Deutsch-Arabische Ehen. Motivationen von deutschen Frauen einen Partner aus dem arabisch-islamischen Kulturkreis zu wählen


Diplomarbeit, 1994

63 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Einflüsse von Kultur und Sozialisation in der arabischen Gesellschaft
2.1 Der Islam
2.1.1 Allgemeines
2.1.2 Rechtsschulen im Islam
2.1.3 Frau und Familie im Islam
2.1.3.1 Die Scheidung
2.1.3.2 Das Erbrecht
2.2 Erziehung in arabischen Familien
2.2.1 Exkurs: Die Schule in arabischen Länder
2.2.2 Frauenbilder der arabischen Männer

3. Einflüsse von Kultur und Sozialisation in der BRD
3.1 Überblick über Familie und Erziehung in den 50er Jahren
3.2 Jugend und Erziehung in den 70er Jahren
3.3 Mutter-Tochter-Beziehung

4. Lebenssituation der Araber in Berlin
4.1 Rechtliche Situation der Ausländer- Auswirkungen auf die Beziehung
4.1.1 Aufenthaltserlaubnis
4.1.2 Arbeitserlaubnis
4.1.3 Internationales Privatrecht (IPR)

5. Fremde in beiden Gesellschaften
5.1 Was ist Fremdheit in Beziehungen?
5.2 Das Fremde im Eigenen

6. Interviews
6.1 Durchführung und Gesprächsituation
6.2 Interviewfragen (Zusammenfassung)

7. Auswertung der Interviews
7.1 Statistik
7.2 Interpretation der Statistik
7.2.1 Allgemeines
7.2.2 Sozialisationsfaktoren
7.2.3 Gefühle und Gedanken
7.2.4 Kulturelle Faktoren
7.2.5 Partnerschaft
7.3 Gemeinsamkeiten der Frauen in der Sozialisation
7.4 Gemeinsamkeiten der Männer in der Sozialisation
7.5 Auswirkungen auf die Beziehungsdynamik

8. Literaturverzeichnis

9. Anhang

1. Einleitung

Auf Grund einer Untersuchung des Statistischen Landesamtes Berlin

heirateten 1991 ca. 200 Frauen einen Partner aus einem arabischen Land

diese Zahl hat sich seit 1985 verdreifacht. Aus welchen Gründen wählten

diese Frauen einen Ehepartner aus einem fremden Kulturkreis, der ganz

andere Werte und Normen besitzt als der, in dem sie auf sie aufgewachsen sind?

Diese Frage gab den Anstoß über Motivationen von Frauen, die mit einem

arabischen Partner verheiratet sind, diese Diplomarbeit zu schreiben. Ich

lebe selber in einer multikulturellen Beziehung und hatte darüber hinaus ein

eigenes Interesse, Frauen zu befragen, die in einer ähnlichen Situation sind.

Um das Thema möglichst umfassend zu bearbeiten, konzentrierte ich mich

im ersten Abschnitt auf den geschichtlichen Teil, der einen Überblick

enthält über die Sozialisationsfaktoren und kulturellen Faktoren in den

Gesellschaften, in denen beide Partner aufgewachsen sind.

Den empirischen Teil bilden die Aussagen der InterviewpartnerInnen und deren

Auswertung. Im Rahmen der Auswertung orientierte ich mich an den folgenden

Fragen und Thesen:

Der Sozialisationsprozess sowie der Kulturkreis

beeinflusst die Wahl des Partners aus einer

fremden Gesellschaft

Die Sozialisationsfaktoren und kulturellen

Faktoren begünstigen eine Ehe

Wie wird diese Ehekonstellation positiv

oder negativ beeinflusst?

Bei der Auswertung konnte ich mich nur auf 12 Interviews stützen. Diese

ergaben einen objektiven Querschnitt durch die deutsch/arabischen

Paarbeziehungen.

2. Einflüsse von Kultur und Sozialisation in der arabischen Gesellschaft

2.1 Der Islam

2.1.1 Allgemeines

Der Islam ist neben dem Christentum und Judentum die größte

seminitischen Glaubensrichtung, die sich auf Abraham als Stammvater

zurückführen lässt. Der Monotheismus, d.h. der Glaube an Gott steht,

im Christentum und Judentum, im Mittelpunkt des Islams. Diese beiden

Glaubensrichtungen (Christentum und Judentum) waren in der arabischen

Welt schon vor dem Islam bekannt, dieser versteht sich als Fortsetzung

dieser beiden Richtungen

Der Koran ist die Heilige Schrift der Muslime. Für die Muslime hat der Koran

die gleiche Bedeutung wie für die Christen das Evangelium.

„Der Koran wurde von Mohammed in arabischer Sprache reiner Mekkaner Prägung in den Jahren von 610 bis 632 n. Chr. G. – Todesjahr des Propheten Mohammed – verfasst und verkündet: nicht als sein Wort, sondern als die Ihm von Fall zu Fall zuteil gewordenen Offenbarungen Allahs, des „alleinigen einzigen Gottes seit Ewigkeit, Welterschaffers und Herrn aller Weltenbewohner, der keinen Sohn und Helfer besitzt und benötigt“. (Der Koran 1959)

Mohammed versteht sich als der Fortsetzer und Vollender einer langen

Reihe von Propheten, unter ihnen auch Jesus, der im Islam als Prophet

angesehen wird.

„Der Koran unterscheidet zwischen Propheten, die ein Gesetz bringen (zum Beispiel Moses) und Propheten, die in der Erneuerung eines Gesetzes ihre Aufgabe finden (zum Beispiel Jesus).“ (H. Hübsch 1989, S. 64)

Der Islam hat das Judentum und Christentum immer als verwandte Religionen betrachtet, da sie auch Schriftbesitzer sind und ihre Offenbarungen von Gott erhielten. Mohammed selbst verbürgt sich für die Juden und Christen in der Hadith (die Sammlung seiner Mitteilungen).

„Wer einem Juden oder Christen Unrecht tut, gegen den trete ich selbst als Ankläger aus am Tage des Gerichts.“ (S. Huhnke 1990, S.39)

Heute gibt es ca. 800 Mio. Muslime auf der Welt, von denen 10 bis 15%

Schiiten sind und der Rest sich zur sunnitischen Konfessionsgemeinschaft

des Islams zählt. Die Spaltung des Islam geht auf die Zeit Mohammeds zurück.

Nach dem Tod von Mohammed musste ein Nachfolger gewählt werden, denn im Koran heißt es.

„Allah verspricht denen unter euch, welcher glauben und gute Werke verrichten, dass er sie zu Nachfolgern der Ungläubigen im Land einsetzen will, so wie er die vor ihnen den Ungläubigen ihrer Zeit hat nachfolgen lassen, und dass er ihnen ihre Religion befestigen will, an welcher sie Wohlgefallen gefunden haben (die Allah für sie bestimmte), und dass er ihre Furcht in Sicherheit verwandeln werde. „Sie sollen aber auch nur mir allein dienen und mir kein anderes Wesen zugesellen. Wer aber darauf ungläubig wird, der ist ein Übeltäter.“ (Der Koran 1959, Sure 24:56)

Einige Muslime waren mit der Wahl des Nachfolgers (Kalif) nicht einverstanden, sondern sie traten dafür ein, dass nur ein Mann aus dem Hause des Propheten für die Nachfolge in Frage käme.

„Ihrer Meinung nach, die sie mit gewissen Hadith zu belegen versuchten, war Ali vorherbestimmt gewesen, die Führung der Muslime zu übernehmen. Sie gingen so weit zu behaupten, dass die Wahl Abu Bakrs und die drauffolgenden Wahlen von Umar und Utman falsch gewesen seien, obwohl Ali selbst stets dem gewählten Kalifen den Treueid geschworen hatte. Indes bezeichnete sich die neue Gruppe als Shian-i-Ali, die Partei des Ali.“(H. Hübsch 1989, S.61).

Aus dieser Shian-i-Ali gingen die Schiiten hervor. Für sie gilt der als Imam (Führer), der aus dem Stamme Alis kommt. Der Imam besitzt nach Aussage der Schiiten besondere religiöse Kenntnisse, die ihm durch göttliche Erleuchtung gegeben wurden. Als Führer der Schiiten ist er ohne Sünde. Heute gibt es Schiiten überwiegend im Iran, Irak und Afghanistan. Minderheiten existieren auch im Libanon, Türkei, Bahrain und in den Golfstaaten.

Für die Sunniten, die die Mehrheit in den islamischen Ländern (außer im Iran) stellen, ist der Weg des Propheten Mohammed vorbildlich sowie die Hadith. Die Sunna (Vorbild des Propheten Mohammed) und der Koran sind der Leitfaden im Leben der Sunniten.

2.1.2 Rechtsschulen im Islam

Der Islam ist eine Gesetzesreligion, d. h. Gott hat seine Offenbarungen häufig in Gesetzesform gegeben. Die Gesetze Gottes müssen in einem Gemeinwesen angewendet werden. Der Islam ist daher keine private Angelegenheit, sondern betrifft immer auch die Gesellschaft und den Staat. Alle Bereiche des Lebens, d. h. private, gesellschaftliche und politische Beziehungen werden erfasst. Aufgrund des weitreichenden Bereiches des Korans beschäftigten sich verschiedene Rechtsgelehrte und Theologen nicht nur mit der praktischen Religionsausübung wie den fünf Pfeilern des Islams: Zeugnis von der Einheit Gottes und der Prophetenschaft Mohammeds, fünfmaligem Gebet am Tag, dem Fasten, der Almosensteuer sowie der Pilgerfahrt nach Mekka sondern auch mit den Rechtsfragen.

Im 8. und 9. Jahrhundert gab es noch keine Rechtsquellen. Zu dieser Zeit wurden vier verschiedene Rechtsschulen gegründet, und zwar von den Imamen Abu Hanifa, Malik, Al-Shafii, Ibn Hanbal.

1 - Die Schule von Abu Hanifa entstand im Irak. Als Grundlage gilt der Koran, die Sunna des Propheten, der „consensus doctorum“ (Übereinstimmung der Aussagen der Theologen der Schule), der Analogieschluß sowie die persönliche Entscheidung bei der Rechtsfindung und ein angemessenes Handeln in bezug auf die Gesellschaft.
2 - Al-Shafii`s Rechtsschule entwickelte eine Norm der Rechtsquellen. Sie
schloss eine persönliche Entscheidung bei der Rechtsfindung aus und
stützte sich nur auf den Koran, die Sunna, der „consensus doctorum“ und
dem Analogieschluss. Die Sunna erhielt auch eine neue Bedeutung; nur
jene Sunnas wurden anerkannt, die auch wirklich auf den Propheten
zurückgingen.
3 - In Medina wurde die Rechtschule von Imam Malik gegründet. Ihre
Rechtsfindung stützt sich auf den Koran, die Sunna des Propheten,
der „consensus doctorum“, dem Analogieschluss sowie das öffentliche
Interesse bei der Rechtsfindung.
4 - Ibn Hanbal erkennt zur Rechtsfindung nur den Koran, die Sunna des
Propheten, den „consensus doctorum“ an. Diese Rechtsschulen
existieren heute noch in den islamischen Staaten. In Ägypten gehören
die Sunniten zur hanafitischen Rechtsschule; in Syrien, Jordanien und
Israel gehören sie zur shafiitischen Rechtsschule.

2.1.3 Frau und Familie im Islam

Der Islam kennt keine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau sondern spricht von einer Gleichheit, die die Beziehung der Geschlechter bestimmt, das bedeutet, dass Mann und Frau eine Ergänzung bilden. Die Frau ist dem Mann geistig gleichgestellt, allerdings wird der biologische Unterschied hervorgehoben, woraus der Islam auf ihre unterschiedlichen Begabungen und Fähigkeiten schließt.

„Das Heim ist das normale Haupttätigkeitgebiet der Frau in ihrer Eigenschaft als Ehegattin und Mutter. Das normale Gebiet der Tätigkeit und der Arbeit des Mannes in seiner Eigenschaft als Ernährer ist die Welt draußen.“(Sir M. Z. Khan, S.6).

Ein Mann kann nicht wie die Frau gegen seinen Willen zu etwas gezwungen werden, daher muss der Mann ihr, wenn sie von jemanden verletzt wird, Unterstützung und Schutz gewähren.

Die Ehe ist im Islam vorgeschrieben. Homosexualität wird im höchsten Maße abgelehnt.

„Erinnert euch auch des Lot. Als dieser zu seinem Volke sagte:... Wollt ihr denn solche Schandtaten begehen, für die ihr bei keinem Geschöpf ein Beispiel findet? Wollt ihr denn in lüsterner Begier, mit Hintansetzung der Weiber, nur zu Männern kommen? Wahrlich, ihr seid zügellose Menschen.“ (Der Koran 1959, Sure 7:81-82)

Wie die Homosexualität sind auch Keuschheit und Mönchtum verpönt.

„Der Prophet sagt: Wer nicht heiratet, der ist nicht von mir.“ (H. Hübsch 1989, S.143)

Aus der Sicht des Islam ist die Ehe letztendlich notwendig, weil ihr Zweck darin besteht, das Wohlwollen Allahs durch Befriedigung, Erhaltung der Art und Erfüllung zu erreichen. Diese Bedingungen beziehen sich auf alle Bereiche der Ehe einschließlich der Sexualität.

„Die sexuelle Befriedigung beider Partner gilt als notwendig, um dem Ehebruch vorzubeugen.“ (F. Mernissi 1987, S.50)

Die Sexualität ist jedoch nur innerhalb der Ehe erlaubt. So gilt jedes erwachsene Mitglied, das nicht verheiratet ist, als Gefahr für die Gesellschaft. Der Islam geht davon aus, dass Mann und Frau sich immer sexuell anziehen, so dass sie sich nicht dagegen wehren können. Aus diesem Grunde existieren im Islam die strengen Bekleidungsvorschriften, um sich nicht in Versuchung zu führen. Da der Islam die natürlichen Instinkte der Geschlechter akzeptiert, gibt es auch keine „Erbsünde“ wie im Christentum, folglich werden das Mönchtum und die Ehelosigkeit nicht angestrebt.

Die Ehegatten sollen sich in Liebe, Zärtlichkeit, Treue, Friedfertigkeit und Respekt nähern. Obwohl dieses für beide Partner gilt, ist der Mann das Oberhaupt der Familie.

„Männer sollen vor den Frauen bevorzugt werden (weil sie für diese verantwortlich sind), weil Allah auch die einen vor den anderen mit Vorzügen begabte und auch weil jene diese erhalten. Rechtschaffene Frauen sollen gehorsam, treu und verschwiegen sein, damit auch Allah sie beschütze. Denjenigen Frauen aber, von denen ihr fürchtet, dass sie euch durch ihr Betragen erzürnen, gebt Verweise, enthaltet euch ihrer, sperrt sie in ihre Gemächer und züchtigt sie. Gehorchen sie euch aber, dann sucht keine Gelegenheit, gegen sie zu zürnen; denn Allah ist hoch und erhaben.“ (Der Koran 1959, Sure 4:35).

Der Mann darf die Frau ermahnen, wenn sie etwas tut, das ihm nicht gefällt. Bleibt die Ermahnung wirkungslos, darf er sie bestrafen. Ebenso behält der Mann bei Meinungsverschiedenheiten das „letzte“ Wort und die Frau muss ihm gehorchen.

Die Kinder gehören dem Oberhaupt der Familie, nämlich dem Vater, von ihnen wird erwartet, dass sie ihre Eltern respektieren und achten. Die Verheiratung der Kinder steht auch den Eltern zu, in den meisten Fällen dem Vater. Sie dürfen allerdings nicht gegen ihren Willen verheiratet werden, sondern müssen der Heirat zustimmen. Bei der Heirat muss der Mann der Frau die „Morgengabe“ geben, meistens einen Geldbetrag, der ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit dient.

Die Frau ist in der Ehe nicht verpflichtet zu arbeiten oder zum häuslichen Unterhalt beizutragen. Sollte sie jedoch einer Arbeit nachgehen und eigenes Geld verdienen, so kann sie darüber frei verfügen, denn der Mann trägt auch die wirtschaftliche Verantwortung für die Familie.

Vor der Verbreitung des Islam hatte die Polygamie in der arabischen Geschichte eine lange Tradition: ein Mann konnte so viele Frauen heiraten wie er wollte. In Mekka, der Stadt des Propheten herrschte Vielweiberei, Glücksspiel und Trunksucht. Mit der Ausbreitung des Islam wurde dem Trinken von alkoholischen Getränken sowie dem Glückspiel Einhalt geboten. Die Zahl der Ehefrauen wurde auf vier beschränkt. Ein Mann kann aber nur unter bestimmten Bedingungen mehr als eine Frau heiraten. Alle Frauen müssen gerecht behandelt werden, d. h. sie haben Anspruch auf die gleichen Privilegien, z. B. den Unterhalt („Morgengabe“), die gleiche Versorgung sowie die Zeit des Zusammenseins.

„Überlegt gut nehmt nur eine, zwei, drei höchstens vier Ehefrauen. Fürchtet ihr auch so noch, ungerecht zu sein, nehmt nur eine Frau... So werdet ihr leichter nicht vom Rechten abirren.“ (Der Koran, Sure 4:4).

Da die Ehe im Islam eine wichtige Einrichtung ist und jeder ein Anrecht auf ein erfülltes Leben hat, wird die Polygamie im Krieg, wo viele Männer fallen, für die Überlebenden zur Pflicht, um die Witwen und Waisen zu versorgen.

2.1.3.1 Die Scheidung

Da die Ehe im Islam den höchsten Stellenwert erhält und als das Erstrebenswerte gilt, ist die Scheidung das Verwerflichste. Sir M. Z. Khan schreibt dazu:

„Der Heilige Prophet hat gesagt: „Vor allem was erlaubt ist, ist die Scheidung das Anstößigste in der Wertschätzung Allahs.“ (Sir M. Z. Khan, S. 8)

Bevor die Ehegatten geschieden werden, sollen daher Versöhnungsschritte unternommen werden. Im Koran heißt es dazu:

„Befürchtet ihr Entzweiung zwischen Ehegatten, so beauftragt Schiedsrichter aus seiner und ihrer Familie, und suchen sie dann wieder eine friedliche Einigung, so wird Allah ihnen huldvoll sein; denn er ist allwissend und allweise.“ (Der Koran 1959, Sure 4:36).

Können sich die Ehepartner jedoch nicht einigen, dann kann der Mann oder die Frau die Scheidung beantragen. Beantragt die Frau die Scheidung, muss es über den Rechtsweg gehen, um ihre Ansprüche zu gewährleisten. Es genügt nicht, dass der Mann dreimal die Worte der Verstoßung ausspricht, sondern es wird ihnen vier Monate Zeit gegeben, um sich wieder zu versöhnen. In dieser Zeit

müssen sie enthaltsam leben. Die Frau muss nach der Scheidung drei Monate warten, bevor sie sich erneut verheiratet, um sicher zu sein, dass sie nicht von ihrem geschiedenen Mann schwanger ist, denn das Kind würde ihm gehören und müsste in seiner Familie aufwachsen. Versöhnen sich die Partner innerhalb der drei Monate, sind sie wieder ein Ehepaar. Diese sogenannte widerrufliche Ehe ist zweimal erlaubt. Im Falle der dritten Trennung darf der Mann die Frau nicht mehr aufnehmen, es sei denn, sie heiratet vorher einen anderen Mann und trennt sich wieder von ihm, dann ist es dem Ehemann erlaubt, sie ein viertes Mal zu ehelichen. Beide sollen jedoch genau den Schritt überdenken, d. h. die Folgen für sich und die Kinder, bevor es zu einer Scheidung kommt.

2.1.3.1 Das Erbrecht

Im islamischen Erbrecht ist der Anteil des Erbes für den Mann doppelt so hoch wie für die Frau.

„Hinsichtlich euerer Kinder hat Allah verordnet: männliche Erben sollen so viel haben wie zwei weibliche“. (Der Koran, Sure 4:12)

Diese Regelung wird so ausgelegt, dass der Mann der Ernährer und Beschützer der Familie ist und die Frau zum Einkommen nichts beitragen muss, also von daher auch keine Verpflichtungen hat. Haben die Eltern nur eine Tochter so bekommt sie die Hälfte des Nachlasses und die Eltern des Erblassers bekommen je ein Sechstel des Erbes. Die Ehefrau erhält ein Viertel des Erbes, wenn die Ehe kinderlos geblieben ist. Ist jedoch die Ehefrau Erblasserin, bekommt der Ehegatte die Hälfte bei Kinderlosigkeit des Paares. Eltern, Großeltern und Kinder werden bevorzugt gegenüber Onkeln, Tanten und der übrigen Verwandtschaft. Der Erblasser darf nur über ein Drittel seines Vermögens testamentarisch verfügen; über Zweidrittel verfügen die Korangesetze. Hier zeigt sich besonders deutlich, wie sehr Muslime in ihrer Gemeinschaft verankert sind und sich ihr als Einzelperson unterordnen muss.

2.2 Erziehung in arabischen Familien

Die Erziehungsform im arabischen Familienverband ist noch weitgehend autoritär. Respekt und Gehorsam gegenüber den Eltern kennzeichnen bis heute die Beziehung zwischen den Eltern und Kindern. In den gebildeteren Schichten tritt allmählich eine Veränderung ein und die Erziehung lockert sich in einigen Bereichen, aber Respekt und Gehorsam werden auch hier besonders von der Mutter gegenüber den Kindern gefordert.

„Der Heilige Prophet ermahnte wie folgt:...Das Paradies liegt zu den Füßen euerer Mütter.“(Sir M .Z .Khan, S.11)

Die Erziehung der Kinder obliegt ihr, wenn diese noch klein sind. Es werden in den ersten Jahren noch keine Unterschiede in der Erziehung zwischen Jungen und Mädchen gemacht.

Die Neugeborenen werden in den ersten 40 Tagen fast nie allein gelassen, um sie vor bösen Blicken zu schützen, die das Kind gefährden könnten. Die Entbindung wird als Ereignis angesehen besonders wenn der Erstgeborene ein Junge ist oder wenn nach Töchtern endlich ein Junge geboren wird. Die Mutter erhält nach der Geburt eines Sohnes großes Ansehen in der Familie des Mannes. Nach der Geburt genießt sie die Zeit der Ruhe, die ihr jedoch nicht in allen Familien gewährt wird. In dieser Zeit ist sie von der Last des Alltags befreit. Die Frau braucht weder zu beten noch zu fasten (Ramadan: wechselnder Fastenmonat), der Haushalt und die Säuglinge werden von den Frauen in der Familie betreut, z. B. der Schwägerin, Schwester, Tante oder Mutter. Die Kinder bekommen sehr viel Zuneigung, wenn sie schreien, werden sie sofort hochgenommen und gewiegt. Meistens sind sie auch mit den Erwachsenen in einem Raum, dadurch werden sie akustisch immer wieder stimuliert, was sich positiv auf die Sprachentwicklung auswirkt.

„.eine ausgeprägte akustische Stimulation ist eine wichtige Voraussetzung für die Sprachentwicklung und häufige akustische Stimulation fördert sie.“ (U.Scheu 1977, S.60)

In der Stillzeit drücken sich die ersten geschlechtlichen Unterschiede aus:

Die Söhne werden 2-3 Jahre gestillt, damit sie später körperlich kräftig werden. Bei den Mädchen beträgt die Stillzeit nur 12 bis 18 Monate, denn sie stehen später sowieso unter dem Schutz des Mannes.

Die meisten Kinder werden in arabischen Ländern nicht pädagogisch gefördert, da es so gut wie keine Kindergärten gibt. Die Kinder spielen zusammen im

Hause oder auf der Straße, wobei keine Unterschiede im Alter gemacht werden, sondern die größeren Kinder spielen mit den kleineren Kindern. Kinder aus ärmeren Schichten haben kaum Spielzeug. Sie basteln sich selber etwas aus Schachteln und Papier oder spielen auf der Straße mit Freunden: Wettspiele, Spiele mit Steinen oder Fußbällen aus Stoff. Meistens spielen mehrere Kinder miteinander. Nur Kinder aus gebildeten Schichten bekommen auch pädagogisches Spielzeug, z. B. Lego, Autos, Baukästen usw.. Ansonsten kümmern sich die Erwachsenen in diesem Alter nicht soviel um die Kinder; in den meisten Fällen werden sie von ihren älteren Geschwistern beaufsichtigt und betreut.

Als Erziehungsmittel werden in den unteren Schichten immer noch Schläge mit Gegenständen, z. B. Stock oder Gürtel eingesetzt. In gebildeteren Familien werden Warnungen und Verbote verbal erteilt, aber auch hier kommt es vor, dass Schläge ausgeteilt werden, allerdings nicht mit solch großer Härte. Der Respekt und die Achtung vor den Eltern ist so groß, dass die Kinder es nicht wagen sich gegen die Erziehungsmittel (Schläge) aufzulehnen.

Die weitere Erziehung der Söhne wird in den Familien vom Vater übernommen. Der Respekt der Söhne vor ihm verstärkt sich, denn sie spüren seine Autorität und sind bestrebt ihm nachzueifern.

Der Vater unterstützt diese Bemühungen und nimmt die Söhne, z. B. ins Teehaus oder zu Behörden mit. Die Söhne, ihrerseits, hören und beachten die Ratschläge des Vaters, denn für ihn sind sie jetzt Männer. Der Vater überträgt ihnen die Verantwortung für die alle weiblichen Personen sowie für die Haushaltsführung, wenn er nicht zu Hause ist. Auf diese Weise lernen die Söhne früh Verantwortung zu übernehmen, die später, wenn sie selber verheiratet sind, von ihnen verlangt wird. Ihre eigenen Probleme versuchen die Söhne selber zu lösen oder die Mutter oder ein anderes Familienmitglied werden zu Rate gezogen. An die Väter wenden sie sich nicht, denn er genießt zu viel Autorität, um in seinen Augen schwach und hilflos zu gelten, was für ein Mann eine Schande wäre.

Die Erziehung der Tochter übernimmt weiterhin die Mutter. Der Vater distanziert sich in der Pubertät von ihr und achtet darauf, dass sie keine Schande ins Haus bringt sondern sich moralisch verhält. Ihre Arbeiten beschränken sich auf den Haushalt. Selbst wenn die Tochter eine höhere Schule besucht, muss sie

Haushaltsarbeiten verrichten, von denen der Bruder verschont bleibt. Sie wird dazu erzogen, später eine Ehefrau zu sein: die Hausarbeit zu erledigen, Kinder zu gebären und ihrem Ehemann eine gehorsame Frau zu sein.

Da eine Frau in der arabischen Welt mit 30 Jahren schon als alt angesehen wird, versuchen die Eltern möglichst früh einen Mann für sie zu finden. Von Liebe wird bei solchen arrangierten Beziehungen kaum gesprochen, denn es ist nur wichtig, sie zu verheiraten solange sie noch jung und jungfräulich ist.

„Ihr Wert ist am höchsten, solange sie „neu“, also jung und jungfräulich sind und ersinkt mit jedem Gebrauch: Geschlechtsverkehr und Ehe machen die Frau zu Gebrauchtwaren, zu Frauen aus zweiter Hand.“ (N. el Saadawi 1980, S. 79).

Da die Ausbildung eines Mannes besonders in den Städten eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, bevor er genügend Geld zum Heiraten hat, besteht für das Mädchen kaum die Möglichkeit, einen Mann in ihrem Alter zu heiraten sondern sie wird entweder mit einem älteren Mann vermählt, der sie unterhält oder mit einem Verwandten, den die Familie schon kennt, z. B. einem Cousin. Unter diesen Umständen ist gewährleistet, dass das Vermögen der Familie innerhalb der Verwandtschaft bleibt. Im Islam soll zwar gewährt sein, dass sich die Ehegatten in Liebe und Zärtlichkeit nähern, was bei arrangierten Ehen aber selten der Fall ist.

„Wahre Liebe bedeutet auch, zu nehmen und zu geben. Das ist jedoch nur in einer Situation des Gleichgewichts, der Gleichberechtigung zwischen den Partnern möglich, denn zwischen Sklaven und Herrn kann ein solcher Austausch nicht stattfinden.“ (N. el Saadawi 1980, S. 77).

Der Islam schreibt vor, dass den Kindern die Ehe nicht aufgezwungen werden darf. Im Hadith wird über Mohammed und seiner Tochter Fatima berichtet:

„dass der Prophet seine Tochter Fatima jedes Mal, wenn ein Bewerber um ihre Hand anhielt, zu fragen pflegte, ob sie damit einverstanden sei, aber erst, als Ali, der spätere vierte Kalif, um sie warb, gab sie ihre ablehnende Haltung auf.“ (H. Hübsch 1989, S.148)

In den Rechtsschulen gehen die Meinungen der Selbstbestimmung auseinander. Nach der Rechtsschule des Abu Hanifa darf die Frau den Mann vor der Heirat sehen und selbst entscheiden, ob sie ihn als Ehepartner akzeptiert (z. B. in Ägypten). Die Schulen von Al-Shafii und Malik halten das Einverständnis der Eltern für durchaus wichtig (z.B. Israel, Jordanien und Syrien). Der Islam und

die Schule von Abu Hanifa plädieren zwar für mehr Mitspracherecht der Frau bei der Partnerwahl, jedoch stehen Tradition und die Autorität der Eltern diesem im Weg. Allerdings gibt es auch eine Veränderung in den Großstädten, wo die Frauen zunehmend einer Arbeit nachgehen oder die Universität besuchen. Hier ist die Kontrolle der Eltern nicht mehr so gewährleistet, auf diese Weise entstehen auch Liebesbeziehungen, die zu einer Ehe führen. Sie sind allerdings die Ausnahme und nicht die Regel.

2.2.1 Exkurs: die Schule in arabischen Ländern

Das Schulsystem in den arabischen Ländern ist nicht nach pädagogischen Maßstäben aufgebaut sondern nach Autorität. Die Schüler haben dem Lehrer absoluten Gehorsam zu leisten. Selbst für kleinste Vergehen, z. B. nicht gemachte Hausaufgaben werden die Schüler meistens durch Schläge bestraft. Der Schüler muss nach vorne ans Lehrerpult kommen und bekommt Stockschläge auf die ausgestreckte Hand. Sollte ein Schüler wagen dem Lehrer zu widersprechen, muss er während der ganzen Schulstunde in der Ecke stehen.

Der Unterrichtsstoff wird häufig nicht Form von Diskussionen oder Mitarbeit der Schüler vermittelt sondern durch Auswendiglernen; dieses gilt besonders für den Koranunterricht. Von der ersten Klasse bis zum Abitur wird der Koran in Form von Auswendiglernen vermittelt; Erklärungen seitens der Lehrer finden nicht statt. Dennoch versuchen die meisten Schüler gut zu lernen, um später studieren zu können oder ins Ausland zu gehen. Oft ist es ihre einzige Chance der Armut und der politischen Instabilität zu entfliehen.

2.2.2 Frauenbilder der arabischen Männer

In der arabischen Gesellschaft existieren drei Frauenbilder: zum einen die gehorsame und treue Mutter und Ehegattin; die romantische Geliebte sowie die Ausländerin, d. h. die Fremde in westlichen Filmen und Werbespots.

Durch die Geschlechtertrennung, die sich durch fast alle Bereiche des arabischen Alltags zieht, haben die Männer kaum Gelegenheit Frauen unbefangen kennen zu lernen. Die einzigen Frauen, mit denen der unverheiratete Mann in Kontakt kommt, sind seine Mutter, seine Schwestern und weibliche Verwandte.

Seine erotischen Phantasien werden so auf Frauen projiziert, die für ihn unerreichbar sind, das können Bauchtänzerinnen oder Schauspielerinnen aber

auch reale Frauen, z.B. die Nachbarinnen sein. Letztere wissen meistens nichts von seiner Liebe, denn oft werden sie nur aus der Ferne begehrt.

„Die geringen Chancen der Vereinigung mit einer phantasierten Geliebten verstärkt die Hemmungen und Unterdrückung der Gefühle...“(B. Hecht-El Minshawi 1988, S. 218).

Die Mutter ist diejenige, die für den Sohn eine „passende“ Frau aussucht. Kommt so eine arrangierte Ehe zustande, kann die Frau meistens nicht mit der Liebe be des Mannes rechnen, da sie einer anderen Frau gehört. Zählen seine Eltern zur gebildeten Schicht, die ihm die Wahl der Frau überlassen, wird er auf andere Vorzüge der Frau achten, z. B. ob sie noch Jungfrau ist, anständig und tugendhaft. Die Liebe wird für ihn eine untergeordnete Rolle spielen. Die Geliebte wird zwar sehnsüchtig begehrt, jedoch nur die keusche Frau genießt die Akzeptanz der Familie und der Gesellschaft.

Das dritte Frauenbild ist das der Ausländerin, der Fremden. Ihr Bild tritt entweder durch das Fernsehen in die arabische Welt oder durch die Ausländerinnen, die in dem Land leben. Einerseits gelten sie als interessant und begehrenswert, da sie anders sind als die einheimischen Frauen, andererseits wird die Fremdheit mit Misstrauen und Hemmungen betrachtet. Eine Ehe mit einer Ausländerin, obwohl sie im Koran erlaubt ist, wird sehr selten in der arabischen Heimat des Mannes geschlossen.

Dieses Bild, aus Misstrauen und Interesse, begleitet die Männer, wenn sie in den westlichen Kulturkreis treten und den dortigen Frauen gegenüber stehen. Mit dem Austritt aus ihrem Kulturkreis bietet sich auch die Chance dieses geteilte Frauenbild zu revidieren, da der unmittelbare Einfluss der Eltern und der Zwang der eigenen gesellschaftlichen Normen wegfällt. Inwieweit es sich positiv oder negativ auswirkt, werde ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 63 Seiten

Details

Titel
Deutsch-Arabische Ehen. Motivationen von deutschen Frauen einen Partner aus dem arabisch-islamischen Kulturkreis zu wählen
Hochschule
Evangelische Hochschule Berlin
Veranstaltung
Projektseminar: Lebensbedingungen von Minoritäten in Deutschland im Vergleich zu anderen ausgewählten europäischen Staaten
Note
2.0
Autor
Jahr
1994
Seiten
63
Katalognummer
V55722
ISBN (eBook)
9783638506045
ISBN (Buch)
9783638693455
Dateigröße
591 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Deutsch-Arabische, Ehen, Motivationen, Frauen, Partner, Kulturkreis, Projektseminar, Lebensbedingungen, Minoritäten, Deutschland, Vergleich, Staaten
Arbeit zitieren
Diplom-Sozialarbeiterin/-pädagogin Anke Dreyer (Autor:in), 1994, Deutsch-Arabische Ehen. Motivationen von deutschen Frauen einen Partner aus dem arabisch-islamischen Kulturkreis zu wählen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55722

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