Clifford Brown: Arbeitsweise und Meisterwerke eines Jazztrompeters


Diplomarbeit, 2000

89 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abschnitt 1: Einleitung

Abschnitt 2: Lebensweg und Schaffensperiode
1. Kindheit und Ausbildungsjahre
1.1. Jugendzeit
1.2. Ausbildung an der Howard-High-School
1.3. Schulische Ausbildung in Philadelphia
1.4. Begegnung mit Fats Navarro
1.5. Schicksalhafte Begebenheiten
2. Karriere als Jazzmusiker
2.1. Erstes Projekt mit „Chris Powell and the Blue Flames“
2.2. Zusammenarbeit mit Tadd Dameron
2.3. Europatournee mit Lionel Hampton
2.3.1. Brownie und Art Farmer
2.3.2. Aufnahmesessions während der Zeit in Paris
2.4. Art Blakey und Clifford Brown
3. Das legendäre „Clifford Brown - Max Roach Quintet“
3.1. Entstehung und Anfangszeit des Quintetts
3.1.1. Personelle Umstrukturierung
3.2. Erste Aufnahmesessions mit dem „Brown - Roach Quintet“
3.3. Höhepunkt des „Clifford Brown - Max Roach Quintet“
3.4. Personelle Veränderung im Quintett
3.5. Letzte Tournee für das „Brown - Roach Quintet“

Abschnitt 3: Arbeitsweise und Übungsmethoden von Clifford Brown
1. Instrumentenspezifische Übungstechniken
1.1. Warm-Up Übungen
1.1.1. Luft- und Zungentechnische Übungsmethoden
1.1.2. „Buzzing“ mit dem Mundstück
1.2. Non-pressure-System
2. Übungstechnische Aspekte zum Thema Improvisation
2.1. Klavier als Hilfsmittel
2.1.1. Schulung des Gehörs
2.1.2. Anfertigen von Arrangements und Kompositionen
2.2. Tonaufnahmen seiner Übungsphasen
3. Analyse der Arbeitsweise anhand von Übungstapes
3.1. Üben im Kontext mit Jazzstandards
3.2. Transpositionen
3.3. Entwicklung von Melodiephrasen und verschiedenen Artikulation
3.4. Timing (innerer Puls)

Abschnitt 4: Analytische Betrachtungsweise von Solotranskriptionen
1. Quellenangabe
1.1. Jazzstandard: „Jordu“
1.2. Jazzstandard: „Walkin´“
2. Analyse der Melodie
2.1. Verwendung von Ornamentik
2.2. Tonumspielung
2.3. Artikulation
2.4. False Fingering
2.5. Tonumfang
2.6. Tonhöhenveränderungen
2.7. Blue Note
2.8. Melodiepattern
3. Analyse der Rhythmik
3.1. Triolische Figuren
3.2. Doubletime-Pattern
3.3. Rhythmische Verschiebung
3.4. Rhythmuspattern
4. Analyse der Harmonik
4.1. Skalen
4.1.1. Bebopskala
4.1.2. Verminderte Skala
4.1.3. Bluesskala
4.2. Akkorde
4.2.1. Umspielungen
4.2.2. Erweiterungen
4.3. Ersatzkadenz

Abschnitt 5:
Schlussbemerkung
Anhang: Discographie, Literaturverzeichnis, CD-Index

Vorwort:

Diese vorliegende Diplomarbeit stellt den Abschluss meines Studiums am Richard-Strauss-Konservatorium dar. Hierbei habe ich mich zu einem Thema entschlossen, das mich durch mein ganzes Studium begleitet hat. Da Clifford Brown für mich zu den wichtigsten Jazztrompetern zählt, befasste ich mich schon seit längerem mit seinen Improvisationen und Kompositionen. Die daraus gewonnen Erkenntnisse versuchte ich in dieser Diplomarbeit zu verarbeiten.

Auf der beigefügten CD befinden sich einige Klangbeispiele, die dabei helfen sollen, die Spielweise von Clifford Brown näher zu verdeutlichen. Die Tonbeispiele sind im Text durch Markierungen (z.B. CD 1) gekennzeichnet. Im Anhang befindet sich der zugehörige CD-Index.

Die besprochene Literatur über Clifford Brown ist vorwiegend in englischer Sprache verfasst, deshalb sind die Zitate ebenfalls in englischer Sprache, außer der Verfasser hat die Zitate schon übersetzt.

Im Folgenden möchte ich die verwendeten Abkürzungen, die im Text vorkommen näher erläutern:

tp = Trompete; tb = Posaune; as = Altsaxophon; ts = Tenorsaxophon;

bar = Baritonsaxophon; p = Klavier; b = Bass; d = Schlagzeug; g = Gitarre;

arr = Arrangeur

Diese Diplomarbeit hat mir bei meiner Tätigkeit als Jazztrompeter wieder neue Wege und Ziele aufgezeigt. Bei der Erarbeitung dieses Themas sind einzelne Fragen und Probleme aufgetreten, bei denen mir einige Personen geholfen haben, denen ich meinen Dank aussprechen möchte:

- Meinen beiden Hauptfachlehrern Claus Reichstaller und Wolfgang Guggenberger für die fachlichen Fragen zum Instrument
- Thomas Zoller für die Hilfe bei der Erstellung des Themas
- Frau Bianca Bodalia für die Verschiebung des Abgabetermins
- Meinen Freunden Georg Alkofer, Florian Busch und Christian Ludwig Maier für die Begleitung bei der Diplomarbeit
- Meinen Eltern Erwin und Brigitte Greiner für ihr Vertrauen
- Dem Jazzarchiv Darmstadt für die freundliche Zuverfügungstellung wissenschaftlichen Materials

München, den 25.04.01

Abschnitt1: Einleitung

Der Einfluss von Clifford Brown auf die Geschichte der Jazztrompete wird meist völlig unterschätzt. Fragt man aber die Jazztrompeter, so wird klar, dass die meisten der heute aktiven Spieler dieses Instruments sehr stark von ihm beeinflusst sind. Man muss nur die Interviews mit Musikern wie Freddie Hubbard, Wynton Marsalis, Woody Shaw, Red Rodney, Randy Brecker oder den ganz neu aufkommenden jungen Trompetern lesen.

Als der erst fünfundzwanzig Jahre alte Trompeter Clifford Brown 1956 bei einem Autounfall ums Leben kam, fand die Karriere von einem der vollkom- mensten Trompeter, die der moderne Jazz je hatte, ein jähes Ende. Gleichzeitig bedeutete dies auch das Ende jener Band, die mit ungeheurem Feuer und ebenso unbedingtem Formwillen und intellektueller Disziplin dabei war, dem schwar- zen Bebop-Erbe die Führung im Jazz zurückzuerobern, was die Hervorbringun- gen des West Coast Jazz als blutleere Spielereien erscheinen ließ.

Mit dem Tod von Clifford Brown begann eigentlich auch ein neues Kapitel in der Stilgeschichte des Jazz. Schon kurze Zeit darauf schrieben die Kritiker, mit diesem „Clifford Brown - Max Roach Quintet“ sei eine neue stilistische Epoche des Jazz eingeleitet worden. Man nannte sie Hard Bop, weil man - wie schon so oft - kein besseres Wort zur Hand hatte.

Die Combo, die der junge Trompeter Clifford Brown zusammen mit dem vielleicht besten Schlagzeuger der Jazzmusik Max Roach leitete, kümmerte sich nicht mehr viel um die Stilideale des Cool Jazz, der bis dahin geherrscht hatte - um die Reserviertheit des Ausdrucks, die kühle Verfremdung der Tonbildung und die leise, intime Versponnenheit der Melodien; sie blies und trommelte in der besten Tradition der heißen Expressivität des Bebop.

Ihre Musik leitet nicht eine einfache Renaissance des Bobop ein, sie verschmolz bekannte Stilmittel des Bebop, des Cool Jazz und der Musik Harlems zu einer neuen, von starken Persönlichkeiten gestalten Synthese.

Abschnitt 2: Lebensweg und Schaffensperiode

1. Kindheit und Ausbildungsjahre

1.1. Jugendzeit

Clifford Brown wurde am 30. Oktober 1930 als Sohn von Joe und Estella Brown in Delawere´s East Side geboren. Clifford war das jüngste von 8 Kin- dern, welche alle musikbegeistert waren oder selbst musikalisch tätig waren. Vater Joe, der selber ein Amateurmusiker war, versuchte seinen Kindern die Welt der Musik näher zu bringen, so gründete er z. B. mit seinen Söhnen ein Vokal-Quartett. Marie, die älteste Tochter, wurde sogar später als Solistin an der Mt. Carmel Church verpflichtet.

Natürlich gab es im Haus Brown auch ein Klavier, welches jedes Familienmit- glied mehr oder weniger spielen konnte. Neben dem Klavier gab es auch noch andere Instrumente, die Joe Brown im Laufe der Jahre angesammelt hatte. Der junge Clifford war von diesen Instrumenten sehr angetan, von einem aber ganz besonders, der silbern glänzenden Trompete1. Die ersten Schritte auf dem Instrument brachten sich sein Bruder und Clifford selber bei. Später jedoch verlor sein Bruder die Lust am Trompete spielen und hörte damit auf. Clifford blieb bei seiner Trompete und machte riesige Fortschritte. Der Vater bemerkte Brownies Musikalität und Freude, die er auf diesem Instrument ausstrahlte und schickte ihn mit seinen 12 Jahren zu einem in der Stadt lebenden Jazzmusiker und Lehrer, Mr. Robert „Boysie“ Lowery.

1.2. Ausbildung and der Howard-High-School

Clifford Brown wurde von Lowery durch eine ganz bestimmte Art und Weise ausgebildet. Wie er nach Jahren selbst erklärt, hat er nicht wie gewöhnlich mit einer Trompetenschule begonnen. Boysie Lowery hat ihm zu Beginn beigebracht, sein Gehör richtig einzusetzen. Lowery selbst: „The most important thing is to be able to hear. I know a lot of guys that have been to college, but they don’t have what it takes to improvise. They can´t hear. You´ve got to be able to hear things before you can do them .“2

Lowery lehrte seinen Schülern die Akkorde und Akkordwechsel zu hören und im Anschluss daran zu improvisieren. Diese Methode fördert die Kreativität und Freiheit des Schülers Clifford Brown. Ein weiterer Lehrinhalt war das Aufneh- men der Übungsstunde mit einem Rekorder. Brownie nutzte diese Technik als einer der ersten Jazzmusiker und führte sie in seiner ganzen Karriere weiter. Lowery sagte später über Brownie: „ All he needed was the right person, and I think I was the one at the time“3

Clifford Brown war aber nicht der beste Schüler von Lowery, wie man meinen könnte. Sein schneller Fortschritt ist auf seine Entschlossenheit und seine Willenskraft zurückzuführen.

Clifford Brown spielte in seiner Schulzeit in einer Jazz-Formation Namens „The Little Dukes“. Diese Gruppe junger Musiker begann schnell zu wachsen und spielte zahlreiche Auftritte im Raum Wilmington.

Mit 15 kam er auf die Highschool, wo sich sein musikalischer Horizont noch weiter ausdehnte. Harry Andrews und Sam Wooding, die Musiklehrer der Schule öffneten dem jungen Clifford die Welt der klassischen Musik. Andrews arbeitet mit Clifford an einer klassik-orientierten Schule Namens „Arban´s Method“.

Brownie spielte zu dieser Zeit mit sehr viel Druck auf den Lippen, deshalb ver- suchte Andrews seinen Ansatz auf das non-pressure System umzustellen.

Clifford Brown verschaffte sich durch die Ausbildung bei Andrews eine größere Flexibilität und Ausdauer. Sein Sound wurde durch die klassische Ausbildung noch runder und schöner.

1.3. Schulische Ausbildung in Philadelphia

Clifford arbeitete sich in der Highschool als führender Lead-Trompeter sehr schnell voran. Doch nicht nur im Fach Musik war er sehr begabt, sondern auch in Mathematik. Im Jahre 1948 matrikulierte Clifford an dem Delaware State College. Da es zu dieser Zeit keine Musikabteilung gab, schrieb er sich in den mathematischen Zweig ein.

Brownie spielte zu dieser Zeit hauptsächlich in Bands, die in Philadelphia tour- ten. Philadelphia war in der aufkommenden Bebop Zeit 1940 eine der wichtigs- ten Städte neben New York. Die Liste der Musiker die in dieser Stadt groß ge- worden sind ist lang: Benny Golson, Philly Joe Jones, Lee Morgan, Red Rodney sind nur einige.4 So kam es auch, dass Brownie sein erstes Idol ganz nah zu Gesicht bekam: Fats Navarro.

1.4. Begegnung mit Fats Navarro

Fats Navarro wurde am 24. Sept. 1923 in Key West geboren. Seine ersten Gigs spielte er mit der Andy Kirk Band von 1943-1944. 1945 ersetzte Navarro den Platz von Dizzy Gillespie in der Band von Billy Eckstine. In den folgenden 1 _ Jahren entwickelte sich Fats Navarro zu einem der großen Beboptrompetern. Fliesend gespielte Achtelketten, klare Artikulation, voller Sound sind nur einige seiner wichtigen Merkmale. Im Gegensatz zu Dizzy legte er seine Schwerpunkte auf den Sound im mittleren Register der Trompete. Seine Solos waren struktu- riert und ausbalanciert. Nach seiner Zeit bei Eckstine spielte er in verschiedenen kleineren Gruppen. Zwischen 1946 und seinem Tod 1950 hat er etwa mit 150 kleineren Besetzungen Aufnahmen produziert. Unter anderem mit Kenny Clarke, Bud Powell, Charlie Parker und vielen anderen.

Clifford Brown folgte somit als 15-jähriger den Pfaden seines Meisters. Während seines Aufenthalts in Philadelphia konnte er die Auftritte von Navarro mitverfolgen und seine Phrasierung und Sound studieren. Clifford Brown wurde Jahre später gefragt, wer den sein wichtigstes Vorbild auf seinem Instrument sei. Er antwortete: „The late Fats Navarro“5

1.5. Schicksalhafte Begebenheiten

Wie bereits erwähnt, hatte Clifford Brown neben der Musik noch ein Talent: Mathematik. Es war ihm klar, dass es sehr schwer sein wird, mit Jazzmusik Geld zu verdienen. Deshalb strebte er ein Studium an, bei dem er seine Fähigkeiten verwirklichen könnte. Damit würde er genügend Geld für seine Familie verdienen, falls seine Karriere als Musiker fehlschlagen würde.

Eines Tages hatte Dizzy Gillespie mit seiner Bigband in Wilmington ein Gastspiel, bei dem auch Brownie anwesend war. Durch einen glücklichen Umstand konnte Clifford kurzfristig als Substitut von Benny Harris einspringen. Er spielte das erste Set und durfte auch einige Solos spielen. Dizzy wurde auf ihn aufmerksam und kam mit Clifford Brown in Kontakt.6

Dieses Erlebnis hatte Brownie so fasziniert, dass er beschloss, seine Karriere als Mathematiker zu beenden und sich nur noch auf die Musik zu konzentrieren.

Im Jahre 1949 ging Clifford Brown zurück auf das Maryland State College, wo er sofort in eine Jazzband der Studenten einstieg. In dieser Band konnte Brownie nun auch seine Talente als Komponist und Arrangeur ausleben. Die Maryland State Band wurde ziemlich schnell bekannt und tourte durch den gan- zen Staat.

Während einer Spritztour mit 3 Freunden kam es am 06. Juni 1950 zu einem schweren Autounfall. Zwei Insassen überlebten den Unfall nicht. Clifford Brown wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Seine Verletzungen waren so schwerwiegend, dass er für ein Jahr aus seiner musikali- schen Karriere gerissen wurde. Doch Clifford versuchte in dieser Zeit seinen Ansatz und seine Übungsphasen aufrecht zu erhalten, was ihm aber manchmal sehr schwer viel.

Anfang des Jahres 1951 war Clifford wieder gesund genug um in den Clubs von Philadelphia zu spielen. Bei einer dieser Sessions traf er im Mai 1951 Charlie Parker, mit welchem er einige Tunes spielte. Der Drummer Roy Haynes sagte zu diesem Gig später: „ I remember that he [Brownie] played a phrase and the people went crazy.”7 Auch das führende Musikmagazin Down Beat wurde ab diesem Zeitpunkt auf Brownie aufmerksam, er wurde als einer der neuen Jazz- Trompeter angekündigt.

Diese beiden Gigs mit Parker und vorher mit Gillespie spielen eine wichtige Rolle in Clifford Browns musikalischem Lebensweg, der sich ab diesem Zeitpunkt noch stärker auf seine Karriere als Jazzmusiker konzentrierte.

2. Karriere als Jazzmusiker

2.1. Erstes Projekt mit „Chris Powell and the Blue Flames“

Wie viele andere Jazzmusiker spielte auch Brownie bei kommerziellen Projekten. 1951 tourte die Band „Chris Powell and the Blue Flames” durch den Ort Wilmington. Clifford war an diesem Abend zufällig anwesend und wurde wie so schon so oft aufgefordert einige Stücke mitzuspielen. Chris Powell war begeistert und engagierte ihn für seine Band.

Während dieser Zeit tourte die Band viel im Raum Philadelphia und später in New York. Das Repertoire der Band reichte von Rhythm ´n´ Blues, Mambo, Calypso bis hin zu Jazz. Durch die Mitwirkung von Clifford Brown wurde das Programm immer jazzorientierter. Billy Taylor, der Pianist der Band „Blue Flames“ beschrieb die Entwicklung der Musik damals wie folgt: „There were groups that i would call ´pre-bop´ groups because they were playing danceable music but they were not playing rhythmically what beboppers were playing. But harmonically and melodically they were playing some of the same kind of lines”8

Während andere Jazzmusiker versuchten Dizzy Gillespie zu imitieren, entwickelte Clifford Brown seine eigene musikalische Sprache. Deutlich zu hören ist dies bei einer seiner frühen Aufnahmen mit Chris Powell bei dem Stück „I Come form Jamaica“. CD 1

Brownies Solo über diesen einfach gestrickten Calypso war sehr bluesorientiert, doch die Sequenzen von triolischen Figuren in seinem Spiel deuten auf seine eigene Bebop-Sprache hin.

Während der Zeit bei den „Blue Flames“ knüpfte Clifford Brown Kontakte zu zahlreichen wichtigen Musikern, wie z. B. Stan Getz, Benny Golson, Sonny Stitt, Gene Ammons, Red Garland usw. Durch diese Bekanntschaften mit guten Musikern entwickelte sich Clifford Brown zu einem der besten Hard-Bop Trompetern.

2.2. Zusammenarbeit mit Tadd Dameron

Clifford Brown wurde jetzt immer öfter von Musikern aus der Bebopszene gebucht um mit ihm Gigs oder Aufnahmesessions zu spielen. Doch Brownie bevorzugte einen Mann ganz besonders: Tadd Dameron und seine Band.

Tadd Dameron wurde 1917 in Cleveland geboren. Bevor er seine Musikkarriere startete studierte er Medizin. Am Höhepunkt der Schwingbands schrieb Dameron zahlreiche Arrangements und Kompositionen für Harlan Leonard, Jimmie Lunceford und Coleman Hawkins. Im aufkommenden Bebopzeitalter schrieb Tadd Dameron für Dizzy Gillespies Bigband und für seine eigene For- mationen.9

Die erste Aufnahmesession mit Clifford und „Tadd Dameron and his Orchestra“ fand am 11. Juni 1953 statt. Die Musiker waren: Clifford Brown, Idrees Sulieman (tp), Herb Mullins (tb), Gigi Gryce (as), Benny Golson (ts), Oscar Estella (bar), Tadd Dameron (p,arr.), Percy Heath (b), Philly Joe Jones (d).

Seine erste Jazzaufnahme aber spielte Brownie mit dem Altsaxophonisten Lou Donaldson ein. Diese Aufnahme, welche am 9. Juni 1953 entstand, wurde von Alfred Lion organisiert, der später einer der wichtigsten Bebop Plattenproduzen- ten wurde. Die Bandmitglieder waren Elmo Hope am Klavier, Percy Heath am Bass und Philly Joe Jones am Schlagzeug. Die Kompositionen waren haupt- sächlich Stücke von den Bandmitgliedern - unter anderem auch ein Stück von Clifford „Brownie Speaks“.

An diesem heißen Sommertag also begann die Jazzkarriere des jungen Clifford Brown. Später erzählte Lou Donaldson in einem Interview folgendes über Brownie: „Back then, a lot of guys were strung out. But Clifford was strong. There was nothing to get in his way. He was powerful, the guy who could play all night and never split a note.”10

Weitere Aufnahmen folgten mit dem Posaunisten Jay Jay Johnson und dessen Sextett am 22 Juni 1953. Die Besetzung waren Clifford Brown (tp), Johnson (tb), Jimmy Heath (ts, bar), John Lewis (p), Percy Heath (b) und Kenny Clarke (d).

Im Juli des Jahres 1953 wechselte Clifford mit seinem Kollegen Gigi Gryce von Dameron zu Lionel Hamptons Band, welcher gerade eine Europatournee plante. Etwa zur gleichen Zeit bekam Clifford einen Plattenvertrag von Alfred Lion für das Blue Note Label. Für sein eigenes Projekt suchte er sich Musiker wie Gigi Gryce, Percy Heath, Charlie Rouse und John Lewis und den große Art Blakey aus.

2.3. Europatournee mit Lionel Hampton

Lionel Hampton buchte sich bekannte und talentierte Bebopmusiker um eine Tournee durch ganz Europa zu planen. Unter den Musikern waren unter ande- rem Quincy Jones, Walter Williams, Art Farmer und Clifford Brown in der Trompetensektion. Bei den Posaunisten fanden sich Namen wie George „Buster“ Cooper und Jimmy Cleveland und ein alter Weggefährte Hamptons, Al Hoyse. Im Holzbläsersatz spielten Gryce, Estelle Anthony Ortega, Clifford Scott und Clifford Solomon. Monk Montgomery (b) , Billy Mackel (git), Alan Dawson (d) und George Wallington waren die Rhythmusgruppe der Hampton- Bigband. Auch die Sängerin Annie Ross war mit von der Partie, mit der es aber später einige Probleme gab.

Die Tour begann am 2. September in Oslo, wo sie 2 Konzerte spielten. Nach diesen beiden Konzerten gab es schon die ersten Meinungsverschiedenheiten in der Band. Lionel und seine Frau Gladys Hampton stellten vor der Europatournee einige Regelen auf, die den Mitmusikern nicht ganz zusagten. Sie verboten den Musikern während ihres Aufenthalts in Europa Aufnahmesessions mit anderen Produzenten zu machen, andernfalls würden sie sofort entlassen und bekämen kein Geld für das Rückflugticket.

Quincy Jones ließ sich von dieser Drohung nicht beeindrucken und nahm am 15. September einige Tracks für das Schwedische Label „Metronome“ auf. Er ver- sprach den Produzenten von „Metronome“, dass er das nächste Mal seine Kol- legen Clifford und Art Farmer mitbringen werde. Sofort nach der nächsten Show mit Hampton wollten die 3 Musiker um Mitternacht ins Studio des schwedischen Labels. Doch der Roadmanager von Lionel hatte Anweisung, dass kein Musiker mit seinem Instrument das Hotel verlassen darf. Quincy, Clifford und Art Farmer ließen sich nicht abschrecken und „entkamen“ durch die Hintertür.

Die Produktion die an diesem Abend eingespielt wurde erhielt den Namen „Clifford Brown - Art Farmer Swedish All Stars“. Die Besetzung stellte sich wie folgt dar: Clifford Brown (tp), Art Farmer (tp), Ake Persson (tb), Arne Domnerus (as), Lars Gullin (bar), Bengt Hallberg (p), Gunnar Johnson (b), Jack Noren (d), Quincy Jones (arr)

Die Tunes waren hauptsächlich Standards wie z. B. „Lover, Come Back to me“, „Falling in Love with Love“ und auch zwei Eigenkompositionen von Quincy „Scuse Those Blues“ und „Stockholm Sweetnin“. Die Improvisationen von Clifford gefielen Quincy so sehr, dass er sein Solo bei „Stockholm Sweetnin´“ für einen Bigbandchart transkribierte, den er in seinem späterem Album „This Is How I Fell About Jazz“ veröffentlichte.11

Zwei Tage nach dieser Session in Stockholm tourte die Band weiter nach Dänemark und Amsterdam. Während dieser Zeit ergaben sich mit der Sängerin Annie Ross, wie schon erwähnt einige Probleme. Die Feststellung, dass Annie eine weiße Sängerin in mitten von schwarzen Musikern war, gefiel dem europäischen Publikum ganz und gar nicht. Die Abneigung der Zuhörer ging soweit, dass Hampton seine Sängerin entlassen musste.

2.3.1. Brownie und Art Farmer

Hampton versuchte auf der Bühne die beiden Trompeter Clifford und Art Farmer gegenseitig anzustacheln. Hampton versuchte deshalb immer wieder Battle-Choruse in die Arrangements einzubauen. Die beiden Musiker schaukelten sich dabei so auf, dass die Solos immer länger und länger wurden. Art Farmer erklärte später in einem Interview folgendes:

„Brownie and I received our primary inspiration from the same source [Fats Navarro], and I think at one time we sounded somewhat similar, but he was always the more capable for being able to move around the horn.“12

2.3.2. Aufnahmesessions während der Zeit in Paris

Die nächste Station der Band war die Metropole Paris, in der sie 5 Tage Aufent- halt hatten. Da aber nur 2 Konzerte angesetzt waren hatten die Musiker genü- gend Freizeit, die sie auch prompt ausnutzten. Während dieser Zeit in Paris wurden insgesamt 4 Sessions mit Clifford Brown aufgenommen und veröffent- licht. Daraus entstanden folgende Platten „The Complete Paris Session Vol. 1 - Vol. 3“, „Clifford Brown Sextet“, „Clifford Brown - Gigi Gryce Sextet“, Clifford Brown Quartet“.

Die erste Aufnahme entstand mit dem Trio von Henri Renaud. Die Musiker waren Henri Renaud am Klavier, Pierre Michelot am Bass und Jean-Louis Viale am Schlagzeug. Dieses Trio wurde noch durch Gigi Gryce (as) , Jimmy Gourley (g) und natürlich durch Clifford Brown erweitert. Für die größeren Besetzungen der Aufnahme wurden noch anderer Musiker eingeladen: Fernand Verstrate (tp), Fred Gerard (tp), Al Hayse (tb), Jimmy Cleveland (tb), Bill Tamper (tb), Anthony Ortega (as), Clifford Solomon (ts), Henry Bernard (ts), Henry Jouot (bar).

Die Arrangements für diese Produktion wurden überwiegend von Gigi Gryce selbst geschrieben. Er studierte 1948 Komposition an dem „New England Conservatory of Music“ und bekam später ein Stipendium um bei Nadia Boulanger und Arthur Honegger zu studieren.

Am 29. September gingen Clifford und Gryce wieder mit dem Henri Renaud - Trio ins Studio. Bei dieser Session holten sie sich noch den Gitaristen Jimmy Gourley um das „Clifford Brown Sextet“ zu vervollständigen. Diese Aufnahmesession musste aber leider unterbrochen werden, da die Hampton Band nach Deutschland weitertourte, wo sie Konzerte in Düsseldorf, München, Frankfurt, Hamburg, Berlin und Mannheim gab. Später jedoch kehrten sie wieder nach Paris zurück, um noch die letzen Veranstaltungen im Theater zu spielen. Clifford nutzte die Chance und vollendete seine Aufnahmesession mit dem „Clifford Brown - Gigi Gryce Sextet“.

Seine letzte Aufnahme in Paris entstand in der letzten Minute seines Aufent- halts. Henri Renaud erinnert sich später: „It was absolutely unprepared and we did it in three hours one afternoon which turned out to be his final day in Paris.

Brownie did not have a lot time because he had to take a plane or a train with Hampton band“13

Während die Band weiter nach Skandinavien tourte wurden in Paris die Aufnahmen mit Clifford und seinen Kollegen veröffentlicht. Sofort waren sie in ganz Europa bekannt und auf den Titelseiten der bekannten Jazzzeitungen vertreten. Die Tour mit Hampton nahm schön langsam sein Ende. Am 1. Dezember 1953 kehrte die Bigband wieder nach USA zurück. Clifford Brown und seine Kollegen, die bei den Aufnahmen in Europa mitgewirkt hatten, wurden von Hampton sofort entlassen. Hampton machte seine Drohung war!

2.4. Art Blakey und Clifford Brown

Als Clifford wieder in New York angekommen war konnte er sich vor Angebo- ten kaum mehr retten. Während dieser Zeit profilierte sich Brownie als freibe- ruflicher Musiker in New York und in der Umgebung. Doch nach ein paar Wo- chen bekam er eine Einladung von Art Blakey, in seine neu formierte Band ein- zusteigen, in der auch Lou Donaldson, Curly Russel und Horace Silver spielen würden. Clifford nahm das Angebot natürlich an und stieg sofort in die Probenarbeiten der Band mit ein.

Am 21. Februar 1954 hatten die Musiker eine Blue Note Aufnahmesession im bekannten Jazzclub „Birdland“, wo das legendäre Album „Art Blakey: A Night at Birdland“ entstand. Die Session wurde allerdings nicht an einem Abend, wie veröffentlicht, sondern an zwei Tagen eingespielt, da die einzelnen Tunes eine durchschnittliche Länge von 7 Minuten hatten. Unter den Stücken befanden sich unter anderem Kompositionen von Horace Silver, Charlie Parker und Dizzy Gillespie: Split Kick, Once In A While, Quicksilver, Wee-Dot, A Night In Tunisia, Mayreh, Lullaby Of Birdland, The Way You Look Tonight, Now´s The Time und Confirmation.

Nach diesen Aufnahmen mit Blakey kam es aber bald zu einem schnellen Ende mit dieser Besetzung. Der Grund lag darin, dass sich Art Blakey zu dieser Zeit nicht um Nachfolgeauftritte kümmerte und somit warteten die Musiker vergeblich auf weitere Aufträge. Doch Clifford bekam ein paar Wochen später einen Anruf von Max Roach um in seine Band einzusteigen.

Max Roach etablierte sich als einer der führenden Bebop-Schlagzeuger der Welt. Seine ersten großen Aufnahmen machte er mit den Bebopgrößen Charlie Parker und Dizzy Gillespie und spielte unter anderem auch mit Thelonious Monk.

Während seines Aufenthalts in Kalifornien, wo er einen 6 Monats-Vertrag hatte, traf er Gene Norman, einen Plattenproduzent, der ihn dazu ermunterte eine eigene Band zu gründen.

Max erinnerte sich an den Trompeter den er bei der Aufnahme mit dem J. J. Johnson Sextett gehört hatte und engagierte Clifford für seine Band.

3. Das legendäre „Clifford Brown - Max Roach Quintet“

3.1. Entstehung und Anfangszeit des Quintetts

Nachdem Clifford und Max gemeinsam ein Konzept für ihr neues Projekt erar- beitet hatten, suchten sie Musiker, die ihren Vorstellungen entsprechen würden. George Bledsoe am Kontrabass, Carl Perkins am Klavier und Tedddy Edwards wurden für das Quintett letztendlich auserwählt. Da Max Roach Clifford Brown als Co-Leader einsetzte, änderte sich der Name von „Max-Roach Quintet“ zu dem legendären „Clifford Brown - Max Roach Qunitet“.

Durch seinen Freund und Kollegen Max Roach lernte er auch seine zukünftige Frau LaRue Anderson kennen. Seine erste Beziehung mit Ida Mae ging leider in die Brüche, da seine Freundin während Brownies Abwesenheit mit einem anderen Mann eine Beziehung einging.

Als Clifford LaRue kennen lernte studierte sie gerade Musikpsychologie an der Universität in Kalifornien. Während dieser Zeit arbeitete sie an einer wissen- schaftlichen Arbeit über Jazz. Dabei wollte sie beweisen, dass Jazz keine Kunst- form sei, was natürlich zu zahllosen Diskussionen mit Clifford und den anderen Musikern führte.

Als Brownie die Stücke und Arrangements für die neue Band schrieb, ent- schloss er sich eine Ballade für seine Freundin zu schreiben - „LaRue“. Diese Ballade wurde aber leider nie aufgenommen, da sie für Clifford zu viel bedeu- tete, weil er mit diesem Stück um die Hand seiner zukünftigen Frau angehalten hat. Brownie entschloss sich wenig später am 26. Juni 1954 LaRue zu heiraten.

Im April des Jahres 1954 entstand die erste Aufnahme des „Clifford Brown - Max Roach Quintets“, welche von Gene Newman produziert wurde. Die Kritiker der Zeitungen waren von dieser Scheibe sehr angetan, vor allem aber der Journalist Nat Hentoff. Er interviewte Clifford Brown für das Jazzmagazin „Down Beat“ und veröffentlichte dieses Gespräch in der Aprilausgabe der Zeitschrift mit dem Titel „Clifford Brown - the New Dizzy“.

In den Jahren, in denen Clifford mit Chris Powell und Hampton unterwegs war, sah er wie ein Teil seiner großen Vorbilder und Kollegen in Kontakt mit Drogen kamen. Brownie selbst blieb vom Drogenkonsum glücklicherweise verschont. Er versuchte die Inspiration und Musikalität durch harte Arbeit und nicht durch Drogenkonsum zu erreichen. Durch diese Einstellung zu seinem Leben „be- kehrte“ er auch einige andere Jazzer, die mit Drogen in Verbindung waren.

[...]


1 Vgl. Nick Catalano, “Clifford Brown-The Life and Art of the Legendary Jazz Trumpeter”, S. 4

2 Hollie West, “Clifford Brown-Trumpeter´s Training” Down Beat Juli 1980

3 Phil Schaap, Radio Interview mit Robert “Boysie” Lowery, WKCR-FM Columbia University New York, N.Y. 31. Oktober 1990

4 vgl. Nick Catalano, “Clifford Brown-The Life and Art of the Legendary Jazz Trumpeter”,S. 31

5 Leonard Feather, Jazz Encyclopedia Questionnaire, 1954

6 vgl. Nick Catalano, “Clifford Brown-The Life and Art of the Legendary Jazz Trumpeter”, Seite 42

7 Nick Catalano, “Clifford Brown-The Life and Art of the Legendary Jazz Trumpeter”, Interview mit Roy Haynes, 21. Juli 1998

8 Nick Catalano, “Clifford Brown-The Live and Art of the Legendary Jazz Trumpeter”, Interview mit Billy Taylor, Austin, Texas, 13. Oktober 1992

9 vgl. Nick Catalano, “Clifford Brown - The Life and Art of the Legendary Jazztrumpeter”, S.65

10 Nick Catalano, “Clifford Brown - The Life and Art of The Legendary Jazztrumpeter”, S. 67

11 vgl. Nick Catalano, „Clifford Brown- The Life and Art of The Legendary Jazzt Tumpeter“, Seite 80

12 Barbara Gardner, „The Legacy of Clifford Brown,“ Down Beat, 30. Oktober 1994

13 Mark Gardner, liner notes zu „The Clifford Brown Quartet in Paris“, Prestige Records PR 7761, 1970

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Clifford Brown: Arbeitsweise und Meisterwerke eines Jazztrompeters
Hochschule
Hochschule für Musik und Theater München  (Richard-Strauss-Konservatorium München)
Note
1,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
89
Katalognummer
V55533
ISBN (eBook)
9783638504553
Dateigröße
2895 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Clifford, Brown, Arbeitsweise, Meisterwerke, Jazztrompeters
Arbeit zitieren
Reinhard Greiner (Autor:in), 2000, Clifford Brown: Arbeitsweise und Meisterwerke eines Jazztrompeters, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55533

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