Das Wasser in Friedrich de la Motte-Fouques Undine


Hausarbeit (Hauptseminar), 1996

21 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Elementargeister
2.1 Paracelsus' Elementargeister-Vorstellungen

3. Der Naturbegriff in der Romantik

4. Die Wassermetaphorik in "Undine"

5. Wasser und Weiblichkeit
5.1 Der Ursprung des "weiblichen Wassers"
5.2 Die Nymphen
5.2.1 Die Nymphe Undine
5.3 Das Wasser und das Unbewußte

6. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Wasser, H20; chemische Verbindung von Wasserstoff und Sauerstoff (Wasser­stoffoxid). Wasser ist eine farblose, in dicker Schicht bläuliche Flüssigkeit; Schmelzpunkt bei 0°C, Siedepunkt bei 100°C.“[1].

Dieser heute in Meyers Großem Taschenlexikon so nüchtern klingenden Aussage gehen jahrtausendelange Überlegungen voraus. Schon immer muß das Phänomen Wasser den Menschen fasziniert, angezogen, geängstigt und beschäftigt haben. Die religiösen und philo­sophischen Dimensionen wurden jedoch durch wissenschaftliche Überlegungen verdrängt und entmythologisiert.

Wasser ist allgegenwärtig - bewußt oder unbewußt. Es erscheint als Regen oder Schnee, Fluß, See oder Meer, man kann darin schwimmen, sich mit Fahrzeugen darauf fortbewegen oder in ihm tauchen. Ohne greifbare Hülle fließt, strömt, verdampft, vereist es und paßt sich seiner Umgebung an. Ein Leben ohne Wasser ist undenkbar. Pflanzen brauchen es für das Wachstum ebenso wie der Embryo, der in ihm heranreift. Ein Mensch kann zwar längere Zeit ohne feste Nahrung überleben, aber niemals ohne Flüssigkeit. Unsere Körper bestehen zu 50 - 80 Prozent aus Wasser.[2]

Die Faszination des Wassers liegt in seinen Gegensätzen. Obwohl unbeherrschbar als ge­waltiger Ozean, läßt es sich zum Trinken bequem und „widerstandslos" in ein Glas füllen. Ein warmer Sommerregen bringt Abkühlung und Feuchtigkeit, wogegen eine Sturmflut im Herbst große Landstücke mit sich fortreißen kann.

Viele Kulturen haben die Vorstellung gemeinsam, daß das Leben aus dem Wasser oder einer Art "Ursuppe" entstanden sein muß. In ihren religiösen oder philosophischen Kosmo­gonien bezeichnet Wasser den chaotischen Urzustand der Welt. Der griechische Philosoph Thales (620 v. Chr.) betrachtete es als Ursache aus der alles darauffolgende hervorging und besteht.[3]

Dem Wasser wurden in seiner Unerklärbarkeit zahlreiche Götter und Dämonen zugeordnet, die verschiedene Funktionen erfüllten und entsprechend angebetet wurden. Viele dieser Gottheiten und Fabelwesen gaben im Laufe der Jahrhunderte, zum Teil nach ihrer Entmythi­sierung, Anlaß zur dichterischen Gestaltung. Diese reicht von Homers „Odyssee" und der Begegnung des Helden mit den Sirenen über mittelalterliche Sagen wie die „Melusine" bis hin zu den zahlreichen Wasserfrauen-Erzählungen des 19. und 20. Jahrhunderts.

Im Jahr 1811 erschien im „Frühlingsheft" der von Friedrich de la Motte-Fouqué von 1811 - 1814 herausgegebenen Zeitschrift „Jahreszeiten" seine Erzählung „Undine". Als Vorlage diente neben der Lebensgeschichte des Barons das 1566 postum veröffentlichte „Über de nymphis, sylphis, pygmaeis et salamandris et de caeteris spiritibus" des Arztes und Natur­philosophen Philippus Aureolus Paracelsus Theophrastus Bombastus von Hohenheim, ge­nannt Paracelsus. Wie viele Romantiker, die sich gegen aufklärerische Gedanken sträubten, befaßte sich auch Fouqué mit Paracelsus' „Naturphilosophie“, einer „Schrift über die Ele­mentargeister, die Sagenstoff mit naturphilosophischen Überlegungen und poetischen Ele­menten verbindet [ ... ]“[4]. Es entstand eine überaus erfolgreiche Erzählung, die weitere Auto­ren bis in dieses Jahrhundert zu Bearbeitungen des Stoffes anregte.

Ziel meiner Arbeit ist es, einen Überblick über die Bedeutung des Wassers für die Erzählung „Undine" zu geben. Dabei befasse ich mich zunächst mit Paracelsus' Elementargeister-Theo­rien und mit dem speziellen Interesse der Romantiker am Phänomen „Wasser", um im weite­ren einige kulturgeschichtliche und psychologische Hintergründe der „Wasserfrauen-Erzäh­lungen" zu erläutern. Mein besonderes Interesse bei dieser Arbeit liegt auf dem Zusammen­hang von Wasser, Weiblichkeit und damit verbundenen männlichen Vorstellungen.

2. Die Elementargeister

Da das Wasser die elementare Lebensgrundlage bildet, ist es nicht verwunderlich, daß es Gegenstand der Verehrung und Anbetung wurde. In ihm sollten göttliche Kräfte wirken und göttliche Wesen leben.[5] In polytheistischen Religionen gilt das Wasser oft als Machtbereich einer bestimmten Gottheit oder als Aufenthaltsort von Wassergeistern. Die Natur wurde per­sonalisiert wahrgenommen, ehe sie als einheitlicher Zusammenhang und als Zusammenset­zung aus Elementen gesehen wurde.[6] Es gibt unzählige Wassergötter und -symbole in den verschiedensten Kulturen. Ich möchte mich in dieser Arbeit auf die Mythen beschränken, die in direktem Zusammenhang mit den Wassergeistern in „Undine" stehen.

2.1 Paracelsus' Elementargeister-Vorstellungen

"Du sollst wissen, mein süßer Liebling, daß es in den Elementen Wesen gibt, die fast aussehen wie ihr und sich doch nur selten vor euch blicken lassen. In den Flammen glitzern und spielen die wunderlichen Salamander, in der Erde tief hau­sen die dürren tückischen Gnomen, durch die Wälder streifen die Waldleute, die der Luft angehören, und in den Seen und Strömen und Bächen lebt der Wasser­geister ausgebreitetes Geschlecht.“[7]

Die Vorlage für diese von Undine gesprochenen Sätze war für Fouqué Paracelsus' „Natur­philosophie“. Obwohl die Beschäftigung mit der Welt der Elementargeister im 18. Jahrhun­dert modern war, wurde Fouqués Interesse noch erheblich von einer anderen Seite her ge­weckt. Durch die Beschäftigung mit den Schriften Jakob Böhmes stieß er auf Theophrastus Paracelsus, einen Naturphilosophen des 16. Jahrhunderts.[8]

Paracelsus geht davon aus, daß die ganze Welt, nicht nur Mensch und Tier, belebt ist. Dabei unterscheidet er den „faßbaren" Menschen aus Fleisch und Blut und den „unfaßbaren", den Geistmenschen, der nicht greifbar ist und durch jedes Hindernis ohne Türen oder andere Öffnungen hindurchwandeln kann. Diese Gestalten sind Mischwesen. Äußerlich sehen sie aus wie Menschen, bestehen ebenfalls aus Blut, Fleisch und einem Skelett, essen und trin­ken und bringen Kinder zur Welt. Aber diese Mischwesen besitzen keine Seele, werden also nicht durch Christus erlöst.[9]

Die Geistmenschen sind den vier Elementen zugeteilt: im Wasser leben die Undinen, deren Name auf das lateinische „unda" - Welle - zurückgeht, in der Luft die Sylvestres, in der Erde die Gnomi und in den Vulkanen die Feuerleute, die Vulkani oder Salamandri. Dem Men­schen äußerlich am Ähnlichsten sind die Wasserleute.[10] Paracelsus trennt das „Wasser" von den anderen Elementen, da es einen besonderen Körper bildet. Als Anhänger der neptu­nistischen Kosmonogie[11] gilt für ihn das Wasser als Urelement, als Schöpfungswasser. Da­durch erhalten die Wassergeister für Paracelsus eine besondere Bedeutung. Sie verkörpern das zentrale Element des Lebens und sind damit ein Abbild des Menschen, ohne jedoch eine Seele zu besitzen. „Genau darin aber sind sie dem Menschen ein Zeichen für seine eigene zweifache Natur.“[12] Diese „zweifache Natur“ besteht aus der Zugehörigkeit des Men­schen zur sterblichen sowie zur unsterblichen Welt. Er steht im Zentrum dieser beiden Wel­ten und der Naturerscheinungen. In ihm vollziehen sich die Naturvorgänge zwischen Himmel und Erde, und er „muß erfahren und erleiden, was auch Himmel und Erde erleiden, weil er aus der Erde und aus dem Himmel kommt“.[13] Das Streben der Wassergeister nach einer Seele soll den Menschen nun „auf seinen eigenen, durch Christus' Opfertod erlangten Anteil an der göttlichen Ewigkeit verweisen."

„Wir wären weit besser daran, als ihr andern Menschen; - denn Menschen nen­nen wir uns auch, wie wir es denn der Bildung und dem Leibe nach sind; - aber es ist ein gar Übles dabei. Wir und unsresgleichen in den andern Elementen, wir zerstieben und vergehen mit Geist und Leib, daß keine Spur von uns rückbleibt, und wenn ihr andern dermaleinst zu einem reinem Leben erwacht, sind wir geblieben, wo Sand und Funk' und Wind und Welle blieb. Darum haben wir auch keine Seelen."[14]

[...]


[1] Meyers Großes Taschenlexikon. Bd. 23. Mannheim, Wien, Zürich 1990.

[2] Schlieper, Cornelia-. Grundfragen der Ernährung. Hamburg 1988. S. 156 ff.

[3] Rehmke, Johannes: Geschichte der Philosophie. Neu herausgegeben und fortgeführt von Friedrich Schneider. Wiesbaden 1959. S. l0ff.

[4] Fassbind-Eigenheer, Ruth: Undine oder die nasse Grenze zwischen mir und mir. Ursprung und literarische Bearbeitungen eines Wasserfrauenmythos. Von Paracelsus über Friedrich de la Motte Fouqué zu Ingeborg Bachmann. Stuttgart 1994. S. 13. Im folgenden abgekürzt als Fassbind-Eigenheer".

[5] Böhme, Hartmut: Kulturgeschichte des Wassers. Frankfurt am Main 1988. S. 66. Im folgenden abgekürzt als "Böhme".

[6] Trüpel-Rüdel, Helga: Undine - eine motivgeschichtliche Untersuchung. Dissertation. Universität Bremen 1987. S. 4. im folgenden abgekürzt als "Trüpel-Rüdel".

[7] Fouque, Friedrich de la Motte: Undine. In: Die schöne Leiche. Weibliche Todesbilder in der Moderne. Hg. von Elisabeth Bronfen. Berlin 1992. Im folgenden abgekürzt als "Fouqué. S. 227.

[8] Floeck, Oswald-. Die Elementargeister bei Fouqué und anderen Dichtem der romantischen und nachromantischen Zeit. In: Jahresbericht des k. k. Staatsgymnasiums in Bielitz für das Schuljahr 1908/1909. Bielitz 1909. S. 3. Im folgenden abgekürzt als "Floeck".

[9] Floeck, S. l0ff.

[10] Floeck, S. 10ff.

[11] Die neptunistische Kosmonogie geht vom Wasser als Urmaterie aus. Im Gegensatz dazu steht die vulkanische Kosmonogie, die den Ursprung des Lebens im Element "Erde“ sieht.

[12] Fassbind-Eigenheer, S. 17.

[13] Fassbind-Eigenheer, S. 16.

[14] Fouqué, S. 228.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Wasser in Friedrich de la Motte-Fouques Undine
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Fachbereich Neuere Deutsche Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar Die schöne Leiche
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
1996
Seiten
21
Katalognummer
V5646
ISBN (eBook)
9783638134590
ISBN (Buch)
9783640208265
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Undine, Romantik, Fouque
Arbeit zitieren
Ute Hennig (Autor:in), 1996, Das Wasser in Friedrich de la Motte-Fouques Undine, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5646

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das Wasser in Friedrich de la Motte-Fouques  Undine



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden