelfasern ausfallen und durch funktionstüchtige ersetzt werden.

Somit ist evident, dass erst durch fortgeschrittene Ermüdung möglichst viele Muskelfasern in ein Training einbezogen werden. Wird die Intensität von Satz zu Satz hoch gehalten, kommt es zu strukturellen Schädigungen der Muskulatur. Die Pausen zwischen den einzelnen Sätzen dienen dem Zwecke der temporären Auffüllung von Energiespeichern mit Kreatinphosphat. Dieses Kreatinphosphat ermöglicht es überhaupt erst, die Ermüdung im Muskel weiter voran zu treiben (vgl. WIRTH, 2004, S. 68).

Es gilt allerdings zu beachten, dass der Umfang und die Intensität (Trainingsvolumen) nicht beliebig gesteigert werden können, da mit zunehmender Ermüdung die Intensität nicht mehr in einem für die Hypertrophie sinnvollen Bereich gehalten werden kann (vgl. WIRTH, 2004, S. 68).

Dazu schreiben BÜHRLE & WERNER (1985), dass bei maximalen Krafteinsätzen nur noch geringe Hypertrophieeffekte zu verzeichnen sind.

Fazit ist, dass sowohl die Belastungsintensität als auch der Belastungsumfang (Volumen) einen entscheidenden Einfluss in Hinblick auf die Adaptationen der Skelettmuskulatur spielen. BÜHRLE & WERNER (1985) schreiben, dass Belastungsintensität und Belastungsumfang optimal kombiniert werden müssen, damit sich der angestrebte Hypertrophieeffekt einstellt. Im späteren Verlauf dieser Arbeit wird auf die optimale Kombination beider Faktoren eingegangen (vgl. Kapitel 7.1).

In den bisherigen Ausführungen wurde der Ursache nachgegangen, die eine Hypertrophie der beanspruchten Skelettmuskulatur hervorruft, daran wird sich die Darstellung des Adaptationsvorgangs im folgenden Kapitel anschließen.

5.2.1.2 Der Adaptationsvorgang

Der Adaptationsvorgang wird durch erhöhte funktionale Beanspruchung der Zellstrukturen in Gang gesetzt. Durch diese erhöhte Beanspruchung kommt es zu einer Störung des Gleichgewichtes von Adenosintriphosphat (ATP)-Verbrauch und ATP-Resynthese im Muskel. Der Mangel an ATP führt dazu, dass sich die Synthese der kontraktilen Proteine reduziert und dadurch die Abbauprozesse im Muskel überwiegen (vgl. BÜHRLE, M & WERNER, E., 1985, S. 201).

Das Defizit an kontraktilen Eiweißstrukturen führt wiederum zu einer verstärkten Nukleinsäuren- und Einweißsynthese. Dieser Mechanismus setzt dann die Hypertrophie der Muskelfasern in Gang (vgl. BÜHRLE, M & WERNER, E., 1985, S. 201).

Der Prozess der verstärkten Proteinsynthese wird bis zum Erreichen eines Gleichgewichtes zwischen der Hypertrophie der Muskelfasern und der einwirkenden Belastung aufrechterhalten.

Wie oben (vgl. Kapitel 5.2.1) schon beschrieben, kommt es nach GOLDSPINK (1994) erst zu einer Muskelfaserquerschnittsvergrößerung ohne eine Zunahme des Gesamtquerschnitts, was wiederum zu Lasten der extrazellulären Räume geht.

GOLDSPINK (1994) verdeutlicht zudem, dass mit der Zunahme des Muskelfaserquerschnitts eine Steigerung des Gehalts der Muskelfaser an Myofibrillen einhergeht. Diese Steigerung geschieht laut GOLDSPINK (1994) durch eine Längsaufspaltung der Myofibrillen in zwei oder drei Untereinheiten.

Die Längsspaltung der Myofibrillen ist nach GOLDSPINK (1994) auf eine strukturelle Diskordanz zwischen den Aktin- und Myosingitterwerken zurückzuführen. Die Aktinfilamente laufen von den Z-Streifen zu den A-Streifen, hierdurch erfahren sie eine Verschiebung. Diese Verschiebung führt wiederum, wenn die Myofibrille eine kritische Größe erreicht hat, zu einer Zugwirkung (während der Kontraktionen der Myofibrillen) auf das Zentrum der Z-Scheiben, was schließlich Rupturen hervorruft, die die Spaltung der Myofibrillen auslösen (vgl. GOLDSPINK, 1994, S. 218; MACDOUGALL, 1994, S. 234). Eine solche Aufspaltung setzt sich dann wie ein Reißverschluss durch die gesamte Muskelfaser fort und bewirkt die Aufteilung der Mutterfibrille in zwei oder mehr gleichlange Tochterfibrillen (vgl. GOLDSPINK, 1994, S. 217; MACDOUGALL, 1994, S. 234).

Somit ist klar, dass ein kontinuierlich intensiv ausgeführtes Training die Eiweißsynthese des Skelettmuskels erhöht. Dies führt dann zu einer Steigerung der Myofibrillenzahl in einer Muskelfaser. Des Weiteren kommt es zu einer Zunahme des Myofibrillenquerschnitts, was eine Vergrößerung der Gesamtoberfläche der Myofibrillen zur Folge hat (vgl. GOLDSPINK, 1994, S.218).

Die Vergrößerung des Myofibrillenquerschnitts ist auf die Anlagerung von Aktin- und Myosinfilamenten rund um die Myofibrillen zurückzuführen (vgl. MACDOUGALL, 1994, S. 234).

Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie eine solche Eiweißsynthese (vgl. Kapitel 5.2.1.3) abläuft. GOLDSPINK (1994) macht darauf aufmerksam, dass die Skelettmuskelproteine einem ständigen Ab- und Aufbau unterliegen. Es wird angenommen, dass die Halbwertszeit der kontraktilen Proteine bei 1 bis 2 Wochen liegt. Nach einer Woche ist somit die Hälfte der kontraktilen Eiweiße ab- bzw. umgebaut, was auf den ersten Blick unökonomisch erscheint (vgl. GOLDSPINK, 1994, S. 220).

Jedoch ergibt sich aus diesem Prozess ein immenser Vorteil, denn dem Muskel wird dadurch eine große Anpassungsbreite sichergestellt. Eine große Anpassungsbreite wiederum bedeutet, dass sich die kontraktilen Proteine den geforderten Belastungen optimal anpassen können (vgl. GOLDSPINK, 1994, S. 220).

Während der Adaptationen spielt der Muskelfasertyp keine entscheidende Rolle, denn die Typ I- und die Typ II-Fasern können laut GOLDSPINK (1994) beide hypertrophieren. Diese Aussage wird durch eine Untersuchung von MACDOUGALL (1994) im Bereich des Trizeps brachii des Menschen bekräftigt. Im Zuge einer weiteren Untersuchung konnte MACDOUGALL (1994) die Ergebnisse von GOLDSPINK (1994) bestätigen. Allerdings stellte sich heraus, dass die Typ II-Fasern in einem stärkerem Maße hypertrophierten.

Diese Ergebnisse wurden durch eine Querschnittsuntersuchung an Bodybuildern belegt. Das Ergebnis der Querschnittsuntersuchung war aufschlussreich, denn die Faserquerschnitte der Typ II-Fasern waren um 58% und die der Typ I-Fasern um 39% höher als bei den Werten der untrainierten Kontrollgruppe (vgl. MACDOUGALL, 1994, S. 232). Anhand dieser Ergebnisse steht fest, dass die Typ II-Fasern bevorzugt hypertrophieren.

GOLDSPINK (1994) verdeutlicht in seinen Ausführungen zudem, dass bei den Typ II Fasern eine Steigerung der Syntheserate der kontraktilen Eiweiße zu beobachten ist, während bei den Typ I-Fasern die Verzögerung des Proteinabbaus im Vordergrund steht. Diese Ausführung untermauert die vorangegangenen Aussagen.

Da es erwiesenermaßen zu einer bevorzugten Hypertrophie der Typ II-Fasern im Zuge einer Belastung kommt, spielt die Muskelfaserzusammensetzung eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung der Maximalkraft. Diese Aussage wurde von MORITANI (1994) bestätigt, denn auch er verwies darauf, dass die Muskelkraft durch den Muskelfasertyp sowie durch den Muskelquerschnitt bestimmt wird (vgl. MORITANI, 1994, S. 267).

Geschlechtsspezifische Diskrepanzen bei der Adaptation konnten nicht festgestellt werden, denn bei der von SALE et al. (1990) durchgeführten Untersuchung wurden keinerlei Unterschiede zwischen der Skelettmuskeladaptation bei Frauen und Männern festgestellt.

5.2.1.3 Proteinsynthese

Die Proteinsynthese spielt, wie im Kapitel 5.2.1.2 kurz beschrieben, bei der Muskelhypertrophie eine entscheidende Rolle. Durch eine höhere funktionale Belastung wird eine vorübergehend erhöhte Proteinbildung ausgelöst, so dass die Proteinmasse zunimmt. Eine erhöhte Proteinsyntheserate konnte in Untersuchungen auch noch 48 Stunden nach der Belastung festgestellt werden (vgl. FLECK & KRAEMER 32004).

Um neue Proteinstrukturen zu bilden, bedient sich der Organismus eines Mechanismus, der die genetischen Informationen der DNA (Desoxyribonukleinsäure) kopiert und an die Muskelzellen weiterleitet. Die DNA muss eins zu eins übernommen werden, damit die entsprechende Muskelzelle in der Lage ist, die Aminosäuren so zusammenzusetzen, dass die benötigten Proteinstrukturen gebildet werden können (vgl. WIRTH, 2004, S. 75).

Der Vorgang, der die genetische Information aus dem Zellinneren in das Cytoplasma (Sarkoplasma der Muskelzelle) transportiert, findet in der Transkription seinen Anfang (WEINECK 61990). Der Prozess der Transkription beschreibt einen Ablauf, wobei der genetische Code für die Aminosäuresequenz (Reihenfolge der Aminosäuren im Proteinmolekül) von der DNA (befindet sich im Zellkern) der äquivalenten Gene abgelesen und auf das mRNA-Molekül (Messenger-Ribonukleinsäure) übertragen wird. Auf der mRNA befindet sich somit eine Arbeitskopie der DNA (vgl. WIRTH, 2004, S.75; DIGEL, W. & KWIATKOWSKI, G., 21987, S. 320-321).

Die Aufgabe der mRNA besteht anschließend darin, den genetischen Code, z. B. der Aminosäuren, bei der Proteinsynthese bereitzustellen. Um die im Plasma gebildeten Aminosäuren zu den Ribosomen weiterzuleiten, wird eine weitere Ribonukleinsäure benötigt.

Die tRNA (Transfer-Ribonukleinsäure) hat die Aufgabe, die im Plasma (Cytosol) synthetisierten oder dorthin gebrachten Aminosäuren zum endoplasmatischen Retikulum (ER), liegt außerhalb des Zellkerns, weiterzuleiten (vgl. WEICKER, H. & STROBEL, G., 1994, S. 211). Am ER werden die auf der mRNA gespeicherten genetischen Informationen an den Ribosomen abgelesen. Dort, an den Ribosomen (Orte der Proteinbildung), wird aus den Aminosäuren die jeweilige Proteinstruktur zusammengesetzt. Dieser Ablauf wird als Translation bezeichnet (WIRTH 2004).

Es gilt also, dass der Prozess der Proteinsynthese durch die Transkription des genetischen Codes der DNA auf die mRNA und der Translation mit zur Hilfenahme der tRNA an den Ribosomen beschrieben werden kann (vgl. WEICKER & STROBEL 1994).

Es soll dennoch betont werden, dass die Proteinsynthese primär durch die Änderung der Transkriptionsaktivität und erst sekundär durch die Translationsrate reguliert wird (vgl. MADER, A., 1990, S. 44). Eine Änderung der Transkriptionsgeschwindigkeit der mRNA kann z. B. durch anabole Steroidhormone sowie durch Thyroxin hervorgerufen werden, womit sich wiederum eine verstärkte Proteinsynthese einstellt (vgl. WEICKER, H. & STROBEL, G., 1994, S. 380).

MADER (1990) konnte in hypertrophierenden Skelettmuskelfasern einen erhöhten Gehalt an mRNA, Ribosomen und eine erhöhte Translationsrate nachweisen. All diese Indikatoren nehmen somit Einfluss auf die Hypertrophie der Skelettmuskelfasern, wobei eine erhöhte Translationsrate einen direkten Einfluss auf die Proteinsynthese hat, denn durch die Translationsrate stellt sich eine verstärkte Synthese von Neuprotein ein (vgl. MADER, A., 1990, S. 44).

Betrachtet man die zeitliche Abfolge der Vorgänge an hypertrophierenden Skelettmuskelfasern, wird zuerst eine gesteigerte Transkriptionsaktivität, dann ein Anstieg der Proteinsynthese und des Ribosomengehalts festgestellt. Da allerdings die Transkriptionsgeschwindigkeit von der Konzentration der vorhandenen mRNS-Moleküle und den Ribosomen abhängt, diese aber beide überwiegend Transkriptionsprodukte sind, muss die Transkriptionsrate überwiegend die Eiweißsynthese bestimmen (vgl. MADER, A., 1990, S.44; WIRTH, K., 2004, S.76).

Zusammenfassend konnte während der Phase der sich entwickelnden Hypertrophie und auch im Zustand der Hypertrophie des Skelettmuskels eine erhöhte Proteinsynthese und ein erhöhter Proteinturnover festgestellt werden (vgl. MADER, A., 1990, S. 48). Dies bedeutet, dass in diesem Anpassungszustand sowohl ein gesteigerter Proteinabbau oder –verschleiß, als auch eine gesteigerte Proteinneubildung festgestellt werden können (vgl. MADER, A., 1990, S. 48; WIRTH, K., 2004, S. 76).

5.2.1.4 Die Satellitenzellen

In diesem Kapitel werden der Begriff und die Bedeutung der Satellitenzellen für die Muskelhypertrophie aufgezeigt. Satellitenzellen sind Stammzellen, die sich teilen können. Sie liegen außerhalb der Muskelfasermembran, jedoch innerhalb der Basalmembran der Muskelfaser (BISCHOFF 1989). Es wird angenommen, dass die Satellitenzellen aus Myoblasten stammen, die während der Embryogenese nicht zu Muskelschläuchen fusionierten (vgl. MACDOUGALL 1994; WHITE, T. P. & ESSER, K. A., 1989, S. 159). Die Anzahl der Satellitenzellen verringert sich mit fortschreitendem Lebensalter, so wird vermutet, weil sie für Wachstum und Regeneration benötigt werden. Nicht außer Acht zu lassen sei auch die Tatsache, dass ihre Teilungsfähigkeit nur begrenzt ist (vgl. WIRTH, 2004, S. 77).

Bei einem gesunden Erwachsenen konnte durch elektronenmikroskopische Auszählungen festgestellt werden, dass ungefähr 2 – 6% aller den Muskelfasern zuzuordnenden Zellkerne auf Satellitenzellen entfallen (MACDOUGALL 1994).

Die Satellitenzellen bleiben so lange in einem Zustand der Inaktivität, bis sie durch Änderung in der Homöostase zum Wachstum (Proliferation) durch mitotische Teilung aktiviert werden. Ihre Bedeutung für die Muskelfasern liegt zum einen in der Zuführung der erforderlichen Zellkerne, die während der Ausreifung der Muskelfaser für das Längen- bzw. Dickenwachstum benötigt werden. Diese Zuführung endet mit dem Abschließen des Knochenwachstums (MACDOUGALL 1994). Zum anderen spielen Satellitenzellen bei der Regeneration geschädigter Muskelfasern eine wichtige Rolle (vgl. APPEL / FORSBERG / HOLLMANN 1988; DARR & SCHULTZ 1987; MACDOUGALL, 1994, S 236).

Nach Muskelschädigungen werden die Satellitenzellen innerhalb weniger Stunden aktiviert, sie proliferieren durch Teilung und wandern anschließend an der Muskelfasern entlang zur geschädigten Stelle. An dieser Stelle verschmelzen sie zu einem vielkernigen Muskelschlauch, der dann zu einer Muskelfaser ausreift. Dies geschieht in ähnlicher Art und Weise, wie dies während der Fetalperiode der Fall war (vgl. MACDOUGALL, 1994, S. 236-237; WHITE, T. P. & ESSER, K. A., 1989, S. 159-160).

Durch diesen Prozess werden die nekrotischen Muskelfasern durch neue Fasern ersetzt. Es wird angenommen, dass die Aktivierung der Satellitenzellen nur in verletzten Muskelfasern stattfindet, nicht jedoch in den intakten Muskelfasern (BISCHOFF 1989).

Der dargestellte Regenerationsprozess beschreibt einen Faserersatz, wodurch sich die Faseranzahl nicht verändert. Dies wiederum würde bedeuten, dass es zu keiner Faservermehrung im Sinne einer Hyperplasie kommt (vgl. MACDOUGALL, 1994, S. 237). Gegen diese Aussage sprechen allerdings die Untersuchungsergebnisse von APPEL, FORSBERG & HOLLMANN (1988) die während Trainingsuntersuchungen sich entwickelnde Muskelschläuche in der belasteten Muskulatur feststellten konnten. APPEL, FORSBERG & HOLLMANN (1988) interpretierten diese Ergebnisse als die Bildung neuer Muskelfasern, trainingsinduziert durch die Aktivierung von Satellitenzellen.

Eine genauere Beschreibung der derzeitigen Standpunkte über eine mögliche Hyperplasie erfolgt im Laufe dieser Arbeit (vgl. Kapitel 5.2.2).

5.2.1.5 Der Muskelkater

Der allerseits bekannte Muskelkater bezeichnet einen verzögerten Muskelschmerz von etwa einwöchiger Dauer, der frühestens einige Stunden nach einer ungewohnten oder besonders intensiven Belastung eintritt (BÖNING 2000; WIRTH 2004). Als außerordentlich schmerzhaft wird die Zeit ab 24-72 Stunden nach der ursächlichen sportlichen Betätigung empfunden (vgl. ARMSTRONG, R.B., 1984, S. 529; BÖNING 2000; WIRTH, 2004, S. 71; ZATSIORSKY 22000).

Mehrere Autoren verweisen darauf, dass ein Muskelkater bevorzugt nach ungewohnten Abbremsbewegungen bzw.

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Ende der Leseprobe aus 113 Seiten

Details

Titel
Der Zusammenhang von Maximalkraft und Schnellkraft bei der Übung Hanteltiefkniebeuge und verschiedenen Sprungtests
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Sportwissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
113
Katalognummer
V56604
ISBN (eBook)
9783638512459
ISBN (Buch)
9783638688482
Dateigröße
1110 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zusammenhang, Maximalkraft, Schnellkraft, Hanteltiefkniebeuge, Sprungtests
Arbeit zitieren
Franz-Michael Becker (Autor:in), 2006, Der Zusammenhang von Maximalkraft und Schnellkraft bei der Übung Hanteltiefkniebeuge und verschiedenen Sprungtests, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56604

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Titel: Der Zusammenhang von Maximalkraft und Schnellkraft bei der Übung Hanteltiefkniebeuge und verschiedenen Sprungtests



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