Strukturanalyse der Textsequenz „Apokalypse. Umbrisch, etwa 1490“ aus Hans Magnus Enzensbergers „Untergang der Titanic“


Seminararbeit, 2006

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Strukturanalyse:

1. Zeit

2. Figur

3. Raum

4. Erzähler

Fazit

Bibliographie

Einleitung

Hans Magnus Enzensbergers Versepos „Der Untergang der Titanic“, ein mehrschichtiges Textgefüge aus 33 Einzelbildern („Gesängen“), erschien mit 1978 genau zehn Jahre nach dem bekannt und berüchtigt gewordenen „Kursbuch 15“, mit dem Enzensberger als jener in die Literaturgeschichte eingegangen ist, der das „Sterbeglöcklein“ der Literatur eingeläutet haben soll. Diese Einschätzung hat sich in der Literaturgeschichte stichwortgebend bis heute hartnäckig gehalten[1], auch wenn sein Beitrag „Gemeinplätze, die Neueste Literatur betreffend“ den vermeintlichen „Tod der Literatur“ eher kritisch referierend diskutierte und wesentlich den Schriftsteller forderte, der sich auf das „gigantische Projekt“ einer „politischen Alphabetisierung Deutschlands“[2] und im Zuge einer auch medialen Öffnung zu Produktionsweisen gelangen kann, die eine „kritische Wechselwirkung, ein feedback zwischen Leser und Schreiber“[3] zulassen.

Enzensberger, der durch die Vermittlung von Alfred Andersch 1955 zur Redaktion des „Radio-Essay“ beim süddeutschen Rundfunks stieß, nutzte früh die Möglichkeiten zur Erprobung essayistischer Medienkritik und beleuchtete in Zeitungsartikeln, Hörfunk-Essays und programmatischen Schriften, für die er mit der Herausgabe des „Kursbuchs“[4] ein wirkungsvolles Podium geschaffen hatte, immer wieder auch die Position des Autors, der sich weder der Verantwortung einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Auswüchsen der „Bewußtseins-Industrie“[5], noch, wenn er produktiv sein will, einer Zusammenarbeit mit dem „Schrittmacher der sozio-ökonomischen Entwicklung“[6] entziehen kann. Die Bedeutung der Neuen, speziell der Elektronischen Medien[7] erkannte er früh und nutzte vielfach Formen der Intermedialität nicht nur in der Übertragung von Text zu auditivem Medium in Form von Hörspielen, sondern auch innerhalb des schriftlichen Mediums durch die Verwendung von Montagen dokumentarischer Textbestandteile[8]. Die Technik der Montage bildet auch ein wesentliches stilistisches Mittel dieses Versepos, das unter Verwendung von in den Textkorpus eingewobenen Schlagertextzitaten, Speisekartenauszügen und „Drahtnachrichten vom 15. April 1912“[9] spielerisch auf miteinander verknüpften Ebenen Variationen des Grundmotivs "Untergang" (Katastrophe, Apokalypse, Zerfall, Auflösung und Dekonstruktion) reflektiert und gleichzeitig seine dialektische Untrennbarkeit mit dem antipodischen Bild der Kreation, der künstlerischen Schöpfung demonstriert: Enzensberger thematisiert das Schöpferische am Gestalten der Destruktion als Emulgat des sich scheinbar Ausschließenden bereits in den ersten Zeilen seines als „Komödie“ deklarierten Textes: das Wort, das in der Genesis den Anfang allen Seins bildet, wird bei Enzensberger zum Geräusch, das nicht nur am Beginn des zu Erzählenden steht, sondern das Erzählen selbst formt: „Ein Knirschen. Ein Scharren ... / Das ist der Anfang. / ... Das war es. / ... Das war der Anfang. / Der Anfang vom Ende ist immer diskret“[10].

In diesen ersten Zeilen des Versepos wird ein Ich-Erzähler konstruiert[11], der im Folgenden in mehreren voneinander gelösten Sequenzen den Untergang des 1912 gesunkenen Dampfers schildert. Das Geschehen auf dem sinkenden Schiff findet jedoch auf einer Ebene statt, die einer weiteren, eigenen Zeit- und Ortsebene untergeordnet ist: der kreierte Ich-Erzähler befindet sich im winterlichen Berlin und rekonstruiert aus einer Distanz von zehn Jahren vom „kahlen Zimmer“[12] aus sein 1969 in Kuba bereits einmal geschriebenes und verschollenes Gedicht vom Untergang. Unterbrochen werden die Berliner und Titanic-Erzählebenen[13] von Textpassagen mit reflektierendem und lyrischen Charakter[14], die auf einer Mikroschicht die Gesamtstruktur des Textes zu spiegeln scheinen.

In dieser Arbeit soll anhand einer ausgewählten Textpassage, einer Sequenz mit erzählerischem Charakter aus der dritten, reflektierenden Ebene, die Komplexizität der vorliegenden Textstruktur genauer analysiert werden.

Strukturanalyse: "Apokalypse. Umbrisch, etwa 1490".

Im zweiten Gesang schiebt Hans Magnus Enzensberger als Folgebild von „Der Aufprall war federleicht" eine abgeschottete und in sich geschlossene Textsequenz ein, die scheinbar völlig verbindungslos zum zuvor berührten Geschehen an Deck der sinkenden Titanic steht: zeitlich wie örtlich lässt die Sequenz „Apokalypse. Umbrisch, etwa 1490“ das sinkende Schiff weit hinter sich. Erzählt wird eine Episode aus einem italienischen Renaissance-Maleratelier, der Leser wird Zeuge der Entstehung eines Auftragsgemäldes, einer Apokalypse. Beginnend bei zähen Vorverhandlungen, über Vorarbeiten und Skizzen hinweg bis zur Fertigstellung des Bildes wird die Genese des Gemäldes geschildert.

1. Zeit

Auffälligstes Gestaltungsmoment dieser Sequenz ist der Umgang des Erzählers mit dem Erzähltempo: Erzählzeit und erzählte Zeit klappen hier weit auseinander. Wenn auch Analepsen oder Prolepsen[15] ausgeklammert bleiben und die narrative Achse einen chronologisch linearen Verlauf aufweist, zeigt sich der Umgang mit Raffungen in diesem Abschnitt besonders auffällig:

Der Einstieg erfolgt in einem eingefangenen, im Präsens gezeigten Handlungsmoment, der Maler „holt eine große Leinwand hervor", doch innerhalb dreier Zeilen wird das Verstreichen von Wochen und Monaten in wenige Worte gefasst: er „verhandelt lang und zäh [...]. Schon wird es Winter“[16]. Dazwischengeschoben wird nur die Beschreibung des Auftraggebers, eines „geizigen Karmeliters aus den Abruzzen“. Die Raffung der verstreichenden Monate führt direkt zum nächsten Geschehensmoment, der Erstellung erster Skizzen auf „kleinen Kartons" während das Reisig "im Kamin [...] knackt". Sieben Zeilen lang verweilt der Erzähler bei dem eingefangenen Bild, um danach wieder im höchsten Erzähltempo ganze Monate einzufassen: „Er... vertrödelt / mehrere Wochen. Dann [...] ist / unterdessen Aschermittwoch geworden“.

Hier wechselt sich Gezeigtes und raffend Erzähltes ab: die Sequenzen, in denen der rasende Zeitverlauf gedrosselt wird, rücken das Geschehen im Atelier näher - die einzelnen Ereignisse[17] der Handlung werden somit als kurze Geschehensmomente im Präsens ‚gezeigt’ und mit dem schnellen Vorlauf der in höchster Knappheit gehaltenen ‚erzählten’ Zeitphasen gegengewichtet[18]. Von Ellipsen[19] im eigentlichen Sinn kann hier jedoch nicht gesprochen werden: zu eindeutig wird der Zeitwechsel benannt, er wird nicht völlig ausgespart: es „wird“ Winter, er ist nicht plötzlich da. Auch „ist / unterdessen“ Aschermittwoch geworden, doch „mehrere Wochen“ gehen dem voraus: das Bild eines schnellen Vorlaufs, einer äußersten Beschleunigung, entspricht der Erzählweise weit eher, als das Bild einer echten Aussparung oder „Leerstelle [...] in einer narrativen Sequenz“[20].

Das nächste Geschehensmoment, der Beginn der Arbeit an der Leinwand, ist gleichzeitig das längste. Die verstreichende Zeit wird anhand der einzelnen Arbeitsabschnitte deutlich, sie wird fließend, verdrängt von "Mauern, Zinnen", die zu malen sind, von „technische[n] Fragen“ und „Kompositionsprobleme[n]“.

Im Hintergrund bleibt sie als entferntes Messraster, zum Zielpunkt und die Arbeit am Werk ordnendem Termin wird der Abgabetermin, der "fest" steht: „Allerspätestens Allerseelen“. Zwischen Aschermittwoch und Allerseelen wird somit die hauptsächliche Arbeit am Bild geleistet. Die währenddessen verstreichende Zeit wird erst im Augenblick, als die „schaumigen Lichter" des „wütende[n] Meeres“ gemalt werden und der Kontrast zur Umwelt zu Tage kommt, bewusst gemacht: das Wüten und Toben entsteht auf der Leinwand, während „draußen, mitten im Juli" sich auf dem „staubigen Platz“ nichts regt. Als "böse Ewigkeit" und Zeitstarre hält die sommerliche Hitze das Geschehen an: „Alles [...] / steht starr da“, „nur das Bild nicht“. Hier zeigt die Umwelt eine trügerische Vorspiegelung von stehen bleibender Zeit, einer äußerlichen und nur scheinbaren temporalen Dehnung, die der Zeitmesser Leinwand zuversichtlicher aufdeckt. Die letzten Wochen bis zur Fertigstellung des Bildes verstreichen, während „stahlblaue“ Schatten gesetzt werden - bis schließlich draußen der "erste Herbstregen“ zum Fest „rauscht“, das der Maler zur Feier der Beendigung veranstaltet. Während die Erzählzeit dieser Textsequenz selbst bei langsamem Lesen kaum eine bis zwei Minuten übersteigt, spannt die erzählte Zeit einen Handlungsbogen über beinahe ein ganzes Jahr - vom Spätherbst bis zum ersten Herbstregen - indem sie Phasen aneinanderfügt, die den Entstehungsabschnitten eines Gemäldes folgen und die jeweiligen Abschnitte durch Orientierungspunkte in den chronologischen Ablauf ordnet: Orientierungen des christlichen Kalenders und die Veränderungen der Jahreszeiten geben bei den jeweiligen Abschnitten die äußerlichen Anhaltspunkte zur Einordnung in den Zeitverlauf. Die einzelnen Phasen selbst bleiben dabei an die Genese des Ölgemäldes gebunden: Vorverhandlungen - Grundierung der Leinwand und erste Skizzen - Beginn der Arbeit an der Leinwand selbst - das Setzen von Lichtern und Figuren in die gemalte Landschaft und schließlich die Vollendung des Werks mit abschließender Feier bilden die vom äußeren Zeitrahmen eines ganzen verstreichenden Jahres eingefassten Handlungsmomente.

Der Zusammenfluss ganzer Wochen und Monate zu wenigen Zeilen ergibt somit auch inhaltlich eine Äquivalenz zum flüssigen Aggregatzustand des verarbeiteten Materials Ölfarbe und dem Bild von der Leinwand als zuverlässigerem Zeitmesser, dessen nur scheinbares Erstarren in der künstlerischen Mimese der Bewegung (und nebenher durch die Provokation von Bewegung in der künstlerischen Produktion Regsamkeit verursachendes Prinzip) sich in Kontrast stellt zur Erstarrung der sommerlichen Brühwärme und der Leblosigkeit der Welt außerhalb der Werkstatt.

Damit verbunden ist auch die Wahl der beiden – die Hauptschaffensphase einrahmenden – einzigen direkt genannten Tageszeiten: der Maler „taucht [...] in aller Frühe“ den Pinsel in die Farbe, um mit dem Bild zu beginnen und lädt „für den [...] Abend“ zur Feier ein. Dazwischen steht die Schilderung der mittäglichen Hitze, wodurch sich eine Zeitstruktur ergibt, die Bildentstehung nicht nur in Bezug zu den vier Jahreszeiten setzt (im „Winter“ die zögerlichen Vorarbeiten, nach „Mariä Lichtmeß“ der erste Pinselstrich, im „Juli“ die Hochphase und „Herbstregen“ zur abendlichen Feier), sondern auch die Binnenstruktur der eigentlichen Werkentstehung durch „früher Morgen“, sengende Mittagsstille und „Abend“ zum Verlauf eines ganzen Tages parallel gestaltet, wobei die für die Malerei relevanten hellen Jahres- wie auch Tageszeiten die produktive Klammer bilden.

[...]


[1] So beispielweise selbst 1981 noch bei Götz Müller S.254. Eine Korrektur des pauschalen Stichwortgebrauchs erfährt die Beschreibung 68-er Phase Enzensbergers bei Baumann 2003, S. 309. Bewusst unklar verbleibt der Vermerk hierzu bei Frank Dierschreit (2004), indem er bei dem Zitat vom ausgerufenen „Tod der Literatur“ auf den Stichwortgeber Walter Boehlich verweist (somit Enzensberger ais der Diskussion heraushaltend) und bei der Legende von der Proklamation des Ablebens verbleibt, bei der Gelegenheit gleich das ganze Kursbuch 15 als abstrakten Proklamateur bezeichnend. Beides geht an der Aussage der „Gemeinplätze“ vorbei, auf denen die Legende selbst schließlich beruht.

[2] Enzensberger 1968, S. 197.

[3] Enzensberger 1968, A.a.o.

[4] Hans Magnus Enzensberger war Begründer und ab Herausgeber des „Kursbuchs“ seit 1965. Die Zeitschrift erschien viermal jährlich bis 1970 im Suhrkamp Verlag. Nachdem Spannungen zwischen Verlag und Enzensberger auftauchten, konnte das Kursbuch 21 mit dem angekündigten Thema „Kapitalismus in der BRD“ nicht mehr bei Suhrkamp erscheinen. Enzensberger gab es danach im eigens hierfür gegründeten Wagenbach-Verlag heraus (vgl. Jörg Laus Biographie Enzensbergers).

[5] Unter diesem Titel war bereits 1962 eine Auswahl medien- und kulturkritischer kritischer Essays Enzensbergers erschienen. Im „Baukasten zu einer Theorie der Medien“, den Enzensberger 1970 im Kursbuch 20 veröffentlichte, griff er den auf Adornos „Kulturindustrie“ zurückgehenden Begriff wieder auf.

[6] Enzensberger 1970, S. 159.

[7] vgl. Enzensberger 1970, S. 159, 167.

[8] So basiert beispielsweise sein 1970 als Text wie als Hörspiel erschienenes Stück „Das Verhör von Habana“ auf dokumentarischem Material. Die authentischen Verhörprotokolle, die die Grundlage des Stücks bilden, hatte Enzensberger von seinem Kubaaufenthalt 1968/1969 mitgebracht. Vgl. Hübner 1989, S. 223. Auf die Verwendung von Montage und Collage in den Hörspielen geht Michael Töteberg näher ein (Töteberg 1985, S. 56-57).

[9] Enzensberger 1981, S.63.

[10] Enzensberger 1981, S.7.

[11] Die Genese des Ich-Erzählers in den Zeilen „Einer horcht. ... / Er hört sich / ... der da sagt: das muß ich sein. / Ich warte“ (Enzensberger 1981, S.7) schildert Hans-Thies Lehmann detailliert als „Taufe“ von Text und Ich (Lehmann 1984, S.318-319).

[12] Enzensberger 1981, S. 26.

[13] Die Berliner Handlungsebene ist mit der Ebene der Erinnerung an Kuba so stark verknüpft, dass sie zusammen als eine Textebeneneinheit (bestehend aus Rahmen und Bild) gesehen werden können. Mit der Ebene des Geschehens auf dem Schiff als eine eigenständige Schichteinheit und der Ebene der reflexiven Zwischensequenzen lassen sich somit drei Niveaus in der Erzählung ausmachen. Die Forschung urteilt hier sehr divergent: während Hans-Thies Lehmann von 6 Ebenen ausgeht, zu denen er die einzelnen Gesänge und ihre Zwischensequenzen nach thematischen Gesichtspunkten gruppiert (vgl. Lehmann 1984, S. 315-316), erkennt Wolfram-Mate Fues vier Ebenen, grenzt sich aber in seinem Beitrag durch andere Paradigmensetzung von dem von ihm zitierten Benjamin Heinrich ab, der ebenfalls vier Schichten voneinander trennt (vlg. Fues 1995, S. 73). Er verweist darauf, dass Frank und Barbara Dierschreit in ihrem Metzler/Realien-Beitrag zum „Untergang der Titanic“ Lehmanns Unterteilung in sechs Themengruppen zwar genau befolgen, ihre Quelle allerdings ungenannt lassen (vgl. Fues 1995, S. 119 und Dierschreit 1986, S. 120-123). Hier findet sich in der Tat eine angesichts der – dem Stoff adäquaten – fachlichen Divergenz und Breite der Positionen eine erstaunliche Übereinstimmung: Lehmanns Versuch einer Einordnung wird bis in die Aufzählung der einzelnen Gesänge hinein exakt übernommen. Ursula Reinhold dagegen gliedert in zwei strukturelle Hauptebenen (Schiffsuntergang und Überlieferungsgeschichte), deren Spiegelungen „aus den verschiedenen Perspektiven“ sie zur Andeutung ihrer weiteren, flexibel rezipierbaren Untergliederbarkeit benennt (vgl. Reinhold 1981, S. 121). Götz Müller orientiert sich bei seiner Einteilung an Zeitebene und Handlungsort, wodurch er zu einer Dreiteilung kommt (Schiffsuntergang 1912, Kuba 1969, Berlin 1977). In seinem Modell bleibt die reflexive Ebene allerdings strukturell ausgespart, obwohl er dieser dem Zeitgerüst enthobenen Szenenschicht bei der inhaltlichen Interpretation eine hohe Gewichtung beimisst (vgl. Müller 1981, S. 259). Klaus Hübner schließlich lehnt sich teilweise an Lehmanns Strukturierung an, gliedert jedoch schließlich in vier ebenfalls nach Themen geordnete Gebiete, an die er das Schlussfazit als abgesetzte fünfte Einheit anheftet (Hübner 1989, S 223).

[14] Die Gattungszugehörigkeit des poetischen Geflechts ist in der wissenschaftlichen Diskussion nicht genau geklärt - die Auffassungen hierüber changieren zum Teil auch innerhalb einzelner Beiträge: so spricht Hans-Thies Lehmann auf S. 314-315 vom „lyrischen Ich“, „lyrischen Reflexionen“ und „Erzähler“ und stellt auf S. 316 fest: „die Einheit seines Text-Schiffs ist lyrisch und gedanklich, nicht narrativ“ (Lehmann 1984). Argumentativ stützt er sich dabei v.a. auf die Abgeschlossenheit der einzelnen Passagen und auf Enzensbergers eigene Präferenz der „spezifisch modernen“ Montage vor der traditionellen „erzählerischen Absicht“ (Enzensberger, zit. n. Lehmann 1984, S.316). Ursula Reinhold spricht vom „dramatisch-szenischen, lyrischen oder balladesken Charakter“ der 33 Gesänge (Reinhold 1981, S. 121), Wolfram-Malte Fues von „Poem“ und „Ballade“ (Fues 1995, S. 119 und 77), Nicolas Born vom „durchkalkulierte[n] poetische[n] Projekt“ (zit. nach Fues 1995, S. 74), Manfred Koch von „beherzte[r] Mischung der Gattungen: Epik, Lyrik, Drama (Komödie), philosophisches Fragment“ (Koch 1997, S. 284), Götz Müller schlicht vom „Gedicht“ (Müller 1981, S. 254).

[15] Analepse und Prolepse werden von Genette als die wichtigsten Abweichungen von der Handlungschronologie betrachtet (vgl. Vogt 1999, S. 298). Sein Begiff von Vorwegnahme und Rückwendung als Merkmal einer Anachronie wird hier zugrunde gelegt.

[16] Enzensberger 1981, S. 12. Alle folgenden Zitate des untersuchten Textes entstammen ausschließlich den Seiten 12-13.

[17] Der Begriff ´Ereignis ` steht hier für den „Übergang von einem Zustand in einen anderen [...] innerhalb einer Erzählung“ (Hawthorn 1994, S.81).

[18] Gérard Genette verwendet für ´raffend Erzähltes` und ´Gezeigtes` die Begriffe „Summary“ (stark geraffter Bericht) und „Szene“ (zeitdeckende szenische Gestaltung, vgl. Arnold 1996, S.298). Jeremy Hawthorn verwendet in seinem – aus dem Englischen übersetzten – Handbuch „Grundbegriffe moderner Literaturtheorie“ für dieselben Termini Genettes die französischen Originalbegriffe „scéne“ und „récit sommaire“, wobei letzteres in der Übersetzung zur „summarischen Darstellung“ wird (Hawthorn 1994, S. 88).

[19] Zur Definition der Ellipse als „Aussparung eines Zeitraums“ bei Lämmert und Genette vgl. Arnold 1996, s.297-298.

[20] Diesen Vorschlag zur Definition der Ellipse liefert Jeremy Hawthorn, verweist aber darauf, dass „Theoretiker wie Roman Ingarden und Wolfgang Iser auf Leerstellen und Unbestimmtheiten hingewiesen [haben], die sich in einem literarischen Werk immer finden und die der Leser ausfüllen [...] muss (Hawthorn 1994, S.77).

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Strukturanalyse der Textsequenz „Apokalypse. Umbrisch, etwa 1490“ aus Hans Magnus Enzensbergers „Untergang der Titanic“
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie)
Veranstaltung
PS zu Textanalyse und Texttheorie
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V55667
ISBN (eBook)
9783638505567
ISBN (Buch)
9783638820004
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit untersucht eine Sequenz aus Enzensbergers "Untergang der Titanic" auf strukturelle Auffälligkeiten: die Thematik des Zusammenhangs zwischen dem Untergangsmotiv und dem Schöpferischen Akt - der Einzelsequenz wie dem gesamten Textkorpus gemeinsam - wird am Beispiel der geschilderten Bildgenese in einer Malerwerkstatt unter den Aspekten Zeitaufbau/Figurzeichnung/Ortschilderung herausgearbeitet. Weitere Infos zur Autorin: http://strajk.de/anna/vita.html
Schlagworte
Strukturanalyse, Textsequenz, Umbrisch, Hans, Magnus, Enzensbergers, Titanic“, Textanalyse, Texttheorie
Arbeit zitieren
Anna Panek (Autor:in), 2006, Strukturanalyse der Textsequenz „Apokalypse. Umbrisch, etwa 1490“ aus Hans Magnus Enzensbergers „Untergang der Titanic“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55667

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