Warum engagierten sich die USA in Vietnam?


Hausarbeit, 2005

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Eindämmung
2. Domino-Theorie
3. Glaubwürdigkeit
4. "Flexible Antwort" und "counterinsurgency"
5. Idealismus

III. Zusammenfassung

IV.Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Am späten Nachmittag des 2. August 1964 griffen nordvietnamesische Torpedoboote den amerikanischen Zerstörer „Maddox" im Golf von Tonking an. Zwei Tage später meldete die „Maddox", die inzwischen von einem weiteren Zerstörer begleitet wurde, in der Nacht des 4. August erneut Feindangriffe. Daraufhin entschied sich die Regierung des US- amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson für militärische Maßnahmen gegen Nordvietnam: Am 5. August bombardierten US-Flugzeuge nordvietnamesische Marinestützpunkte. Mit dieser Aktion und der anschließenden „Tonking Gulf Resolution", mit der der Kongress den Präsidenten mit weitgehenden Vollmachten für kriegerische Maßnahmen ausstattete, wurde der Bürgerkrieg in Südvietnam im Wesentlichen zu einem amerikanisch-nordvietnamesischen Krieg.

Doch warum engagierten sich die Vereinigten Staaten von Amerika überhaupt in Vietnam? Von welchen Motivationen ließen sich die politischen Verantwortlichen in Washington leiten? Die vorliegende Arbeit hat ebendiese Fragen zum Thema. Dabei soll die Betrachtung ausschließlich den Antriebsfaktoren der amerikanischen Vietnam-Politik gelten und eine kritische Auseinandersetzung mit den Beweggründen aussparen, da eine derartige Behandlung den Rahmen dieser Darstellung sprengen würde.

Ziel ist es, die Doktrinen und Strategien näher zu beleuchten, auf deren Basis die Präsidenten Harry S. Truman, Dwight D. Eisenhower, John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson in den 1950er und 1960er Jahren ihre Entscheidungen in Bezug auf Vietnam trafen.

Zunächst werden zu diesem Zweck die Wurzeln des Engagements in der Zeit Trumans vorgestellt, aus denen sich die für Vietnam bestimmende Domino-Theorie entwickelte, die in Kapitel 2 untersucht werden soll. Im darauf folgenden Abschnitt gilt die Aufmerksamkeit der Frage, inwieweit Sorgen um die amerikanische Glaubwürdigkeit in der Welt die Entscheidungen der politischen Akteure beeinflussten. Ein weiterer Schwerpunkt wird zugleich auf die militärische Strategie der „flexiblen Antwort" und der Anti-Guerilla-Taktik „counterinsurgency" gelegt, die die USA als Antwort auf die nationalen Befreiungskriege zu Beginn der 1960er Jahre konzipierten und in Vietnam austesten wollten. Ebenso angesprochen werden sollen schließlich der Idealismus und der Antikommunismus als maßgebende handlungsbestimmende Weltbilder. Eine Zusammenfassung soll die Arbeit dann beschließen.

Die Quellenlage zu dem Thema dieser Darstellung ist aufgrund der so genannten „Pentagon Papers" ungewöhnlich gut. Diese streng geheimen Unterlagen, die 1971 der „New York Times" zugespielt wurden, waren 1967 auf Wunsch des damaligen Verteidigungsministers Robert S. McNamara erarbeitet worden und dokumentieren ausführlich die Geschichte des amerikanischen Engagements in Vietnam.

Gesamtdarstellungen zum Vietnamkrieg sind in beträchtlicher Anzahl erschienen. Unter den Historikern sind dabei insbesondere George C. Herring und Gary R. Hess als bedeutende Instanzen zu nennen.

II. Hauptteil

1. Eindämmung

Die Wurzeln des Engagements der USA in Vietnam reichten bis ins Jahr 1947 zurück. Denn am 12. März 1947 verkündete der damalige amerikanische Präsident Harry S. Truman in einer Rede vor beiden Häusern des Kongresses eine Doktrin, die unter der Bezeichnung „Containment-Politik" im Nachgang weltweit bekannt wurde. Anlass dafür war Trumans Aufforderung an den Kongress, Militär- und Wirtschaftshilfe an Griechenland und die Türkei zu leisten, um sie vor einer angeblich drohenden kommunistischen Machtübernahme zu bewahren.1

Mit diesem außenpolitischen Programm der Eindämmung sollte die Ausbreitung des Kommunismus verhindert werden. In den Augen Trumans waren die Vereinigten Staaten dazu verpflichtet, alle freien Völker zu unterstützen, die sich der Unterwerfung durch bewaffnete, kommunistische Aufständische oder durch äußeren Druck widersetzten. Um die Sowjets zu stoppen, sei es nämlich in höchstem Maße erforderlich, eine Politik der entschlossenen Eindämmung („firm containment") zu betreiben. Damit sollte die UdSSR und der ganze kommunistische Block an jeder Stelle, wo sie die Interessen einer friedlichen, freien und stabilen Welt zu verletzen suchten, - sei es mit subversiven Mitteln, oder gar direkter Intervention - mit einer unüberwindlichen Gegenmacht der USA und ihrer Verbündeten konfrontiert werden - freie Staaten sollten gegen sowjetische Einflussnahme verteidigt werden.2 Der Schöpfer dieses Konzepts, der langjährige Diplomat George F. Kennan, wollte Eindämmung jedoch im Wesentlichen mehr als eine diplomatisch-politische Strategie verstanden wissen, denn als eine militärische.3 Die Sowjettunion sollte nicht zurückgedrängt werden, sondern lediglich ihrer angestrebten Expansion Einhalt geboten werden. Darum war es keineswegs ein Ziel dieses Konzepts, unter sowjetischer Herrschaft stehende Staaten zu befreien.

Dennoch war die Truman-Doktrin die Geburtsstunde eines bestimmten Verständnisses amerikanischer Außenpolitik, der es ein Muss war, Freiheit weltweit zu verteidigen - und zwar nicht nur in Europa, sondern auch in Asien. Im Zeichen dieser Strategie stand letztlich das Engagement in Vietnam: Die nordkoreanische Invasion Südkoreas im Juni 1950 wurde als Beginn einer von der Sowjetunion initiierten militärischen Aggression neuer Qualität begriffen. Für Washington stand mit diesem Ereignis eindeutig fest, dass die UdSSR im Zusammenspiel mit Rot- China eine globale Expansionspolitik betrieb4 - direkte Folge davon war, dass die USA finanziell den Kampf der französischen Kolonialherren gegen die aufständische, kommunistische Bewegung Viet Minh unterstützten.

2. Domino-Theorie

„You have a row of dominoes set up, you knock over the first one, and what will happen to the last one is the certainty that it will go over very quickly.”5

Mit dieser Aussage vom 7. April 1954 galt der US-amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower gemeinhin als Begründer der so genannten Domino-Theorie, die besagte, dass die Vereinigten Staaten keinen (Domino-) Stein aus der Mauer ihrer Einflusssphäre fallen lassen dürften, mit der die USA den chinesischen Kommunismus in Südostasien seit Truman eindämmen wollten, ohne dass die ganze Mauer einstürzt. Nach dieser Theorie besteht die Möglichkeit, dass ein kommunistischer Umsturz in einem Land Umstürze in weiteren angrenzenden Ländern zur Folge haben könnte.

Doch mit den Worten Eisenhowers wurde für die Öffentlichkeit lediglich eine politische Betrachtungsweise manifest, die in den obersten Regierungskreisen schon lange vor dem Amtsantritt des republikanischen Präsidenten diskutiert worden war.

So war etwa im Februar 1950, also bereits sechs Monate vor dem Ausbruch des Korea-Kriegs, der National Security Council (NSC) zu dem Schluss gekommen, dass Indochina für die Stabilität ganz Ostasiens eine immanent wichtige Rolle einnehme. Denn würde Indochina, d.h. Vietnam, aus der Reihe der nicht-kommunistischen Staaten herausfallen, zöge dies den Fall Birmas und Thailands nach sich. Als Konsequenz wäre damit das Gleichgewicht in Südostasien gefährdet gewesen. Und genau dieses Szenario schätzten die Autoren des NSC-Dokuments als realistisch ein, da sie die Ansicht vertraten, dass Indochina unmittelbar vom Kommunismus bedroht sei. Ebenjenes Memorandum markierte daher den Beginn der Domino-Theorie.

Zwei Monate später äußerte sich das Gremium folgendermaßen:

„Any substantial further extension of the area under the domination of the Kremlin would raise the possibility that no coalition adequate to confront the Kremlin with greater strength could be assembled.“6

Und 1952 trug die Einschätzung des Nationalen Sicherheitsrates noch radikalere Züge:

„Der Verlust eines der Länder Südostasiens durch die kommunistische Aggression würde bedenkliche psychologische, politische und wirtschaftliche Folgen haben. Ohne wirksame und rechtzeitige Gegenmaßnahmen würde der Verlust auch nur eines einzigen Landes bei den übrigen Ländern dieser Gruppe wahrscheinlich relativ rasch zur Unterwerfung und oder Anpassung an den Kommunismus führen. Darüber hinaus würde ein Einschwenken des restlichen Südostasiens, Indiens, und auf lange Sicht, des Nahen Ostens auf die Linie des Kommunismus ... aller Wahrscheinlichkeit nach Schritt für Schritt folgen: Eine so weiträumige Neuformierung müßte die Stabilität und Sicherheit Europas gefährden.“7

Jetzt ging es also nicht mehr nur um das Kräftegleichgewicht in Asien, sondern um das globale Gleichgewicht. Folgte man nämlich der amerikanischen Analyse, so wurde das weltweite Mächtegleichgewicht von Nordvietnam, dem Stellvertreter Pekings bedroht, das seinerseits wiederum von Moskau kontrolliert wurde.8

In den Augen der Amerikaner sah man sich denn auch mit einer einzigen globalen Bedrohung konfrontiert, die einherging mit einer aus Moskau zentral gesteuerten kommunistischen Verschwörung.9 Dieser Eindruck eines aggressiven-expansionistischen Kommunismus unter Führung der Sowjetunion war als direkte Folge der Blockade Berlins, den ersten sowjetischen Atomwaffenversuchen, dem Sieg der Kommunisten in China und der kommunistischen Invasion Südkoreas zu verstehen - all diese Ereignisse hatten die US-Führung davon überzeugt, dass eine weitere Ausdehnung des Kommunismus nicht mehr hingenommen werden könne. Oder wie es Präsident Eisenhower ausdrückte: „Asia, after all, has already lost some 450 million of its peoples to the Communist dictatorship, and we simply can't afford greater losses.”10 Mit dem Ende der Eisenhower'schen Präsidentschaft kam aber keineswegs auch das Ende der Domino-Theorie: Sein Nachfolger John F. Kennedy bekannte sich in einem Interview mit dem amerikanischen Journalisten David Brinkley ebenfalls zu der Theorie der fallenden Dominosteine:

„No, I believe it. China is so large, looms so high just beyond the frontier, that if south Viet-Nam went, it would not assault on Malaya but would also give the impression that the wave of the future in southeast Asia was China and the Communists. I believe it truly.”11

Zumal der damalige Senator von Massachusetts bereits 1956 erklärt hatte:

„Vietnam represents the cornerstone of the Free World in Southeast Asia, the keystone to the arch, the finger in the dike. Burma, Thailand, India, Japan, the Philippines, and obviously Laos and Cambodia are among those whose security would be threatened if the Red tide of Communism overflowed into Vietnam. (...) The United States is directly responsible for this experiment to fail.. . If we are not the parents of little Vietnam, then surely we are the godparents.”12

[...]


1 Vgl. Rupieper, 2002, S. 329.

2 Vgl. Heideking, 2003, S. 356.

3 Vgl. ebd., S. 356.

4 Vgl. Rupieper, 2002, S. 331.

5 Zitiert nach Eisenhower, 1954, S. 383.

6 Zitiert nach FRUS, 1977, S. 237 f.

7 Zitiert nach Sheehan, 1971, S. 26.

8 Vgl. Kissinger, 1994, S. 682.

9 Vgl. Short, 1989, S. 134 f.

10 Zitiert nach Eisenhower, 1954, S. 383.

11 Zitiert nach Kennedy, 1963, http://www.jfklibrary.org/i024578.htm.

12 Zitiert nach Reeves, 1993, S. 254.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Warum engagierten sich die USA in Vietnam?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
US-Außenpolitik 1898-1989
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
15
Katalognummer
V55198
ISBN (eBook)
9783638502207
ISBN (Buch)
9783640718139
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
USA Vietnam Außenpolitik US-Außenpolitik Kalter Krieg Präsident US-Präsident Washington Saigon Eisenhower Kennedy Geschichte Politik
Arbeit zitieren
Claudia Wößner (Autor:in), 2005, Warum engagierten sich die USA in Vietnam?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55198

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Warum engagierten sich die USA in Vietnam?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden