Geschichte und Bedeutung des jüdischen Theaters in Berlin


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

20 Seiten, Note: ohne Benotung


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theater 1877- 1933
2.1 Erste Aufführungsserien jüdischer Dramen 1881-1884
2.2 Zwei Auftritte der „Deutsch- Polnisch-jüdischen Coupletsänger“
2.3 Aufstieg der Brüder A. D. Herrnfeld
2.4 Die Wilnaer Truppe in Berlin

3. Theater in Nazideutschland - Theater des jüdischen Kulturbundes

4. Bamah

5. Zusammenfassung

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit soll das durch viele Jahre vergessene Thema des jüdischen Theaters in Berlin aufgreifen. Einerseits Vergessen aus Hass zum jüdischen Erbe, andererseits Vergessen aus Gleichgültigkeit und mangelndem Wissen aber auch Vergessen aus Verlegenheit, dass das Jüdische in einer gewissen Unselbständigkeit und Trivialität bestimmt durch damalige Klischees zur Sprache kam.[1] Zwar ist diese Arbeit nur ein Ausschnitt aus der Geschichte, der sich auf die wichtigsten Theatererscheinungen konzentriert, macht aber deutlich welche unschätzbare Bedeutung die jüdischen theatralischen Aktivitäten für das jüdisch-deutsche Zusammenleben und für die Entwicklung der Berliner Theaterlandschaft hatten. Eine Rekonstruktion der Theaterkultur in Berlin seit 1877 wurde ermöglicht durch die Dokumentation der ansonsten als Bedrohung der künstlerischen Lebens angesehenen Theaterpolizei und -zensur.[2] Eine explizite Analyse dieser Exemplare wurde von Peter Sprengel in seinem Buch „Populäres jüdisches Theater in Berlin von 1877 bis 1933“ durchgeführt, was die Faktenbasis für diese Arbeit darstellt. Angefangen mit den ersten Theateraufführungen jüdischer Dramen bis zu der neuesten theatralischen Initiative – jüdisches Theater Bamah, soll der Platz des jüdischen künstlerischen Schaffens in der theatralischen Landschaft Berlin gezeigt werden. Die jüdischen Bewohner Berlins prägten mit ihrer Tradition die Bürgerkultur der Stadt. Sie haben oftmals dem Namen Deutschlands in der Welt Ehre gebracht, als sie sich im Handel, Kunst und Wissenschaft bewährten. Die Werke Heinrich Heines, Felix Mendelsohn Bartholdys oder Mies von der Rohe sind in Bestand des gesamten deutschen Kulturgutes eingegangen und so sind auch die jüdischen theatralischen Leistungen einzusehen.

Die Ausbildung des jüdischen Theaters in Berlin ist mit der Blüte des deutschen Judentums in dieser Stadt bis in die Weimarer Republik verbunden. Die heute über 300 Jahre existierende Jüdische Gemeinde erlebte zwischen 1872 bis 1932 ihren Aufschwung. Sie zählte 1875 etwa 65000 Mitglieder, 1910 – 144043, 1925 – 172672 damit 4,3 % der Berliner Gesamtbevölkerung bis es schließlich 1945 nur etwa 6500 überlebender Juden in Berlin gab. Die kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung der Gemeinde war mit der Gründung einer privaten „Hochschule für die Wissenschaft des Judentums“, Eröffnung des Jüdischen Friedhofs Weißensee, Verabschiedung des Austrittgesetzes verbunden. Doch es war auch eine Zeit der Auseinandersetzung zweier jüdischer Wege - einerseits repräsentiert vom „Central - Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“, die die Anerkennung der Juden als deutsche Staatsbürger in der Öffentlichkeit befürworteten und andererseits der „Zionistischen Vereinigung für Deutschland“, die einen eigen Staat für Juden forderte. Dieses Problem der Gleichzeitigen und Nebeneinanders des Jüdischen und des Deutschen wurde auch auf der Bühne präsent. Heute ist die Berliner jüdische Gemeinde mit ihren 12000 Mitglieder die größte Gemeinde Deutschlands.

2. Theater 1877- 1933

2.1 Erste Aufführungsserien jüdischer Dramen 1881-1884

Bevor es ein Theater in Berlin, das das Prädikat jüdisch trug bzw. verdiente, spielten jüdische Schauspieler auf den theatralischen Bühnen Berlins - zumeist als komische Figur. Die Theatermoderne wurde von den jüdischen Talente mitgetragen - als ein Theater, das über jüdische Themen trachtete und von Juden für Juden gemacht worden war. Das Niveau dieser Szenen, die in Vaudeville - Theatern und Varietes ihre Schaubühne hatten, balancierte zwischen Kleinkunst und Showbusiness. Wo gab es in der Berliner Theaterlandschaft Platz für jüdische Dramatik? Das jüdische Theater hat sich auf den Bühnen des Kellners Richard Quargs - Eigentümers bzw. Leiters von einigen Spielstätten - herausgebildet. Weil Quarg keinen besonderen Wert auf guten Ruf legte und sich nicht von den im Berlin üblichen Standards beeinflussen lies, war es möglich das Jüdische anhand der Jargonstücke in dem Quarg – Spezialitäten - Theater zu vermitteln. Zu seinem Theaterunternehmen im Hause Alexanderstraße 40 sagte Quarg selber:

„Darauf bin ich Eigentümer des Spezialitätentheaters von Weiland Alexanderstr. 40 geworden. Dieses Grundstück, in dem sich heute das Alexanderplatz - Theater befindet, ist jetzt noch mein Eigentum. Dieses Unternehmen habe ich ununterbrochen bis zum Jahre 1892 geleitet. Bis zum Jahr 1888 sind dort selbst Spezialitäten -Vorstellungen und kleine Einakter zu Aufführung gelangt. In den darauf folgenden Jahren habe ich daselbst Opern, Operetten und Schauspiele, sowie Possen zur Darstellung gebracht. Ich selbst bin als darstellender Künstler niemals thätig gewesen.“[3]

1870 kaufte Quarg das 100 Jahre alte Haus Alexanderstr.40, wo er ein Hinterhoftheater eingerichtet hat. Ein Bericht eines Brandtwächters vom 25.11.1878 besagte: „Bei einer räumlichen Ausdehnung von ca. 30 und 40 m bietet das Theater mit seinen Nebenräumen Platz für ungefähr 800 Personen.“[4] Dieses Theater zeichnetet zunächst ein volkstümlicher Charakter aus - außer dem einaktigen Lustspiel „Die Romanheldin“ von C. Görlitz, einer Parodie auf Wagners „Ring der Nibelungen“ wurden Universalgesangshumoristen oder gar ein Schlangenmensch Ab-del-Aziz sowie der Athlet Emil Borscherdt angekündigt. Die Umbenennung der Vaudeville - Bühne zum Königsstädtischen Theater und später zum Bürgerlichen Schauspielhaus bis letztens in das Alexanderplatztheater und die Berufung eines artistischen Leiters änderte nichts an dem bis dahin schlechten Ruf dieses Unternehmens. Nach der Einführung der Gewerbefreiheit waren es die Varietetheatern, eine potentielle Aufführungsstätte für Wanderbühnen und damit auch für jüdische Schauspieltruppen. Die jüdische Komponente sollte das Spezialitäten - Repertoire bereichern. Besondere Bedeutung für die Herausbildung des jüdischen Theatern hatte diese Vaudeville - Bühne insofern, dass dort die ersten Aufführungen der ostjüdischen Theatergruppe stattfanden. Das älteste erhaltene Plakat der jiddischen Vorstellung kündigte in Quarg´s Vaudeville - Theater am 4.12.1883 die Aufführung von Goldfadens Operette Schulamis oder Die jüdische Hochzeit durch die jüdisch-orientalische Operetten-Gesellschaft Berger und Spi[v]akovs[ky] aus Russland[5] an.

Hier sollte erwähnt werden, dass zu dieser Zeit das jüdische Theater nicht mal 10 Jahre alt war. 1876 begründetet Abraham Goldfaden in Jassey in Rumänien das erste jüdische Theater. Er zog mit seiner Truppe als Wandertheater durch Russland. Seit 1885 leitete er über 2 Jahre das Warschauer Theater Eldorado. Dies löste eine Welle von jüdischen theatralischen Neugründungen überall dort, wo es eine größere jiddischsprachige Gemeinschaft gab - in Rumänien in ganz Osteuropa, in London, Amsterdam und New York entstanden jüdische Szenen. Berlin erlebte zwei Gastbesuche der Schüler Goldfadens - Berger und Librescu, die mit seinen Stücken zu ersten Mal 1881 auftraten. Mit einer erweitertet Truppe kamen sie wieder nach Berlin als jüdisch -orientalische Operetten Gesellschaft Berger und Spivankovsky. Diese zwei Berger Gastspiele sind durch elf Theaterzensurexemplare bekannt, darunter die Zensurtexte Goldfadens Operetten „Schmendrik oder Die polnische Judenhochzeit“, „Schulamis oder Die Tochter aus Jerusalem“ und „Die Zauberin“. Der erste Auftritt der Berger - Truppe wurde durch einzige Zeitungsannonce in der Sonntagsausgabe des Berliner Tageblatts von 16.1.1881 angekündigt. Der zweite Gastspiel von 1883 wurde von den regulären Theateranzeigen in der Vossischen Zeitung im Berliner Tageblatt und im kleinen Journal angesagt: „Erstes Gastspiel der jüdisch-orientalischen Operetten-Gesellschaft, bestehend aus 24 Personen“ mit „Schulamis. Talmud. Legende in Musik gesetzt v. Goldfaden“[6]. Zu dem zweiten Auftritt gibt es sogar eine Kritik über die Schulamis - Premiere, die in kleinem Journal erschienen ist.

„Welchen Ulk mochten wohl die Habitues des Quarg´schen Vaudeville - Theaters erwartet haben, als sie die Ankündigung dieses Gastspiels in den Zeitungen lasen, und wie sehr waren sie enttäuscht, als Schulamis und Absolon recht seriöse Soli und Duette zum Vortrag brachten. Das im Allgemeinen zum Johlen und zum Mitspielen Veranlagte, jedenfalls auch auf etwas Radau vorbereitete Publikum war ganz ´paff´, wie man in Berlin zu sagen pflegt, als die ersten Akkorde der nicht ganz üblen Goldfaden´schen Musik ertönten, (...) Es wurde reichlicher und ernst gemeinter Applaus gespendet und nach jedem Act stürmisch hervor gerufen. Alles in Allem die jüdisch-orientalischen Sänger hatten einen Erfolg zu verzeichnen, und selbst der russisch - jüdische Jargon, in den sie den Text sangen und sprachen (...) beinträchtige die Andacht nicht, in die sie das Auditorium hinein zu singen wussten. (...) Herr Quarg ist Leite eines Spezialitäten - Theaters. Er machte sich und seinem Publikum einmal das Spezielle Vergnügen, jüdisch-orientalische Spezialitäten Auftreten zu lassen.“[7]

In der Bemerkung über den russisch - jüdischen Jargon wird sichtbar wie fremd dem Berliner Publikum die Erscheinung des jiddischsprachigen Theaters war.

[...]


[1] Vgl. P. Sprengel: Populäres jüdisches Theater in Berlin von 1877 bis 1933. Berlin 1997, S. 8.

[2] Von 1851 bis 1918 musste jeder aufzuführende Text eine polizeiliche Genehmigung erlangen. Im Landesarchiv Berlin befinden sich heute ca. 16.000 solcher Pflichtexemplare davon über 80 entfielen auf jüdische Theateraufführungen und eine gleiche Zahl auf die Autoren Anton und Donat Herrnfeld. Vgl. ebd

[3] Brandenburgisches Landeshautarchiv, Polizeipräsidium Berlin ( Sigle BLHA) Aktennummer 2808, 52 r. ; zitiert nach P. Sprengel: Populäres jüdisches Theater ... a.a O., S. 17.

[4] Landesarchiv Berlin, Rep. 10-2 Nr. 1477 ( Sigle LA), zitiert nach P. Sprengel: Populäres jüdisches Theater ... a.a O., S. 19.

[5] Vgl. P. Sprengel: Populäres jüdisches Theater ... a.a O., S. 24

[6] zitiert nach: ebd., S. 31.

[7] Das Kleine Journal Nr. 333 vom 5.12.1883, S. 3 Zitiert nach: P. Sprengel: Populäres jüdisches Theater ... a.a O., S. 32.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Geschichte und Bedeutung des jüdischen Theaters in Berlin
Hochschule
Uniwersytet Mikołaja Kopernika
Veranstaltung
Oberseminar
Note
ohne Benotung
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V56495
ISBN (eBook)
9783638511537
ISBN (Buch)
9783656782865
Dateigröße
499 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichte, Bedeutung, Theaters, Berlin, Oberseminar
Arbeit zitieren
M. A. Joanna Kodzik (Autor:in), 2005, Geschichte und Bedeutung des jüdischen Theaters in Berlin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56495

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