Prüfungsangst bei KrankenpflegeschülerInnen im Hinblick auf mündliche Prüfungen


Examensarbeit, 2003

49 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition und Entstehung von Angst/Prüfungsangst
2.1 Biochemischer Vorgang
2.2 Psychoanalytischer Ansatz
2.3 Behavioristischer Ansatz
2.4 Kognitionstheoretischer Ansatz

3. Arten der Angst n. Schwarzer
3.1 Existenzangst
3.2 Soziale Angst
3.3 Leistungsangst
3.3.1 Bewertungsangst
3.3.2 Prüfungsangst
3.3.2.1 Niedrigängstlicher Typ
3.3.2.2 Hochängstlicher Typ

4. Ursachen der Prüfungsangst
4.1 Aus psychoanalytischer Sicht
4.2 Aus behavioristischer Sicht
4.3 Aus kognitionstheoretischer Sicht

5. Sozialisation
5.1 Rolle der KrankenpflegeschülerInnen
5.2 Rolle der LehrerInnen
5.3 Beziehungsstrukturen in Krankenpflegeschulen
5.4 Beziehungsstrukturen in mündlichen Prüfungssituationen

6. Die mündliche Prüfung

7. Befragung von KrankenpflegeschülerInnen zur Prüfungsangst
7.1 Fragebogenaktion
7.2 Auswertung und Fazit
7.3 Interview der befragten KrankenpflegeschülerInnen
7.4 Veränderungen in der Krankenpflegeschule in Heide

8. Umgang mit Prüfungsangst
8.1 Umgang mit Prüfungsangst aus SchülerInnenperspektive
8.1.1 Angst erkennen und damit umgehen lernen
8.1.2 Optimale Prüfungsvorbereitung
8.1.3 Verhaltensänderung
8.1.4 Kognitive Bewältigungstechniken
8.1.5 Entspannungstechniken
8.2 Umgang mit Prüfungsangst aus LehrerInnenperspektive
8.2.1 Die eigene Angst erkennen
8.2.2 Angst der SchülerInnen erkennen und darauf reagieren
8.2.3 Eigenes Prüfungsverhalten reflektieren
8.2.4 Organisation, Aufbau und Ablauf von mündlichen Prüfungen

9. Zusammenfassung, Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhang

„Wenn ich eine mündliche Prüfung ablegen muß, kann ich nur beten, an einen verständnisvollen Professor zu geraten. Ich brauche nämlich ungefähr eine Viertelstunde, um mich zu beruhigen und meinen Verstand wiederzufinden, und wenn er nicht das nötige Feingefühl hat, um das zu bemerken, und nicht die Geduld, mich erst einmal zur Ruhe kommen zu lassen, wird er mich entweder für den letzten Idioten halten und sich wirklich fragen, wie ich das Grundstudium bestehen konnte, oder aber er wird glauben, ich hätte das Jahr über gefaulenzt, für die Prüfung nicht gelernt und im letzten Moment Panik bekommen...“

(André/Légeron 1999, S. 74)

1. Einleitung

Während der mündlichen Abschlußprüfung in meiner Berufsausbildung zur Krankenschwester wurde ich Zeugin einer ähnlichen Situation. Eine Mitschülerin bekam einen Gedankenblock, stammelte, errötete und zitterte am ganzen Körper. Was war geschehen? Wir hatten uns zusammen auf die Prüfung vorbereitet und sie hatte sich ein enormes Wissen angeeignet. Und dennoch konnte sie nicht mehr auf ihr Wissen zurückgreifen.

Mein Interesse am Thema Prüfungsangst wurde durch die Beobachtungen, die ich als Protokollantin in zwei mündlichen Prüfungen im Rahmen meines Praktikums machen konnte, verstärkt.

Am Beispiel der Krankenpflegeschule in Heide werde ich die Ausprägung der Prüfungsangst bei KrankenpflegeschülerInnen feststellen, was dazu dienen soll, den Handlungsbedarf und Verbesserungsansätze für die LehrerInnen hinsichtlich Prüfungsvorbereitung und Prüfungssituation aufzuzeigen. Um die Ausprägung der Prüfungsangst festzustellen, habe ich mich für eine Fragebogenaktion entschieden, die auch die Ursachen der Prüfungsangst näher beleuchten soll. Interessant ist hier auch der Gedanke, wie die SchülerInnen über die Ursachen von Prüfungsangst denken und wie sie selbst die Prüfung verbessern würden. Dies werde ich in einem anschließendem Interview in Erfahrung bringen. Mir ist ebenfalls wichtig, zum Abschluß der Fragebogenaktion und des Interviews notwendige Konsequenzen, die sich daraus ergeben, in dem Kaptitel 8 „Umgang mit Prüfungsangst“ zu berücksichtigen.

Da das Thema sehr umfassend und die Seitenzahl dieser Abschlußarbeit begrenzt ist, kann ich leider verschiedene Aspekte nicht mit einbeziehen. Dazu gehören unter anderem die verschiedenen Angstkonzepte, die ausführliche Behandlung des psychoanalytischen Ansatzes im Umgang mit der Angst und die Bearbeitung der Angstneigung.

Um den Lesefluss zu verbessern, habe ich mich außerhalb der Überschriften für die Formulierung „SchülerInnen“ entschieden. Damit sind grundsätzlich die KrankenpflegeschülerInnen gemeint.

2. Definition und Entstehung von Angst und Prüfungsangst

Angst gehört zu den Emotionen und ist als hypothetisches Konstrukt nicht leicht zu deuten, deshalb gibt es zur Angst unzählige Definitionen. Eine allgemein gültige Definition kann jedoch nicht festgelegt werden, da Emotionen immer individuell erlebt werden.

Angst [ eigtl. „Enge, Beklemmung“ (urverwandt mit lat. angustus „eng“)], Reaktion auf eine unbestimmte Bedrohung im Ggs. zur Furcht, die sich auf eine bestimmte Bedrohung bezieht. ... In der Psychologie wird A. als unlustbetonter, mit Beklemmung (in der Brust und Herzgegend lokalisiert), Bedrückung, Erregung, oft auch quälender Verzweiflung einhergehender Gefühlszustand oder Affekt verstanden, hervorgerufen durch jede real erlebte oder auch bloß vorgestellte, häufig nicht einmal voll bewußte Lebensbeeinträchtigung oder - bedrohung“ (Meyers Grosses Taschenlexikon Band 1 1981, S. 352).

Prüfungsangst, die Angst vor einer Prüfung, die deshalb häufig anzutreffen ist, weil zum einen vom Ergebnis der Prüfung i. d. R. weitreichende (insbes. soziale) Konsequenzen abhängen, zum anderen Prüfungen selten beliebig wiederholbar sind und schließl. weil Prüfungen seltene und deshalb unvertraute Situationen und meist einseitige Abhängigkeitsverhältnisse von Prüfer und Prüfling darstellen. P. kann zu anhaltenden vegetativen Störungen, Konzentrationsunfähigkeit bis zu totaler intellektueller Blockade lange vor oder während der Prüfung, zum mehrmaligen Verschieben des Examenstermins und zur Notwendigkeit psychotherapeut. Beratung führen“ (Meyers Grosses Taschenlexikon Band 17 1981, S. 333).

Die Ausprägung der Prüfungsangst ist folglich abhängig von der Bedeutung der jeweiligen Prüfung, der Form und Art der Prüfung, der Wiederholbarkeit und dem Abhängigkeitsverhältnis und somit von dem Verhalten der PrüferInnen in der Prüfungssituation. Dieser Aspekt wird im Laufe dieser Arbeit nochmals aufgegriffen.

In der Literatur finden sich verschiedene Angstkonzepte, in denen der Angstbegriff unterschiedlich behandelt wird; z. B. Angst und Furcht, Angst als Zustand und Persönlichkeitsmerkmal und Angst und Erregung (vgl. Sörensen 1996, S. 3).

Dieser Arbeit liegt das Konzept von Schwarzer zu Grunde; Angst als Zustand und Persönlichkeitsmerkmal. Auf die Angst als Zustand soll in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden. Die Angst als Persönlichkeitsmerkmal wird unter Punkt 3 bearbeitet.

Zur Angstentstehung gibt es verschiedene Theorien, die zur Erklärung von der Prüfungsangst bei KrankenpflegeschülerInnen von Bedeutung sind. Im folgenden findet sich eine Übersicht über diese Theorien, die unter dem Kapitel 4 noch einmal explizit auf die Ursachen der Prüfungsangst bezogen werden.

Zunächst erscheint es jedoch wichtig, die Auswirkungen der Angst auf den Organismus zu betrachten.

2.1 Biochemischer Vorgang

Die Angst löst im Körper einen biochemischen Vorgang aus, der vor allem durch die Wirkung von Hormonen dominiert wird.

Im Zentralen Nervensystem (ZNS) werden durch psychische Belastungen wie z. B. Angst, zwei parallel verlaufende Reaktionsketten in Gang gesetzt, die auch als Stressreaktion bezeichnet werden.

In der ersten Reaktionskette wird der Hypothalamus aktiviert, der ein Hormon ausschüttet, das in der Hypophyse zur Freisetzung eines weiteren Hormons führt. Dies wiederum stimuliert die Ausschüttung von Glukokortikoiden in der Nebenniere.

Die zweite Reaktionskette bewirkt eine Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin über den Sympathikus in Sekundenschnelle.

Die zweite Reaktionskette beeinflusst kurzfristig alle Organfunktionen, die für das Überleben wichtig sind, wie die Erhöhung der Herzschlagfrequenz und der Kontraktionskraft des Herzens, die Erweiterung der Bronchien, eine höhere Durchblutung der Skelettmuskulatur und die Freisetzung von Glukose in der Leber zur Energieversorgung. Denkvorgänge werden zugunsten vorprogrammierter Reflexhandlungen blockiert, welches das Phänomen des Gedankenblocks in einer Prüfung erklärt.

In einer realen Gefahrensituation sind diese körperlichen Vorgänge jedoch notwendig und lebenswichtig (vgl. Schäffler/Schmidt 1995, S. 186).

2.2 Psychoanalytischer Ansatz

Unter diesem Punkt werden die beiden Angsttheorien von Sigmund Freud erläutert. Zunächst ist es jedoch wichtig, auf das von Freud entwickelte Strukturmodell der psychischen Instanzen einzugehen.

Im Zentrum der Person steht das Ich, die Instanz, die Wahrnehmungen aus der Außenwelt aufnimmt, kategorisiert, speichert und die Reaktionen auf diese Reize oder spontane Handlungen plant. Das Ich hat aber nicht nur auf die Anforderungen der Außenwelt bzw. der Realität zu achten, sondern nimmt auch Impulse aus dem sogenannten Es auf, das die Triebseite vertritt, z. B. Bedürfnisse nach Zärtlichkeit, Nahrungsaufnahme oder sexuellem Kontakt. Eine dritte Instanz stellt das Über-Ich dar, das die im Verlauf der Sozialisation übernommenen Normen repräsentiert (vgl. Zimbardo 1995, S. 487).

Theorie der Angstneurose

Die erste Angsttheorie von Freud wurde 1894 entwickelt. Sie besagt, daß durch eine Unterdrückung unbewusster sexueller Impulse eine Verdrängung entsteht, die sich in Angst umwandelt.

Da diese Angst aus der inneren Erregung entsteht und nicht von äußeren Reizen abhängig ist, wurde sie Angstneurose genannt.

Im Ansatz ist die Unterscheidung zwischen der Angstneurose und der Affektzustand der Angst als Reaktion auf einen äußeren Reiz vergleichbar mit dem Konzept von Schwarzer; Angst als Zustand und Angst als Persönlichkeitsmerkmal (vgl. Sörensen 1996, S. 12).

Signaltheorie der Angst

Mit dieser zweiten Angsttheorie von 1926 revidierte Freud die frühere Konzeption. Sie besagt, daß unbewältigte Konflikte des Ich mit dem Es, Über-Ich oder der Realität zu Angst und daraufhin zu Verdrängung führen. Die Angst fungiert als Signal für eine Gefährdung des Ich (vgl. Sörensen 1996, S. 12).

Im folgenden werden die Formen der Ängste nach Freuds Signaltheorie beschrieben:

- Realängste

werden verstanden als emotionale Reaktion auf Bedrohungen aus der Umwelt, z. B. Verletzungsgefahr oder Existenzgefährdung. Realängste sind nicht nur als einschränkende, hemmende Prozesse anzusehen, sondern sie versetzen den Organismus in einen Erregungszustand, der ihn befähigt, Techniken für die Beseitigung drohender Gefahren zu entwickeln.

- Über-Ich-Ängste

lassen sich weniger eindeutig erkennen. Der Betroffene empfindet die eigene Unzulänglichkeit hinsichtlich der Anforderungen und Normen, die er für richtig und gültig hält. Die Bedrohung geht von dem inneren Gütemaßstab aus und manifestiert sich in Schuld - und Minderwertigkeitsgefühlen.

- Es-Ängste

sind ebenfalls schwer zu erkennen. Sie entstehen aus dem Konflikt zwischen Trieb - und Bedürfnisforderungen und den Erfordernissen der Lebensbewältigung, die das Ich zu leisten hat (vgl. Sörensen 1996, S. 13 - 14).

In der Prüfungssituation wird das Ich geprüft und entscheidet über den Ausgang der Prüfung. Wenn sich das Es oder das Über-Ich eindrängen und bei der Bewältigung der Prüfungsaufgabe stören, muss man von einem neurotischen Verhalten in der Prüfungssituation sprechen. Dies sind aber Konflikte zwischen den Instanzen, die im eigentlichen Sinne wenig mit Prüfungsangst zu tun haben, sondern tiefer im Unterbewusstsein des Betroffenen verwurzelt sind und in der Prüfungssituation auftreten können (vgl. Singer 1970, 122ff).

2.3 Behavioristischer Ansatz

„Der Behaviorismus befaßt sich mit den objektiven und beobachtbaren Komponenten des menschlichen Verhaltens - d. h. mit den Reiz - und Reaktionsvorgängen, die Pawlow, Watson, Guthrie, Thorndike und Skinner bedeutsam erschienen“ (Lefrancois 1994, S. 15).

Menschliches Verhalten, wie z. B. Angst wird folgendermaßen erlernt:

Ein Reiz (Stimulus) löst eine Reaktion (Response) aus. Dieser Ablauf kann durch eine Verknüpfung eine Gewohnheit (Habit) bilden. Da Menschen aus Konsequenzen lernen, wird ihr Verhalten durch Erfolg/Mißerfolg und Belohnung/Bestrafung beeinflusst. Dieser Vorgang wird Verstärkung (reinforcement) genannt.

Verallgemeinerungen (Generalisierungen) können ebenfalls entweder von auslösenden Reizen (Reiz - Generalisierung) oder von ängstlichen Reaktionen (Reaktions - Generalisierung) erlernt werden, die im folgenden kurz erläutert werden sollen.

- Reiz - Generalisierung

Wenn eine Person eine unangenehme Erfahrung mit einem Hund (Reiz) macht und daraufhin mit Angst reagiert (Reaktion), kann sich der Reiz auf andere Hunde, Hunderassen oder Tierarten ausweiten, die dann ebenfalls eine Reaktion verursachen. Möglich ist auch die sogenannte Reiz - Substitution, bei der sich der Reiz auf andere Reize ausweitet, die dem ursprünglichen Reiz nicht mehr ähnlich sind.

- Reaktions - Generalisierung

Eine anfangs auf den Reiz gezeigte Reaktion, wie z. B. Weglaufen, kann sich auf andere Reaktionen ausweiten, falls diese durch einen Erfolg (Angstreduzierung) verstärkt werden. Die generalisierten Reaktionen, auch Ersatz - Reaktionen genannt, sind der ursprünglichen Reaktion nicht mehr ähnlich (vgl. Sörensen 1996, S. 15/16).

Die 2 - Phasen - Lerntheorie

In dieser Theorie von Mowrer, einer der ersten Lerntheoretiker, geht es um die Angst als eine innere Reaktion, die durch 2 Phasen gelernt wird.

Klassische Konditionierung

In der ersten Phase wird ein ursprünglich neutraler Reiz (CS; konditionierter Stimulus z. B. Prüfung) mit einem unkonditionierten Reiz verbunden ( UCS; unkonditionierter Stimulus, z. B. Mißerfolg). Dies führt zu einer konditionierten Reaktion (CR; konditionierte Reaktion, z. B. Angst).

CS (Prüfung) + UCS (Mißerfolg) = CR (Angst)

Nach ein- oder mehrmaligen Zusammentreffen beider Reize wird die Angstreaktion erlernt. Von da an kann die Angstreaktion auch dann auftreten, wenn nur einer der beiden Reize vorhanden ist (Prüfung).

CS (Prüfung) = CR (Angst)

Dieser Vorgang soll in der Befragung der KrankenpflegeschülerInnen (Kapitel 7) untersucht werden.

Instrumentelle Konditionierung

In der zweiten Phase geht es um die Angststabilisierung. Die Angst kann durch eine Handlung, die eine Angstverminderung nach sich zieht, verstärkt werden. Die Angstverminderung wirkt dabei wie eine Belohnung. Durch die Verstärkung wächst die Angst immer mehr an und wird mit immer größerer Wahrscheinlichkeit auftreten.

Angst vor der Prüfung ® Rücktritt vor der Prüfung ® Belohnung durch

Angstreduktion

(vgl. Sörensen 1996, S. 17/18)

2.4 Kognitionstheoretischer Ansatz

In kognitiven Theorien wird Angst als Folge von Bewertungen einer Situation dargestellt; Angst und Kognition sind eng miteinander verbunden. Die Probleme dieser Theorie stellen sich folgendermaßen dar: Ist Emotion eine Folge der Kognition oder verhalten sich die beiden Komponenten in einem anderen Verhältnis zueinander? Innerhalb dieser Theorie gibt es folgende Hypothesen:

Auf Angst folgt Kognition

Die Wahrnehmung von physiologischen Veränderungen auf emotionale Erregung wird kognitiv bewertet und als Angst gedeutet.

Kognition führt zu Emotion

Eine Gefahrensituation wird wahrgenommen, kognitiv als bedrohlich gedeutet und infolge dessen mit Angst als Emotion reagiert.

Kognition und Emotion laufen gleichzeitig ab

Die Wahrnehmung von Gefahr und die emotionale Reaktion laufen gleichzeitig ab.

Bisher konnten die einzelnen Hypothesen nicht bestätigt oder widerlegt werden (vgl. Sörensen 1996, S. 21).

Kognitiv - emotionales Prozeßmodell

„LAZARUS` kognitiv - emotionales Prozeßmodell beschreibt Emotionen und Kognitionen als in einem Prozeß andauernder Neubewertungen von Informationen miteinander verbunden. Angst stellt die Begleitemotion eines solchen mehrphasigen Kognitionsprozesses dar, der ausgelöst wird durch antezedente Bedingungen wie Situationsanforderungen und Persönlichkeitsvariablen“ (Sörensen 1996, S. 31/32).

Die Bewertungen von Situationen laufen in Phasen ab. In der ersten Phase (primary Appraisal) wird abgeschätzt, ob eine persönliche Bedrohung besteht. Daraufhin wird ein Bewältigungsprozess aktiviert (Coping). In der zweiten Phase (secondary Appraisal) wird geprüft, welche Bewältigungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Wenn die persönliche Handlungskompetenz in dieser Situation als negativ eingeschätzt wird, entsteht Angst. Über eine Neubewertung (Reappraisal) durch Bewältigungsversuche lässt sich der Kognitionsprozess von der Situationsbewertung an wiederholen (vgl. Sörensen 1996, S. 32).

3. Arten der Angst n. Schwarzer

Die Angsttheorie von Schwarzer orientiert sich am kognitionstheoretischen Ansatz. Bevor auf die verschiedenen Angstarten, die sich mit der Prüfungsangst verbinden könnten, eingegangen werden kann, soll das Konzept der Selbstaufmerksamkeit und die Erlebenskomponenten der Angst; Aufgeregtheit (emotionality) und Besorgtheit (worry) erläutert werden.

Selbstaufmerksamkeit

„Die Hinwendung der Aufmerksamkeit einer Person auf sich selbst wird als Selbstaufmerksamkeit bezeichnet. Der Mensch erlebt sich dabei als Mittelpunkt seiner bewussten Wahrnehmung. Die Kognitionen sind nicht auf die Umwelt, sondern auf die eigene Person gerichtet“ (Schwarzer 1981, S. 47).

Hier muß klar zwischen dem Begriff Selbstkonzept und Selbstaufmerksamkeit differenziert werden; ein Selbstkonzept spiegelt die Summe der eigenen Erfahrungen über sich selbst und die kognitive Repräsentation wieder. Das Selbstkonzept beschreibt einen Status, wogegen die Selbstaufmerksamkeit eher einen Prozess darstellt (vgl. Schwarzer 1981, S. 47).

Schwarzer unterteilt die Selbstaufmerksamkeit in private und öffentliche Selbstaufmerksamkeit.

Private Selbstaufmerksamkeit

Unter privater Selbstaufmerksamkeit versteht man die Kognitionen, die niemand anders als die Person selbst direkt erleben kann. Dazu gehören private Aspekte wie Körperempfindungen, Motive, Stimmungen, Gefühle, Einstellungen, Phantasien und Selbstreflexionen (vgl. Schwarzer 1981, S. 49ff).

„Affektintensivierung und Selbsterkenntnis sind die unmittelbaren Folgen von privater Selbstaufmerksamkeit“ (Schwarzer 1981, S. 51).

Daraus lässt sich schließen, dass Personen mit einem hohen Anteil der privaten Selbstaufmerksamkeit sich und ihre Fähigkeiten gut einschätzen können.

Öffentliche Selbstaufmerksamkeit

Unter öffentlicher Selbstaufmerksamkeit versteht man die Kognitionen einer Person, die auf die Kleidung, das Auftreten und das Verhalten dieser Person in der Öffentlichkeit bezogen sind (vgl. Schwarzer 1981, S. 51).

„Tischmanieren und soziale Umgangsformen sind weitere Aspekte. Immer wenn man sich überlegt, was andere wohl von einem halten, liegt öffentliche Selbstaufmerksamkeit vor“ (Schwarzer 1981, S. 51).

Der Aspekt der öffentlichen Selbstaufmerksamkeit ist demzufolge auch in der mündlichen Prüfungssituation aktiviert. Hier wird den SchülerInnen bewusst, dass sie beobachtet werden. Dies kann wiederum dazu führen, dass die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Aufgabe (Überlegen, Beantworten der Prüfungsfragen) abgelenkt wird.

Erlebenskomponenten der Angst

Aufgeregtheit

Der subjektiv empfundene Zustand autonomer Erregung wird Aufgeregtheit genannt.

„Aufgeregtheit ist direkt an die Gefahr gekoppelt, indem sie zu Beginn einer als krisenhaft erlebten Situation auf dem Höhepunkt liegt und danach allmählich abflacht, je mehr eine Gewöhnung an die Reizkonstellation erfolgt“ (Schwarzer 1981, S. 89).

[...]

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Prüfungsangst bei KrankenpflegeschülerInnen im Hinblick auf mündliche Prüfungen
Hochschule
DAA Deutsche Angestellten-Akademie GmbH
Veranstaltung
Weiterbildung Lehrer für Pflegeberufe
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
49
Katalognummer
V55899
ISBN (eBook)
9783638507349
ISBN (Buch)
9783656798248
Dateigröße
603 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Prüfungsangst, KrankenpflegeschülerInnen, Hinblick, Prüfungen, Weiterbildung, Lehrer, Pflegeberufe
Arbeit zitieren
Maja Schendel (Autor:in), 2003, Prüfungsangst bei KrankenpflegeschülerInnen im Hinblick auf mündliche Prüfungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55899

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