Naturerfahrung als wichtiger Bestandteil der sinnlichen und sozialen Entwicklung des Schülers in der Sekundarstufe


Diploma Thesis, 2006

108 Pages, Grade: 1,00


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Welt so rapide entwickelt wie nie zuvor. Wo vor 60 Jahren noch kaum jemand ein Fernsehgerät zuhause hatte und nicht einmal elektrisches Licht überall selbstverständlich war, leben wir heute in einer Welt, in der technische Entwicklungen in immer kürzerer Zeit voranschreiten, um das Leben der Menschen einfacher und bequemer zu gestalten.

Schon im eigenen Elternhaus bekommen Kinder oft falsche Werte vermittelt, wenn sich die eigenen Eltern mehr an Konsum und Fortschritt orientieren als an umweltbewussten Denkweisen und Handlungsansätzen.

Früher war es für Kinder selbstverständlich, draußen in der Natur fangen zu spielen, Staudämme zu bauen oder Steine in Bäche zu werfen. Heutzutage kümmern sich Kinder nicht mehr um solch "langweilige" Aktivitäten, was auch nicht verwunderlich ist bei einem derartigen Überangebot an Unterhaltungsmöglichkeiten. Viel interessanter sind für die Heranwachsenden Computerspiele in allen Variationen, Fernsehfilme oder generell industriell erzeugte Spielsachen. Doch waren die Kinder früher weniger glücklich, nur weil sie nicht dieselben Unterhaltungsangebote hatten wie die Kinder von heute? Das möchte ich stark bezweifeln.

Ein weiterer Grund für die Naturentfremdung unserer Heranwachsenden ist der konstante Schwund von natürlichen Spielräumen, da es unserer Gesellschaft offenbar viel wichtiger erscheint, sich ständig auszubreiten und noch mehr Einkaufszentren, Hochhäuser und Straßen zu errichten, anstatt dafür Sorge zu tragen, dass sich unsere Kinder in natürlichen, von Menschen nahezu unberührten Bereichen bewegen und ihre Erfahrungen machen können.

Ich bin davon überzeugt was auch viele NaturvermittlerInnen und UmweltpädagogInnen behaupten, nämlich dass eine solche Naturentfremdung immer mehr dazu führt, dass die Kinder und Jugendlichen ihrer Umwelt keinen besonders großen Wert mehr beimessen und dass dies wiederum zu einem Verlust an Wissen und Verstehen ökologischer Prozesse und Zusammenhänge und folglich zu einem Rückgang von nachhaltigen Denkweisen und Handlungsansätzen führen muss.

An diesem Punkt stellt sich mir die Frage, was getan werden kann und sollte, um unsere Kinder der Natur wieder ein Stückchen näher zu bringen, denn einerseits können diese mit ihrer natürlichen Umwelt nur dann bewusst und verantwortlich (nachhaltig) umgehen, wenn sie ökologische Fakten und Vorgänge verstehen und wenn sie andererseits eine Liebe und Bewunderung zur Natur aufbauen, denn nur was man schätzt, ist man auch bereit zu schützen.

Weiters zieht das Defizit an Erfahrungen und Erlebnissen in der natürlichen Umwelt eine voranschreitende Verkümmerung der sinnlichen Wahrnehmung und somit der Sinne selbst nach sich.

Wälder, Wiesen, Berge und andere unberührte Landschaften bieten sich als ideales Lernfeld an, um soziale Kompetenzen und damit den Umgang mit anderen zu intensivieren und die sinnliche Wahrnehmung zu fördern.

Ich beschäftige mich in dieser Arbeit neben begrifflichen Klärungen und Ansätzen, welche in einem Zusammenhang mit Natur, Naturerfahrung, sinnlicher und sozialer Entwicklung des Kindes in der Sekundarstufe stehen, vor allem auch mit der pädagogischen Bedeutung von Naturerfahrung und mit der Frage, inwieweit Naturerfahrung als soziales Lernfeld dienlich sein kann und warum es wichtig ist, Kinder ihre Umwelt in der Gemeinschaft erfahren und erleben zu lassen.

Weiters stelle ich am Ende der Arbeit ein Konzept für drei Projekttage zum Thema Naturerfahrung vor, welches Aufschluss darüber geben soll, auf welche Arten und Weisen die theoretischen Ansätze zur Förderung der sinnlichen Wahrnehmung, dem Ausbau der sozialen Kompetenzen, der Aktivierung und Intensivierung von nachhaltigen Denkweisen praktisch umgesetzt werden können.

1. Naturerfahrung - was ist darunter zu verstehen?

"Naturerfahrung ist die diffuse (unmittelbare und unreflektierte) Gesamtheit der sinnlichen, mit Gefühlen getönten (emotionalen) Wahrnehmung der Naturwirklichkeit." (Seewald e.a. 1998: 260)

Naturerfahrung bedeutet also, mit allen Sinnen der Natur zu begegnen, die äußere Natur zu erfahren und zu erfühlen. Genauer ausgedrückt, handelt es sich dabei um Wissensvermehrung betreffend die ökologischen Zusammenhänge und um eine allgemeine Sensibilisierung gegenüber den Vorgängen, den Gegenständen und den Zusammenhängen der Natur. Weiters stellen Naturerfahrungs-Aktivitäten eine ideale Kulisse für soziale Erfahrungen untereinander dar; die Natur ist folglich auch als soziales Lernfeld anzusehen (siehe Kapitel 5).

Man darf nicht außer Acht lassen, dass es sich bei der Naturerfahrung um individuelle Erfahrungen handelt; das bedeutet, dass Kategorien wie "richtig und falsch“ oder auch "gut und schlecht“ hier nur bedingt Platz haben sollten.

In der ökologisch-psychologischen Betrachtungsweise von Naturerfahrung wird darauf aufmerksam gemacht, dass es für Menschen nicht nur wichtig ist, sich auf das Individuum und die Gesellschaft zu konzentrieren, sondern dass es auch von außerordentlicher Bedeutung ist, auf die Wechselwirkung des Menschen mit der nichtmenschlichen Umwelt zu achten (vgl. Gebhard, in: Seewald e.a. 1998: 249). Der in dem Wort Naturerfahrung enthaltene Begriff "Erfahrung" (siehe 3.2) beschreibt demzufolge die Verarbeitung im Bewusstsein, sich also der Natur, ihrer Gegenstände und Zusammenhänge bewusst werden.

Searles geht sogar von einer Verwandtschaft zwischen Menschen und ihrer nichtmenschlichen Umwelt aus, die, wenn sie vernachlässigt werden würde, sogar psychische Beeinträchtigungen verschiedener Intensität nach sich ziehen würde (vgl. Searles, in: Gebhard 1994: 30).

1.1 Zum Naturbegriff

Der Begriff Natur kann auf mehrerlei Weisen definiert und erklärt werden:

- Allgemein gesehen beschreibt die Natur den gesamten Kosmos, inklusive seiner Materie und seiner Kräfte, Veränderungen und Gesetzmäßigkeiten. Unterschieden wird hierbei zwischen der belebten Natur, also Organismen, und der unbelebten Natur, wie etwa Wasser, Gestein oder Luft.

Im eingeschränkten Sinn beschreibt Natur alles, was von menschlicher Hand unberührt ist; im weiteren, umfassenderen Sinn gehört jedoch auch ein Teil der vom Menschen veränderten Welt zur Natur, wie beispielsweise Parkanlagen oder angelegte Wälder.

(Vgl. Brockhaus, in: Seewald e.a. 1998: 311)

- Aus philosophischer Sicht beschreibt der Begriff Natur all jenes, was natürlich, also der Natur entstammend, ist. Wir verstehen darunter somit den Gegenstandsbereich von Dingen und Lebewesen der Natur.

(Vgl. Seewald e.a. 1998: 311)

- "Im theologischen Sinn bedeutet Natur die Schöpfung."

(Brockhaus, in: Seewald e.a. 1998: 311)

- Ökologisch[1] und humanökologisch[2] betrachtet, bedeutet Natur die Gesamtheit aller organischen und anorganischen Gegebenheiten, sowohl die ohne Einwirkung des Menschen bestehenden, als auch jene von Menschenhand veränderten (jedoch in ihrer Eigenart und Entwicklung größtenteils bewahrt). Der Mensch ist somit Teil der gesamten Natur und mit der übrigen Natur vielfältig vernetzt.

(Vgl. Stückelberger, in: Seewald e.a. 1998: 311)

1.2 Umwelt - Mitwelt

Im humanökologischen Sinn beschreibt der Begriff Umwelt die Natur, die den Menschen umgibt, ihn beeinflusst und von ihm beeinflusst wird, sozusagen seine Lebensgrundlage bildet. Die primäre Umwelt umfasst die Biosphäre, also die Gesamtheit aller ökologischen Systeme der Erde, die sekundäre Umwelt beschreibt den zivilisatorischen Bereich (durch den Menschen geistig, technisch und ökonomisch gestaltet), der die Biosphäre mitprägt. Umwelt ist ein anthropozentrischer Begriff, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die ihn dabei umgebende Natur ist die Umwelt, die er entweder als schützenswert oder nur als Mittel für seine Zwecke ansieht. (Vgl. Stückelberger, in Seewald e.a. 1998: 310)

Im Gegensatz dazu ist Mitwelt ein biozentrischer Begriff, wobei der Mensch nicht im Zentrum steht, sondern Teil eines Prozessgeschehens ist, aus welchem er hervorgegangen ist und womit er auch verbunden bleibt (vgl. Altner, in: Seewald e.a. 1998: 313). Die Mitwelt schließt immer auch den Eigenwert der Natur mit ein, was bedeuten soll, dass der Mensch hier keine von einem Nützlichkeitsdenken geformte, sondern partnerschaftliche Beziehung sucht (vgl. Stückelberger, in: Seewald 1998: 310). Zur Mitwelt gehören die personale Mitwelt, die lebendige Umwelt und die dingliche Welt (vgl. Seewald e.a. 1998: 310).

"Mitweltliches Handeln bedeutet daher auch moralisch richtiges Handeln der Natur gegenüber." (Seewald e.a. 1998: 310)

1.3 Die historische Entwicklung der Naturerfahrung

Durch den amerikanischen Naturerlebnis-Pädagogen und Autor Joseph Cornell wurde "Naturerfahrung" in Europa populär. Seit der Veröffentlichung seines ersten Buches "Mit Kindern die Natur erleben" (1979), worin sehr viele verschiedene Naturerfahrungsspiele und -aktivitäten sehr einfühlsam beschrieben sind, haben sich viele Ansätze, Ausprägungen und Initiativen zur Förderung der Naturerfahrung entwickelt. Cornell gab somit den Startschuss für eine positive Entwicklung in der Umweltbildung und bewirkte den Eingang der sinnlichen Naturerfahrung in Kindergärten, Schulen, Umweltzentren und Nationalparks, sowie zahlreiche Ansätze in der Kinder- und Jugendarbeit und der Erwachsenenbildung, die Naturerfahrung in verschiedenen Ausprägungen, wie etwa künstlerisches Gestalten in und mit der Natur (siehe 6.2) oder Erlebnispädagogik (siehe 2.5) in die Arbeit integrieren. (Vgl. Steiner/Unterbruner 2005: 9f)

Folglich spielt mittlerweile die Naturerfahrung auch in der außerschulischen Umweltbildung eine wichtige Rolle. DEMPSEY fand 1993 in einer Umfrage unter europäischen Umweltzentren heraus, dass sich 75% derer auf das Natur-Erleben (Erlebnis) als Hauptziel in ihrer Arbeit konzentrieren, wobei erfahrungsorientierte und aktive Vermittlungsmethoden meist im Vordergrund stehen (vgl. Lude 2005: 65). Weiters führte LUDE selbst im Jahr 2001 eine empirische Studie durch, bei der 887 Jugendliche mit einem Durchschnittsalter von 16 Jahren zum Thema "Naturerfahrungen" (wobei nicht zwischen den Begriffen Begegnung, Erleben und Erfahrung differenziert wird) (siehe 3.2), befragt wurden. Es stellte sich heraus, dass die soziale, direkte Dimension (Pflegen einer besonderen Beziehung zu einem Tier) die häufigste Naturerfahrung beschrieb. Nach ihr folgten auf Platz zwei bei den Mädchen die ästhetische Naturerfahrung (Erfahren von Schönheit der Natur, wie etwa Sonnenuntergänge betrachten) und bei den Jungen die erholungsbezogene Dimension (Erholung in der Natur, wie baden gehen, klettern etc.). (Vgl. Lude 2005: 73)

GEBAUER und HARADA gehen davon aus, dass eine Vielfalt von jenen Erfahrungen und Eindrücken in der Natur, welche in der Kindheit erworben werden, zu anschauungsnahen Realitätsdeutungen und Erklärungsmustern von ökologischen Prozessen führen (vgl. Gebauer/Harada 2005: 45). "Dieser individuelle Prozess ist eingebettet in das jeweilige historische und soziokulturelle Milieu […] und definiert sich im Kontext des Werte- und Normensystems einer Kultur […]" (Gebauer/Harada 2005: 46). Obwohl diese Annahme kaum wissenschaftliche Erkenntnisse hinterlegen, hat dennoch allein "[…] die Annahme der hohen Bedeutsamkeit von Naturerfahrung seit den achtziger Jahren zu einer Neuorientierung in der Umweltbildung geführt." (Gebauer/Harada 2005: 47) GEBAUER und HARADA befragten diesbezüglich insgesamt 658 Grundschulkinder aus Japan und Deutschland mit Hilfe eines Fragebogens, wobei sich herausgestellte, dass japanische Kinder auf Grund ihrer Landeskultur eine tiefer gehende naturbezogene Sinnstiftung und Kohärenz aufweisen als deutsche Kinder (vgl. Gebauer/Harada 2005: 60).

Alles in allem ist man im Laufe der letzten 20 Jahre immer mehr zu der Erkenntnis gelangt, dass nachhaltiges Denken (siehe 2.3) der einzig mögliche und richtige Weg ist, um die Natur und somit einen sehr wichtigen Bereich unserer Mitwelt auf eine zukunftsbeständige Art und Weise zu schützen und erhalten zu können. Weiters, denke ich, legte Cornell mit seiner Einstellung und seinen Ideen den Grundstein für das Bewusstsein, dass Naturerfahrung und generell die Verbundenheit des Menschen mit der Natur wichtig ist für seine positive Entwicklung, wobei Naturerfahrung an sich sehr bedeutungsvoll ist, um das ökologische Verständnis auszudehnen und ein gemeinschaftliches Natur-Erleben sehr hilfreich sein kann, um die positive sinnliche und soziale Entwicklung (vor allem die der Kinder und Jugendlichen) zu fördern.

1991 veröffentlichte CORNELL in Europa ein weiteres imposantes Buch, "Mit Freude die Natur erleben", welches einen noch tieferen Einblick in die Methode des bestmöglichen Natur-Erfahrens gibt und durch Hilfe des Flow-Learning-Systems (siehe 2.2) aufzeigt, wie die Natur in vier aufeinanderfolgenden Stufen erlebt werden soll und wie dadurch der bewusste Umgang und ein verantwortliches Handeln mit unserer natürlichen Umwelt erreicht werden kann (vgl. Cornell 1991: 28-43).

1.3.1 Entwicklung in Österreich

CORNELL hat mit seinem Buch "Mit Kindern die Natur erleben" mit Sicherheit auch in Österreich den Startschuss dafür gegeben, sich intensiver mit der Naturerfahrung auseinanderzusetzen und die damit verbundene Unterstützung, Ausdehnung des nachhaltigen, ökologischen Denkens und der positiven sozialen Entwicklung, in verschiedensten Bereichen (Schulen, Kindergärten, öffentliche Kinder- und Jugendarbeit, Erwachsenenbildung etc.) in Anspruch zu nehmen.

Der Wiener Biologielehrer und Umweltpädagoge, LINDER, ist der Ansicht, dass viele Naturvermittler aus Österreich unter anderem nach Cornells Anregungen arbeiten, und dass viele derer auch von Werner Katzmann inspiriert wurden, der Aktivbücher zu den Themen Wasser, Wald und Naturgarten veröffentlichte und darin praxisnahe Experimente und Tipps für das spielerische Erlernen von Umweltschutz schildert (vgl. Linder/Leuthold 2005: 121). Leider, so im Sinne von LINDER, ist die ursprüngliche Form der Naturbegegnung heute selten und schwierig geworden und er bekräftigt dies mit der Aussage: "Es gibt keine Großmutter mehr, die die Kinder an der Hand nimmt, um mit ihnen Teekräuter zu suchen, die Freiräume und >>Gstättn<< sind selten geworden und für Kinder und Jugendliche meist weit entfernt." (Linder/Leuthold 2005: 122) Gerade deshalb sollte Naturerfahrung in Institutionen der schulischen und außerschulischen Jugendbildung integriert werden und somit "[…] den verlorenen Kindheitsträumen einen Raum geben […]" (Linder/Leuthold 2005: 122).

Weiters betont LINDER, dass die NaturvermittlerInnen der heutigen Zeit nur schwerlich mit spektakulären Bildern und Berichten aus diversen TV-Serien (z.B. Universum) mithalten können, da die oft fernseh- und videoverwöhnten Kinder die einfachen Geschehnisse der Natur, wie etwa das Beobachten des Sonnentaus, nur als mickrig oder nichtig empfinden (vgl. Linder/Leuthold 2005: 125).

Zu den Ausprägungen und der Entwicklung von Naturerfahrung in Österreich ist noch nennenswert, dass sich der Nationalpark Hohe Tauern seit einigen Jahren mit Umweltbildungsangeboten, welche nach Grundsätzen von Cornell aufgebaut sind, direkt an die Schulen der Nationalparkregionen (Kärnten, Salzburg, Tirol) richtet. Die MitarbeiterInnen des Nationalparks entwickelten im Laufe der Jahre verschiedene Programme und Angebote, die alle das Ziel haben, Schülern und Schülerinnen eine nachhaltige Verantwortung (siehe 2.3) im ökologischen Sinne zu vermitteln. Im Zuge des Programmes werden die Kinder und Jugendlichen von NationalparkbetreuerInnen begleitet, die ihre fachliche und didaktische Kompetenz unter anderem durch Aus- und Fortbildungsseminare erhalten haben. Zu den Angeboten zählen neben dem Beobachten der Wildtiere, Erkunden der Moore, Erforschen des Hochgebirges und Wanderungen mit Schneeschuhen auch der Besuch von eigens errichteten Bildungshäusern, wie etwa das Haus des Wassers in St. Jakob (Kärnten) oder die Nationalpark-Werkstatt in Hollersbach (Salzburg). (Vgl. Staats 2005: 136ff)

Zusätzlich dazu hat der Nationalpark vor rund fünf Jahren die mobile Wasserschule gegründet. Wasserexperten besuchen Schulen und führen vor Ort mit den SchülerInnen fünftägige Wasserprojekte durch, bei denen geforscht, experimentiert und dokumentiert wird. Diese so genannte "Aqua-Didaktik" vermittelt unter anderem die Kenntnis über Entstehung und Bedeutung des Grundwassers und das damit verbundene Bewusstsein, "[…] dass wir mit reinstem Trinkwasser die Toilette spülen, die Wäsche oder das Auto waschen." (Staats 2005: 141)

Im Großen und Ganzen gewann die Bedeutung der Naturerfahrung immer mehr an Einsicht, sowohl in Schulen, als auch in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit. Durchforstet man beispielsweise das Internet, findet man viele verschiedene Projekte, die auf Naturerfahrung ausgerichtet sind und viele Homepages von Schulen, welche die Einbringung von Naturerfahrung in den Unterricht als unabdingbar bezeichnen.

Doch wie wird die Zukunft aussehen? Können die NaturvermittlerInnen und AnhängerInnen der Naturerfahrung von heute ihren Einfluss und ihre Kräfte mit denen der zunehmenden Konsumorientierung messen? Im nächsten Punkt werde ich mich der Frage widmen, was in Zukunft getan werden sollte und was die NaturvermittlerInnen und UmweltbildnerInnen und -pädagogInnen zu bedenken haben, damit das ökologische Denken und die nachhaltige Verantwortung verbessert und intensiviert werden kann.

1.4 Zukunftsperspektiven der Naturerfahrung - Nachhaltigkeitserziehung

Wie bereits die Überschrift andeutet, handelt es sich bei positiven Zukunftsperspektiven der Naturerfahrung um eine Erziehung im Sinne von nachhaltiger Verantwortung (siehe 2.3). Dass die Naturerfahrung, also Spiele und Aktivitäten in der Natur, ideal dafür sind, Kindern und Jugendlichen ein tieferes Verständnis bezüglich ökologischer Prozesse und Zusammenhänge zu vermitteln, ist meines Erachtens unumstritten. LINDER äußert sich dazu folgendermaßen: "Viele von uns Umweltbildnern sind überzeugt, dass das unmittelbare Erleben der Natur der einzige Weg ist, um junge Menschen dazu zu bewegen, sich dauerhaft für den Schutz der Umwelt und der Natur einzusetzen." (Linder/Leuthold 2005: 121)

Auch GEBHARD vertritt diese Meinung und fügt hinzu, dass die Wertschätzung gegenüber der Natur und die daraus resultierende Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen, zum größten Teil von positiven Naturerfahrungen abhängen. Er verwendet in diesem Zusammenhang eine "Kurzformel", die ich persönlich für sehr aussagekräftig halte: "Nur was ich schätze, bin ich bereit zu schützen." (Gebhard 2005: 24)

Weiters betont GEBHARD an dieser Stelle die Bedeutsamkeit der ästhetischen Dimension von Naturerlebnissen (siehe 2.4) und die damit verbundene Hoffnung, dass die Natur dem Individuum als schützenswert erscheint (vgl. Gebhard 2005: 31).

Betreffend die Zukunftsperspektiven der Naturerfahrung und ein in diesem Sinne voranschreitendes ökologisches Denken und verantwortliches, nachhaltiges Handeln betrifft in großem Maße die Kinder und Jugendlichen der heutigen Zeit, da sie bald diejenigen sein werden, die entscheiden, wie sich die Natur weiterentwickeln wird; ob wir mehr denn je die natürlichen Ressourcen ausschöpfen werden, ohne dabei an unsere Kindeskinder zu denken, ob wir weiterhin zulassen werden, dass auf der ganzen Welt grobe Umweltverschmutzung toleriert wird oder ob wir das, was noch von der Natur, von einem so wichtigen und tragenden Bereich unserer Mitwelt übrig ist, erhalten und schützen möchten, sodass auch unsere Enkel und Urenkel ohne Bedenken Staudämme bauen, wilde Tiere beobachten und in Wäldern umherstrolchen können?

Es ist also die anstehende Aufgabe der Erwachsenen, der Eltern, LehrerInnen, TrainerInnen, UmweltpädagogInnen, NaturvermittlerInnen und LeiterInnen von Kinder- und Jugendgruppen, ein Hauptaugenmerk darauf zu richten, die Heranwachsenden dazu zu animieren, ihre individuellen Erlebnisse und Erfahrungen in und mit der Natur zu machen und sie unter anderem durch einfühlsame Aktivitäten und Techniken (z.B. durch Naturerfahrungsspiele von Cornell) mit den ökologischen Vorgängen und Zusammenhängen der Natur vertraut zu machen, sodass die späteren Entscheidungsträger einerseits wissen, wie wichtig es ist, die Natur zu schützen und andererseits den innersten Wunsch verspüren, die Natur beschützen zu wollen.

2. Pädagogische Bedeutung von Naturerfahrung

Das pädagogische Ziel von Naturerfahrung ist zum einen die Kinder und Jugendlichen durch Emotionalität zu einem umweltbewussten Denken und Handeln anzuregen, und zum anderen ihre soziale und sinnliche Entwicklung mit Hilfe von (gemeinschaftlichen) Erfahrungen in und mit der Natur zu fördern.

Eulefeld beschreibt Umweltbewusstsein beschränkt auf Naturerfahrung, als jenen Teil des Bewusstseins, "[…] der sich auf die positive Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Individuum und der natürlichen […] Umwelt unter Berücksichtigung ökologischer Gesetzmäßigkeiten bezieht." (Eulefeld, in: Seewald e.a. 1998: 274)

Soziale und sinnliche Entwicklung und der Aufbau von Umweltbewusstsein stehen in enger Verbundenheit zueinander. Erst wenn Kinder die Natur emotional erleben und erfahren, wird eine Naturerfahrung zur Selbsterfahrung und nur durch ein solches Erkennen und Erfahren der eigenen Person kann eine innere Bereitschaft zu mitweltlichem Handeln erreicht werden.

Im umgekehrten Sinn ist natürlich auch das Naturerleben und -erfahren ein sehr wichtiger Bestandteil unserer leiblichen (und somit sinnlichen) Entwicklung. Die Sportwissenschaftler und Biologen Seewald, Kronbichler und Größing äußern sich in ihrem Buch "Sportökologie" zu dieser Thematik folgendermaßen: "Und mit dem Verlust an Leiblichkeit schreitet ein zunehmender Naturverlust einher, ein Verlust an Wahrnehmung, eine Verkümmerung unserer Sinne - und damit ein Verlust an Sinnlichkeit […]" (Seewald e.a. 1998: 279).

Trommer betont, dass bei einer Wertebildung für Natur und Umwelt positive Naturerlebnisse unentbehrlich sind, und dass insbesondere die Bewegungserziehung dafür wie geschaffen ist, da Bewegung einen Weg zur Begegnung mit der Natur darstellt, was, wie bereits erwähnt, die innere Bereitschaft zum umweltbewussten Handeln erwecken kann (vgl. Trommer, in: Seewald e.a. 1998: 275-276).

Weiters bilden Spiele und Aktivitäten in der Natur einen hervorragenden Rahmen für eine positive Gruppenentwicklung und ein Zusammengehörigkeitsgefühl untereinander und können unter anderem dazu beitragen, dass die Lernbereitschaft und Konzentrationsfähigkeit im Rahmen des Schulunterrichtes gesteigert wird.

2.1 Naturerfahrung als entspannender Ausgleich zum Schulalltag

Wir leben in einer Welt, die sich immer mehr an Konsum, Fortschritt und Leistung orientiert. Dadurch nimmt die Verbundenheit mit der Natur und ein Verständnis der ökologischen Prozesse immer mehr ab. Heutzutage nimmt man sich kaum noch Zeit hinauszugehen, die Natur zu beobachten, zu spüren und zu erfahren. Kinder haben wenig Zeit, Drang und Möglichkeiten, Naturerfahrungsräume aufzusuchen und sich mit ihnen vertraut zu machen. Konsumorientierte Eltern, Computerspiele, Internet, Fernsehen und vor allem auch Schule bzw. Ausbildung bestimmen in der heutigen Zeit zu einem großen Teil das Leben unserer Kinder und Jugendlichen. Wer nimmt sich bei einem solchen Überangebot an Unterhaltung und Beschäftigung noch Zeit für ein simples Fangenspielen oder Staudämme bauen? Die Antwort darauf ist erschreckend: Es werden immer weniger. Weiters ist auch die immer größer werdende Leistungsanforderung in Schule und Ausbildung ein bedeutender Grund für die Naturentfremdung. Kinder und Jugendliche verbringen beinahe den halben Tag damit, in der Schule zu sitzen, zu schreiben, zu rechnen und nachmittags Hausaufgaben zu machen und zu lernen. Es wundert mich nicht, dass bei einer solchen Lebenssituation die Liebe und Verbundenheit zur Natur immer mehr abnimmt.

Gerade an dieser Stelle sollten wir, die PädagogInnen von heute, anknüpfen und versuchen, unsere Nachkommen der Natur wieder ein Stückchen näher zu bringen, sodass sie ihre Verbundenheit mit ihrer natürlichen Umwelt erfahren können.

2.1.1 Naturerfahrung im Sportunterricht

Nach Knoop, welcher Joseph Cornell bei einem Lehrgang für praktische Naturkunde kennen lernte, ist für ein Kind, dem sich die aufregende Welt der Natur öffnen soll, der richtige Weg, die Natur erst richtig fühlen zu lernen und dann auf dieser Erfahrung Wissen aufzubauen (vgl. Knoop, in: Cornell 1999: 10).

Als SportlehrerInnen haben wir ideale Möglichkeiten unsere SchülerInnen die Natur erfahren zu lassen. Durch Naturerfahrungsspiele, erlebnispädagogische Aktivitäten und künstlerisches Gestalten in und mit der Natur fördern wir nicht nur Naturverständnis und ein Gemeinschaftsgefühl unter den SchülerInnen, sondern auch eine positive Entwicklung der Sinne und somit einen wichtigen Teil der allgemeinen gesunden Entwicklung.

Auf die Frage, welche Spiele und Aktivitäten dafür die richtigen sind, werde ich in Kapitel 7 "Die Natur in der Gemeinschaft erfahren und erleben" entsprechende Antworten geben. Zunächst möchte ich mich dazu äußern, was jene PädagogInnen beachten sollten, die Kinder der Natur ein Stückchen näher bringen möchten.

2.1.2 Gesichtspunkte für PädagogInnen

In seinem Buch "Mit Kindern die Natur erleben" nennt Cornell einige Gesichtspunkte, welche seiner Ansicht nach wichtig für jene PädagogInnen sind, die Kinder für die Natur begeistern wollen:

- Lehre weniger und teile mehr von deinen Gefühlen mit.
- Sei aufnahmefähig.
- Sorge gleich zu Anfang für Konzentration.
- Erst schauen und erfahren - dann sprechen.
- Das ganze Erlebnis soll von Freude erfüllt sein.

(Cornell 1999: 17ff)

CORNELL möchte mit diesen Ratschlägen zum Ausdruck bringen, dass nicht nur Fakten über die Natur ausgesprochen, sondern auch Gefühle wie Ehrfurcht, Respekt und Dankbarkeit erwähnt werden sollten; dass man als PädagogIn einfühlsam sein sollte, um auf bestimmte und vor allem momentane Stimmungen und Gefühle der Kinder reagieren zu können; dass die Aufmerksamkeit der Kinder so stark als möglich angeregt werden sollte, indem man sie auf interessante Dinge hinweist, welche sie sehen, beziehungsweise hören können; und dass man als Naturvermittler immer daran denken sollte, dass Begeisterung ansteckend wirken kann, d.h., dass Kinder wie von selbst lernen, wenn sie glücklich und begeistert sind. Sobald die Kinder im Schauspiel der Natur gefangen sind, sollten sie unbedingt ihre Erfahrungen machen dürfen und erst danach aufgefordert werden, etwas zu sagen bzw. Fragen zu beantworten. (Vgl. Cornell 1999: 17ff)

2.2 Natürliche Schritte zum Naturbewusstsein - Flow Learning

Cornell, Urheber der Flow-Learning-Methode, beschreibt einen Weg, Aktivitäten und Spiele zur Förderung des Naturbewusstseins auf eine ineinander fließende Art und Weise zielgerecht zu gestalten und einzusetzen. Er zeigt auf, wie man als Pädagoge Kinder, durch tiefgreifende Erfahrungen und Aktivitäten, an jener Stelle mit dem Erfahren beginnen lässt, an der sie stehen, wie man dann ihre Begeisterung zum Mitmachen weckt und sie anschließend Schritt für Schritt zu einem neuen, von Freude erfülltem Verstehen der Natur führt und gleichzeitig ihr Selbstbewusstsein steigert. (Vgl. Cornell 1991: 15). Er beschreibt in seinem Buch "Mit Freude die Natur erleben" eine bestimmte Reihenfolge von Aktivitäten, "[…] die immer am besten zu funktionieren scheint, unabhängig vom Alter, der Stimmung der Gruppe oder der Umgebung." (Cornell: 1991: 18)

"Geschicktes Gewichten und Reihen dieser 4 Stufen [des Flow Learning] durch einen erfahrenen Outdoor-Pädagogen ermöglicht den Teilnehmern den Einstieg in eine besonders intensive Naturerfahrung." (Seewald e.a. 1998: 255)

2.2.1 Die vier Stufen des Flow Learning

Stufe 1: Begeisterung wecken

Eine wirklich bedeutende Naturerfahrung ist nur mit Begeisterung möglich. Mit Begeisterung ist "[…] nicht Aufregung, wobei man mit wildem Blick auf und ab springt, sondern ein ruhiges, intensives Fließen von persönlichem Interesse und höchster Wachheit […]" gemeint (Cornell 1991: 18).

Die Spiele dieser Stufe schaffen eine wachsame und enthusiastische Stimmung unter den Mitmachenden, auf welche sich bedeutungsvolle und feinsinnige Lernerfahrungen aufbauen lassen. Da viele Kinder eher eine Abwehrhaltung gegen neue, bisher fremde, Erfahrungen und Erlebnisse haben, ist es wichtig, sie anfangs davon zu überzeugen, dass sie Spaß haben werden. Das Ziel dieser Stufe ist erreicht, wenn man erkennt, dass jedes Kind mit Begeisterung dabei ist und mitspielt. (Vgl. Cornell 1991: 29)

Cornell nennt die Spiele dieser Stufe "Fischotterspiele", "[…] weil der Fischotter das einzige Tier ist, das während seines ganzen erwachsenen Lebens spielt." (Cornell 1991: 29)

Passende Aktivitäten für ein Wecken der Begeisterung sind unter anderem "Welches Tier bin ich?" (siehe 6.4.3 / Tag 1), "Tierstaffel" (siehe 6.4.3 / Tag 3) und "Fledermaus und Nachtfalter".[3]

Stufe 2: Konzentriert wahrnehmen

Nach den Aktivitäten der Begeisterungsstufe sollen sich die Kinder, wie bereits erwähnt, in einer angenehmen und von Freude erfüllten Stimmung wieder finden. Dies ist nun der optimale Zeitpunkt, um mit den Spielen der Konzentrationsstufe zu beginnen. Cornell spricht in seinem Buch "Mit Freude die Natur erfahren" wortwörtlich von Erlebnissen, die "[…] helfen, Ruhe und Aufnahmefähigkeit zu entwickeln." Die Aktivitäten dieser Stufe sind einfach in ihrer Organisation und Ausführung, jedoch sehr wirkungsvoll, und außerdem dabei hilfreich, "[…] Herz und Kopf auf die Schönheit der Natur einzustimmen." (Cornell 1991: 32)

Die Taktik dabei ist, sich nur auf einen Sinn (Tasten, Sehen oder Hören) zu konzentrieren und die anderen dabei - soweit als möglich - auszuschalten (vgl. Cornell 1991: 34).

Das Tiersymbol der Konzentrationsstufe ist die Krähe, "[…] ein waches und intelligentes Geschöpf, das scharfäugig alles beobachtet, was um es herum passiert." (Cornell 1991: 51)

Beliebte Spiele dieser Stufe sind "Töne und Farben", "Geräusche-Landkarte" oder "Verstecken-Entdecken".

Stufe 3: Unmittelbare Erfahrung

"Lernen durch unmittelbare Erfahrung dehnt unser Bewusstsein auf die uns umgebende Welt aus. Nur mit einem solchen Einfühlungsvermögen können wir anfangen, die Natur wirklich zu erkennen." (Cornell 1991: 39)

Die dritte Stufe des Flow Learning ist der Konzentrationsstufe nicht unähnlich. Auch bei ihren Spielen und Aktivitäten werden einzelne oder mehrere Sinneseindrücke des Naturerlebnisses verstärkt wahrgenommen; ein Unterschied zeigt sich jedoch in der noch "[…] größere[n] Kraft, mit der die [direkten] Erfahrungs-Spiele die Menschen in die Natur hineinziehen." (Cornell 1991: 38)

Die Erlebnisse unterstützen die Kinder und Jugendlichen somit dabei, ein Gefühl des Dazugehörens und des Verstehens aufzubauen. Erst wenn es sich nicht mehr nur um theoretisches (oft langweiliges) Wissen handelt, sondern um eine eigene, direkte und positive Erfahrung, kann der einzelne Mensch Verständnis und Liebe für die Natur und die Erde entwickeln. (Vgl. Cornell 1991: 38f)

CORNELL bezeichnet die Spiele und Aktivitäten dieser Stufe "Bärenspiele", da Bären von Natur aus sehr neugierige Geschöpfe sind und ihr ruhiges und einzelgängerisches Temperament als perfektes Symbol für die direkte Erfahrung dient (vgl. Cornell 1991: 51).

Spiele zum Aufbau und zur Vertiefung des Naturverständnisses sind beispielsweise "Blinde Karawane" (siehe 6.4.3 / Tag 1), "Kamera" und "Ausflug einer Raupe".

Stufe 4: Andere an deinen Erfahrungen teilhaben lassen

Nach Beendigung der dritten Stufe sind die Kinder in einer ruhigen und heiteren Stimmung und dazu bereit, andere an ihren Erlebnissen, Erfahrungen und Gefühlen teilhaben zu lassen. "Sie [die Erfahrungen] mit anderen zu teilen, verstärkt das Gefühl für das Wunderbare und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe." (Cornell 1991: 40)

Das Sprichwort, "Geteilte Freude ist doppelte Freude", welches Cornell in "Mit Freude die Natur erleben" an dieser Stelle erwähnt, ist für mich absolut passend. Erzählungen der Kinder bedeuten außerdem für den Leitenden eine Chance, herauszuhören, wie sich die Mitspielenden bei den Aktivitäten gefühlt haben und was sie sich dabei gedacht haben; wobei die Art, bzw. der Weg der Erzählung nicht nur verbal, sondern auch nonverbal sein kann. Eine Möglichkeit wäre, pantomimisch etwas vorzuspielen, was in Bezug zu den Spielen, Erlebnissen steht, während die anderen TeilnehmerInnen raten müssen, was es bedeutet. (Vgl. Cornell 1991: 40f)

Das symbolhafte Tier dieser Stufe ist der Delfin, weil diese Tiere zusammenarbeiten und füreinander sorgen (vgl. Cornell 1991: 51).

Als Spiele eignen sich neben dem bereits erwähnten "Pantomime-Spiel" (siehe oben) unter anderem auch "Fantasiewald" und "Einen Brief schreiben".

2.3 Nachhaltigkeitserziehung in der Sekundarstufe

Nachhaltigkeit (auch Zukunftsfähigkeit) "… ist jene Entwicklung, die den gegenwärtigen Bedarf zu decken vermag, ohne gleichzeitig späteren Generationen die Möglichkeit zur Deckung des ihren zu verbauen." (Mucke, in: Seewald e.a. 1998: 64)

Schöpke, Autor des Buches "Erleben bewirkt Wandel. Wege zu einer nachhaltigen Verantwortung", stellt sich selbst und seinen LeserInnen zuerst die Frage, ob es sich bei der Nachhaltigkeitserziehung eher um eine nachhaltige Verantwortlichkeit, oder um eine verantwortliche Nachhaltigkeit handelt und äußert sich dazu folgendermaßen:

Es ist das Bestreben meines Unterrichtes, beim Schüler ein Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln, das zumindest während seiner Generationsphase andauert und dessen daraus resultierendes Handeln an die nachfolgende Generation weitergegeben wird. Somit muss die Verantwortung nachhaltig sein. (Schöpke 2000: 35)

Bezieht man Nachhaltigkeitserziehung auf SchülerInnen und deren Umgang mit der Natur, so handelt es sich hier folglich um das Vermitteln zukunftsbeständiger Werte und einer positiven Grundhaltung im Bezug auf die Natur. Wie bereits erwähnt, leben wir in einer vorwiegend konsumorientierten Welt, in welcher unsere Verbundenheit zur Natur immer mehr dahinzuschwinden scheint (siehe 2.1).

Die Sensibilisierung des Umweltbewusstseins sollte also unbedingt verstärkt in den Unterricht eingebracht werden. Schon im bereits überarbeiteten Lehrplan von 1985 (für Hauptschulen), Bereich Leibesübungen - Beiträge zu den Bildungsbereichen - Natur und Technik, stand: "Natursportarten können Zusammenhänge zwischen Ökologie und Sport aufzeigen" (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur 2006).

Im neuen Lehrplan 1999 wurde die Bezeichnung Leibesübungen als Ausdruck des Wandels auf Bewegung und Sport umgeändert. Als Grund wird genannt: "[…] vielmehr soll den Schüler/innen bewusst werden, warum sie bestimmte Tätigkeiten ausführen und welche Bedeutung sie für ihr Wohlbefinden und ihre künftige Lebensgestaltung haben." (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur 1999: 5)

Eines der neuen Fachziele aus Bewegung und Sport lautet: "Dynamische Fähigkeiten entwickeln", was bedeutet, dass Eigenschaften wie etwa Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein verstärkt entwickelt werden sollten. Auch gegenüber der Mitwelt und folglich der Natur (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur 1999: 25 und 28).

Umweltkompetenz ist eine der fünf Kompetenzen, welche die Bildungs- und Lehraufgaben des Unterrichtsfaches Bewegungserziehung beschreiben. Seewald, Kronbichler und GRÖßING verweisen an dieser Stelle auf folgenden Auszug des Lehrplanes 1999:

Unter Umweltkompetenz ist die Befähigung zum mitweltlich geprägten bewegungskulturellen Handeln gemeint, worunter wiederum das verantwortliche, bedachtsame und auf die Landschaft sowie die Mitlebewesen Rücksicht nehmende Bewegungstätigkeit zu verstehen ist. Zu diesem Kompetenzbereich gehören aber auch die Bereitschaft zum Verzicht auf Bewegungstätigkeiten in sensiblen Naturregionen und zu bestimmten Zeiten (Brutzeit) sowie die freiwillige Beschränkung des Materialaufwandes beim Sporttreiben.

(Lehrplan 1999, in: Seewald e.a. 1998: 302)

Gerade wir, die PädagogInnen und LehrerInnen von heute sollten versuchen, dies in einer, unserem Fachbereich entsprechenden und erlebnisorientierten Form, umzusetzen und unsere SchülerInnen durch Erfahrungen in und mit der Natur einem nachhaltigen Naturverständnis ein Stückchen näher zu bringen.

Ist für das Erreichen von verantwortlicher Nachhaltigkeit nicht auch entscheidend, Kinder an ihren Wurzeln zu packen, herauszufinden, welche kulturellen Wertvorstellungen sie tief in sich tragen und durch Einbringung einer ästhetischen Sichtweise der Natur vielleicht sogar den einen oder anderen positiven Wandel zu bewirken? Mit dieser Fragestellung werde ich mich im nächsten Punkt genauer auseinandersetzen.

2.4 Ästhetische Naturerfahrung

Allgemein betrachtet, beschreibt der Begriff Ästhetik "die die Sinne (die Wahrnehmung, die Empfindung, das Gefühl) betreffende Wissenschaft […]" (Schischkoff, in: Seewald e.a. 1998: 238).

Bis zum 19. Jahrhundert wurde die Ästhetik häufig als die Lehre von der Schönheit angesehen. Heute versteht man darunter eine sinnliche Wahrnehmung von Objekten jeglicher Art. Entscheidend dabei sind nicht Begriffe wie "schön" oder "hässlich", sondern die Art und Weise der Sinnlichkeit, resultierend aus präformierten Wertvorstellungen und kulturellen Mustern der betrachtenden Person. (Vgl. Wikipedia - Ästhetik 2006)

Bezogen auf die Naturerfahrung bedeutet dies also, dass jeder einzelne von uns die so genannten Gegenstände der natürlichen Umwelt auf seine eigene Weise ästhetisch erfährt und dass dies von der jeweiligen, eigenen Idee und Vorstellung von Natur abhängig ist. Einen Zusammenhang zur verantwortlichen Nachhaltigkeit kann man hier insofern erkennen, als dass sich bei der (positiven) Veränderung von vorgebildeten Mustern eines Menschen auch dessen Betrachtungsweise der Natur verändert. Möchte man somit eine positive Grundhaltung erlangen, ist es wichtig, alte Wertvorstellungen abzubauen und durch Erlebnisse und Übungen, wie etwa Naturerfahrungsspiele (siehe 6.1.1), neue zu erlangen.

Laut Kronbichler, Seewald und GRÖßING weist die ästhetische Bildung darauf hin, wie über Sinnestätigkeiten und somit über eine Ästhetisierung der Mitwelt Normen entwickelt werden können, die einem das rechte Maß im Umgang mit der Natur finden lassen (vgl. Seewald e.a. 1998: 247).

Ich möchte am Beispiel "Waldästhetik" näher erläutern, was ästhetische Naturbegegnung und -erfahrung bedeutet: Waldästhetik beschreibt die Thematik der sensitiven Wahrnehmung des Waldes. Es handelt also vom Walderleben, wobei es nicht darum geht, den Wald schön zu gestalten, sondern ihm seine sinnlich erlebbare Vielfalt und Eigenart zu lassen. Vom Menschen relativ gering beeinflusst, hat dieser Raum unschätzbaren Wert für die menschliche Naturerfahrung, denn nicht das Gemachte, sondern das aus eigener Kraft Entstandene, ist dort wie kaum wo anders in unserer Landschaft erlebbar. (Vgl. Wikipedia - Waldästhetik 2006)

2.5 Was bedeutet Erlebnispädagogik?

Die Suche nach einer Definition des Begriffes "Erlebnispädagogik" in der Literatur gestaltet sich als relativ mühsam. Viele Praktiker beschreiben die Erlebnispädagogik auf verschiedene Weisen, was jedoch die Grundgedanken betrifft, so gleichen sich die Meinungen. Man könnte den so genannten Kern der Erlebnispädagogik mit folgenden Schlagwörtern umschreiben:

- Learning by doing
- Erleben und Lernen
- Gemeinschaftserlebnis
- Aktion und Konsequenz
- Aktion und Reflexion
- Praktische Erfahrung statt theoretischer Belehrung
- Auseinandersetzung mit dem Raum Natur

(Vgl. Reiners 1995: 17f)

Wie bereits erwähnt, gibt es verschiedene Praktiker, die alle ihre Meinung darüber haben und vertreten, was Erlebnispädagogik im genaueren Sinn betrachtet, bedeutet. Da ich nicht alle Fachleute erwähnen kann und dies den Rahmen meiner Diplomarbeit sprengen würde, habe ich mich für einige von ihnen entschieden und möchte deren Gedanken und Einstellungen wiedergeben.

Der Reformpädagoge und Begründer der "Outward-Bound-Schule" (siehe 2.5.1), Kurt Hahn, gilt als Urvater der Erlebnispädagogik, auch wenn er sein Konzept damals Erlebnistherapie nannte, weil es sich an kognitiven Defiziten orientierte und therapeutische Auswirkungen haben sollte.

Er orientierte sich unter anderem an Grundgedanken Aristoteles'[4] und Jean-Jacques Rousseaus[5] und kritisierte bestimmte Verfallserscheinungen an Jugendlichen, wie etwa den Verfall der körperlichen Tauglichkeit, der Selbstinitiative und der Fähigkeit zur Empathie.

1941 gründete HAHN eine Kurzschule mit mehrwöchigen Kursen, die einen erlebnispädagogischen Charakter hatte. Er ging davon aus, dass Erlebnisse eine unbewusste Wirkung auf Verhalten, Einstellung und Wertesystem des Betroffenen hätten. (Vgl. Reiners 1995: 15)

Jörg Ziegenspeck, Universitätsprofessor für pädagogische Psychologie und Vorsitzender des Bundesverbands für Erlebnispädagogik in Deutschland, definiert den Begriff Erlebnispädagogik als eine Teilwissenschaft der Pädagogik und folglich als eine Wissenschaft mit eigenen Methoden und Inhalten. Weiters sieht er die Erlebnispädagogik nicht nur auf Outdoor-Aktivitäten begrenzt, sondern bezieht auch künstlerische, kulturelle und technische Gestaltungsformen als Spielfelder mit ein. (Vgl. Reiners 1995: 18f)

Bernd Heckmair und Werner Michl, Autoren des Buches "Erleben und Lernen - Einführung in die Erlebnispädagogik", widersprechen der Ansicht Ziegenspecks und sehen Erlebnispädagogik als eine Methode. Die beiden Autoren haben versucht, verschiedene Meinungen zusammenzuführen und sind somit zu folgender Definition gelangt:

Erlebnispädagogik im engeren Sinne ist ein vorrangig außerschulischer Bildungsansatz mit handlungsorientierten Methoden, in dem durch Gemeinschaft in ungewöhnlichen Umfeldern/Umständen neue Raum- und Zeitperspektiven erschlossen werden, die einem pädagogischen Zweck dienen.

(Heckmair/Michl, in: Reiners 1995: 20)

Ich selbst habe im September 2005 an einem erlebnispädagogischen Projekt teilgenommen, bei dem ich auf einem Segeltörn in Kroatien drei Jugendliche aus Wohngruppen der Pro Juventute Österreich, im Alter von zwölf, dreizehn und sechzehn Jahren betreuen durfte. Wir nahmen an dem Projekt "Mirno More" (kroatisch für: Friedliches Meer) teil, welches sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen, egal welcher Herkunft und welcher Religionszugehörigkeit, die Möglichkeit bot und auch in Zukunft bieten wird, den oft tristen Alltag zu vergessen und über alle Grenzen hinweg Freundschaften zu schließen. Unter der Führung von Sozialpädagogen wurden dabei auch Strategien zur friedlichen Konfliktlösung geübt und Vorurteile über Bord geworfen. Es war sehr schön, beobachten zu dürfen, welche sozialen Fortschritte die Jugendlichen innerhalb einer Woche machten. Schon nach einigen Tagen zeigten sie ein verstärktes Verantwortungsbewusstsein, eine gesteigerte Kritikfähigkeit und eine bessere Kooperation sowie verstärktes Einfühlungsvermögen untereinander.

2.5.1 Kritikpunkt: Europäische Outdoor-Bound-Pädagogik (Kurt Hahn)

Die Outward-Bound-Erlebnispädagogik, welche auf Kurt Hahn zurückgeht (siehe 2.5), möchte durch erlebte Handlungen ökologisches Bewusstsein und ein dementsprechend positives Handeln fördern. Vier Grundelemente dienen dazu, ein solches Bildungskonzept zu erreichen:

- körperliches Training (um Fitness, Mut und Durchhaltevermögen zu fördern),
- Durchführung von Projekten (um Fantasie zu wecken und um handwerkliche und organisatorische Fähigkeiten auszubilden),
- Durchführung von Expeditionen (Berg-, Ski-, Segel- und Kajaktouren planen und organisieren),
- Rettungsausbildung (um sich selbst helfen zu lernen, um Verantwortung zu übernehmen und Risiken einschätzen zu können).

(Vgl. Seewald e.a. 1998: 251)

[...]


[1] Ökologie: Wissenschaftsbereich, der sich mit Wechselwirkungen der Organismen untereinander und Wechselwirkungen zwischen Organismen und ihrer unbelebten Umwelt beschäftigt.

[2] Humanökologie: Wissenschaftsbereich, der sich mit Wirkungszusammenhängen und Interaktionen zwischen Gesellschaft, Mensch und Umwelt beschäftigt.

[3] Alle Spiele, die in Punkt 2.2.1 erwähnt und nicht direkt verwiesen werden, sind im Anhang ausführlich beschrieben (siehe Anhang I).

[4] Bereits Aristoteles stellte vor über 2000 Jahren fest, dass Menschen mit Erfahrung mehr Aussicht auf Erfolg hätten, als jene, die nur über theoretisches Wissen verfügten. (Vgl. Reiners 1995: 15)

[5] Rousseau ermahnte Lehrer: " Und denkt daran, daß [sic!] ihr in allen Fächern mehr durch Handlungen als durch Worte belehren müßt [sic!]. Denn Kinder vergessen leicht, was sie gesagt haben und was man ihnen gesagt hat, aber nicht, was sie getan haben und was man ihnen tat."

(Rousseau, in: Reiners 1995: 16)

Excerpt out of 108 pages

Details

Title
Naturerfahrung als wichtiger Bestandteil der sinnlichen und sozialen Entwicklung des Schülers in der Sekundarstufe
College
Pädagogische Hochschule Salzburg
Grade
1,00
Author
Year
2006
Pages
108
Catalog Number
V56250
ISBN (eBook)
9783638509855
ISBN (Book)
9783638693578
File size
1153 KB
Language
German
Keywords
Naturerfahrung, Bestandteil, Entwicklung, Schülers, Sekundarstufe
Quote paper
Eva Gasperl (Author), 2006, Naturerfahrung als wichtiger Bestandteil der sinnlichen und sozialen Entwicklung des Schülers in der Sekundarstufe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56250

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